Archiv: Texte

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Ausgabe vom 16.10.1998


  • „Eine gerechte Strafe für den übertrieben reglementierten Kapitalismus“, hieß es noch vor Jahresfrist, als die asiatisch-pazifische Region von der Rezession erfaßt wurde. Der wirtschaftliche Zusammenbruch Rußlands und die Krise, die inzwischen auch Lateinamerika erfaßt hat, machen jedoch ein einschneidendes Umdenken erforderlich. Alan Greenspan, der Präsident der US-amerikanischen Notenbank, hat kürzlich betont, was eigentlich längst außer Frage steht: Keine Region der Welt kann in Zeiten globalisieter Finanzen und Handelsbeziehungen eine „Oase des Wohlstands“ bleiben. Die Lage ist so ernst, daß sie den Untergang einer orthodoxen Wirtschaftstheorie zur Folge haben wird, die seit nunmehr zwanzig Jahren in aller Welt eifrig angewendet wird. Schon jetzt werden die Deregulierung der Kapitalströme und der monetaristische Fanatismus in Frage gestellt. Und es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis auch die Privatisierungen und der Freihandel an der Reihe sind.Von
    SERGE HALIMI
  • Von
    J.-C. LEFORT
    und
    J.-P. PAGE *
  • Von
    IGNACIO RAMONET
  • Der US-amerikanische Präsident Bill Clinton hat zu seinen jetzigen Schwierigkeiten selbst maßgeblich beigetragen. Wäre er ein starker Präsident gewesen, hätte es die Rechte kaum gewagt, einen Prozeß in die Wege zu leiten, der einem Staatsstreich mit dem Ziel der Amtsenthebung gleichkommt. Jetzt könnte Clinton von seiner eigenen Partei im Stich gelassen werden.Von
    NORMAN BIRNBAUM *
  • DIE US-amerikanische Handelskommission hat im August dieses Jahres erstmals Anklage gegen einen Internet-Anbieter (Geocities) erhoben, weil er entgegen eigener Zusicherungen Kundendaten weitergegeben habe. Mit vorherigem Einverständnis der Benutzer hingegen soll der Verkauf von Kundendaten rechtens sein. So bildet sich im Internet ein Markt heraus, auf dem das Privatleben als Ware gehandelt wird.Von
    MATHIEU O'NEIL *
  • WIE für viele Länder bedeutete die Globalisierung auch für den Senegal einen harten Einschnitt. Der schlimmste Moment dieser „Anpassung“ im Eilverfahren kam vor fünf Jahren, als der CFA-Franc um 100 Prozent abgewertet wurde. Inzwischen ist das „Experiment Senegal“, das lange Zeit als Musterbeispiel gerühmt wurde, an die Grenzen seiner Möglichkeiten gestoßen: Die Schattenwirtschaft ist überallhin vorgedrungen, die innenpolitische Situation scheint verfahren, ein Teil der Führungsschicht ist in Korrupionsafären verstrickt, und es steht zu befürchten, daß der endlose Sezessionskrieg in der Casamance weitergehen wird. Die einzige Hoffnung liegt darin, daß die „Zivilgesellschaft“ an Einfluß gewinnen könnte.Von
    TOM AMADOU SECK *
  • Von
    JEAN-CLAUDE MARUT *
  • Von
    ANNE SYLVAIN *
  • DER Sieg des Präsidenten Fernando Henrique Cardoso bei den Wahlen am 4. Oktober kam nicht überraschend. Die erfolgreiche Bekämpfung der Hyperinflation 1994 hatte ihn sehr populär gemacht. Aber die Stabilisierung der Währung um jeden Preis, die Privatisierungen und der Abbau von staatlichen Leistungen haben Folgen: Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit haben drastisch zugenommen, in den Großstädten droht der Zerfall der sozialen Ordnung, und die Mai-Unruhen im Nordosten des Landes beruhten nichtnur auf der anhaltenden Dürre. Die Asienkrise verschärft die Situation: Zur Stützung der Landeswährung wurden mehr als 22 Milliarden Dollar verpulvert. Und während die politische Linke kaum in der Lage scheint, die Erwartungen der Brasilianer in konkrete Forderungen umzusetzen, erschüttern soziale Protestaktionen das Land.Von
    EMIR SADER *
  • Am Rande der UN-Vollversammlung im vergangenen September sind Vertreter Rußlands und der Vereinigten Staaten sowie der sechs Anrainerstaaten Afghanistans zusammengekommen, um über die Krise zu beraten, die durch den Vormarsch der Taliban, die Ermordung iranischer Diplomaten in Massar-i Sharif und die Massaker an der schiitischen Minderheit ausgelöst wurde. Einiges deutet darauf hin, daß sich der Konflikt zu einem regionalen Krieg auszuweiten droht: An der Grenze werden iranische Truppen zusammengezoen, in Tadschikistan finden gemeinsame tadschikisch-russische Manöver statt, und es gibt Gerüchte über die Entsendung russischer Soldaten nach Usbekistan. Das Taliban-Regime sieht sich zunehmend isoliert; auch ist es ihm noch immer nicht gelungen, die Herrschaft über das gesamte Territorium zu erringen. Vor der UNO hat der iranische Präsident Mohammad Chatami heftige Angriffe gegen die Taliban gerichtet, sie des Völkermords angeklagt und ihnen vorgeworfen, das Land in eine Basis für Terrorismus und Dogenhandel u verwandeln. Aber ein Krieg könnte die Iraner teuer zu stehen kommen und den Vertretern eines harten Kurses in der eigenen Regierung neuen Auftrieb geben. Auf Unterstützung können die Taliban nur von seiten Pakistans rechnen, nach Informationen aus verschiedenen Quellen allerdings auch von seiten Israels, das unbeirrt an der Vorstellung einer „Gefahr aus dem Iran“ festhält.Von
    OLIVIER ROY *
  • Während die sich ausbreitende Krise immer größere Teile der Weltbevölkerung ins Elend stürzt, werfen die überhitzten Finanzmärkte weiterhin astronomische Gewinne ab. Gleichzeitig entwickeln multinationale Unternehmen globale Strategien, um Steuern zu umgehen. In den vergangenen zwanzig Jahren ist das Steueraufkommen in den Ländern der Europäischen Union zunehmend zu Lasten der Arbeitnehmer umgeschichtet worden, während sich das weltweit mobile Kapital den Beiträgen immer mehr entzogen hat. Unterdessn betben die ärmsten und schwächsten Staaten nolens volens soziales und ökonomisches Dumping, um die Investoren anzuziehen. Es ist höchste Zeit, die globale Steuerungerechtigkeit zu unterbinden. Neben den bereits erörterten Vorschlägen des Ökkonomen James Tobin zu einer Besteuerung der Devisenmärkte wäre es möglich, Auslandsdirektinvestitionen zu besteuern und die Gewinnermittlung der Unternehmen auf eine realitätsnahe Basis zu stellen.Auch die Einrichtung eines Steuerkoeffizienten für die Einhaltung vonMenschenrechten in den Investitions-Empfängerländern wäre denkbar, um Investitionen in ungerechte Gesellschaften unrentabel zu gestalten.Von
    HOWARD M. WACHTEL *
  • Obwohl Premierminister Ryutaro Hashimoto im Juli dieses Jahres durch einen anderen Patriarchen der liberaldemokratischen Partei, Keizo Obuchi, abgelöst wurde, treibt Japan weiterhin dem Untergang entgegen und könnte durchaus seine Partner mit in die Tiefe reißen. Da Bevölkerung und Wirtschaftswelt das Vertrauen in die Regierung verloren haben, greifen auch deren Ankurbelungsmaßnahmen nicht mehr. Während das Kapital die Flucht in die US-amerikanischen Schatzbriefe antritt, setzt die Bevölkerung auf onsumverzicht und aufs Sparen und heizt die Deflationsspirale weiter an. „Überproduktion“ ist kein Tabuwort mehr. Auch ein Aufkauf von Teilbereichen der Automobilindustrie durch ausländische Firmen ist inzwischen nicht mehr auszuschließen.Von
    FRÉDÉRIC F. CLAIRMONT *
  • Schon von ihren Ausbildungsgängen und Karrieremustern her sind die meisten Zentralbankchefs nicht an der Aufgabe orientiert, die Probleme der Realwirtschaft zu analysieren und den gravierendsten sozialen Krisenerscheinungen vorzubeugen. Indem sie die reine Lehre der unbeschränkten Marktwirtschaft zu befolgen versuchen, stehen die Hüter der Währungsordnung ihren angeblichen Gegnern – den Spekulanten – um einiges näher, als man annehmen sollte. Zu fragen ist allerdings, wieviel Vertrauen man in eine olche Blindheit setzen kann.Von
    FRÉDÉRIC LEBARON *
  • Von
    DOMINIQUE VIDAL
  • Von
    JAN BREMAN *
  • IN der EU-Metropole Brüssel ist Macht konzentriert, ohne einer wahrhaft demokratischen Kontrolle zu unterliegen. Angezogen von diesem Konglomerat der Macht sind auch die Pressure-groups, die sich in der Stadt angesiedelt haben und versuchen, Einfluß auf die europäischen Institutionen und ihre komplexen Entscheidungsprozeduren zu gewinnen. Mitglieder der Europäischen Kommission und Europaparlamentarier sehen sich einer ständigen Flut von Briefen, Eingaben und kleinen Geschenken ausgesetzt, mit denen ie beeinflußt werden sollen. Dabei verfügen die Lobbyisten von marktliberal orientierten Interessengruppen über einen guten Zugang zu den Institutionen. Die Gewerkschaften dagegen, die ebenfalls offizielle Partner der Euro-Institutionen sind, können sich nur schwer Gehör verschaffen.Von
    KAREL BARTAK *
  • NICHTS kann Belgiens Führungsschicht aus der Ruhe bringen. Weder die wiederholten Skandale in Politik und Wirtschaft noch der Fall Dutroux, die um sich greifende Arbeitslosigkeit oder das wachsende Elend haben einen Wandel der Regierungspolitik bewirkt. Deren Hauptziel ist und bleibt der Euro – egal, um welchen Preis. Unterdessen nehmen die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Sprachgemeinschaften an Schärfe weiter zu und werden sich noch weiter zuspitzen, je näher der Wahltermin vom Juni 1999 rückt.Von
    SERGIO CARROZZO *
  • IM Süden Europas bemüht sich Italien, die heimliche Anlandung unzähliger Albaner und Nordafrikaner zu verhindern. Spanien läßt eine vier Meter hohe Mauer um seine afrikanische Enklave Melilla bauen, um Hunderte Afrikaner von einer lebensgefährlichen Bootsfahrt über die Meerenge von Gibraltar abzuhalten. Und im Osten Europas fordert die EU von Polen und Tschechien, den Anwärtern für eine EU-Mitgliedschaft, dem Flüchtlingsstrom aus Mittel- und Osteuropa einen Riegel vorzuschieben. Doch jenseits der Mßnahmen zur Verhinderung der illegalen Einwanderung stellt sich vor allem die Frage nach der Fähigkeit jedes einzelnen EU-Landes, seine Fremden zu integrieren. Österreich spielt in dieser Hinsicht sicherlich keine Vorreiterrolle.Von
    PIERRE DAUM *
  • Die russische Wirtschaftskrise, die Mitte August in Moskau ausbrach, brauchte einen guten Monat, um die Provinzstadt Tula zu erreichen. Dort reagiert man gelassen – an das tägliche Durchwursteln hat man sich in der industriell ausgebrannten Region längst gewöhnt. Löhne werden nur sporadisch ausgezahlt, und der eigene Garten sichert das Überleben.Von
    AGATHE DUPARC *