10.05.1996

Hollywood und das Netz

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Hollywood und das Netz

HOLLYWOOD hat sich des Internet bemächtigt. In „Treibjagd im Internet“ werden die Muster des Thrillers ins Universum jener Ängste übertragen, die eine hochtechnologisierte Gesellschaft erzeugt. Eine junge Informatikerin wird Opfer des allmächtigen Netzes, das alle persönlichen und öffentlichen Daten erfaßt und Dekor wie Zentrum der Geschichte darstellt. Als die Protagonistin aus der Datei gelöscht wird, sieht sie sich ihrer virtuellen Existenz beraubt und wird im realen Leben mit einer anderen Person verwechselt. „Johnny Mnemonic“ erforscht das Universum der neuen Science-fiction. Benutzer des Internet und erst recht jene Informatiker, die eine Literatur der Zukunftsfantasien verschlingen, werden sich wohlfühlen. Finanziell waren die beiden Filme kein Erfolg – Technologie auf dem Bildschirm scheint sich nicht unbedingt auszuzahlen.

Mehr als der einfache Cyberspace-Bezug sollen die Szenen von virtuell erzeugter Realität den Erfolg kostspieliger Produktionen garantieren. Was dies betrifft, so haben „Jurassic Park“ und „Die Maske“ weitaus größere Summen eingespielt als alle Filme, die das Netz thematisieren. Doch ohne daß das Wort fallen muß, sind die elektronischen Netze längst zum Thema zahlreicher Filme geworden. Dies gilt für „Blade Runner“ ebenso wie für „Brazil“, zwei Kultfilme, die keinerlei Special-effects bedurften, um avantgardistische Technologien im allergewöhnlichsten Alltag anzusiedeln.

Nicht die Filme, die die Gesellschaft von morgen zum Thema haben, sondern die Geschichte eines Spielzeugs könnte die wirkliche Kinorevolution auslösen. Bei „Toy Story“, einem Film, der gänzlich aus synthetischen Bildern besteht, begnügt sich das Kino nicht mehr damit, die „Cyber“-Zeit zu thematisieren: es taucht darin ein. Die Filmgiganten sind sich des Marktes bewußt, den die „Internauten“ darstellen, jene sozial und beruflich wohlsituierte Schicht aus jungen, städtischen Kulturkonsumenten. Es ist zugleich das Profil des typischen Kinobesuchers. Auch die unabhängigen Filmemacher gehen nicht leer aus: Für sie stellt das Internet ebenfalls einen Weg dar, um ohne großen Kostenaufwand Filme und deren Zusatzprodukte anzubieten.

ANA NEVES,

Planète Internet, Paris

Le Monde diplomatique vom 10.05.1996, von Ana Neves