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Ausgabe vom 10.05.1996
■ Am 29. Mai wählen die Israelis ein neues Parlament und den Ministerpräsidenten. Hatten bereits die Anschläge der Islamisten im März den Wahlkampf aufgeheizt, so hängt inzwischen alles vom Ausgang der jüngsten militärischen Intervention im Libanon ab. Unter dem Vorwand der Vergeltung für Raketenangriffe der libanesischen Hisbollah-Milizen hat Israel praktisch die Zivilbevölkerung im Südlibanon als Geiseln genommen und ist nicht einmal davor zurückgeschreckt, 98 Zivilisten zu töten, die in einem Lagerder U-Streitkräfte in Kana Zuflucht gefunden hatten. Vielleicht hat Schimon Peres diese unnötige Eskalation gewollt, um Härte demonstrieren zu können und um – nach einem Waffenstillstand – Syrien in den Friedensprozeß einzubinden. Vielleicht hat er sich auch von der Armeeführung in dieses Abenteuer hineinziehen lassen. In jedem Falle könnte sich dieses Vorgehen zu seinem Nachteil auswirken. Trotz der Tragödie im Libanon hat der palästinensische Nationalrat, der Ende April in Gaza zusammentrat, eine istorische ntscheidung getroffen: Aus der Nationalcharta wurden alle Artikel gestrichen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellten. In der israelischen Gesellschaft wiederum will man die ersten bittersüßen Früchte des Friedens nicht wieder verlieren. Ein sensationelles Wirtschaftswachstum, Entwicklung von Spitzentechnologien, aber auch verschärfte soziale Ungleichheit: auch Israel steht nun im Zeichen der Globalisierung – und damit einer Normalisierung. Wer immer der nächste Regierungschef sei wird, muß diesen neuen Bedingungen Rechnung tragen.
■ In den Vereinigten Staaten träumen gewisse Politstrategen von einer Kontrolle über die Informationsnetze und damit über jene sagenhaften
■ DIE EU-Regierungskonferenz, die Ende März in Turin begann, ist der augenfällige Beweis für einen krassen Wid
■ Lagos in Nigeria, die bevölkerungsreichste Hauptstadt Schwarzafrikas, scheint jeder Kontrolle zu entgleiten. Neben Nobelvierteln, wo die Reichen sich in bunkera
■ Im Vergleich zu seinen Nachbarn im Maghreb – insbesondere dem von Gewalt zerrütteten Algerien – wird Marokko in den Medien zumeist als politisch stabiles Land mit großem ökonomischem Potential dargestellt, an dessen Spitze mit König Hassan II. ein Staatsmann von Format stehe. Dieses Bild ist zwar nicht völlig falsch, aber offensichtlich trügerisch, denn die Stabilität des Landes ist aus dreierlei Gründen stark gefährdet. Die schwere Krankheit von König Hassan II. im letzten Winter hat heftige Besorgis au. Seine Lebenserwartung dürfte drei Jahre nicht übersteigen. Dabei ist die Frage seiner Nachfolge keineswegs geklärt. Der offizielle Nachfolger, Prinz Sidi Mohammed, wurde von seinem Vater nicht wirklich auf die Rolle des Staatschefs vorbereitet, zumal sich der König offenbar vorbehält, die Krone seinem zweitältesten Sohn Moulay Rachid zu übergeben. Diese von den Bürgern mißbilligte Palastintrige schafft eine geradezu shakespearsche Atmosphäre des Machtverfalls und ruft Aasgeier und Hyänen, Genräle n omsae auf den Plan, die das Ableben des Monarchen erwarten, um selbst auf politischen Beutezug zu gehen. Zum zweiten ist die soziale Lage äußerst gespannt. Rund um die Großstädte breiten sich Elendsviertel aus, in denen all jene hausen, die vor der ländlichen Armut und der feudalen Willkür geflohen sind. Die Hälfte der Einwohner sind Analphabeten. 17 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung haben keine Arbeit, bei den 15-25jährigen sind es sogar 30 Prozent. Die Schattenwirtschaft wächst ebenso ie de Shmggl ndde Handel mit Drogen, vor allem Haschisch, das Marokko als Hauptexporteur nach Europa verschifft. Auf diesem Nährboden von Elend, Korruption und Mißstand gedeiht der Islam. Ein gemäßigter Islam zwar, der aber mittlerweile in der Gesellschaft so tief verwurzelt ist, daß – sofern die von der Mehrzahl der Bürger gewünschte demokratische Öffnung weiter voranschreitet – eine islamistische Organisation, nämlich „Gerechtigkeit und Wohltätigkeit“, möglicherweise die Wahlen gewinnen könnte. Wi in Ageren,wo ie slaisce Heilsfront (FIS), damals auch eine gemäßigte Partei, im Dezember 1991 die Wahlen gewann, woraufhin es bekanntlich zu einem militärischen Staatsstreich kam und in der Folge der Bürgerkrieg ausbrach.