Eskalation im östlichen Mittelmeer
von Niels Kadritzke | 11. September 2020
Der folgende Beitrag basiert auf meinem Text in der September-Ausgabe von Le Monde diplomatique. In der Diplo konnte ich aus Platzgründen nicht alle Facetten und Implikationen der Krise um die Abgrenzung der “Ausschließlichen Wirtschaftszonen” (AWZ) im östlichen Mittelmeer behandeln. Das hole ich mit diesem Beitrag nach, der zudem lückenlos die Quellen und Dokumente ausweist, die meiner Analyse zugrunde liegen.
Griechische-französische Militärübung im östlichen Mittelmeer, 13. August 2020
© Greek Ministry of Defence/reuters
Die seit langem bestehenden Differenzen zwischen Griechenland und der Türkei habe ich bereits ausführlich in einem Text untersucht, der nach der letzten griechisch-türkischen Krise vom Januar 2017 (damals in der Ägäis) auf diesem Blog erschienen ist. Diese Analyse vom 7. April 2017 mit dem Titel “Kriegsgeheul in der Ägäis” ist keineswegs überholt, weshalb in diesem Text mehrfach auf sie verwiesen wird. Als Hintergrund nützlich ist nach wie vor auch die Gesamtdarstellung der Ägäis-Problematik, die ich aus Anlass der Imia-Krise vom Januar 1996 für LMd geschrieben habe.
Die aktuelle Krise, bei der es zwar vornehmlich, aber nicht ausschließlich um die beiderseitigen AWZ-Ansprüche geht, habe ich von Griechenland aus beobachtet. Deshalb kann ich vorweg zwei Eindrücke vermitteln. Zum einen ist die griechische Bevölkerung seit Beginn der Spannungen keineswegs in Panikstimmung, auch nicht auf den Ägäis-Inseln. Dass die griechischen Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt sind, macht sich im zivilen Alltag kaum bemerkbar, zumal auch die klassischen Begleiterscheinungen einer Krise wie Hamsterkäufe ausbleiben.
Um so stärker ist der Kontrast zwischen öffentlichem Leben und veröffentlichter Meinung. Die Medien haben auf höchste Alarmstufe geschaltet. Soweit sie der Regierung Mitsotakis nahestehen – und das ist fast ausnahmslos der Fall – widmen sie der Krise mit der Türkei deutlich mehr Schlagzeilen und TV-Reportagen als der Pandemie. Dabei hat sich die Corona-Krise, die das Alltagsleben der gesamten Bevölkerung prägt, seit Mitte August besorgniserregend verschärft. So gesehen bringt der Konflikt im Mittelmeer der Regierung Mitsotakis durchaus einen innenpolitischen Kollateralnutzen.
Auf die Corona-Situation und ihre Facetten, insbesondere auch auf die Lage in der Flüchtlingszentren – und die vorprogrammierte Katastrophe von Moria – werde ich in einem zweiten Beitrag eingehen. In diesem Text konzentriere ich mich aus aktuellen Gründen auf die griechisch-türkische Krise, die Europa noch einige Zeit beschäftigen wird.
Wem gehört das östliche Mittelmeer?
Es war eine der gefährlichsten maritimen Kollisionen der letzten Jahre: Am 14. August kam es im östlichen Mittelmeer zu einer Karambolage zwischen der türkische Fregatte “Kemal Reis“ und der griechischen Fregatte “Limnos“.
Das türkische Kriegsschiff gehörte zum Geleitzug des Forschungsschiffs “Oruç Reis“, das in einem Seegebiet 110 Seemeilen (etwa 200 Kilometer) südlich der türkischen Küste mit seismischen Untersuchungen des Meeresbodens beauftragt war. Das Operationsgebiet liegt nach Auffassung Ankaras innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Türkei. Das griechische Kriegsschiff beschattete die türkische Mini-Flotte, deren Explorationsmission aus Athener Sicht illegal war. Denn Athen beansprucht dasselbe Seegebiet für die griechische AWZ.
Der Kontakt zwischen den Fregatten der beiden Nato-Staaten endete glimpflich: Die Kemal Reis, die der Limnos seitlich vor den Bug gefahren war, wurde durch den Zusammenstoß im Heckbereich beschädigt. Die Limnos blieb heil, was es der Regierung in Athen erlaubte, die Kollision als “Manövrierfehler“ des türkischen Kapitäns herunterzuspielen. Anders der türkische Präsident Erdoğan: Er nutzte die Episode für PR-Zwecke und erklärte seinem Volk, die Kemal Reis habe der frechen griechischen Fregatte die richtige Antwort gegeben. Den Blechschaden seiner Fregatte erwähnte er nicht.
Der Vorfall vom 14. August war der Auftakt zu einer Konfrontation, die bis heute andauert. Vorangegangen war eine ähnliche Spannungsperiode im Juli, die am 22. Juli durch ein Telefonat von Bundeskanzlerin Merkel (der bis Ende des Jahres die Ratspräsidentschaft der EU obliegt) mit Staatspräsident Erdoğan vorübergehend entschärft worden war.
Auch Frankreich und Ägypten mischen mit
Bis Mitte September hat sich der Konflikt nicht nur verschärft, sondern noch weiter internationalisiert, weil immer neue staatliche Akteure mitmischen. Inzwischen arbeitet Griechenland militärisch mit mehreren Staaten zusammen, die aus unterschiedlichen Gründen mit Ankara über Kreuz liegen. Das gilt vor allem für Frankreich, das im Libyen-Konflikt als Gegenspieler der Türkei auftritt, indem es offen die „Regierung Haftar“ in Bengasi unterstützt. Vom 26. bis 28. August waren französische (und italienische) Kriegsschiffe an einem Manöver mit der griechischen und zyprischen Marine beteiligt, das südlich von Zypern stattfand. Dabei wurde die französische Fregatte "La Fayette" von drei Rafale-Kampfflugzeugen unterstützt, die auf der Luftwaffenbasis Paphos im Süden Zypern stationiert sind. (Genaueres zu dem Manöver namens Eunomia siehe: NavalNews vom 28. August 2020)
Auch das Al-Sisi-Regime in Kairo, das von Erdoğan als Hauptgegner im arabischen Lager angesehen wird, ist zum Bündnispartner Athens geworden. Dasselbe gilt für die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die in Libyen (im Verein mit Ägypten) die Haftar-Fraktion unterstützen. Ende August waren auf Kreta zeitweilig Kampfflugzeuge der VAE und Ägyptens stationiert, die gemeinsame Manöver mit der griechischen Luftwaffe abhielten.
Weniger demonstrativ, aber dennoch intensiv ist die militärische Zusammenarbeit mit Israel, die sich seit dem Bruch zwischen Tel Aviv und Ankara (im Jahr 2011) gefestigt hat. Vor wenigen Tagen, am 9. September, wurde in Athen ein weiteres Protokoll über die strategische Kooperation Griechenland-Zypern-Israel unterzeichnet, das eine Reihe gemeinsamer Manöver für das Jahr 2021 vorsieht. In der aktuellen Krise hält sich Israel allerdings offiziell zurück.(1)
Ob die Krise im östlichen Mittelmeer entschärft werden kann, dürfte sich frühestens nach dem nächsten EU-Gipfel vom 24. und 25. September klären, auf dem ein Katalog von Sanktionen gegen die Türkei auf dem Tisch liegt. Bis dahin herrscht in der Region weiterhin Alarmstufe Eins.
Ein Schießkrieg – eher unwahrscheinlich
Dabei war die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung zu Beginn der Krise gering. Am 14. August beschränkten sich die Kontrahenten darauf, die gegnerischen Schiffe zum Verlassen der "eigenen" AWZ aufzufordern, was von beiden Seiten ignoriert wurde. Dennoch blieb eine militärische Eskalation aus. Es erschien völlig absurd, ausgerechnet im August einen Schießkrieg zu beginnen und die wenigen ausländischen Touristen zu vertreiben, die beiden Ländern im Corona-Sommer verblieben sind.
Zudem herrscht beim griechischen wie beim türkischen Militär eine höllische Angst vor dem Virus, die schon den normalen Kasernenbetrieb einschränkt. Deshalb hatten sich sich der türkische und der griechische Verteidigungsminister am 15. April auf die Absage ihrer jeweiligen Frühjahrs-Manöver verständigt, um ihre Soldaten “nicht dem Corona-Virus auszusetzen“ (siehe: Kathimerini vom 12. Mai 2020).
Die hohen Offiziere beider Seiten kennen sich auch persönlich, als professionelle Kollegen auf Nato-Ebene. Der griechische Admiral a.D. Evangelos Apostolakis, Generalstabschef unter der linken Tsipras-Regierung, sagt über seine türkischen Gegenspieler: “Ich weiß genau, dass auch die keinen militärischen Konflikt wollen, denn der nutzt keiner Seite“ (siehe: Interview im TV-Sender Mega vom 11. August 2020). Für diese Einschätzung spricht auch eine Meldung vom 1. September, wonach sich die Militärführung der Forderung Erdoğans widersetzt habe, ein griechisches Schiff zu attackieren oder ein griechisches Kampfflugzeug abzuschießen.(2)
Die große Frage ist allerdings, welchen Nutzen sich die Erdoğan-Regierung von der Krise im östlichen Mittelmeer verspricht. Ihr erklärtes Ziel ist es, die türkischen Ansprüche auf eine großräumige “Ausschließliche Wirtschaftszone“ (AWZ) durchzusetzen, die auf Kosten der griechischen AWZ-Ansprüche gehen würde. Beide Seiten haben vor allem die unter dem Meeresboden vermuteten Erdöl und Erdgas-Vorkommen im Auge.
Streit mit ungewissem Streitwert
Allerdings weiß man heute weder in Ankara noch in Athen, wie hoch der Streitwert dieser Ressourcen ist. Über den kann man angesichts der politischen und ökonomischen Weltlage nur spekulieren. Sicher ist aber: Angesichts des globalen Trends zu erneuerbaren Energien, die der beschleunigte Klimawandel erzwingt, ist Erdgas aus den Tiefen des östlichen Mittelmeers ein Auslaufmodell. Außer der Türkei haben alle Anliegerstaaten des östlichen Mittelmeers das Pariser Klimaübereinkommen vom Dezember 2015 unterzeichnet. Zudem sind Griechenland und Zypern auf das Ziel verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um die Hälfte zu kürzen. Schon die unmittelbare Gefährdung der Umwelt, die auch die touristisch genutzten Küsten der Region treffen könnten, wären Grund genug, die fossilen Energiereserven im östlichen Mittelmeer unangetastet zu lassen, wie es Paul Hockenos in LMd vom September 2020 fordert.
Auch ökonomisch gesehen ist Gas aus dem Mittelmeer eine teure Energiequelle, die auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig ist, weil die Förder- und Transferkosten einfach zu hoch liegen. Deshalb ist auch die von Griechenland und Zypern propagierte Eastmed-Pipeline ein totgeborenes Projekt.(3) Zudem hat die Pandemie die Situation noch einmal dramatisch verändert hat, argumentiert der Energieexperte Harry Tzimitras vom Peace Research Institute Oslo. Auch deshalb sieht er keinerlei Chancen für Gasexporte aus dem östlichen Mittelmeer nach Europa.(4)
In Griechenland erkennen die Fachleute das Dilemma durchaus an. Das „window of opportunity“ für die Erschließung und Förderung von Energie-Vorkommen in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer wird sich bald schließen, befindet Giorgos Pagoulatos, der Forschungsdirekter des Athener Thinktanks ELIMEP (siehe: englische Kathimerini vom 8. September 2020). Doch die politische Klasse hört nicht auf ihre Berater, wenn ihr deren Befunde nicht passen. Das gilt nicht nur für die Regierung Mitsotakis; auch die linke Opposition und Syriza-Chef Alexis Tsipras gaukelt der Bevölkerung noch immer vor, dass unter dem Meeresboden ein Eldorado zu erschließen wäre.
Aggressive Politik mit neo-osmanischen Zügen
Auch der Energie-Importeur Türkei steht angesichts der globalen Marktbedingungen vor der Frage, ob sich das teure sub-mediterrane Erdgas gegenüber dem russischen und aserbaidschanischen Gas rechnet, das man preisgünstig über schon bestehende Pipelines beziehen kann. Allerdings hat die Türkei, die sich nicht an die Klimaziele gebunden hat, noch die relativ besten Förder-Voraussetzungen. Sie verfügt über ein eigenes nationales Energie-Unternehmen, die Turkish Petroleum Corporation (TPAO), während Griechenland bei der Erschließung möglicher Gasfelder auf internationale Unternehmen angewiesen wäre. Die aber pflegen Bohrlizenzen nur in Regionen zu erwerben, in denen keine politischen Verwicklungen zu erwarten sind. Das müssen derzeit die griechischen Zyprioten erfahren. Global Player wie ExxonMobil, ENI und Total, die an der Gas-Exploration in gewissen zyprischen AWZ-Gebieten beteiligt waren, ziehen sich seit Anfang des Jahres aus Blöcken zurück, die auch Ankara für sich beansprucht.
Die Türkei ist im Streit um die ostmediterranen Wirtschaftszonen zweifellos die treibende Kraft. Das demonstriert sie seit Jahren im Streit mit der Republik Zypern, und neuerdings auch im Westen des östlichen Mittelmeers. Die Mission der Oruç Reis ist im Kontext einer aggressiven Außenpolitik zu sehen, die zunehmend “neo-osmanische“ Züge trägt. Das autoritäre Erdoğan-Regime hat die “friedliche“ Phase dieser neuen Außenpolitik, die unter dem Motto “Null Probleme mit allen Nachbarn“ (Davutoglu-Doktrin) lief, längst hinter sich gelassen.
Heute gibt es kaum einen Nachbarstaat, mit dem die Türkei keine Probleme hat. Das türkische Militär steht auf syrischem Boden, operiert gegen die Kurden im Nordirak und mischt höchst aktiv im libyschen Bürgerkrieg mit. Seit Ende 2019 versorgt Ankara die „Regierung der Nationalen Übereinkunft“ (GNA) von Fayiz as-Sarradsch in Tripolis mit türkischen Waffen (einschließlich Drohnen und gepanzerten Fahrzeugen) und finanziert Tausende von islamistischen Söldnern, die aus Syrien nach Tripolis verfrachtet wurden. Seit Sommer 2020 ist das türkische Militär in Westlibyen endgültig zur “dominierenden Macht” geworden.(5)
Außenpolitik zur innenpolitischer Machtsicherung
Die raumgreifende Außenpolitik des Erdoğan-Regimes strebt weit über des Mittelmeer hinaus. Heute unterhält das türkische Militär nicht nur Stützpunkte in Katar (seit 2015) und in Somalia (seit 2018), sondern ist auch am Roten Meer präsent, wo es den sudanesische Inselhafen Sawakin für 99 Jahre gepachtet hat.
Die “neo-osmanische“ Militarisierung wäre nicht möglich ohne den rasanten Ausbau der Rüstungsindustrie. Insbesondere bei der Drohnentechnik hat die Türkei längst Weltniveau erreicht, wobei ihr zugute kommt, dass sie diese Waffen auf den Kriegsschauplätzen Syrien und Libyen erproben und weiterentwickeln kann.(6)
In den ehemals osmanischen Balkanländern versucht Ankara, seinen Einfluss eher mittels “soft power“ zu stärken, etwa durch finanzielle Unterstützung muslimischer Volksgruppen. Nur mit Albanien hat sich eine enge militärische Zusammenarbeit entwickelt, die im Februar 2020 durch ein bilaterales Vereinbarung formalisiert wurde.
Von Beginn an war Erdoğans neo-osmanische Außenpolitik auch ein Instrument innenpolitischer Machtabsicherung. Diese Funktion hat noch an Bedeutung gewonnen, seit das AKP-Regime durch eine soziale und ökonomische Krise herausgefordert wird, die Erdoğans erklärtes historisches Ziel gefährdet: Zum 100-jährigen Jubiläum der Staatsgründung im Oktober 2023 will der “neue Sultan“ als türkischer Nationalheld und Nachfolger – oder besser Antipode – des ehrwürdigen Gründervaters Kemal Atatürk posieren.
Diese Ambition hat für Griechenland eine besondere Bedeutung. Im Zuge der historischen Demontage von Atatürk zögert Erdoğan nicht, eine Revision des Lausanner Vertrag zu fordern, auf dem das griechisch-türkische Verhältnis seit fast hundert Jahren beruht. Seit dem gescheiterten Militärputsch gegen sein Regime, hat der Staatschef mehrfach erklärt, der Vertrag von 1923 sei für ihn kein „heiliger Text“. Atatürk habe damals einen schlechten Deal gemacht, der korrigiert werden müsse. Zum Beispiel durch die Rückerstattung von „türkischen“ Inseln, die Atatürk den Griechen überlassen habe.(7)
Ein für Griechenland bedrohlicher Geschichtsrevisionismus
Ganz in diesem revisionistischen Geist erklärte Erdoğan in der aktuellen Krise: „Der Kampf der Türkei für Unabhängigkeit und für ihre Zukunft geht auch heute noch weiter.“ Die Ankündigung erfolgte am Gedenktag für den endgültigen Sieg der türkischen Armee über die griechischen Invasionstruppen Ende August 1922 und hatte einen klaren Adressaten, nämlich „dieselben Invasoren, wie diejenigen, die unser Vaterland vor hundert Jahren zu erobern versuchten.“(8) Noch schärfer drohte er Griechenland am 5. September in seiner Rede vor Kadetten: „Das türkische Volk hat diejenigen, die vor hundert Jahren unsere Unabhängigkeit angegriffen haben, in der Erde vergraben oder ins Meer geworfen… Hoffentlich werden die heute nicht denselben Fehler machen, damit sie nicht wieder denselben Preis zahlen müssen.“ (zitiert nach: EfSyn vom 7. September 2020)
Der geschichtspolitische Ehrgeiz, Atatürk zu übertreffen, äußert sich auch in dem Beschluss, dessen symbolkräftige Entscheidung aus dem Jahr 1935 rückgängig zu machen. Am 24. Juli wurde das byzantinischen Gesamtkunstwerk der Hagia Sophia in Istanbul aus einem Museum in eine Moschee zurückverwandelt. Einen Monat später wurde auch die byzantinische Chora-Kirche, ein Bauwerk von größter kunsthistorischer Bedeutung, von einem Museum in eine Moschee (Kariye Camii) zurück verwandelt. Mit dem doppelten kulturpolitischen Coup – der in aller Welt und besonders in Griechenland Empörung auslöste – hat Erdoğan allerdings innenpolitisch nicht viel gewonnen. Nach einer Umfrage erklärten 99,7 Prozent der Befragten, die Hagia Sophia-Entscheidung habe keinen Einfluss auf ihr Wahlverhalten (FAZ vom 13. August 2020).
Umso wichtiger werden außenpolitische Erfolge, mit denen Erdoğan auch seinen Bündnispartner, die ultranationalistische MHP, bei der Stange halten kann. Die Partei der “Grauen Wölfe“ ist die einzige zivile Machtreserve für eine AKP, deren Wählerbasis bröckelt. Unter diesen Umständen konnte die MHP ihren Einfluss auf die Außenpolitik Ankaras deutlich verstärken. Der türkische Exil-Journalist Yavuz Baydar spricht von einem “Machtkartell aus nationalistischen Offizieren, expansionistischen 'grauen Wölfen’ und Islamisten“, das Erdoğan zwinge, „sein Draufgänger-Image jeden Tag neu unter Beweis zu stellen“.(9)
Erdoğans „Blaues Vaterland“
Die maritime Dimension der neo-osmanischen Außenpolitik äußert sich in der stolzen These vom “Blauen Vaterland“ (Mavi Vatan). Erdoğan sieht die Türkei als aufstrebende Seemacht mit Präsenz in den drei Meeren in denen es nationale Interessen durchzusetzen gilt. “Die Türkei wird sich die ihr zustehenden Rechte im Mittelmeer, in der Ägäis und im Schwarzen Meer nehmen“, tönte der Präsident am 26. August. “Wir werden nicht aufgeben, was uns gehört. Wir sind entschlossen, für dieses Ziel alles zu tun, was politisch, ökonomisch und militärisch nötig ist.“
Solche Drohungen sind nicht neu, aber sie werden inzwischen durch eine permanente Aufrüstung unterfüttert.(10) Die “nationale Strategie“ der Türkei stützt sich auf die “technologischen Errungenschaften in der Rüstungsindustrie, die ihre Luft-, Land- und Seestreitkräfte gestärkt haben“ erklärte Erdoğan in einer Rede, in der er den Bau von drei Flugzeugträgern ankündigte (Hürriyet Daily News, 23. August 2020).
Dazu gehört auch die Anschaffung der Instrumente zur Erkundung der vermuteten Schätze unter dem Meeresboden der türkischen AWZ. Die Türkei besitzt heute eine Flotte von elf Explorationsschiffen, darunter die “Oruç Reis“, die im August südöstlich der Inselkette Kreta-Karpathos-Rhodos seismische Messungen auf dem Meeresgrund durchführte und dabei 70 Kilometer in die von Griechenland beanspruchte AWZ vorgedrungen ist.
Das Problem der Ausschließlichen Wirtschaftszonen
Der Streit um die maritimen Interessensphären zieht sich schon über Jahrzehnte hin. Die spezielle Frage der AWZ-Abgrenzung ist seit 1994 in eine neue Phase getreten. In diesem Jahr trat das UN-Seerechtsübereinkommen in Kraft: die United Nations Convention on the Law of the Sea (UNCLOS), die man als UN-Charta des Seevölkerrechts bezeichnen kann.(11)
Die ausschließliche Wirtschaftszone wird im Artikel 56 sozusagen als ökonomischer Überbau über dem „Festlandsockel“ definiert.(12) Es handelt sich um ein erweitertes Meeresgebiet jenseits der Hoheitszone des Küstenstaats, in dem diesem aber “souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen“ zustehen, und zwar an der Wasseroberfläche, auf dem Meeresboden wie auch in dessen Untergrund. Die begehrtesten Ressourcen sind einerseits die Fischbestände, andererseits mineralische oder fossile Ressourcen im Meeresboden.
Die AWZ beginnt jenseits des (in der Regel) 12 Seemeilen breiten Küstenmeeres (auch Hoheitsgewässer genannt) und kann sich bis zu 200 Seemeilen (370,4 Kilometer) weit ins offene Meer erstrecken (Art. 55 und 57). Bei gegenüberliegenden oder benachbarten Küstenstaaten wird die Sache komplizierter, weil sich die jeweiligen 200 Meilenzonen überlappen. Dann müssen sich die konkurrierenden Staaten auf eine AWZ-Grenze einigen (im Normalfall die Mittellinie zwischen beiden Küsten) oder, wenn eine Einigung nicht gelingt, ein Schiedsverfahren beim Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag einleiten.
Eine komplizierte Geografie
Besonders kompliziert ist die Abgrenzungsfrage im östlichen Mittelmeer. Hier gibt es sowohl benachbarte Küstenstaaten (wie Libyen und Ägypten) als auch gegenüberliegende Staaten (wie die Türkei und Ägypten), und dazu einen Inselstaat (Zypern). Ein Teil der Probleme wurde bereits durch bilaterale AWZ-Abkommen beigelegt, zum Beispiel zwischen Zypern und Israel bzw. Ägypten. Für große Bereiche des östlichen Mittelmeers gibt es solche Vereinbarungen jedoch nicht.
Das gilt insbesondere für die Zone zwischen dem 28. und dem 32. östlichen Längengrad, in der sich der aktuelle griechisch-türkische Streit abspielt. Hier machen beide Kontrahenten Ansprüche geltend, die bislang rein deklamatorisch sind. Diese Ansprüche erhoben beide Seiten in dem Funkverkehr beim ersten “Zusammentreffen” ihrer Kriegsschiffe am 11. August. Die griechische Fregatte, die den türkischen Flottenverband auf Sichtabstand “verfolgte”, forderte die gegnerischen Schiffe auf, sich “vom griechischen Festlandsockel zu entfernen”. Die türkische Marine reagierte zunächst gar nicht, und nach dem dritten Mal mit der Aufforderung, die griechischen Schiffe sollten die türkische Zone verlassen.
Beide Seiten versteifen sich also auf einseitig deklarierte Ansprüche, die keine völkerrechtlichen Besitztitel begründen und deshalb eine “Anmaßung“ gegenüber dem Konkurrenten darstellen. Wobei es einen qualitativen Unterschied gibt: Die Anmaßung der türkischen Seite ist weitaus unverfrorener, da sie das Seevölkerrecht in mehrfacher Hinsicht eklatant missachtet.
Warum die Türkei das Völkerrecht verletzt
Zum ersten verletzt die militärisch gestützte Expedition der Oruç Reis den UNCLOS-Artikel 74, der in Absatz 3 gebietet: Bis zum Abschluss einer Übereinkunft (durch Vertrag oder Schiedsverfahren) “bemühen sich die beteiligten Staaten nach besten Kräften und im Geist der Verständigung und Zusammenarbeit, vorläufige Vereinbarungen praktischer Art zu treffen und während dieser Übergangszeit die Erzielung der endgültigen Übereinkunft nicht zu gefährden oder zu verhindern. Diese Vereinbarungen lassen die endgültige Abgrenzung unberührt.”
Gegen dieses Gebot verstößt die türkische Seite, indem sie explorative Aktivitäten in einer umstrittenen, da auch von Griechenland beanspruchten Zone betreibt. Die griechische Seite tut das in der von ihr beanspruchten AWZ (noch) nicht; dass die griechische Kriegsmarine die türkischen Schiffe “beschattet“, ist durchaus rechtens, da sich in diesem Fall beide Flotten in internationalen Gewässern bewegen. Andererseits gilt auch, dass die türkische Aktion kein Kriegsgrund ist, sodass also ein griechischer Angriff auf die türkische Schiffe wiederum völkerrechtswidrig wäre.
Völkerrechtlich defekt ist auch das Dokument, auf das die Türkei ihren Anspruch auf die fragliche AWZ stützt: eine Absprache mit einer dritten Partei, nämlich Libyen, durch die griechische Rechte eklatant verletzt werden. Diese bilaterale Vereinbarung zwischen Ankara und Tripolis vom 27. November 2019 weist gleich mehrere Rechtsmängel auf.
Zunächst ist schon die Legitimation der Regierung as-Sarradsch zweifelhaft, die sich auf die türkische Militärhilfe stützt und von Ankara zu der gemeinsamen AWZ-Vereinbarung erpresst wurde: Der libysche Partner hat die AWZ-Abgrenzung erst unterschrieben, nachdem Ankara im Herbst 2019 die Unterstützung der Regierung in Tripolis ausgesetzt hatte, was den gegnerischen Verbänden des Generals Haftar vorübergehende Geländegewinne ermöglicht hatte.(13)
Ein weiteres Manko ist, dass die türkisch-libysche Vereinbarung nur in Form eines “Memorandum of Understanding“ (MoU) abgeschlossen wurde. Der höchst durchsichtige Grund: Ein MoU bedarf nicht der Ratifizierung durch das libysche Parlament, das der as-Sarradsch-Regierung (noch) die Anerkennung verweigert.
Eine schräge Idee gegen das Völkerseerecht
Gravierender ist der dritte Punkt: Dieses MoU verstößt gleich doppelt gegen das Seevölkerrecht. Zum einen setzt das im UNCLOS-Artikel 74 vorgesehene Abgrenzungsverfahren zwei Partner “mit gegenüberliegende oder aneinander angrenzenden Küsten“ voraus. Dass dies auf die beiden Küstenstaaten Türkei und Libyen nicht zutrifft, zeigt ein Blick auf die Landkarte: Der westlichste Punkt der türkischen Südküste liegt 250 Kilometer östlich der libyschen Ostgrenze zu Ägypten. Der “gegenüberliegende“ Staat, mit dem die Türkei eine AWZ-Abgrenzung im Seegebiet zwischen dem 28. und 32. Längengrad vereinbaren könnte, wäre also Ägypten, mit dem die Türkei aber seit der Machtergreifung des Al-Sisi-Regimes verfeindet ist.(14)
Um die verflixte Geographie auszutricksen, kam man in Ankara auf eine ausgesprochen schräge Idee. Man beruft sich auf eine “diagonale Linie“ zwischen der türkischen Südküste und der libyschen Nordküste. In der Karte, die dem MoU mit Tripolis zugrunde liegt, bildet diese Diagonale die Achse der beiden AWZ, die 150 Kilometer südlich der Ostspitze Kretas zusammenstoßen (siehe Karte).
Das Konzept der diagonalen Linie stammt von Konteradmiral Cihat Yaycı, der bis Mai dieses Jahres Chef der türkischen Kriegsmarine war. Die schräge Idee wäre ein völkerrechtlicher Blindgänger geblieben, wenn sie nicht das Erdoğan-Regime zum AWZ-Abkommen mit Libyen inspiriert hätte. Damit wurde sie zur politischen Waffe, die Ankara gegen ein zentrales Prinzip des Seevölkerrechts in Stellung gebracht hat.
Mittels der „kreativen Idee“ des Admirals, die von der türkischen Presse als „game-changer“ gefeiert wurde(15), verfolgt die Regierung in Ankara vor allem ein Ziel: die Negation des Anspruchs, den die griechischen Inseln Rhodos, Karpathos, Kassos und Kreta auf eine eigene AWZ haben (Artikel 121 UNCLOS). Im Südosten Kretas berührt die von der Türkei beanspruchte AWZ sogar fast die kretischen Küstengewässer.(16)
Ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags stellt in einer am 17. Januar 2020 veröffentlichten “Seevölkerrechtliche Bewertung der türkisch-libyschen Vereinbarung“ klar, das “Inseln unabhängig von ihrer Größe die gleichen Seegebiete (Küstenmeer, Festlandsockel und AWZ) haben wie das Festland“. Demzufolge verstößt das türkisch-libysche MoU “gegen das völkergewohnheitsrechtliche Seerecht und erscheint im Ergebnis als unzulässiger Vertrag zulasten Dritter.“(17)
Die Hinfälligkeit der türkisch-libyschen Vereinbarung lässt sich mit einem Gedankenspiel veranschaulichen: Mithilfe einer “diagonalen Linie“ wäre auch eine gemeinsame AWZ-Grenze zwischen Griechenland und Tunesien möglich, das Italien einen Großteil seiner Sizilien zustehenden AWZ abzwacken würde. Auf eine solche Idee würden die beiden Staaten schon deshalb nicht kommen, weil sie an das UNCLOS gebunden sind.
Dagegen hat Libyen das Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Und die Türkei ist einer von 14 Staaten, die dieses internationale Abkommen gar nicht unterschrieben haben. An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, dass die Regierung in Ankara auf die UNCLOS-Bestimmungen verpflichtet wäre, wenn die Türkei der EU angehören würde, denn die Union ist dem Übereinkommen von 1982 kollektiv beigetreten.
Heute pflegt das Erdoğan-Regime ein opportunistisches Verhältnis zum Seevölkerrecht, das “à la carte“ in Anspruch genommen wird, wenn es den eigenen Interessen entspricht – etwa bei der Ausdehnung der türkischen Hoheitszone im Schwarzen Meer auf 12 Seemeilen. Dagegen wird UNCLOS glatt negiert, wenn seine Bestimmungen – wie im Konflikt mit Griechenland - nicht ins eigene Konzept passen. Dieser völkerrechtliche Opportunismus verrät sich in der Verlautbarung nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats in Ankara vom 22. Juli: „Our absolute determination regarding the protection of our rights, ties and interests emanating from international law in the Eastern Mediterranean was underlined.” (zitiert nach der Website des Präsidialamtes)
Im Klartext: Der Türkei geht es allein um „den Schutz ihrer Rechte, Beziehungen und Interessen, die sich aus dem internationalen Recht ergeben“. Von einer Verpflichtung auf das Völkerrecht schlechthin, also auch auf das gesamte UNCLOS-Übereinkommen, ist nicht die Rede.
Auch Griechenland vertritt maximalistische Positionen
Aber wie hält es Griechenland mit dem Seevölkerrecht? Dass Erdoğan den Konflikt mutwillig anheizt, dass Ankara mit der Entsendung der Oruç Reis in “umstrittene Gewässer“ völkerrechtswidrig agiert, und dass die AWZ-Vereinbarung mit Tripolis vor dem IGH niemals bestehen könnte, bedeutet keineswegs, dass die griechische Seite voll und ganz im Recht wäre. Die Regierung Mitsotakis könnte die maximalistischen Ansprüche des Nachbarstaats überzeugender kritisieren, würde sie nicht ihrerseits maximalistische Positionen formulieren.
Das gilt vor allem für die griechischen AWZ-Ansprüche im Seegebiet zwischen Rhodos und Zypern. Nach dem Gesetz 4001 von 2011 erstreckt sich die griechische Zone so weit nach Osten, dass sie mit der von Zypern beanspruchten AWZ zusammenstößt.(18) Mit einer solchen “gemeinsame Seegrenze“ würde eine zusammenhängende “Ausschließliche Bi-Wirtschaftszone“ entstehen, von der man in Athen und Nicosia seit langem träumt.
Aus Sicht Ankaras ist dieser griechische Traum allerdings ein Alptraum. Ein „feindlicher“ AWZ-Gürtel vor der türkischen Südküste “würde die AWZ der Türkei auf die Bucht von Antalya beschränken“, schrieb ein Kolumnist der Hürriyet und befand triumphierend, Ankara habe diesen feindseligen Plan durch die Vereinbarung mit Tripolis durchkreuzt.
Das Hirngespinst einer Bi-Wirtschaftszone mit Zypern beruht auf zwei maximalistischen und völkerrechtlich waghalsigen Annahmen. Zum einen, dass sich die zyprische AWZ 250 Kilometer weit nach Westen erstreckt; zum anderen, dass die griechische Insel Kastellorizo eine vollwertige eigene AWZ beanspruchen kann. Beide Vorstellungen missachten die Interessen der Türkei und unterschätzen das Gewicht, das der nördliche Anrainerstaat bei der Aufteilung der AWZ im östlichen Mittelmeer geltend machen kann.
Das wird besonders deutlich am Fall Kastellorizo (griechisch: Megisti, türkisch: Meis) Die Insel liegt nur drei Kilometer vor der türkischen Südküste, aber 120 Kilometer östlich der nächsten griechischen Insel Rhodos. Ihre 300 ständigen Bewohner pflegen in der türkischen Nachbarstadt Kas einzukaufen und lassen sich im Notfall im Krankenhaus von Kas versorgen, statt auf den Hubschrauber aus Rhodos zu warten. In normalen Sommern ist Kastellorizo ein beliebtes Ausflugsziel für türkische Urlauber, und die populärste Taverne wird von einen griechisch-türkischen Ehepaar geführt.
Mini-Archipel mit großen Ansprüchen
Das idyllische Kastellorizo bildet mit neun winzigen Nebeninseln ein Mini-Archipel, dem nach griechischer Vorstellung eine AWZ zukommen soll, die sich keilförmig 200 Seemeilen nach Süden erstreckt (siehe Karte). Das heißt: Ein griechisches Territorium von 12 Quadratkilometern reklamiert den Anspruch auf eine maritime AWZ in der Größe von rund 40 000 Quadratkilometern. Diese riesige Zone soll zugleich das Bindeglied zwischen der griechischen und der zyprischen AWZ bilden: „Wenn es das Kastellorizo-Archipel nicht gäbe, hätte Griechenland keine AWZ-Grenze mit Zypern, das aber ist entscheidend nicht nur aus militärischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen.“ So lautet das Resultat einer Analyse, die auf der Website des griechischen Verteidigungsministeriums nachzulesen ist.(19)
Dass dieser Anspruch für die Türkei nicht akzeptabel ist, kann man verstehen. Die Eliminierung des K-Faktors aus den griechischen Ansprüchen im Seegebiet zwischen Rhodos und Zypern ist im übrigen ein weiteres Motiv, das Ankara auf die Idee einer türkisch-libyschen AWZ-Grenze gebracht hat. Eine Analyse des Abkommens vom 27. November 2019, die am 30. November in der regierungstreuen Hürriyet erschienen ist, kennzeichnet „die von der Türkei und Libyen gezogene Demarkationslinie als Schutzschild zwischen Griechenland, Griechisch-Zypern und Ägypten“. Zur Funktion dieses Schildes heißt es, die griechische Seite wolle „die Küsten seiner Inseln von Kreta bis Meis (Kastellorizo) als eine einzige zusammenhängende Küstenlinie präsentieren, sodass sie ihre Meereszone durch Vereinbarungen mit Ägypten und Griechisch-Zypern ausweiten könnte. Der (türkisch-libysche) Deal hat diese Option gekillt, glaubt man in Ankara.“
In Wirklichkeit muss man den kritisierten griechischen Plan gar nicht killen, denn er ist ebenfalls eine Totgeburt. Das Konstrukt einer griechisch-zyprischen Bi-Zone auf Kosten der Türkei ist völkerrechtlich ähnlich abwegig wie die türkisch-libysche AWZ-Vereinbarung. Nach UNCLOS hat zwar jede bewohnte Insel das Recht auf eine eigene AWZ, aber im Fall des östlichen Mittelmeers, das als “halbumschlossenes Meer“ (im Sinne des Artikels 122) gilt, muss dieses Recht mit dem AWZ-Anspruch des Küstenstaates Türkei abgeglichen werden. Dabei ist in direkten Verhandlungen oder durch einen Schiedsspruch des IGH “eine der Billigkeit entsprechende Lösung zu erzielen“ (Art. 74). Für das Kriterium der Billigkeit hat der IGH in einer Serie von Urteilen und Schiedssprüchen verbindliche Parameter entwickelt. Dazu gehört unter anderem die Bevölkerungszahl, vor allem aber die Küstenlänge der um die AWZ konkurrierenden Territorien, in diesem Fall also des winzigen Archipels Kastellorizo und der türkischen Südküste, die mindestens 20 Mal länger ist.
Kastellorizo und das Seevölkerrecht
Der IGH postuliert zwar keine “strikte Proportionalität“ zwischen den AWZ und der jeweiligen Küstenlänge. Aber bei einem Verhältnis von 20 zu 1 ist völlig klar, dass ein Schiedsspruch der griechischen Insel nur eine sehr kleine AWZ zuschreiben würde. Ein Präzedenzfall ist das IGH-Urteil zum Streit zwischen Nicaragua und Kolumbien vom 19. November 2012. Der Fall ist insofern gut vergleichbar, als die kolumbianischen Inseln San Andrés und Providencia vor der Küste Nicaraguas, aber fast 500 Kilometer vom kolumbianischen Festland liegen.
Bei einer solchen geographischen Konstellation kann eine angemessene und gerechte („equitable“) Lösung nicht auf dem Prinzip der Mittellinie basieren, befand der IGH. Vielmehr müsse bei der Zuteilung der AWZ an beide Staaten „die Disparität zwischen der Länge ihrer jeweiligen Küsten in Rechnung gestellt werden“.(20) In diesem Fall hat das Gericht Nicaragua eine um das 3,5 fache größere AWZ zugesprochen, da die nicaraguanische Karibikküste um das 8,2 fache länger ist als die Küstenlinien der beiden kolumbianischen Inseln. Auf den Fall Kastellorizo übertragen bedeutet dies, dass die maximalistische Vorstellung einer griechisch-zyprischen Bi-Zone keine Chance hat, jemals geltendes Völkerrecht zu werden.
So sieht es auch der renommierteste griechische Experte Christos Rozakis, der zwölf Jahre lang Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war. Als Vize-Außenminister der Regierung Simitis hat er die Imia-Krise von 1996 miterlebt, in der eine Eskalation nur knapp vermieden wurde– damals durch Vermittlung der Clinton-Administration.(21) Der Jurist Rozakis geht davon aus, dass sein Land niemals eine AWZ-Grenze mit Zypern haben wird. Um einen Kompromiss mit Ankara zu ermöglichen, müsse Athen seine maximalistische Position in diesem Punkt aufgeben.
Das Aussprechen einer allen Experten vertrauten Wahrheit macht Rozakis für die Regierung Mitsotakis zur persona non grata.(22) Das hat einen schlichten Grund: Die Unhaltbarkeit der Kastellorizo-Hypothese wird dem griechischen Publikum seit Jahren verschwiegen – und zwar von allen Regierungen. Doch dieses Tabu ist nicht mehr zu halten. Dafür sorgt paradoxerweise die griechisch-ägyptische AWZ-Vereinbarung vom 6. August, die am 27. August vom griechischen Parlament ratifiziert wurde.
Ein Abkommen mit Nebenwirkungen
Die Regierung Mitsotakis hat diese Vereinbarung mit Kairo als großen Erfolg gefeiert: Damit habe man das türkisch-libysche Abkommen “in den Mülleimer entsorgt“, wie es Außenminister Dendias formulierte. In der Tat hat das Kairoer Abkommen für Griechenland zwei wichtige Vorteile. Es stellt dem türkisch-libyschen MoU die Ansprüche Griechenlands und Ägyptens entgegen, die der IGH in einem Streit- oder Schiedsverfahren sehr wahrscheinlich bestätigen würde. Das gilt vor allem für den wichtigsten Punkt: den Anspruch der großen griechischen Inseln (Kreta, Karpathos, Rhodos) auf eine eigene AWZ, den Ankara und Tripolis völkerrechtswidrig bestreiten.
Und doch hat der diplomatische Husarenstreich für die Regierung Mitsotakis eine unerwünschte Nebenwirkung. Die ägyptische Seite hat sich geweigert, das heiße Eisen Kastellorizo anzufassen. Kairo war nur zu einer “Teilvereinbarung“ bereit, die sich auf die Zone zwischen dem 26. und 28. Grad östlicher Länge beschränkt. In diesem Bereich ist die Mittellinie als Grenze zwischen griechischer und ägyptischer AWZ vorgesehen. Dass Ägypten diese Linie nicht nach Osten verlängern will, ist ein Signal an die Griechen, dass man den Fall Kastellorizo anders beurteilt und sich in diesem Punkt nicht zum Komplizen Athens gegen Ankara machen lässt. Damit gibt Kairo zu Protokoll, dass eine Aufteilung der AWZ östlich des 28. Längengrads völkerrechtlich verbindlich nur erfolgen kann, wenn die Türkei an dem Prozess beteiligt wird.
In Ankara wurde die Rücksicht Kairos auf türkische Interessen aufmerksam registriert. Und auch honoriert: Die Oruç Reis hat bei ihren wochenlangen Explorationsfahrten den 28. Längengrad nach Westen nie überquert, das heißt die griechisch-ägyptische Vereinbarung respektiert.
Athen hält am Mythos Kastellorizo fest
Dagegen hält die Regierung Mitsotakis an dem Mythos Kastellorizo fest. Außenminister Dendias hat auch nach der Vereinbarung von Kairo behauptet, die Insel habe “ungeachtet ihrer Größe” dasselbe Recht auf eine AWZ wie das griechische Festland oder Rhodos und Kreta. Deshalb werde man den K-Faktor ausnutzen, um eine AWZ-Abgrenzung mit Zypern zu erzielen – “wenn die Bedingungen dazu reif sind“.
Sollte die Athener Regierung an dieser Position festhalten, gefährdet sie damit ein zentrales Ziel ihrer Außenpolitik. Denn die Solidarität, die Griechenland angesichts der türkischen Aggressivität von der EU mit Recht einfordert, kann keineswegs bedeuten, dass sich ihre Partner auch mit griechischen Zielen solidarisieren, die völkerrechtlich unhaltbar sind.
Zum AWZ-Konflikt mit der Türkei gibt es in Athen drei Positionen. Die erste wird von den harten Nationalisten vertreten, die ein Schiedsverfahrens vor dem IGH ablehnen, weil sie den völkerrechtlichen Test scheuen. Dagegen wollen die ängstlichen Realisten irgendwann nach Den Haag gehen, damit der IGH ihr die Aufgabe abnimmt, dem griechischen Volk die „schlechte Botschaft“ in Sachen Kastellorizo und griechisch-zyprischer AWZ zu übermitteln. Die Regierung Mitsotakis schwankt zwischen diesen beiden Positionen, die innerhalb der ND – aber auch innerhalb der Oppositionsparteien – miteinander konkurrieren. Deshalb neigt sie dazu, den Gang zum IGH hinauszuzögern, zumal die türkische Eskalationsstrategie den griechischen Nationalisten in die Karten spielt. Denn keine Athener Regierung kann mit der Pistole an der Schläfe über die Einleitung eines Schiedsverfahrens in Den Haag verhandeln.
Die Experten werden nicht gehört
Eine dritte Position wird von Experten wie Rozakis, aber auch vom linken Flügel der Syriza vertreten. Demnach hätte die Athener Regierung die Aufgabe, der eigenen Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Dazu gehört das Eingeständnis, dass die AWZ-Frage nicht der einzige griechisch-türkische Streitpunkt ist, der durch einen Schiedsspruch beigelegt werden sollte. So fordert die Politologin Marilena Koppa, Griechenland müsse im Konflikt mit der Türkei „auf eigene Initiative alle strittigen Themen angehen und nicht erst einen heißen Zwischenfall abwarten.“ Man müsse also mit Selbstvertrauen auf das Völkerrecht setzen, „das unsere wichtigste Waffe ist.“ Das allerdings setze voraus, dass die Griechen endlich „von ihrem hohen Ross heruntersteigen und ehrlich sagen, was ist“.
Bei dieser Aufforderung hat Marilena Koppa dem „hohen Ross“ einen Namen gegeben, nämlich Boukephalos. Der „Ochsenköpfige“, das Lieblingsgaul Alexanders des Großen, ist jedem griechischen Schulkind ein Begriff. Der ironische Verweis zielt auf den tradierten griechischen Alltags-Patriotismus, der sich an den antiken Helden berauscht, und in Krisenzeiten jederzeit leicht zu mobilisieren ist. Und das nicht nur von „rechten“ Parteien und rechtsradikalen Bewegungen, sondern von der ganzen politischen Klasse.
Die patriotische griechische Linke
Im aktuellen Fall macht selbst die griechische Linke das patriotische Spiel mit. Auch und gerade in Sachen Kastellorizo. Die Syriza-Führung hätte die griechisch-ägyptischen AWZ-Vereinbarung zum Anlass nehmen können, den K-Mythos zu entzaubern und aus Anlass der Ratifizierung des Kairoer Abkommens durch das griechischen Parlament eine ehrliche völkerrechtliche Bestandsaufnahme zu fordern. Stattdessen warf Parteichef Alexis Tsipras der Regierung Mitsotakis vor, dass sie mit ihrem Verzicht auf den Faktor Kastellorizo die nationalen Interessen verletzt habe. Mit diesem patriotischen Versäumnis begründete die Syriza-Fraktion ihre Entscheidung, sich bei der Ratifizierung der Vereinbarung mit Ägypten zu enthalten.
Immerhin gibt es auch in der Syriza einige mutige Stimmen, die den patriotischen Schulterschluss nicht mitmachen. Dasselbe gilt für einige akademische Experten, linke Intellektuelle und wackere Einzelkämpfer in den Medien. Doch solche Stimmen finden in Griechenland nur wenig Gehör, solange Erdoğan mit dem Säbel rasselt.
Für den aktuellen Konflikt gibt es nur eine logische und völkerrechtskonforme Lösung: Die einvernehmliche Abgrenzung der AWZ in Verhandlungen zwischen allen anspruchsberechtigten Küstenstaaten. Das heißt zwischen der Türkei, Griechenland, Libyen, Ägypten und natürlich dem Inselstaat Zypern. Im Athener Parlament wird diese Lösung derzeit nur von der Mera25-Fraktion und ihrem Vorsitzenden Yanis Varoufakis befürwortet. Auf Seiten Ankaras bekennen sich auch Erdoğan und sein Außenminister formell zu einer solchen Verhandlungslösung. Aber faktisch torpedieren sie dieses Projekt, indem sie die Republik Zypern nicht anerkennen und Nicosia von solchen multilateralen Verhandlungen ausschließen wollen.
Keine Verhandlungen unter casus belli-Drohungen
Aus griechischer Sicht gibt es ein weiteres grundsätzliches Problem, das Marilena Koppa angesprochen hat. Die Türkei fordert seit Jahren, mit Griechenland nicht nur über die AWZ-Abgrenzung (in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer) zu verhandeln, sondern auch über andere „offene Fragen“, die Ankara definiert. Dazu gehören die angeblichen „grauen Zonen“ in der Ägäis, wo die türkische Seite eine unbestimmte Zahl von griechischen Inseln für sich reklamiert, aber auch der Umfang der Hoheitszone um die griechischen Inseln, die derzeit 6 Seemeilen beträgt, aber nach dem geltenden Seerecht von Athen einseitig auf 12 Seemeilen ausgedehnt werden könnte.(23)
Die Türkei hat die Wahrnehmung dieses Rechts durch Griechenland zum „casus belli“ erklärt hat, was eine völkerrechswidrige Kriegsdrohung darstellt. Auch deshalb weigert sich Athen, mit Ankara über weitere Streitfragen zu verhandeln. Aber diese Position wird sich nicht halten lassen, weil ein Schiedsverfahren in Sachen AWZ voraussetzt, dass beide Seiten klären, wie sie die Hoheitszonen definieren, jenseits derer die Wirtschaftszonen beginnen. Eine solche Klärung böte auch die Chance, ein Problem zu bereinigen, das die griechische Seite mit dem Völkerrecht in Konflikt bringt. Athen beansprucht für den Luftraum über seinen Inseln eine größere Hoheitszone als auf der Wasserebene, nämlich zehn statt sechs Seemeilen. Das ist eine weltweit einmalige Anamolie, die weder mit UNCLOS noch mit der Chicagoer Konvention über die internationale Zivilluftfahrt vereinbar ist.
Auch in diesem Punkt müssten die Politiker der griechischen Öffentlichkeit klarmachen, dass eine Auflösung des Widerspruchs im eigenen Interesse liegt. Das haben mehrere Athener Regierungen implizit eingestanden, indem sie genau über diese Frage intensive Verhandlungen mit Ankara geführt haben, die 2016 von Ankara abgebrochen wurden.
Klar ist aber auch, dass keine griechische Regierung über solche strittigen Fragen bilateral verhandeln kann, weil dies auf einen „Basar“ hinauslaufen würde, bei der die Türkei machtpolitisch Druck ausüben könnte. Wohl aber könnten sich beide Seiten zusammensetzen, um einen Katalog von Fragen zu erarbeiten, die sämtlich durch ein IGH-Verfahren zu klären wären. Das heißt auf der Basis des Völkerrechts, zu dem sich Athen gegenüber seinen EU-Partnern ständig bekennt.
Anmerkungen
1) Israel unterstützt Griechenland militärisch mit Beobachtungs-Drohnen, die auf der stark militarisierten Ägäis-Insel Skyros stationiert sind (Mitteilung des griechischern Verteidigungsministeriums vom 16. Juni 2020).
2) Inwieweit die Meldung in „Die Welt" vom 1. September 2020 zutrifft, ist schwer zu verifizieren; sie wurde von türkischer Seite nur vom Außenministerium dementiert, nicht aber – was logischer gewesen wäre – vom Verteidigungsministerium oder von der militärischen Führung.
3) Siehe dazu meine Analyse: „Pipedreams und Realpolitik“, in: LMd, Mai 2019.
4) Interview mit Ahval News vom 9. September. Dieselbe Ansicht vertritt ein von Hockenos zitierter britischer Energie-Experte.
5) Siehe Wolfram Lacher, "Libyens internationalisierter Bürgerkrieg", SWP-Aktuell, Juni 2020; siehe auch: Zülfikar Dogan, “The unspoken cost of Turkey’s ever-escalating military spending”, Ayhal News, 2. September 2020.
6) Siehe dazu: Günter Seufert, „Die Lektion von Idlib“, LMd, April 2020; und Jean Michel Morel, „Leichte Beute Libyen“, LMd, September 2020.
7) Weitere Details in meinem Blog-Text „Kriegsgeheul in der Ägäis“ vom 7. April 2017.
8) Zitiert nach der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi (AA) vom 29. August 2020.
9) Yavuz Baydar, “What does Erdoğan want to achieve by inventing crisis after crisis?”, Ahval News, 12. August 2020.
10) Siehe Günter Seufert, „Die Türkei auf dem Weg zur Seemacht“, LMd, November 2018.
11) UNCLOS wurde zwar schon im Dezember 1982 beschlossen, trat aber erst im November 1994 in Kraft, nachdem sie von 60 UN-Mitgliedsstaaten ratifiziert worden war.
12) Die AWZ-Grenze entspricht in der Regel den Grenzen des Festlandsockels. Die begriffliche Differenz zwischen beiden Größen spielt im griechisch-türkischen Streitfall keine Rolle, weshalb hier nur von der AWZ gesprochen wird. Den gesamten UNCLOS-Text (in offizieller deutschsprachiger Fassung) findet man unter: eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:21998A0623(01)
13) Genaueres dazu bei Wolfram Lacher (Anm. 5), der feststellt, dass die Türkei der GNA-Regierung in Tripolis erst wieder zu Hilfe kam, nachdem sie diese im November 2019 „zu einem Abkommen über die Seegrenzen im östlichen Mittelmeer gezwungen hatte.”
14) Zudem stehen sich Ägypten und die Türkei auf libyischen Boden direkt gegenüber, weil sie die jeweils andere Bürgerkriegspartei unterstützen. Siehe dazu auch: Morel (Anm. 6)
15) So Serkan Demirtas in Hürriyet Daily News vom 30. November 2019. Eine Kritik am Konzept von Yayci aus griechischer Sicht hat Prof. Christos Rozakis in der Kathimerini (engl. Ausgabe vom 18. Mai 2020) veröffentlicht.
16) Eine weitere Intention Ankaras war die „Behinderung“ des Projekts einer EastMed-Pipeline, die Gas von den zyprischen und israelischen Bohrfeldern über Kreta nach Europa transportieren sollte. Da dieses Projekt niemals realisiert wird, ist diese Intention hinfällig geworden. Zudem ist rechtlich umstritten, ob eine AWZ einem Staat das Recht verleiht, ein Pipeline-Projekt dritter Staaten zu verhindern.
17) Das Gutachten unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/678992/e6247b1311a73d6058a5d50ea7eb2682/WD-2-143-19-pdf-data.pdf
18) In diesem Gesetz wird die Außengrenze für die griechische AWZ „in Ermangelung einer Abgrenzungsvereinbarung mit Nachbarländern“ auf die Mittellinie festgelegt. Die Karte und weitere Erläuterungen sind in einer ausführlichen Dokumentation enthalten, die als Beilage der Kathimerini erschienen ist: Angelos Syrigos, „Türkische Ansprüche in der Ägäis und im Östlichen Mittelmeer“ (gr.), August 2020, S. 50 ff.
19) Der am 9. September eingestellte Text stammt von dem prominenten Journalisten Michalis Ignatiou. Die Kastellorizo-These wird seit Jahren fast von allen griechischen Medien verbreitet und zwar so unwidersprochen, dass sie sich im Bewusstsein der Bevölkerung als herrschenden Rechtsauffassung etablieren konnte.
20) So in Absatz 215 bzw. 229 des Urteils vom 19. November 2012 (in englischer Fassung unter: https://www.icj-cij.org/files/case-related/124/124-20121119-JUD-01-00-EN.pdf. Weitere IGH-Urteile, in denen die Kriterien für eine „equitable solution“ bei der AWZ-Aufteilung ausgearbeitet und konkretisiert wurden, sind die Fälle Kanada vs. USA (über das Gulf of Main-Gebiet) von 1984, und Rumänien vs. Ukraine (Abgrenzung im Schwarzen Meer) von 2009.
21) Die Imia-Krise wird in den beiden Analysen nachgezeichnet, auf die ich in der Einleitung dieses Textes hingewiesen habe.
22) Rozakis Amtszeit als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats im Athener Außenministerium lief im Juni 2020 ab; eine Verlängerung wäre möglich gewesen, war aber nicht erwünscht.
23) Dazu ausführlich mein Blog-Text “Kriegsgeheul in der Ägäis“ vom April 2017.