Archiv: Texte

In unserem Textarchiv finden Sie alle Artikel aus der deutschen Ausgabe seit 1995. Ausgenommen sind die Artikel der letzten drei Ausgaben.
Aktuelle Ausgaben
Befristetes Kurzabo


Ausgabe vom 14.03.1997


  • WÄHREND die Ethikkommissionen über die Patentierbarkeit von Lebewesen diskutieren, investieren vor allem die großen Pharmakonzerne, die sich mit der Erforschung des menschlichen Genoms beschäftigen, Milliarden Dollar. Sie wollen sich damit als erste die Entdeckungen einer Forschung sichern, die häufig mit öffentlichen Mitteln betrieben wird. Ein Experiment, bei dem es gelang, ein Schaf zu klonen, zeigt, daß es möglich ist, genetisch veränderte Tiere zu erzeugen und die Forschungsergebnisse auf den Menschen zu übertragen. Da die Politiker und Forscher keinen Widerstand dagegen leisten, dringt der Markt somit in das letzte noch vorhandene Heiligtum vor – den menschlichen Körper.Von
    PHILIPPE FROGUEL
    und
    CATHERINE SMAJDA
    *
  • Von
    GILLES LUNEAU
    *
  • Seit den achtziger Jahren hat die Europäische Union auf dem amerikanischen Kontinent bedeutende Aktivitäten zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und zur friedlichen Konfliktlösung entwickelt. Sie steht nicht nur bei der Entwicklungshilfe an erster Stelle (noch vor den Vereinigten Staaten), sie ist für Lateinamerika auch der zweitwichtigste Handelspartner. Doch Europa unterstützt auch fast bedingungslos den „Washingtoner Konsens“. In dessen Namen wurden die Volkswirtschaften nach den Prinzipien von „Liberalisierung“, „Deregulierung“ und „Privatisierung“ reorganisiert, wovon die spanischen, deutschen und französischen Unternehmen reichlich profitierten.Von der Karibik bis Feuerland hat die gesellschaftliche Ungleichheit zugenommen, wurden die sozialen Sicherungssysteme abgebaut. In Peru wurden seit 1990 750000 Arbeitsplätze abgebaut, 79,4 Prozent der Bevölkerung leben laut Weltbank unterhalb der Armutsgrenze. In Ecuador betrifft die Armut inzwischen 40 Prozent der städtischen und 67 Prozent der Landbevölkerung. Kommt es da überraschend, daß in Lima ein Kommando der Revolutionären Bewegung Túpac Amaru (MRTA) mehrere Dutzend Geiseln festhält? Oder daß in Quito Präsident Abdala Bucaram abgesetzt wurde, nachdem sein ultraliberales Wirtschaftsprogramm das Volk auf die Straßen getrieben hatte? Dies sind deutliche Anzeichen dafür, daß die Bedingungen wieder für dramatische Entwicklungen reif sind, das Wiederaufleben der Guerillabewegungen und die Wiederkehr von Diktaturen inbegriffen. Wenn man nicht in Kauf nehmen will, daß morgen ein Sturm losbricht, sollte Europa den Glauben aufgeben, Wirtschaftswachstum sei langfristig ohne soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.M. L.Von
    JEAN-JACQUES KOURLIANDSKY
    *
  • ■ Im erbitterten Konkurrenzkampf der großen Kommunikationskonzerne gibt es keine Atempause. Davon zeugt eine Vereinbarung im Bereich der Telekommunikation, die am 15. Februar 1997 in Genf von 28 LIm erbitterten Konkurrenzkampf der großen Kommunikationskonzerne gibt es keine Atempause. Davon zeugt eine Vereinbarung im Bereich der Telekommunikation, die am 15. Februar 1997 in Genf von 28 Ländern unter der Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation (WTO) unterzeichnet wurde. Dieses Abkommen wird insbesondere den großen amerikanischen operators Zugang zu den nationalen Märkten zahlreicher Länder verschaffen. Das französische Unternehmen Générale des eaux, das sich schon im Verlagswesen, im audiovisuellen Bereich, bei Canal +, im Kabel-TV und in den Printmedien eingekauft hat, entwickelt sich seit der Übernahme von Havas zu einem der größten Mobilfunkanbieter. Das entscheidende und weltweit mit erbitterter Härte geführte Tauziehen gilt gegenwärtig jedoch der Kontrolle über jene drei Industriesektoren – Computer, Fernsehen und Telefon – die im Internet miteinander verschmelzen. Der Konzern, der das Internet beherrscht, wird in der Kommunikationswelt von morgen tonangebend sein, mit allen Risiken, die das für die Kultur und die geistige Freiheit der Bürger mit sich bringt.Von
    DAN SCHILLER
    *
  • Von
    IGNACIO RAMONET
  • Von
    PHILIPPE BRETON
    *
  • SOLANGE man nicht bereit ist, die Möglichkeiten der technologischen Revolution zu nutzen, bleiben die Maßnahmen gegen die Massenarbeitslosigkeit lächerliches Flickwerk. Unter dem Vorwand, die Renten zu sichern, beutet man auf zynische Weise die Zukunftsängste aus, um Pensionsfonds einzurichten, die vor allem den Interessen des Finanzkapitals dienen. So folgt die französische Regierung zunehmend dem britischen „Modell“, das von der OECD in den höchsten Tönen gelobt wird, dessen verheerende Folgen aber inzwischen offenkundig sind. Dabei gibt es andere Wege, die sich am gesunden Menschenverstand und an der Notwendigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts orientieren.Von
    JACQUES ROBIN
    *
  • Von
    RENÉ PASSET
    *
  • DIE islamistische Regierung der Türkei ist an allen Fronten in Schwierigkeiten geraten: anhaltend hohe Inflation, Auseinandersetzungen über die Frage des Säkularstaats, Spannungen mit Griechenland über die Zypernfrage. In Kurdistan erweist sich Regierungschef Necmettin Erbakan als ebenso unfähig wie seine Vorgänger, eine Lösung für eine Beendigung des Krieges zu finden, der schon Jahre dauert und den Staat immer teurer zu stehen kommt. Ein Autounfall hat kürzlich der erstaunten Öffentlichkeit vor Augen geführt, in welchem Ausmaß der Sicherheitsapparat, die extreme Rechte, die Mafia und die Regierungsmilizen, die gegen die Guerilla kämpfen, miteinander verstrickt sind.Von
    MARTIN A. LEE
    *
  • BORIS Jelzins Gesundheitszustand ist nicht dazu angetan, die Spekulationen über mögliche Nachfolger verstummen zu lassen. Als Kandidaten gelten vor allem General Alexander Lebed und Juri Luschkow, der Moskauer Bürgermeister. Seit Lebed im Oktober seinen Posten als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates einbüßte, sind seine Auftritte in den russischen Medien seltener geworden. Um so mehr bemüht er sich um die Unterstützung des Westens; seinen Wahlkampf scheint er vornehmlich in Europa und den USA zu führen. Aber Jelzin muß nicht nur mit Lebed, sondern auch mit regionalen Führern rechnen, die ihre Position bei den Wahlen in den letzten Monaten deutlich gefestigt haben.Von unserem Korrespondenten
    JEAN RADVANYI
    *
  • DEN Flüchtlingen in Bosnien bleibt immer weniger Hoffnung auf Rückkehr an ihre Wohnorte. 30000 Kroaten und Muslime warten darauf, nach Brčko zurückzukehren, wo die Serben mit Duldung der amerikanischen „Vermittler“ Tausende ihrer Landsleute ansiedeln. In Mostar waren muslimische Familien erneut zur Flucht gezwungen, während sich die kroatische Miliz mit der Nato- Schutztruppe anlegt. In Anbetracht der allgemeinen Destabilisierung auf dem Balkan sind diese neuerlichen Rückschläge bei der Umsetzung des Dayton- Abkommens besonders alarmierend.Von
    JEAN-YVES POTEL
    *
  • DER Tod des langjährigen chinesischen Führers Deng Xiaoping hat weder das Regime aus dem Gleichschritt gebracht noch besondere Reaktionen in der Bevölkerung hervorgerufen. Stabilität der staatlichen Institutionen und Festhalten am bisherigen Kurs, das waren die Parolen, die Jiang Zemin am Tag nach dem schon lange erwarteten Ereignis ausgab. Das Jahr 1997, in dem zwei bedeutende Ereignisse auf dem Programm stehen – am 1. Juli die Rückgabe Hongkongs an China und im Herbst der fünfzehnte Parteitag der chinesischen KP – könnte zum Prüfstein für die Kontinuität der bisherigen Politik und für die Stabilität der Führungsriege werden.Von
    JEAN-LOUIS ROCCA
    *
  • ■ Mit dem angekündigten Besuch des Dalai Lama in Taiwan tritt der diplomatische Guerillakrieg zwischen Peking und Lhasa in eine neue Phase. Zum ersten Mal hat das religiöse Oberhaupt der Tibeter, allen Warnungen Pekings zum Trotz, eine Einladung Nationalchinas angenommen. Sein Programm sieht jedoch kein Treffen mit Regierungsvertretern vor, die Tibet genau wie ihre Pekinger Amtskollegen als integralen Bestandteil der Volksrepublik China verstehen. Gleichzeitig findet in der Autonomen Region eine umfasende deologische Umerziehungskampagne statt, die Peking zufolge zwischen drei und fünf Jahre dauern wird.Von
    TICA BROCH
    *
  • SEIT fünfzehn Jahren erzielt Chile Wachstumsraten, die sich mit denen der asiatischen „Tiger“ messen lassen. Und als erstes lateinamerikanisches Land hat es darauf verzichtet, bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank neue Kredite zu beantragen. Doch viele Beobachter machen es sich mit der Bewertung des „chilenischen Wunders“ zu einfach. Bei allem wirtschaftlichen Erfolg läßt sich die Bruchlinie sozialer Ungleichheit nicht übersehen. Einerseits klaffen die Einkommen immer weiter auseinander, andererseits sind die Armen in so grundlegenden Bereichen wie dem Bildungs- und Gesundheitswesen noch immer stark diskriminiert.Von unserem Korrespondenten
    BENOÎT GUILLOU
    *
  • DIE Frauen haben noch einen langen Weg vor sich. Auf der ganzen Welt sitzen nur in fünf Parlamenten mehr als 30 Prozent Abgeordnete des „anderen Geschlechts“. Und diese Situation wird eher schlechter als besser: Vor neun Jahren waren 14,8 Prozent der Abgeordneten Frauen, heute sind es nur noch 11,7 Prozent – so die Bestandsaufnahme anläßlich der Internationalen Konferenz zur Gleichstellung von Männern und Frauen in der Politik, die letzten Monat auf Initiative der Interparlamentarischen Union in Neu-Delhi stattfand. Die Behauptung, es sei erniedrigend für Frauen, auf Förderungsmaßnahmen angewiesen zu sein, verkennt das eigentliche Problem – die faktische Ungleichheit. Da die „Aufforderung zur Berücksichtigung“ der Gleichwertigkeit der Geschlechter zu nichts geführt hat, ist es nunmehr wohl an der Zeit, massiven Druck auszuüben.Von
    CHRISTINE DELPHY
    *
  • AM 29. März 1997 wird Madagaskar mit großen Feierlichkeiten den 50. Jahrestag eines Aufstands begehen, der zugleich eine der ersten Manifestationen nationaler Unabhängigkeit im französischen Kolonialreich darstellte. Seine Niederschlagung kostete fast 100000 Menschen das Leben und war eines der großen Kolonialmassaker der Nachkriegszeit, das Frankreich bis heute mit dem Mantel des Schweigens bedeckt. Eine ganze Generation der madegassischen Führungsschicht wurde ausgelöscht, und die einst stolze und geeinte Nation, die durch ausländische Einmischung aus den Fugen geraten war und seither vergebens ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen suchte, geriet in noch größere Turbulenzen. Nachdem am 9. Februar 1997 Admiral Didier Ratsiraka an die Macht zurückgekehrt ist und Pascal Rakotomavo am 21. Februar zum neuen Premierminister ernannt wurde, besteht die Gefahr, daß die politischen Machthaber einen Kurs einschlagen, der sie von den alten nationalen Idealen sehr weit entfernt.Von unserem Korrespondenten
    PHILIPPE LEYMARIE
    *
  • Von
    PHILIPPE LEYMARIE
  • Seit den jüngsten Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und im Kaukasus spricht man wieder von „ethnischen Säuberungen“. Zu den abscheulichsten Fällen „ethnischer Säuberung“ zählt in diesem Jahrhundert der Genozid an den europäischen Juden und Roma sowie der an den Armeniern. Einen Vorläufer solcher Verfolgungen gab es bereits 1609 in Spanien, als die dortige muslimische Bevölkerung vertrieben wurde.Von
    RODRIGO DE ZAYAS
    *
  • DASS es dem Front National am 9. Februar gelang, bei den Kommunalwahlen in Vitrolles die absolute Mehrheit zu erringen und damit die vierte Stadt in Frankreich zu erobern, bedeutet einen persönlichen Sieg für den stellvertretenden Parteiführer Bruno Mégret. Ihm ist es zu verdanken, daß die Partei der extremen Rechten, die über eine solide Basis in der Bevölkerung verfügt, sich neuerdings den sozialen Problemen widmet. Dem zweiten Mann in der Partei und seiner Gefolgschaft aus Funktionären, die sich der neuen Rechten zuordnen, scheint es zu gelingen, auf dem alten reaktionären Fundament der Bewegung moderne faschistische Strukturen zu errichten – ein Vorhaben, das dem Front National neue Wählerschichten erschließen und ihn beim nächsten Urnengang zu einer ernsten Bedrohung für die etablierten Parteien werden lassen könnte.Von
    JACQUES BREITENSTEIN
    *