11.12.1998

Druck auf die Minderheiten

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Druck auf die Minderheiten

AM 14. April 1998 wurde Myawaddy, ein birmesisches Dorf in der Nähe der thailändischen Grenze, von donnerndem Granatenhagel und Gewehrsalven geweckt. So schnell, wie sie gekommen waren, hatten sich die Angreifer, Angehörige der Karen National Union (KNU), auch wieder in den Dschungel zurückgezogen, nachdem sie einige Baracken und Fahrzeuge auf dem Marktplatz in Brand gesteckt hatten. Es fragt sich, ob dieser Überfall durch ein Kommando der KNU das letzte Aufbäumen einer ausgebluteten Rebellion war, die seit fünfzig Jahren gegen die Zentralmacht kämpft und der die birmesischen Militärs als Dialog nie etwas anderes vorgeschlagen haben als bedingungslose Kapitulation.

Die Karen sind eine der zahlreichen ethnischen Minderheiten, die sich seit der Unabhängigkeit des Landes im bewaffneten Kampf gegen die Hegemonie der Birmanen befinden. Diese Minderheit fungierte in der Vergangenheit als Speerspitze und Katalysator für die anderen ethnischen Minderheiten, die revoltierten, um ihre Identität zu verteidigen. Zunächst waren es die Mon, Karenni und Pa-O, die zu den Waffen griffen, später kamen die Shan und Kachin dazu. Andere Minderheiten wie die Wa und Kona gingen in der mächtigen Kommunistischen Partei Birmas auf, als sich diese in die Territorien entlang der chinesischen Grenze zurückzog.

Seit 1989 haben die meisten ethnischen Minderheiten, die sich im bewaffneten Kampf befanden, Waffenstillstandsverträge unterzeichnet. Dies war die von der Militärdiktatur angestrebte erste Etappe auf dem Weg der Zwangseingliederung der Minderheiten. Erreicht werden sollte die Assimilation teils durch brutale Repression, teils durch das Angebot einer gewissen Autonomie an die ethnischen Führer, die sich allerdings im Gegenzug zum Waffenstillstand bereit finden mußten. Ziel ist die vollständige Kapitulation der Rebellen und die Schaffung einer regionalen Autonomie in sogenannten Sonderzonen; auf diese Weise hoffte man, den ethnischen Partikularismus einzubinden. Nur eine Handvoll Karen der KNU leistet heute noch Widerstand, während 110000 Flüchtlinge der zivilen Karen-Bevölkerung zusammengepfercht in thailändischen Lagern leben.

A. und L. B.

Le Monde diplomatique vom 11.12.1998, von A.B. und L.B.