12.04.1996

Seltsame neue Verbindungen der Mun-Sekte

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Seltsame neue Verbindungen der Mun-Sekte

JAHRZEHNTELANG war die Vereinigungskirche des koreanischen Reverend Mun Sun Myung eine der Speerspitzen im Kampf gegen den Kommunismus. Sie schreckte nicht davor zurück, sich wahllos mit rechtsextremen Tyrannen zu verbünden, und unterstützte rückhaltlos die Diktatur des südkoreanischen Präsidenten Park Chung Hee (1961-1979). Doch seit dem Fall der Berliner Mauer und der Begegnung zwischen Mun und Michail Gorbatschow in Moskau scheint die Kirche eine verblüffende Kehrtwendung vollzogen zu haben. Sie verhandelt sogar mit dem Regime in Pjöngjang, unter dem Vorwand, in der Gegend des nordkoreanischen Dorfes, in dem der Reverend geboren wurde, einen riesigen Park mitsamt einer Kultstätte anlegen zu wollen. Hinter diesem geheuchelten Abschied vom Antikommunismus verbergen sich aber immer noch ein Netz dunkler politischer und finanzieller Verbindungen, das namentlich in Japan eng geknüpft ist, und vor allem ein politischer Wille, der ganz auf der Linie der südkoreanischen Geheimdienste liegt.

Von PETER McGILL *

Was verbindet so unterschiedliche Menschen wie die vormaligen Präsidenten George Bush und Michail Gorbatschow, den früheren britischen Premierminister Sir Edward Heath und das ehemalige Staatsoberhaupt Sambias, Kenneth Kaunda? Was haben der ehemalige US- amerikanische Außenminister Alexander Haig, der frühere Verteidigungsminister Les Aspin, der Gründer der „Moral Majority“, Jerry Falwell, und die Hollywoodschauspieler Christopher Reeve und Charlton Heston gemeinsam? Und welche Beziehung besteht schließlich zwischen all diesen berühmten Persönlichkeiten und dem Regime von Kim Jong Il in Nordkorea?

Die Antwort ist einfach: Sie alle haben irgendwann Geld von der Vereinigungskirche bekommen oder von einer ihrer Tarnorganisationen, das heißt vom koreanischen Reverend Mun Sun Myung. Der heute sechsundsiebzigjährige gelernte Elektroingenieur behauptet, als er ein Kind war, sei ihm Jesus Christus erschienen, um ihm zu verkünden, daß er ausersehen sei, der zweite Messias zu werden. Und der Begründer einer religiösen Bewegung, welche die Londoner Tageszeitung Daily Mail als eine Sekte bezeichnet, die „unsere Gesellschaft aussaugt und dabei fett wird wie die Made im Speck“. So fett und gefährlich, daß dem Reverend auf Anweisung des britischen Innenministers seit Ende 1995 der Aufenthalt im Vereinigten Königreich untersagt ist.

Man wundert sich oft über die außergewöhnliche politische Verwandlung, die mit der Mun-Sekte in den letzten vierzig Jahren vorgegangen ist. Seit etwa 1960, als sich diese Religion von Südkorea aus, wo sie entstanden war, über die ganze Welt verbreitete, bis zu dem Zeitpunkt, als die Perestroika in der Sowjetunion das Ende des Kalten Krieges einläutete, verfolgten Reverend Mun und seine Vereinigungskirche eine so maßlos rechte Politik, daß es selbst viele ihrer doch deutlich konservativen Sympathisanten in Verlegenheit brachte.1

Die kommunistischen Länder – die Sowjetunion, China und vor allem Nordkorea – verkörperten in ihren Augen die „Höhle des Satans“, die von den Armeen Gottes ausgeräuchert werden mußte, das heißt von den Armeen Muns und seiner zweiten – oder dritten? – Gattin Hak Ja Han, behauptet dieses Paar doch von sich, „Unser Herr und Unsere Liebe Frau der Zweiten Wiederkunft“ zu sein.

„Park des Friedens“

EIN wichtiger Nebenaspekt dieses Kreuzzuges, der mit Hilfe einer Bande von rechtsextremen Tyrannen, skrupellosen Geschäftemachern, Gangstern und Abenteurern geführt wurde, die im Sold der Internationalen Vereinigung für den Sieg über den Kommunismus (International Federation for Victory over Communism) standen, war die rückhaltlose Unterstützung der Militärdiktatur des südkoreanischen Präsidenten Park Chung Hee durch höchst einflußreiche Kreise in Washington.

Das Ergebnis war der sogenannte Koreagate-Skandal, zu dem es kam, nachdem sich Mun in aller Öffentlichkeit hinter den „Erwählten Gottes“ gestellt hatte – das heißt hinter Präsident Nixon, der wegen der Watergate-Affäre sein Amt zu verlieren drohte. Während der Debatten über diesen Skandal wurden dem Kongreß Berichte des CIA vorgelegt, wonach die Vereinigungskirche von General Kim Jong Pil, dem Gründer und ersten Leiter des südkoreanischen CIA (KCIA), „als ein Werkzeug seiner Politik organisiert sei“ und auch so benutzt werde. Kim wurde später Premierminister (1971-1975) und ist heute Führer der drittgrößten Partei seines Landes.

Trotz dieser unangenehmen Enthüllungen wurde Mun erneut im Weißen Haus empfangen, diesmal von Ronald Reagan, dessen Kampf gegen das Reich des Bösen perfekt mit dem Weltbild Muns harmonierte. Doch die öffentliche Meinung in den USA hatte schließlich genug von den „Gehirnwäschen“ und Familientrennungen, wie die Anhänger der Sekte sie praktizieren. 1984 läßt sich die Inhaftierung des Reverend Mun wegen Steuerhinterziehung durch nichts mehr aufhalten. Nachdem er seine Strafe abgesessen hat, verläßt er die Vereinigten Staaten und sucht die sichereren Gefilde des Fernen Ostens auf. Vor allem zieht es ihn nach Japan, wo der rechte Flügel der regierenden Liberaldemokraten durchsetzt ist von ihm treu ergebenen Gefolgsleuten und wo seine eigene Organisation stärker ist als irgendwo sonst auf der Welt. Nicht von ungefähr fiel diese Periode im Leben der Vereinigungskirche – sie endete 1990 – genau in die Zeit, als Japan seinen großen Wirtschaftsaufschwung erlebte. Im Wettlauf um die Weltherrschaft schien der allmächtige Yen kurz davor zu sein, den Armeen und Atomwaffenarsenalen seiner Konkurrenten den Rang abzulaufen. Und wegen der einzigartigen Religiosität der Japaner bot diese Situation einer ganzen Reihe bizarrer und skrupelloser Sekten paradiesische Entfaltungsmöglichkeiten.

1990 dann erinnerte die Vereinigungskirche den Westen, der sie schon fast vergessen hatte, an ihre Existenz, als Reverend Mun in Moskau von keinem Geringeren als Michail Gorbatschow empfangen wurde. Viele Mun-Anhänger reagierten zornig und ungläubig auf diese Kehrtwendung, während andere den Sektenführer einfach für einen nonkonformistischen Opportunisten hielten. Doch nur vereinzelten Beobachtern fiel damals auf, daß dieser Sinneswandel sehr schön zu der neuen Diplomatie der Öffnung paßte, zu der sich Südkorea gegenüber der kommunistischen Welt durchgerungen hatte: zu jener „Nordpolitik“, die der von 1988 bis 1993 als Präsident amtierende frühere Armeegeneral Roh Tae Woo vertrat, der seit kurzem hinter Gittern sitzt. Dank Korruption und Proselytenmacherei gelang es der Vereinigungskirche, in der ehemals sowjetischen Welt festen Fuß zu fassen. Einige westliche Beobachter haben dies zwar bemerkt, aber nur wenige stellten die doch offenkundige Verbindung mit dem wirtschaftlichen Vordringen Südkoreas in diese Länder her.

Die erstaunlichste Kehrtwendung, die die Sekte vollzog, betrifft allerdings Nordkorea. Die Vereinigungskirche hat nämlich die Erlaubnis erhalten, auf einem riesigen, 1200 Hektar umfassenden Areal im Nordwesten von Pjöngjang, das sie von der nordkoreanischen Regierung pachtet, eine „Kirche“ zu errichten: Es handelt sich um das Dorf Kwangju Sangsa Ri – den Ort, an dem der „zweite Messias“ 1920 geboren wurde – und seine Umgebung.

Das auf 100 Millionen Dollar veranschlagte Projekt wurde von der Kirche des Reverend auf den Namen „Park des Friedens“ getauft. Hier soll dereinst die Person Muns verehrt werden, während der Norden darauf spekuliert, den ausländischen Pilgern die so dringend benötigten Devisen abzuknöpfen. Die alten Dorfbewohner werden einfach vertrieben: „Wir haben nicht mehr als ein Dutzend Häuser gezählt. Die Leute werden sicher leicht woanders ein Unterkommen finden“, meint dazu Mark Barry, ein Mitglied der Vereinigungskirche.

Barry gehörte zur ersten Delegation, die 1992 das Dorf besuchte (seine Begleiter waren hauptsächlich japanische Anhänger). Er ist „Forschungsleiter“ und Veranstalter der Konferenzen des Gipfelrats für den Weltfrieden (Summit Council for World Peace), den Mun 1981 gründete. Sitz des Rats ist Washington, und seine Mitglieder sind ehemalige Staatschefs und ranghohe Politiker, vor allem aus der Dritten Welt.

Im „heiligen Park“ gibt es einen „kleinen Berg, ungefähr drei Kilometer vom Dorf entfernt“, wo Mun „betete“, als er ein junger Presbyterianer war, und wo ihm – Barry und der offiziellen Lehre zufolge – Christus erschienen sein soll, als er sechszehn Jahre alt war.2 Ziel der Sekte ist es, fährt Barry fort, „eine Art Kultstätte, eine Kirche“ zu errichten und „eine Art Schulungs- oder Bildungszentrum“. Den Höhepunkt der Pilgerfahrt wird der Besuch des „alten, typisch nordkoreanischen Hauses“ bilden, in dem Mun geboren wurde und das „im Krieg 1950-1953 einen seiner beiden Flügel verloren hat. Die Nordkoreaner hatten bereits begonnen, es ein wenig zu restaurieren“, um der historischen Begegnung zwischen Reverend Mun und Präsident Kim Il Sung, die im Dezember 1991 stattfand, den gebührenden Rahmen zu geben. Als 1992 die Delegation eintraf, „versuchten einige bereits, zu unmöglichen Preisen erbärmliche Souvernirs zu verkaufen, Bilder und andere Gegenstände. Die Leute dort haben von Gelddingen wirklich keinen blassen Schimmer“, empört sich Barry voller Verachtung.

Das Dorf befindet sich in einer der rückständigsten Regionen des Landes, und seit den verheerenden Überschwemmungen im letzten Sommer leiden seine Bewohner an den Folgen schlechter Ernährung. Anderthalb Kilometer vor dem Ort verwandelt sich die Straße „in einen lehmigen Pfad“: Der Bus mit den Mitgliedern der Vereinigungskirche „blieb im Schlamm stecken, und um ihn herauszubekommen, mußte man einen Panzer herbeischaffen“. Daß sich die Kosten auf 100 Millionen Dollar zu belaufen drohen, liegt Barry zufolge daran, daß die Schaffung einer elementaren Infrastruktur und besonders der Straßenbau so stark zu Buche schlagen.

Choe Kwan Ik, Sprecher der Vereinigung der in Japan lebenden Koreaner, die dem Regime in Pjöngjang wohlgesonnen ist – sie bildet gleichsam dessen Botschaft in Tokio, da es keine regulären diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea gibt –, bestätigt, daß Reverend Mun die Erlaubnis erhalten hat, „eine kleine Kirche“ am Ort seiner Geburt zu errichten, und daß bereits mehrere Pilgergruppen japanischer Mitglieder der Vereinigungskirche das Dorf besucht haben. Desgleichen teilt er mit, daß die Sekte Teilhaber des Hotels Potunggang in Pjöngjang geworden ist.

Das Werkzeug der Nachrichtendienste

CHOE macht kein Geheimnis aus den neuen, erstaunlich freundschaftlichen Beziehungen zwischen der nordkoreanischen Regierung und Mun, ja er wundert sich, daß letzterer noch vor kurzem als „Erzfeind“ gelten konnte. Seine Mitteilsamkeit bildet einen merkwürdigen Gegensatz zu der Wortkargheit, die in den führenden Kreisen Südkoreas herrscht, seit Park Su Gil, ständiger Vertreter Seouls bei den Vereinten Nationen, im September 1995 bekanntgab, daß die Vereinigungskirche beabsichtige, in Nordkorea ein Mun gewidmetes Gebäude zu errichten, das er ironisch als „heiligen Tempel“ bezeichnete.

Der Verlegenheit der Regierung entspricht das Schweigen, mit dem die Presse auf die Sektenaktivitäten reagiert: Zu der letzten „Massentrauung“, die der Reverend und seine Frau im vorigen August im Olympiastadion der Hauptstadt vornahmen, und zu den zahlreichen Konferenzen, die bei dieser Gelegenheit in den großen Hotels von Seoul veranstaltet wurden, erschienen nur ein paar kurze Notizen.

Tatsächlich aber hat die Vereinigungskirche unter der unlängst erfolgten Demokratisierung in Südkorea kaum gelitten. Der Sekte gehören dort etwa dreißig Unternehmen, insbesondere der Schwerindustriekonzern Tong Il („Vereinigung“). Dieser hat von den US-amerikanischen Colt-Werken eine Exklusivlizenz bekommen, um M-16-Gewehre für die südkoreanische Armee herzustellen, und liefert vorgefertigte Teile an die Automobilindustrie, vor allem an die Firmen Hyundai und Sangjong.

Das Verhalten Seouls gegenüber Pak Bo Hi, dem Stellvertreter Muns, war ganz gewiß weder so exemplarisch, wie die Regierung vorgibt, noch so rachsüchtig, wie die Vereinigungskirche behauptet. Pak Bo Hi, bis 1964 Oberstleutnant der südkoreanischen Armee und zugleich Militärattaché in Washington, nahm 1994 in Pjöngjang am Staatsbegräbnis von Kim Il Sung teil, wo ihm – ein beispielloser Vorgang – der bislang als unnahbar geltende Kim Jong Il eine Audienz gewährte.

Die „Repressalien“ der Regierung beschränken sich auf ein Publikationsverbot der Seouler Mun-Zeitschrift Segje Times – die gleichwohl weiter erscheint. Pak, der wie Mun einen ständigen Wohnsitz in den USA hat, ist immmer noch Verleger der sekteneigenen Tageszeitung Washington Times und leitet eine Reihe von Organisationen und Gesellschaften, hinter denen sich die Vereinigungskirche verbirgt.

Der Sinneswandel des Reverend und seiner Kirche, durch den aus eifrigen Verfechtern des Kalten Krieges Wohltäter ehemaliger oder noch amtierender kommunistischer Diktatoren wurden, ist nicht so erstaunlich, wie es scheint. Die Annahme einer heimlichen Verbindung zwischen der Sekte und Seoul genügt, um ihn zu erklären. „Der KCIA braucht die Vereinigungskirche, um sich Informationen zu beschaffen; sie verfügt in der ehemals kommunistischen Welt und in Nordkorea über zahlreiche Filialen und Kontakte“, meint Shin Kjung Min, stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenressorts bei MBC, einer der beiden wichtigsten Radio- und Fernsehanstalten Südkoreas. „Die Beziehungen zwischen der Mun- Sekte und der Regierung sind nach wie vor von Geheimnissen umwittert.“

Nordkorea gilt immer noch die Hauptsorge der Regierung im Süden und des KCIA, der seinen Namen geändert hat und jetzt National Security Planning Board heißt, auch wenn die Leute, daheim und im Ausland, lieber das alte und übel beleumundete Kürzel weiterverwenden. Die großen Vorhaben der Vereinigungskirche am Geburtsort von Mun legen die Vermutung nahe, daß die Sekte als ein Trojanisches Pferd vorgeschickt wird, das die Entwicklung im Norden beeinflussen soll, wo „Politik“ und „Religion“ seit langem in dem einzigartigen Kult um Kim Il Sung vereint sind.

Der von Mun in Kwangju Sangsa Ri geplante Park weist erstaunliche Ähnlichkeiten zu dem von Mangjongdae auf. Mangjongdae ist ein Dorf im Einzugsgebiet von Pjöngjang, wo Kim Il Sung geboren sein soll und dessen Einwohner man schon vor langer Zeit vertrieben hat, um eine Geburtsszene im Stil von Bethlehem zu rekonstruieren – wahrlich eine ideale Wiege für den Großen Führer, dessen Eltern strenggläubige evangelische Christen waren. Eine „Fusion“ oder die Übernahme der Kontrolle über den Kult um Kim Il Sung durch die Mun-Sekte ist durchaus vorstellbar.

Ironischerweise wird die weltweite Ausbreitung der Mun-Bewegung, der es nach Meinung vieler Beobachter darum geht, die nationalen Interessen Südkoreas zu fördern, zu einem Großteil von Japan finanziert, das seinem Nachbarn äußerst mißtrauisch gegenübersteht und nichts so sehr fürchtet wie ein wiedervereintes Korea. Der erklärte Mun-Anhänger Michael Breen – ein ehemaliger Korrespondent der Washington Times und der britischen Tageszeitung The Guardian in Seoul, jetzt zusammen mit dem britischen Universitätsprofessor Aiden Foster-Carter Inhaber einer Consulting-Firma, die auf Nordkoreafragen spezialisiert ist (einer ihrer besten Kunden ist die Vereinigungskirche) – bestätigt, daß die Sekte „in Japan stets doppelt so viele Anhänger hatte wie in der übrigen Welt“.

Obwohl die japanische Filiale der Vereinigungskirche jeden Kommentar zum nordkoreanischen Mun-Projekt verweigert, soll sie doch, Breen zufolge, mit der Ausarbeitung aller Pläne befaßt gewesen sein. Laut Hiroshi Yamagushi, der die Sektengeschädigten Nippons vor Gericht vertritt, soll das fund raising für die Gedenkstätte bereits 1994 begonnen haben. Es ist, fügt der Anwalt hinzu, nur das letzte einer Reihe von „Vorhaben“, mit denen in den letzten zehn Jahren in Japan Gelder lockergemacht wurden. Von diesen Projekten seien hier nur der Tunnel zwischen Japan und Korea sowie eine Autofabrik in China erwähnt, gegen die 1994 bereits mit Erfolg geklagt wurde. Das Landgericht von Fukuoka verurteilte die Sekte dazu, eine Summe von 37,6 Millionen Yen (600000 Mark) zurückzuzahlen, die sie zwei Einwohnerinnen von Fukuoka abgeknöpft hatte. Nachdem erst Unsummen Geldes eingetrieben worden waren, hatte man die grandiosen Pläne begraben oder arg zurückgeschraubt.

Skrupellose Verkäufer

ANGEHÖRIGE der Mun-Sekte hatten in Karatsu, in der Präfektur Saga, mit den Grabungsarbeiten für einen „Pilottunnel“ zwischen Japan und Korea begonnen, als diese plötzlich – nachzulesen im Saga Shimbun – gestoppt wurden. Professor Sadao Asami von der Universität Tohoku Gakuin begab sich nach Karatsu und stellte fest, daß man „in die falsche Richtung“ gegraben hatte und nie am Zielpunkt ankommen würde. Einer der Leiter des Forschungsinstituts von Mitsubishi, Norio Yamamoto, erinnert sich, daß die Chefs der großen japanischen Firmen sehr schnell jedes Interesse an der Tunnelidee verloren, als sie erfuhren, daß die Vereinigungskirche dahintersteckte. Das hat den damaligen Präsidenten Südkoreas, Roh Tae Woo, nicht daran gehindert, sich in seiner Rede vor dem japanischen Parlament 1990 für die Idee einzusetzen.

Für ein anderes Großprojekt der Sekte – eine Montagefabrik für Autos der Marke Panda in Südchina – kam nach einigen Jahren ebenfalls das Aus. In diesem Fall jedoch hat das Autounternehmen Panda, dessen Präsident Pak Bo Hi war, tatsächlich eine riesige Fabrik gebaut – „doppelt oder dreimal so groß wie ein Fußballfeld“, meint Mark Barry. Freilich wurde dort kein einziges Auto gebaut, und die Fabrik ist nur noch eine „hohle Nuß“. „Ein früherer Angestellter von Panda“ ließ Barry wissen, daß das abgeblasene Projekt „zwischen 200 und 250 Millionen Dollar gekostet hatte“, mit denen zu einem großen Teil „Investitionsfirmen“ bezahlt wurden, die mit den Vorarbeiten befaßt waren. Dafür aber hat sich, wie Barry hinzufügt, eine Fabrik, die die Sekte in den USA von General Motors gekauft hat, als rentabel erwiesen und „soll demnächst vorgefertigte Autoteile für den amerikanischen Markt produzieren“.

Bevor sie das Projekt „Die Wiege Muns“ auf ihre Fahnen schrieb, sammelte die Kirche Gelder, um die Aktienmehrheit „bei einem Kabelfernsehsender in den USA“ zu erwerben, berichtet Yamagushi. Der Sender Nostalgia strahlt ein „gesundes“ Programm aus, das der Erbauung der Familien dient, meint Barry, der in ihm ein Sprungbrett für die Mun-Sekte sieht, um auf dem einträglichen Markt der Fernsehprediger3 mitzumischen.

Eine US-amerikanische Gesellschaft zur Sektenbekämpfung hat eine Liste von über 300 japanischen Unternehmen aufgestellt, die angeblich von der Vereinigungskirche kontrolliert werden. Zu den bekanntesten gehört Seichi Travel („Eine einzige Welt“), einer der wichtigsten Veranstalter von Reisen nach Südkorea, der sich aber auch um die Inlandsreisen von Sektenmitgliedern kümmert (wenn sie zum Beispiel an Massenhochzeiten teilnehmen wollen). In jüngster Zeit hat man einen lukrativen Nebenerwerb entdeckt: Luxusrundreisen durch Nordkorea. Ein anderes Unternehmen auf der Liste ist die Handelsgesellschaft Glückliche Welt (Happy World Trading), die neben „buddhistischen“ Marmorpagoden und Statuen Heilmittel, Ginseng und alle möglichen Waren vertreibt, die in den südkoreanischen Fabriken der Sekte hergestellt und dann zu maßlos überhöhten Preisen an leichtgläubige japanische Kunden verkauft werden.

Ein enormes Vermögen, das kaum besteuert wird, läßt sich auf der Halbinsel durch „Kirchenspenden“ anhäufen. So wurde etwa der buddhistische Mönch und Prior Gishun Nishikawa, der früher als kaufmännischer Angestellter bei einem Pharmaunternehmen gearbeitet hatte, im Februar 1995 wegen Betrugs verhaftet. Laut Polizeibericht hat Nishikawa mit den „Beratungen“ und „Heilbehandlungen“, die in jenen Tempeln durchgeführt wurden, die er nach seiner Ordination zum Mönch der Shingon-Sekte im Jahre 1986 gegründet hatte, 12,4 Milliarden Yen (200 Millionen Mark) verdient. Ein Sümmchen, das es dem heiligen Mann erlaubte, sich in Tokio für 50 Millionen Yen (800000 Mark) Jahresmiete ein Luxusappartement zu gönnen. Die Mönche wurden zu perfekten Verkäufern ausgebildet, die keine Skrupel kennen: Man gab ihnen „Handbücher“ mit Anweisungen an die Hand, wie man dem Durchschnittsjapaner Vertrauen einflößt und dann das Geld aus der Tasche zieht. Die „Tips“ wurden ihrer Effizienz entsprechend bewertet.

Hier eine typische Methode: Eine Gläubige sollte davon überzeugt werden, daß sie vom Rachegeist ihres abgetriebenen Kindes „besessen“ sei und daß das einzige Mittel, ihn auszutreiben, darin bestehe, viel Geld für die Heilung auszugeben. Die dreiundvierzigjährige Frau hatte eine Abtreibung hinter sich, und seit dem großen Erdbeben vom 17. Januar 1995, das einen großen Teil ihrer Heimatstadt zerstört hatte, litt sie zudem unter diffusen Ängsten. Man hat sie so geschickt betrogen, daß sie mehr als 53 Millionen Yen (830000 Mark) zahlte.

Die Geldbeschaffungsmethoden, die die Vereinigungskirche in Japan anwendet, sind denen dieses Mönchs bemerkenswert ähnlich, nur daß es außerdem noch einer guten Portion Verstellung bedarf. Denn in Japan müssen zwei wichtige Dinge verschwiegen werden: zum einen die jüdisch-christlichen Wurzeln der Mun-Bewegung und zum anderen die Bedeutung, die darin dem koreanischen Nationalismus zukommt, gilt Korea doch als das neue Heilige Land, in dem 1920 der Messias geboren wurde.

Mun ließ sich daher den wohl dreistesten Trick seiner Laufbahn einfallen. 1987 – in dem Jahr, als die japanischen Anwälte ihre Kampagne gegen die „religiöse Geschäftemacherei“ starteten und als Shoko Asahara, heute des Massenmords angeklagt, die Sekte Aum Shinrikyo ins Leben rief – gründete er in Japan die buddhistische Volksreligion Tenchi Seikyo („Die wahren Lehren des Himmels und der Erde“), wobei er zur Tarnung das charismatische spiritistische Medium Kayo Kawase heranzog, der insgeheim mit der Vereinigungskirche sympathisiert. Derzeit zählt Tenchi Seikyo 10000 Mitglieder, meist Hausfrauen, die stets bereit sind, von den „Wundern“ zu berichten, die sie in der Gemeinschaft erlebt haben.

Die Anhänger verehrten zu Anfang eine buddhistische Gottheit. Dann aber belehrte man sie, daß es sich in Wahrheit um Mun Sun Myung handelt. Das Personal besteht aus heimlichen Mitgliedern der Mun-Sekte, und die „Missionsmethoden“ sind denen der Vereinigungskirche sehr ähnlich. Neue Mitglieder müssen eine Zeitlang in Wohnheimen leben, wo sie indoktriniert werden und man ihnen beibringt, wie sie selbst auf Straßen und Plätzen für ihre Bewegung werben sollen. Der US-amerikanische Hochschullehrer Thomas Pearce, der über die Sekte geforscht hat, berichtet, ein Leiter von Tenchi Seikyo habe zugegeben, daß man dem Reverend hohe Beträge überweist.

Kürzlich kam es im Norden Japans, in Hokkaido, zu heftigen Protesten gegen den Bau eines Schulungszentrums von Tenchi Seikyo mit angegliedertem Wohnheim. Desgleichen in Seijo, einem Universitätsviertel im Westen Tokios, wo neben anderen Prominenten der große Regisseur Akira Kurosawa wohnt und wo die Mun-Bewegung die Errichtung einer „Kirche“ geplant hatte.

Schützenhilfe aus dem Fernen Westen

UM das Vertrauen und den Glauben der Japaner zu gewinnen und zu bewahren (von ihren Yens ganz zu schweigen), nährt Mun beharrlich die Illusion, daß die ganze Welt ihn achtet und ernst nimmt, indem er systematisch die Nähe berühmter Leute sucht.

Letztes Jahr wurde der Sektenchef bei dieser Suche in den Vereinigten Staaten mehr als einmal fündig. Ganz oben auf der Liste standen der ehemalige Präsident George Bush und seine Frau Barbara, die von den Medien heftig dafür kritisiert wurden, daß sie im September eine Vortragsreise durch Japan unternahmen, die von der Föderation der Frauen für den Weltfrieden (Women's Federation for World Peace, WFWP) organisiert worden war. Deren Gründerin und Präsidentin ist die Gattin Muns. Diese hat das Paar überallhin begleitet, um im unmittelbaren Anschluß an den Vortrag von George Bush (über „die Werte der Familie“ und seinen eigenen Mut, Saddam Hussein im Golfkrieg Paroli zu bieten und ihn zu besiegen) die Glaubensgenossen mit schwülstigen Reden zum Ruhm ihres Mannes zu beglücken, der ihr zufolge im Alleingang die Niederlage des Kommunismus herbeigeführt hat.

Das ehemalige Präsidentenpaar gehörte auch zu der Riege US-amerikanischer Berühmtheiten, die 1995 des öfteren Delegationen japanischer Frauen, die der WFWP und der Vereinigungskirche angehören, in teuren Washingtoner Hotels mit schmeichlerischen Reden empfangen haben. Die Frauen hatten mehr als das Fünffache des Preises einer normalen Reise bezahlt, um in den Genuß dieser Ehre zu kommen.

Nach einer sorgfältigen Übersetzungs- und Montagearbeit dient der Film über diese Begegnungen mit den US-amerikanischen Stars jetzt der Mun-Propanda in Japan. Außer Videos gibt es Zeitschriftenartikel, in denen Fotos lächelnder Prominenter Minibiographien und Zusammenfassungen der Reden zieren: ein einziger Hymnus auf jene famosen „Werte der Familie“, die sich Mun als Leihgabe aus dem Fundus der Neuen Rechten stolz an die Brust heftet.

Auf einem von der Vereinigungskirche gesponserten Kongreß, der letztes Jahr in Seoul stattfand und mit einer „Massenhochzeit“ zusammenfiel, bei der Mun im Olympiastadion den Paaren seinen Segen gab, wurde die Hauptrede vom früheren britischen Premierminister Edward Heath gehalten. Der Reverend saß neben ihm auf dem Podium. Als man Sir Edward wegen seiner Teilnahme an dieser Veranstaltung befragte, behauptete er mit scheinbar vor Zorn gerötetem Gesicht, „niemals Verbindungen zur Vereinigungskirche oder zu Reverend Mun“ gehabt zu haben – bevor er dann Reportern der Sektenzeitschriften bereitwillig Interviews gab.

dt. Andreas Knop

1 Vgl. Jean-François Boyer, „L'internationale Moon“, Le Monde diplomatique, Februar 1985.

2 Eines des bestgehüteten Geheimnisse des Reverend betrifft den möglichen spirituellen Sinn seiner späteren Ausbildung zum Elektroingenieur in Tokio sowie den seiner Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg für ein japanisches Bauunternehmen in Korea, das damals japanische Kolonie war.

3 Vgl. Ingrid Carlander, „La foire aux miracles des télévangélistes américains“, Le Monde diplomatique, Juni 1988.

* Britischer Journalist, Tokio.

Le Monde diplomatique vom 12.04.1996, von Peter McGill