Christian Semler (1938-2013) war seit 1989 Redakteur der taz und schrieb auch für die deutsche Ausgabe von Le Monde diplomatique. Sein letzter Text erschien einen Monat vor seinem Tod im Januar 2013. In dem wunderbaren Essay „Weltentwurf“ ging es um eine Karte des Surrealisten Yves Tanguy: „Was auf der Karte der Surrealisten zu sehen war, stellte die eingeschliffenen Erwartungen auf den Kopf. Infolge der euro-atlantischen Fixierung war auf den herrschenden Weltkarten ein Großteil des Pazifischen Ozeans und seiner Inselwelt verschwunden. Auf der surrealistischen Karte lag der Pazifische Ozean hingegen genau in der Mitte, während Europa, auf eine Winzigkeit reduziert, kaum am linken Rand der Karte zu entdecken war.“ Christian Semler schrieb so, wie er sprach. Wenn man seine „Aufsätze“, wie er immer sagte, in der Zeitung las, hörte man ihn direkt reden. Er hat uns oft in unserer kleinen Redaktion besucht und hatte immer viel zu erzählen. Dabei schien er alles um sich herum zu vergessen. Mit einer geradezu kindlichen Neugier förderte er die erstaunlichsten Geschichten zutage. Dann blitzte es in seinen freundlichen braunen Augen, und er schmunzelte vor intellektuellem Vergnügen. Wir werden Christian sehr vermissen.
Die Redaktion von Le Monde diplomatique, Berlin
Für die Vielfalt und die bleibende Aktualität der Texte von Christian Semler für die deutsche Ausgabe von Le Monde diplomatique stehen viele Beiträge, die im Lauf von über fünfzehn Jahren erschienen sind. Wir finden nach wie vor besonders lesenswert:
„Die Jugend von heute – kaum zu fassen“ vom Oktober 1999.
„Von der Empörung zur Gewalt und wieder zurück: Wie die 68er den Pazifismus verlernten“ vom Mai 2008.
„Danke für die Tränen. Polen erlebt einen emotionalen Wahlkampf“ vom Juni 2010.
„Weltentwurf. Die Kartographie der Surrealisten“ vom Januar 2013.