In unserem Textarchiv finden Sie alle Artikel aus der deutschen Ausgabe seit 1995. Ausgenommen sind die Artikel der letzten drei Ausgaben.
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Befristetes Kurzabo
Ausgabe vom 11.12.1998
Durch die rasche Ausbreitung des Internet erleben die neuen Kommunikationstechnologien derzeit einen regelrechten Boom. Diese Art der Übermittlung fördert den Meinungsaustausch. Zudem steigt die Menge der verfügbaren Informationen exponentiell. Das ist gleichermaßen faszinierend wie beunruhigend. Welche Gefahren sind real, und wie kann man ihnen widerstehen, ohne in Archaismus zu verfallen? Zwei große Schriftsteller und Nobelpreisträger, Kenzaburo Oe und José Saramago, äußern sich.Von
JOSÉ SARAMGO *
■ Mit der Verbreitung von Fax und e- mail ist es jedem, der schreibt, heute möglich, die Zeit zwischen dem Verfassen und dem Erhalt eines Briefes enorm zu verkürzen. Der geistige Austausch könnte um so reger sein. Und ist es teilweise auch. Doch die Beteiligten sind nicht nur fasziniert. Viele beobachten ihr eigenes Tun mit einer gewissen Beunruhigung, denn bislang sind die Spuren, die diese Entwicklung im Geistesleben einzelner Länder und in den jeweiligen Sprachen hinterlassen hat, nicht erforscht.Von
KENZABURO ÔE *
SEIT im Februar 1998 der erste Staatspräsident der jungen armenischen Republik, Lewon Ter-Petrosjan, zum Rücktritt gezwungen wurde, hat sich kaum etwas geändert. Von wenigen Ausnahmen abgesehen besteht die neue Regierung unter Robert Kotscharjan seltsamerweise aus den gleichen Mitgliedern wie die seines Vorgängers. Weite Teile der Bevölkerung, die auf eine Besserung ihrer Lage gehofft hatten, sehen sich enttäuscht. Innerhalb des Triumvirats, das den Rücktritt des früheren Präsidenten erwirkt hatte ud die Schlüsselfunktionen der Macht übernahm, werden grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten sichtbar. Den Hintergrund des politischen Szenarios beherrscht das ungelöste Problem der Verhandlungen um die Enklave Berg-Karabach, die wieder einmal stocken. Das angrenzende Georgien ist von inneren regionalen und ethnischen Konflikten bedroht, bei denen russisch-amerikanische Machtkämpfe eine entscheidende Rolle spielen.Von unserem Korrespondenten
JEAN GUEYRAS *
DIE amerikanischen Wahlen vom 3. November hatten die geringste Wahlbeteiligung aller Zeiten und nur begrenzte politische Aussagekraft. Man könnte sie auch als die teuerste, uninteressanteste und irrelevanteste Wählerbefragung der letzten Jahre abhaken. Wenn es da nicht die Presse gäbe. Weil die als Folge der „Lewinsky-Affäre“ einen politischen Erdrutsch angekündigt hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als das Wahlergebnis zum Erdrutsch in umgekehrter Richtung zu erklären. Auch wenn es nicht so meienwirsam ist, sollte man freilich den logischen Gedanken erwägen, daß eine Partei nicht schon deshalb zum Wahlsieger wird, weil man ihr eine besonders klare Niederlage prophezeit hat.Von
SERGE HALIMI
NACH seiner Ankunft in Rom im November hat der Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, erneut seine Bereitschaft geäußert, innerhalb des türkischen Staats eine friedliche Lösung für das Kurdenproblem zu suchen. Die türkische Regierung ignoriert diese Angebote jedoch, fordert seine Auslieferung und droht Italien mit Sanktionen. Die Weigerung der türkischen Militärs, die kurdische Identität anzuerkennen, treibt sie dazu, immer im Ausland nach Lösungen für einen Krieg zu suchen, der bereits fünfzehn Jahre andauert. In diesem Zusammenhang ist auch die Krise mit Syrien zu sehen, die im vergangenen Oktober ausgebrochen ist.Von
XXX *
DIE Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes in Rom im Juli dieses Jahres, die Arbeit der Wahrheitskommission in Südafrika und die Verhaftung Pinochets in London sind Zeugnisse dafür, daß die Welt auf Menschenrechtsverletzungen empfindlicher reagiert. Auch fünfzig Jahre nach Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist das Problem noch nicht gelöst, wie die darin formulierten grundlegenden Rechtsprinzipien international durchgesetzt werden können. Das Prinzip der einzelstaatlicen Souveränität darf nicht mehr dazu führen, daß Verbrecher ohne Strafe davonkommen.Von
MONIQUE CHEMILLIER-GENDREAU *
Fünfzig Jahre lang im Exil. Seit sie 1948 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, leben die Palästinenser an den Grenzen des Staates Israel: ein Teil in Flüchtlingslagern, der andere in Städten. Die einen vegetieren in großer Armut, die anderen haben sich ein neues Leben aufgebaut. Alle aber stehen noch immer unter dem Eindruck eines nicht wiedergutzumachenden Verlustes und träumen von der „Rückkehr“. Nachdem sie jahrelang die Speerspitze des Nationalbewußtseins der Palästinenser gebildet hatten, sind de Flüchtlinge seit den Osloer Verträgen in Vergessenheit geraten. Dabei steht ihr trauriges Los im Zentrum der Konfrontationen, die den Nahen Osten erschüttert haben.Von unserem Korrespondenten
ALAIN GRESH
DER weltweite Verfall der Erdölpreise und die Auswirkungen der derzeitigen Erschütterungen in der Finanzwelt haben Venezuela mit voller Wucht getroffen. Die Präsidentschaftswahlen vom 6. Dezember fielen also in eine schwierige Phase. Während sich die beiden Parteien Copei und Acción Democrática, die das politische Leben des Landes seit 1958 beherrschen, in einer Krise befinden, siegte der Überraschungskandidat, der die weitverbreitete Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen ausbeuten knnte. Der linke Caudillo Hugo Chavez, der 1992 schon einmal als Armeeoberst hinter einem Putschversuch gestanden hatte, ist ein radikaler Kritiker der weitverbreiteten Korruption, er prangert die fortbestehende soziale Ungleichheit an und polemisiert gegen die wirtschaftliche Globalisierung und die Diktatur der Finanzmärkte.Von
ARTURO USLAR PIETRI *
SCHON als Student interessierte sich Fidel Castro für die Küche und ihre Produkte. Der kubanische Revolutionär gab Frauen gerne Kochanweisungen und sorgte dafür, daß der Angriff auf die Moncada-Kaserne nicht mit leerem Magen erfolgte. Manuel Vázquez Montalbán, bekannt als Verfasser kulinarischer Kriminalromane, widmet sich anläßlich des 40. Jahrestags der kubanischen Revolution dem Verhältnis von Fidel zur Küche und zu den Frauen.Von
MANUEL VÁZQUEZ MONTALBÁN *
UM ihr Image ein bißchen aufzupolieren, hat die Militärregierung von Birma im Dezember 1997 ihr Machtinstrument, den einstigen Staatsrat zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung (State Law and Order Restoration Council – SLORC), in Staatsrat für Frieden und Entwicklung (SPDC) umbenannt. Als das Land im Juli 1997 unter Berufung auf die „asiatischen Werte“ in den Verband südostasiatischer Staaten (Asean) aufgenommen wurde, wollte man in erster Linie dem wachsenden Einfluß Chinas auf Rangun entgegenteuern; doch das Regime, das der Opposition und deren Führerin Aung San Suu Kyi keinerlei Bewegungsfreiheit läßt, ist das alte geblieben. Auch die ethnischen Minderheiten haben nur die Wahl zwischen Repression und Kapitulation – während dieverschiedenen warlords weiterhin ungehindert ihren lukrativen Geschäften im Drogenhandel nachgehen.Von
ANDRÉ
und
LOUIS BOUCAUD *
DER Abbruch der drei Jahre währenden OECD-Verhandlungen über das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) ist ein unbestreitbarer Sieg der Bürgerinitiativen, die in zahlreichen Ländern und insbesondere in Frankreich die Öffentlichkeit mobilisiert haben, um die Unterzeichnung des Abkommens zu verhindern. Die Kampagne hat nicht nur die undurchsichtige Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftskreisen und Regierungsinstanzen enthüllt; sie hat auch gezeigt, daß die neuen, dem Zeitalter der Globalisierun angepaßten Strategien der sozialen Kämpfe und der systematische Einsatz des Internet zum Erfolg führen können.Von
CHRISTIAN DE BRIE *
Die Erzeugung genetisch veränderter Organismen (GVO) ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die großen multinationalen Firmen – inzwischen kann man von einem genetisch-industriellen Komplex sprechen, ähnlich dem militärisch-industriellen Komplex – wollen eine Debatte über die Frage vermeiden, die sich viele Bürger stellen: Darf man Lebewesen manipulieren oder gar sterilisieren, um immer mehr Gewinn zu machen? Ist es noch zu verantworten, daß die Leitungsgremien öffentlicher Forschungseinrichtungen nd die zuständigen Ministerien diesen Firmen Rückendeckung verschaffen, denen das Gemeinwohl nichts bedeutet? In diesem Monat wird der französische Staatsrat darüber befinden, ob die im Februar getroffene Entscheidung des Landwirtschaftsministeriums, den Anbau von drei transgenen Maissorten der Firma Novartis zu genehmigen, rechtmäßig ist.Von
JEAN-PIERRE BERLAN
und
RICHARD C. LEWONTIN *