Archiv: Texte

In unserem Textarchiv finden Sie alle Artikel aus der deutschen Ausgabe seit 1995. Ausgenommen sind die Artikel der letzten drei Ausgaben.
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Ausgabe vom 10.12.2004


  • Am 10. Dezember findet in Stockholm die Verleihung des Literaturnobelpreises an Elfriede Jelinek statt. Sie selbst wird nicht dabei sein. „Ich kann nicht reisen. Allein die Vorstellung, daß sich in Stockholm die Türen schließen und ich in einem Raum eingesperrt bin mit lauter so bedeutenden Leuten, macht mir Angst.“ In ihrer Dankesrede für den Lessingpreis, die sie am 2. Mai 2004 in Wolfenbüttel gehalten hat, plädiert sie für den Eigensinn und die Unverbindlichkeit der Dichtkunst.Von
    ELFRIEDE JELINEK
  • Von
    TAHAR BEN JELLOUN
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  • Am 17. Dezember wird auf dem EU-Gipfel in Brüssel entschieden, wann die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beginnen und ob sie „ergebnisoffen“ geführt werden sollen. Doch die Gegner einer Vollmitgliedschaft verabsolutieren geografische Kriterien und nehmen die Geschichte der europäisch-türkischen Beziehungen selektiv wahr.Von
    NIELS KADRITZKE
  • IN der Nacht zum 3. Dezember 1984 entwichen aus einem Lagertank der Pestizidfabrik von Union Carbide im Armutsviertel von Bhopal über 40 Tonnen eines tödlichen Gasgemischs. Für mehr als 3 000 Menschen bedeutete das Gas den sofortigen Tod, viele tausend sind in den darauf folgenden Monaten qualvoll erstickt. Im nordindischen Bundesstaat Madhya Pradesh gibt es seither das Department of Bhopal Gas Tragedy Relief and Rehabilitation. Viel Erleichterung erwarten sich die bis heute zum Teil schwer kranken Bewohner nicht. Die vom Staat verteilten Tabletten stehen im Ruf, ohnehin nichts zu bewirken. Von
    OLIVIER BAILLY
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  • OB die für den 30. Januar 2005 geplanten Wahlen im Irak stattfinden, ist völlig offen. Die dafür nötige Stabilität, die mit dem Sieg über die Aufständischen von Falludscha hergestellt werden sollte, ist weder im „sunnitischen Dreieck“ noch in Kirkuk gewährleistet. Zudem hat das Vorgehen der US-Elitetruppen in Falludscha die Autorität der Regierung keineswegs gefestigt, sondern die Sunniten des Irak noch feindseliger gemacht. Der Kampf um die angebliche Hochburg der Saddam-Hussein-Anhänger hat damit erneut das Dilemma einer Besatzungspolitik verdeutlicht, die Demokratie mittels fremder Bajonette durchsetzen will. Von
    DAVID BARAN
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  • WÄHREND in den Augen von US-Präsident Bush Nordkorea mit seinem Atomwaffenprogramm zur „Achse des Bösen“ gehört, hat sich Amerika wie selbstverständlich die Rolle des unschuldigen Riesen zu Eigen gemacht. Dabei waren es gerade die Vereinigten Staaten, die seit den 1940er-Jahren in Nordostasien immer wieder Massenvernichtungswaffen eingesetzt haben. In welchem Ausmaß die US Air Force Nordkorea zerstört hat, zeigt ein Blick in die Archive.Von
    BRUCE CUMINGS
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  • SUBVENTIONEN für die Landwirtschaft in der EU werden schnell damit abgetan, es handle sich lediglich um eine Methode, bäuerliche Wählerstimmen zu fangen. Aber es steckt der Wille zur Selbstversorgung dahinter – es geht um den Versuch, von Agrarimporten unabhängig zu bleiben. Sonst würden beim Wegfall der Subventionen die Billigproduzenten die Preise bestimmen und den bäuerlichen Sektor Europas ruinieren. Aber das Problem besteht nicht nur in Europa, sondern global: Sorgfältig müssen die Interessen von einer Milliarde landwirtschaftlichen Familienbetrieben gegen das Profitstreben von 300 000 agrarischen Megafarmen geschützt werden.Von
    EDGAR PISANI
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  • DIE Verheerungen, die Unterernährung anrichtet, lassen sich wirtschaftlich beschreiben: Hunger senkt die Produktivität und mindert das Volkseinkommen. Die schwachen Staaten, besonders in Afrika, sind wiederum nicht in der Lage, genug Lebensmittel zu importieren, um ihren Bevölkerungen zu helfen – ein tödlicher Kreislauf. Die internationale Entwicklungshilfe schrumpft, aber auch viele Regierungen der Hungerländer sind nicht so aktiv, wie es zur Bekämpfung der Unterernährung nötig wäre. Würden sie mehr Geld in die Entwicklung des Agrarsektors stecken, könnte dieser zum Motor des sozialen Fortschritts werden.Von
    JACQUES DIOUF
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  • Französisch schreibende afrikanische Autoren sitzen in einer Falle, denn sie benutzen die Sprache der einstigen Kolonialherren. Aber die jüngeren sehen sich sowieso lieber als Künstler und eben nicht als Botschafter in Sachen „Négritude“.Von
    TIRTHANKAR CHANDA
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  • ALLE Historiker gehen davon aus, dass die Geschichtsschreibung in der objektiven Realität verankert sein und auch bleiben muss – also in den realen Ereignissen, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Doch ihr Ausgangspunkt sind nicht einfach nur Fakten, sondern Probleme und Fragestellungen. Gegen den „antiuniversalistischen“ Trend der letzten Jahrzehnte, die Geschichte auf Fragestellungen von „identity groups“ zu zerlegen, plädiert Eric Hobsbawm für eine neue Historikerkoalition, die sich daranmacht, die Transformationsprozesse der menschlichen Gesellschaften rational zu erforschen.Von
    ERIC HOBSBAWM
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  • Tel Aviv und Yafo, das arabische Jaffa, bilden zusammen eine Stadt. Auf den ersten Blick interessiert sich hier niemand für die Intifada. Aber wenn die Menschen erzählen, schiebt sich plötzlich eine gläserne Wand zwischen jüdische und arabische Israelis.Von
    SELIM NASSIB
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  • Der Tod von Palästinenserpräsident Arafat und die Wiederwahl von US-Präsident Bush machen eine neue Friedensinitiative in Nahost denkbar. Doch der Plan Scharons, sich aus Gaza zurückzuziehen, soll nur die israelischen Siedlungen im Westjordanland konsolidieren.Von
    AMNON KAPELIOUK
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  • JASSIR ARAFAT wäre gern der Nelson Mandela der Palästinenser geworden, der erste Präsident eines unabhängigen Staates. Die Osloer Verträge schienen den Weg zu einem „Frieden der Tapferen“ zu öffnen, aber seit der Ermordung von Jitzhak Rabin hatte er das Gefühl, seinen Partner verloren zu haben. Am Ende war Arafat an seinen halb zerstörten Amtssitz in Ramallah gebannt. Seine physische Bewegungsfreiheit war auf wenige Meter, sein politischer Spielraum gegen null geschrumpft. Aber trotz eigener Fehler und Widersprüche wollte Arafat den „historischen Kompromiss“, der mit seinem Tod vielleicht leichter geworden ist.Von
    ERIC ROULEAU
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  • Am 31. Oktober wählten die Bürger Uruguays Tabaré Vásquez vom Linksbündnis Frente Amplio zum neuen Staatspräsidenten. Damit ging die – nur von den Jahren der Militärdiktatur 1973 bis 1985 unterbrochene – 170 Jahre währende Macht der Traditionsparteien Colorados und Blancos zu Ende. Am selben Tag sprachen sich in einem Referendum 64,5 Prozent der Wähler für eine weitreichende Verfassungsänderung aus: Wasser gilt fortan als öffentliches Gut, die Wasserversorgung darf nicht privatisiert werden. Von
    JACQUES SECRETAN
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  • DIE Nasa hat Jahrzehnte Erfahrung damit, die Ergebnisse ihrer Weltraumforschung quasi in Echtzeit zu popularisieren. Ihre europäische Schwesterbehörde ESA hingegen funktioniert nach dem Motto: Erst die Wissenschaft und dann viel später die Öffentlichkeit. Zugleich setzt sich die Nasa mit einer gewissen Nachsicht den zahllosen Verschwörungstheorien aus, die in den USA grassieren. Ihr Kommunikationsmodell erlaubt auch noch den Anhängern der absurdesten Behauptungen, dabei zu sein und mitzureden – und zwingt damit alle Verschwörer zu einer Rationalität, der sich ihre Theorien eigentlich verweigern.Von
    PIERRE LAGRANGE
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  • RUSSISCHE Wissenschaftler haben soeben eine Atemluft entwickelt, die auch aus der Atmosphäre des Mars gewonnen werden könnte. Im Langzeiteinsatz soll die Kunstluft ab 2006 getestet und später einmal in Weltraumsiedlungen eingesetzt werden. Statt Stickstoff enthält sie das für Menschen unschädliche Edelgas Argon. Ausgeschlossen sind damit Brandgefahr und Unterdruckschocks, wie sie beim Tauchen drohen. Damit ist ein gigantisches Projekt ein winziges Stück realisierbarer geworden: Terraforming, die Umgestaltung des Mars zu einem erdähnlichen Planeten.Von
    ROLAND LEHOUCQ
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