Mars-Express
LANG sah es so aus, als sollte der erste große Schritt ins All auch der letzte sein. Seit dem Ende des „Apollo“-Programms schien sich die Eroberung des Weltraums auf die Eroberung des erdnahen Raums zu beschränken. Konkurrenz gab es nicht mehr zwischen den Weltmächten, sondern zwischen Satellitensystemen: zur Nachrichtenübermittlung, zur Beobachtung der Erde, zur Positionsbestimmung. Obwohl die Beobachtungsmissionen innerhalb des Sonnensystems immer erfolgreicher wurden und den Menschen neue Augen und neue Bilder zum Träumen schenkten, blieben sie wie festgenagelt am Boden. Harrison H. Schmitt, der Mensch, der 1972 als Letzter seinen Fuß auf den Mond setzte, feiert im nächsten Jahr seinen 70. Geburtstag.
Doch inzwischen entfaltet der Weltraum neue Anziehungskraft. Erdumrundungen sind zu banalen Ereignissen geworden, auch wenn sie nicht jedermann zugänglich sind. Nach dem Erfolg von „SpaceShipOne“, dem ersten privaten Raumfahrzeug, werden gewöhnliche Millionäre bald das Privileg genießen dürfen, den Blauen Planeten von hoch oben zu betrachten. Am 4. Oktober 2004 erhielt die von einem Mitbegründer von Microsoft finanzierte Mojave Aerospace Ventures, die Erbauerfirma von „SpaceShipOne“, dafür den mit zehn Millionen Dollar dotierten Ansari X-Price. Nach dem Vorbild des America’s Cup soll der Preis in Zukunft jährlich vergeben werden und so das Startsignal für die private Eroberung des Weltraums geben.
Dieses Projekt ist allerdings nur Spielerei im Vergleich zu dem anderen großen Vorhaben in der bemannten Raumfahrt: Schon bald werden Menschen den Fuß auf den Mars setzen, jenen faszinierenden Planeten, den die Griechen „Ares“, die Babylonier „Nirgal“, die Inka „Auqakuh“ und die Sumerer „Simud“ nannten. Hauptinitiator dieses Unternehmens ist Robert Zubrin, Präsident der 6 000 Mitglieder zählenden Mars Society. „Mars Direct“ heißt das Konzept, das er in seinem Buch „The Case for Mars“ beschreibt. Zubrin, ehemaliger Chefkonstrukteur bei einem Raumfahrtunternehmen, will im Januar 2014 ein erstes Raumfahrzeug zum Mars starten lassen, und zwar mit einer schweren Rakete vom Typ der amerikanischen „Saturn“ oder der russischen „Energia“. Danach sollen alle zwei Jahre zwei weitere Raketen starten, weil in diesem Rhythmus die Planetenkonstellation besonders günstig ist. Mit der ersten Rakete wird man vier Astronauten nach einem Flug von 180 Tagen zu dem zwei Jahre zuvor abgesetzten Landefahrzeug bringen, mit dem die Besatzung auch zurückkehren wird. Die zweite, unbemannte Rakete transportiert ein weiteres Modul zum Mars, bestimmt für die nachfolgende Mission. Die Astronauten werden 550 Tage Zeit haben, die Region zu erkunden und Experimente durchzuführen.
Die Raffinesse der Mission liegt in der relativen Leichtigkeit der Geräte. So wird das für die Rückkehr bestimmte Fahrzeug ohne Treibstoff auf den Mars geschickt. Es soll den für die Rückkehr nötigen Treibstoff selbst erzeugen, und zwar durch die chemische Zersetzung der Marsatmosphäre mit Hilfe eines mitgeführten Stromgenerators. Dies ist zwar riskant, aber Zubrin selbst hat gezeigt, dass es mit relativ bescheidenen technischen Mitteln möglich ist, die Ressourcen auf dem Mars für diese Zwecke zu nutzen. Außerdem wird bei jeder Mission das Wohnmodul zurückgelassen. So ist es möglich, mit der Zeit eine permanente wissenschaftliche Station auf dem Mars aufzubauen.
Wenn Robert Zubrin die zukünftige Entwicklung einer menschlichen Kolonie auf dem Mars beschreibt, spricht er als guter Amerikaner gern von der new frontier und erinnert an die Geschichte der Pioniere und die Eroberung des Westens. Privateigentum und Unternehmergeist gelten ihm als die wichtigsten Triebkräfte einer Kolonisierung des Weltraums. Doch ob nun die heutigen Weltraummächte – die USA, Europa und China – oder multinationale Unternehmen sich der Sache annehmen, eines ist für Zubrin sicher: Sein Plan ist nicht nur realistisch, sondern auch kurzfristig realisierbar.
PHILIPPE RIVIÈRE