Archiv: Texte

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Ausgabe vom 12.04.1996


  • Der Kolonialismus hat eine wechselvolle Geschichte. Seine Anfänge liegen im 19. Jahrhundert, als die Industriegesellschaften zunächst die Märkte des Südens eroberten und in der Folgezeit die Gebiete militärisch besetzten und annektierten. Nachdem die Kolonien die Unabhängigkeit erlangt hatten, führte die sogenannte „Entwicklungspolitik“ in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu veränderten Formen der Kontrolle und der Abhängigkeit. Heute, in der Ära der Globalisierung, treten neue Kolonialherrenauf: s sind nicht mehr Staaten, sondern transnationale Großunternehmen.
     ■ Von EDWARD GOLDSMITH
    *N*
  • ■ Anläßlich eines Besuchs in der Stadt Caen am 15. März 1996 erklärte Premierminister Alain Juppé das „alltägliche Leben“ und die „Verbesserung der Lebensverhältnisse“ zum „Leitfaden“ seiner Regierungspolitik. An diesem Ort wie auch im übrigen Westen Frankreichs ist es allerdings kaum damit getan, die Dringlichkeit der Probleme anzuerkennen. Angesichts der Deregulierung des Arbeitsmarkts und der Verlegung der Arbeitsplätze ist für Zehntausende Bürger eine unsichere Zukunftsperspektive zum Bestandteildes Atags geworden. Dies erklärt, warum sich solch ein großer Teil der Bevölkerung in der Normandie an den Demonstrationen im vergangenen Dezember beteiligte.
  • In den beiden letzten Jahrzehnten bestand der Aufbau Europas vor allem in der Stärkung der Institutionen und des finanzpolitischen Instrumentariums. Wird es nicht Zeit, sich von diesem Projekt zu verabschieden, das über den Tellerrand der Wirtschaftspolitik nicht mehr hinausschaut? Wird man von der EU-Regierungskonferenz, die gerade in Turin ihre Arbeit aufgenommen hat, neue soziale Ziel- setzungen erwarten können, Impulse für das Engagement der Bürger?
     ■ Von CLAUDE JULIEN
  • ■ In Frankreich haben es sich mehrere Fernsehsendungen zur Aufgabe gemacht, die Bilder zu entschlüsseln, denen die Fernsehzuschauer ausgesetzt sind. Mittels der Vorstellung, das Fernsehen könne das Fernsehen kritisieren, versuchen sie gegen das wachsende Mißtrauen anzugehen, das diesem Medium in der Öffentlichkeit entgegengebracht wird. Pierre Bourdieu hat im vergangenen Januar an der führenden Sendung dieser Art, „Arrêt sur images“, teilgenommen. Sein Bericht schildert die Unmöglichkeit einer Auseinndersetzung.
  • ■ Am 1. März dieses Jahres strich US-Präsident Bill Clinton Kolumbien von der Liste der Länder, die mit den USA die Drogen bekämpfen. Dieses „Schandmal“ bedeutet für Bogotá die Einstellung der bilateralen amerikanischen Hilfe und verschließt ihm den Zugang zu wichtigen internationalen Finanzierungshilfen. Kolumbien ist nach wie vor der weltweit bedeutendste Kokainhersteller und –lieferant. Zwar wurde kürzlich dem Medellin- und dem Cali-Kartell ein schwerer Schlag versetzt – fünf der wichtigsten Führe siten im Gefängnis –, jedoch wird der Kampf gegen die Drogenhändler durch Korruption und den Verdacht, der auf Präsident Ernesto Samper lastet, beeinträchtigt. Nachdem er von seinem ehemaligen Verteidigungsminister Fernando Botero und vom Generalstaatsanwalt beschuldigt worden war, vom Cali-Kartell rund 10 Millionen Mark zur Finanzierung seines Wahlkampfes im Juni 1994 erhalten zu haben, ist vor kurzem eine parlamentarische Untersuchungskommission zu dem Fall eingerichtet worden. Die Affäre belaste das politsche Klima dieses Landes, in dem die Gewalt allgegenwärtig ist, und ermuntert insbesondere die Aufständischen, die im Verlauf von etwas mehr als 30 Jahren im Rahmen verschiedener Guerillagruppen immer weitere Landesteile unter ihre Kontrolle bringen konnten, zu weiteren Gewalttaten. Dabei ist der Wille der Guerilleros – halb Revolutionäre, halb Banditen, manchmal auch Hilfstruppen der Drogenhändler – zur Eroberung der Macht nur schwach ausgeprägt. Sie haben den bewaffneten Kampf zur Lebensorm erhoben und cheinen darin immer weniger den einzig möglichen Weg zu sozialer Gerechtigkeit zu sehen.
  • ■ Geheimnisvolle Vaterfigur