Schlüssel Tschetschenien
DER Führer der Unabhängigkeitsbewegung, Aslan Maschadow, gewann am 27. Januar 1997 schon im ersten Wahlgang mit beinahe 70 Prozent der Stimmen die tschetschenischen Präsidentschaftswahlen. Die Bevölkerung, noch völlig unter dem Eindruck eines achtzehnmonatigen Konflikts, der 80000 Menschenleben forderte, zeigte sich von dem Wahlergebnis begeistert. Und nach dem Urteil der OSZE-Beobachter, die von 18 europäischen Staaten delegiert wurden, sind die Wahlen zufriedenstellend verlaufen. Ihr Ergebnis macht den Weg frei zu politischen Verhandlungen, wie sie in dem Abkommen vorgesehen sind, das Alexander Lebed und Aslan Maschadow am 31. August 1996 unterzeichnet haben. In diesen Verhandlungen soll ein neuer Status für die aufständische Republik gefunden werden, aber das wird nicht einfach sein. Offiziell betrachten Rußland und die internationale Staatengemeinschaft Tschetschenien weiterhin als integralen Bestandteil der Russischen Föderation. Die tschetschenischen Wähler haben mit der Wahl ihres Präsidenten und ihrer Abgeordneten eindeutig für eine Unabhängigkeit votiert, die de facto bereits vollzogen und nach Meinung aller Kandidaten endgültig ist.
Wird Moskau, nachdem es hartnäckig auf eine militärische Lösung gesetzt hatte, nun einen politischen Kompromiß in dieser Schlüsselfrage suchen? Für die Regierung gleicht es einer Gratwanderung, und ihr Handlungsspielraum ist gering. Die russischen Zeitungen haben mehrere Ideen anzubieten.1 Da kann man zum Beispiel den Hinweis lesen, daß die „Abkommen über die Aufteilung der Kompetenzen“, die mit verschiedenen Republiken unterzeichnet wurden, auch hinsichtlich des Status der jeweiligen Republik mehrere Möglichkeiten bieten: da gibt es das Modell des souveränen Staates innerhalb der Föderation, der souveränen Republik, der assoziierten Republik ... Müßte sich da für Tschetschenien nicht auch eine Formel finden lassen, die das Entstehen neuer Konflikte weitgehend ausschließt? Schließlich hat Weißrußland gerade den Antrag gestellt, mit Rußland zusammenzugehen und zugleich dennoch den Status eines souveränen Landes zu behalten.