In unserem Textarchiv finden Sie alle Artikel aus der deutschen Ausgabe seit 1995. Ausgenommen sind die Artikel der letzten drei Ausgaben.
Aktuelle Ausgaben
Befristetes Kurzabo
Ausgabe vom 14.11.1997
Von
RALPH NADER
und
JAMES LOVE
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DIE Wirtschaft zeigt großes Interesse an den neuen Informationstechnologien und hofft auf gewaltige Profite in diesem Bereich. Vor allem im Internet taucht immer mehr Werbung auf, die ursprünglichen kulturellen und wissenschaftlichen Zwecke des Netzwerkes treten allmählich in den Hintergrund. Auch verweisen die Verfechter des amerikanischen Modells und seiner Leistungsfähigkeit bei der Schaffung von Arbeitsplätzen immer wieder auf die Lichtgestalt des Unternehmertums – Bill Gates von Microsoft. Die Erfolgsstory ist, am Börsenkurs abgelesen, höchst beeindruckend. Innerhalb eines Jahres kletterte Microsoft vom zwölften auf den sechsten Platz in der Weltrangliste der Unternehmen. Bei den Arbeitsplätzen sieht die Bilanz weniger berauschend aus: Microsoft beschäftigt nur knapp über zwanzigtausend Mitarbeiter. Und die Innovationen? Da kann man nur feststellen, daß Microsoft eine entscheidende Fähigkeit besitzt, die so alt ist wie der Kapitalismus: Die Firma beherrscht den Markt und versteht es, bestimmte Neuentwicklungen der Konkurrenz zu übernehmen – nicht selten, indem sie ihre Marktmacht einsetzt und die Mitbewerber einfach ausschaltet.Von
DAN SCHILLER
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DIE institutionellen Veränderungen in Afrika seit Anfang der neunziger Jahre gehen nicht mit einer wirklichen Infragestellung des Einheitsparteien-Systems einher. Sie folgen vielmehr der Logik eines Umbaus vorhandener Strukturen. Oft sehen die Regierenden in Wahlen nur ein Mittel, um an der Macht bleiben und die nationalen Reichtümer weiterhin zum eigenen Vorteil kontrollieren zu können. Dabei stützen sie sich auf einen Klientelismus, der auf regionaler und „tribaler“ Grundlage funktioniert. Dennoch wäre es verfrüht, die noch in den Kinderschuhen steckende Demokratisierung in Bausch und Bogen zu verdammen.Von
MARTINE-RENÉE GALLOY
und
MARC-ÉRIC GRUÉNAIS
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Aus Südostasien kommend, hat die Irritation der Finanzmärkte mittlerweile Hongkong, Shanghai und Peking erreicht, just in dem Moment, da Präsident Jiang Zemin in die USA reiste, um neue Handelsabkommen anzuspinnen. Die zunehmende Bedeutung Chinas im Weltmaßstab hat auch dem Parteitag der Kommunistischen Partei, der Mitte September 1997, wenige Monate nach dem Tod Deng Xiaopings stattfand, erhöhte Aufmerksamkeit verschafft. Dabei waren keine großen Veränderungen zu erwarten: In der chinesischen Politik herrscht Stagnation, doch auf wirtschaftlichem Gebiet wird die Entscheidung zur Umstrukturierung der Staatsbetriebe demnächst weitreichende Folgen zeitigen. Ausmaß und Tempo dieser Umstrukturierung stehen noch nicht fest, sind jedoch Gegenstand zahlreicher Debatten innerhalb der Parteigremien. Allerdings macht sich allenthalben die Angst vor der Arbeitslosigkeit breit, und es ist bereits absehbar, daß die Arbeitnehmer aus den konkursgefährdeten Betrieben, die trotz schwerster Arbeit unter Lohnkürzungen und Lohnrückständen leiden, ihre Unzufriedenheit ausdrücken werden.Von
ROLAND LEW
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Im August dieses Jahres veröffentlichten wir eine weltpolitische Analyse über den Konflikt zwischen Metropolen und Peripherie, die Subcomandante Marcos verfaßt hat („Der Vierte Weltkrieg hat begonnen“). Der englische Schriftsteller John Berger schrieb daraufhin einen Brief an Marcos, der als eine – wenngleich indirekte – Antwort zu lesen ist. Beide, John Berger wie Marcos, leben auf dem Lande. Doch sie schöpfen daraus völlig verschiedene Bilder.Von
JOHN BERGER
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UM die hohen Zuwendungen für den US-amerikanischen Geheimdienst, die 1994 bei 26,7 Milliarden Dollar lagen, wie auch eine erneute Erhöhung der Militärausgaben zu rechtfertigen, versuchen einige Experten im Pentagon, immer neue Länder ausfindig zu machen, die in Zukunft die amerikanische Sicherheit gefährden könnten. Nach der Sowjetunion, Libyen, Iran, Irak und Nord-Korea müssen neuerdings Rußland und China als potentielle Gegner herhalten. Doch während manche Militärs in Washington solche Szenarios entwerfen, setzt Amerika seinen eigenen Willen durch, und dies, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen.Von
MICHAEL KLARE
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DER Golfstaat Katar, der die uneingeschränkte Unterstützung Washingtons genießt, überrascht seine Nachbarn durch diplomatische Initiativen in alle Himmelsrichtungen. Als Veranstalter der nächsten Wirtschaftskonferenz der Staaten des Mittleren Ostens und Nordafrikas (Mena) rühmt sich das Emirat einer eigenständigen und differenzierten Schaukelpolitik zwischen dem Irak, dem Iran und Israel, die auch in den Augen der Schutzmacht USA diverse Vorteile bietet. Nicht auszuschließen ist allerdings, daß die arabischen Staaten als Reaktion auf Benjamin Netanjahus Politik der Provokation die vierte Mena boykottieren oder ihre Bedeutung herunterspielen werden.Von
FRANÇOISE SELLIER
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LATEINAMERIKA ist eines der traurigen Beispiele dafür, daß massenhafte Armut mit sozialem Frieden und öffentlicher Sicherheit nicht vereinbar ist. Organisiertes Verbrechen, Erpressungsversuche paramilitärischer Gruppen, das Abdriften gewisser Guerillabewegungen, die wachsende Kluft zwischen Reichen und Mittellosen, der Zynismus der Eliten, die häufige Korruption der Polizeikräfte und das schlechte Ansehen der Justiz: all das hat die staatsbürgerlichen Werte geschwächt, die gesellschaftliche Solidarität geschmälert und eine Welle der Kriminalität hervorgebracht. Die wachsende Zahl von Entführungen zeitigt neue Firmengründungen und neue gesellschaftliche Nachfragen.Von
HUBERT PROLONGEAU
und J
EAN-CHRISTOPHE RAMPAL
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DIE amerikanische Präsenz in Japan wurde bis vor kurzem von China, Nord-Korea und anderen regionalen Nachbarstaaten akzeptiert, teilten sie doch mit den Vereinigten Staaten die Angst vor einer japanischen Autonomie auf militärischem Gebiet. Doch jetzt löst der von Washington und Tokio anvisierte neue Sicherheitsvertrag in Asien – und besonders in China – eine wachsende Besorgnis aus. Die militärischen Vereinbarungen würden Tokio bei einer Krise in der Region eine besondere Rolle zuweisen. Und als logistische Basis der USA könnte Japan sogar in einen Konflikt zwischen China und Taiwan hineingezogen werden.Von
SELIG S. HARRISON
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DER israelische Premierminister Benjamin Netanjahu versucht derzeit mit allen Kräften, seine Koalition mit den extremen Rechten aufrechtzuerhalten. Dabei läuft er allem Anschein nach Gefahr, sich ernsthaft mit der jüdischen Diaspora anzulegen, denn die Ultraorthodoxen verlangen mittels der sie vertretenden Parteien eine Regelung, die ihnen das Monopol auf die Konvertierung zum Judaismus sichert. In einer Zeit also, da der israelische Staat durch die kulturell verschiedenartigsten Einwanderungsströme sein Gesicht verändert und erstmals sogar nichtjüdische Arbeiter ins Land kommen, versucht die Orthodoxie, die Prinzipien der Einwanderung, und damit die Grundlage des Zionismus, neu zu fassen.Von unserem Korrespondenten
AMNON KAPELIUK
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DIE Wahlen in Serbien vom 21. September und 5. Oktober endeten mit einer Riesenüberraschung: Dem Ultranationalisten Vojislav Šešelj gelang ein überwältigender Durchbruch. Nachdem Šešelj in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auf 27,3 Prozent der Stimmen gekommen war und seine Radikale Partei bei den Parlamentswahlen 82 der insgesamt 250 Sitze erobert hatte, überrundete der faschistoide Parteichef im zweiten Wahlgang sogar den Kandidaten der Regierungskoalition, Zoran Lilić. Nur der geringen Wahlbeteiligung, die unter den erforderlichen 50 Prozent lag, ist es zu verdanken, daß Šešelj nicht zum Präsidenten wurde. Vuk Drašković mußte sich mit 20,6 Prozent begnügen und bezahlt damit einen hohen Preis für das Auseinanderbrechen des Bündnisses Zajedno („Gemeinsam“), wobei die Absetzung des Belgrader Bürgermeisters, Zoran Djindjić, die Krise der Opposition nur weiter anheizt. In der Vorbereitungsphase zum dritten Wahlgang am 7. Dezember hat der Nationalismus Hochkonjunktur. Die politische Szene wird weitgehend von zwei Kräften dominiert: den erfahrenen Manipulationstechnikern der Sozialistischen Partei um Slobodan Milošević und den Faschisten um Vojislav Šešelj.Von unserem Korrespondenten
JEAN-ARNAULT DÉRENS
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Von
DANIEL BAUDRU
und
BERNARD MARIS
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DIE Sowjetunion ist zwar schon fast sechs Jahre aus der Weltgeschichte abgetreten, aber dennoch spielt sie in den Debatten unter Intellektuellen noch eine bedeutende Rolle. Einige Historiker planen sogar – in Anknüpfung an Parolen der extremen Rechten –, einen „Nürnberger Prozeß für den Kommunismus“ zu organisieren, als könne man die Realität der Sowjetunion und des Nationalsozialismus gleichsetzen. Bei allen Gemeinsamkeiten, die Stalin und Hitler als Personen und die von ihnen geschaffenen diktatorischen Regime aufweisen, waren doch die Grundlagen des Dritten Reichs und der Sowjetunion zutiefst verschieden. Jahrzehntelang war die Sowjetunion für Millionen Menschen auf der ganzen Welt der Inbegriff ihrer Träume. Warum?Von
MOSHE LEWIN
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Seit Anfang der siebziger Jahre hat die Welt mehrere schwere Ölkrisen erlebt. Im nächsten Jahrtausend könnte es zu Konflikten kommen, die noch weit größere geopolitische und kommerzielle Bedeutung haben, insofern es um die Kontrolle über eine lebensnotwendige und unersetzliche, zugleich aber begrenzte Ressource geht: um das Wasser. Die explosionsartige Steigerung der Nachfrage seitens Industrie und Landwirtschaft, Tourismus und Privathaushalten reicher Länder hatte die Verschmutzung des Grundwassersund eine ungeheure Verschwendung zur Folge – die ersten Vorboten einer gravierenden Wasserverknappung. Heute leiden bereits 1,4 Milliarden Menschen unter täglichen Versorgungsproblemen, weil sie nicht über ausreichend Trinkwasser verfügen. Welche Instanz wird darüber befinden, was die Bedürfnisse der Weltbevölkerung gegenüber denen der privaten Interessenten zählen? Der Markt, der die Herausbildung sozialer Ungleichheiten beschleunigt, eignet sich denkbar schlecht für diese Rolle. Die Zeit drängt, e muß – auf gemeinsamer internationaler Basis – eine andere Lösung gefunden werden für die Verfügung über das, was ein gemeinsames Gut der Menschheit bleiben oder wieder werden muß: das „blaue Gold“. ■ Von
MOHAMED LARBI BOUGUERRA *