Kunst

In jeder Ausgabe präsentiert die deutschsprachige LE MONDE diplomatique eine/n (zumeist zeitgenössische/n) KünstlerIn mit ausgewählten Werken. So erhalten unsere LeserInnen kleine Einblicke in außersprachliche Darstellungen und Verarbeitungen individueller wie gesellschaftlicher Prozesse. Neben einem kurzen einführenden Text gibt es Hinweise auf aktuelle Ausstellungen und Kataloge zum Weitersehen.

Die Kunst dieser Ausgabe ist ganz einer einzigen Arbeit des Schweizer Zeichners, Malers und Konzeptkünstlers Peter Radelfinger, geboren 1953 in Bern, gewidmet. Seit 1983 bearbeitet und übermalt er in mehreren Phasen die Seiten eines Schweizer Atlanten für die Mittelschule. In der ersten Phase entstehen Zeichnungen, Malereien, Collagen und Montagen. Radelfinger selbst bezeichnet das Ergebnis dieser Phase als ein weitgehendes „Debakel“. In einer zweiten Phase werden die Blätter mit meist weißer Farbe übermalt, also neu grundiert in dem Versuch, „neue Gründe zu finden“. Es ist ein, wie Radelfinger schreibt, Arbeitsprozess „der Schichtung, Überlagerung und Überlappung“, der dann allerdings in der dritten Phase wieder umgekehrt wird: Der Künstler schleift die Seiten wieder ab, sowohl mit einer Schleifmaschine als auch mit der Hand. Der Künstler bezeichnet es als „geopoetische Überarbeitung und Neukartierung“. Das Ergebnis sind sehr zarte, inzwischen fragil gewordene Blätter, die „Raum für Unbestimmtheiten“ zulassen. Der Abschleifprozess ist noch nicht abgeschlossen, und für den Künstler bleibt offen, „ob am Schluss etwas oder nichts übrigbleibt“.​

www.radelfinger.com

Wilhelm Werthern​