Die kurzen Beine des Kyriakos Mitsotakis
von Niels Kadritzke | 23. Dezember 2021
Das Schicksal der Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze hat erneut ein Thema ins Blickfeld gerückt, das in der europäischen Öffentlichkeit längere Zeit erfolgreich verdrängt wurde. Aber auch jetzt war die Berichterstattung unserer Medien auf das zynische Kalkül des Lukaschenko-Regimes und die unnachgiebige Haltung der Warschauer Regierung konzentriert. Dagegen wurde das Versagen der Europäischen Union nur am Rande erwähnt. Dabei sind die ungerügten Pushback-Praktiken, die das polnische Militär an der EU-Ostgrenze durchführt, auch dadurch ermutigt worden, dass die EU-Partner und die Brüsseler Kommission die langjährigen Praktiken anderer Mitgliedstaaten hingenommen haben.
Diese Nachsicht würde etwa gegenüber Ungarn und Kroatien geübt, aber auch gegenüber Griechenland. Dabei gibt es zwischen Polen und Griechenland einen interessanten Unterschied. Weil die PiS-Regierung offen erklärt, die „Souveränität“ Polens stehe über dem internationalen Recht, braucht sie ihre Pushback-Aktionen nicht zu leugnen. Dagegen behauptet die Regierung Mitsotakis, sie respektiere die völkerrechtlich verbrieften Rechte der Flüchtlinge, die aus der Türkei nach Griechenland gelangen wollen. Damit sieht sie sich allerdings gezwungen, die Praktiken ihrer Küstenwache in der Ägäis zu leugnen und diejenigen zu verfolgen, die fortwährend illegale Pushbacks dokumentieren. Im folgenden Text wird versucht, das Lügengebäude der Regierung Mitsotakis darzustellen und zu untergraben.
2. November: Die türkische Küstenwache rettet 99 Flüchtlinge in der Nähe von Kuşadası, die zuvor von griechischen Kräften zurückgepusht wurden
© picture alliance/AA/Turkish Coast Guard Command
Am Ende des vorigen Blogbeitrags habe ich das „infusionsgesteuerte“ System skizziert, das der Regierung Mitsotakis zur Medienlandschaftspflege dient. Dabei verwies ich auf das Schicksal des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, dessen politische Karriere beendet war, als seine PR-Tricks ans Licht kamen. Im weiteren Verlauf der Causa Kurz kam mir eine Episode zur Kenntnis, die uns eine griechische Pointe beschert.
Im Mai 2021 wurde dem damaligen österreichischen Bundeskanzler in München der „Freiheitspreis der Medien“ verliehen. Den anmaßenden Titel hat eine Stiftung erfunden, die 2016 von dem Verleger-Ehepaar Wolfgang Weimer und Christiane Goetz-Weimer „im Geiste Ludwig Erhards“ gegründet wurde. Das politische Profil der Weimers (die u.a. das Magazin Cicero gegründet haben) spiegelt sich in der Liste der geadelten Freiheitskämpfer, zu denen Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und FDP-Chef Christian Lindner gehören. Dass es bei der Freiheit, die das Sponsorenpaar meint, um die „freie Marktwirtschaft“ und nicht etwa um die Presse- und Meinungsfreiheit geht, bezeugt die Auszeichnung von Sebastian Kurz. Denn der verdankt seinen Aufstieg verdeckten Medienmanipulationen, die seit Anfang Oktober von der Wiener Staatsanwaltschaft durchleuchtet werden.
Wen betrauten die Weimers im Mai 2021 mit der Laudatio für den österreichischen „Markenbotschafter Europas und der Freiheit“? Die Wahl fiel auf Kyriakos Mitsotakis, der – aus Athen zugeschaltet – seinem neoliberalen Duzbruder zurief: „Diese Auszeichnung bedeutet eine Anerkennung deines Charakters und deines Leaderships zuhause, Sebastian."
Ein berufener Kurz-Laudator
Kyriakos war der berufene Laudator, weil er das PR-Geschäft ähnlich effektiv betreibt wie sein Freund Sebastian, der dafür gesorgt hat, dass „Inseratenkorruption“ in Österreich zu einem geflügelten Wort geworden ist. Allerdings gibt es zwischen Kurz und Mitsotakis einen Unterschied: die Honorierung publizistischer Lobgesänge mit Anzeigeneinnahmen war und ist in Athen keine Geheimoperation. Der Regierungschef hat sie vielmehr seit Beginn seiner Amtszeit ganz offen betrieben. Beispiel mittels der zwei Corona-Anzeigenkampagnen vom Frühjahr und Sommer 2020, bei denen 19,8 Millionen Euro zur Verteilung kamen. Von dieser Summe floss weniger als ein Prozent an oppositionelle Medien, wie eine Analyse des Online-Magazins The Press Project vom 6. Juli 2020 ergab. Damals erhielten Dutzende regierungstreue Provinzblätter und lokale Websites mehr Geld als die auflagenstärkste linke Tageszeitung, die Efimerida ton Syntakton. Die einzige regierungskritische Wochenzeitung Documento tauchte auf der Liste der begünstigen Medien erst gar nicht auf. Zur Begründung hieß es, in dem Blatt seien Impfskeptiker zu Wort gekommen. Was eine glatte Lüge und umso dreister war, als eine der subventionierten nordgriechischen Provinzmedien die Parole verbreitet hatte, die Corona-Hysterie werde von George Soros angeheizt.(1)
Kurz ist über seine PR-Machenschaften zu Fall gekommen. Sein Leadership war jäh am Ende. Bei Mitsotakis funktioniert die Pflege der Medienlandschaft noch immer. Aber auch der griechische Regierungschef muss – wie jeder Machertyp – mit einem Risiko leben. Erfolge zu verklären ist leichter als Misserfolge zu beschönigen. Wenn etwas schiefgeht, hat der Chefmanager ein Problem. Das zeigte sich zum Beispiel bei der katastrophalen Waldbrandbilanz, die das Thema meines letzten Blog-Texts war. Mitsotakis musste Ausflüchte erfinden, die seine Glaubwürdigkeit strapazieren. Wenn die nicht mehr ausreichen, helfen nur noch Lügen. Im Fall Mitsotakis zeigt sich das an seiner PR-Strategie zur Flüchtlingsfrage.
Wenn verbale Trickserien nicht ausreichen
Im Folgenden kommt der griechische Regierungschef zum Thema „griechische Pushbacks“ in ausführlichen O-Tönen zu Wort, die das ganze Ausmaß seiner verbaler Tricksereien sichtbar machen – aber auch die Grenzen seiner Glaubwürdigkeit. Die hat zwar im Ausland schwer gelitten, nicht aber im eigenen Lande, wo die meisten Medien seine propagandistischen Hochseilakte eher bewundern als kritisch hinterfragen (wenn sie das Thema nicht systematisch ausblenden). Für das griechische Publikum präsentiert sich Mitsotakis als Illusionist, der die völkerrechtswidrige Praxis der Pushbacks wie durch Zauberhand zum Verschwinden bringt. Als er Anfang Juli dieses Jahres von dem Kathimerini-Journalisten Michalis Tzintzinis auf die Beschuldigungen aus dem Ausland angesprochen wurde, spielte er den Empörten: „Ich weise den Begriff Pushback zurück, ich weise diese Terminologie zurück. In meinem Vokabular gibt es diesen Begriff, gibt es dieses Wort nicht.“
Nachdem er den Begriff entsorgt hatte, erläuterte der Regierungschef, wie die griechische „Nicht-Pushback-Praxis“ angeblich aussieht: „Wenn ein Boot kommt und wir sehen, von wo es abgelegt hat, dann haben wir die Pflicht, die türkische Küstenwache zu informieren. Und dann werden wir alles tun, was in unserer Macht steht, damit dieses Boot dorthin zurückkehrt, von wo es gekommen ist. Das machen wir, und stets mit absoluter Rücksicht auf das menschliche Leben. Wir sind ein Rechtsstaat.“ Dann folgte er trotzige Schwur: „Genau das werden wir auch weiterhin tun. Und niemand kann leugnen, dass der Zustand auf den Inseln viel besser geworden ist, und nichts mit dem zu tun hat, den wir (bei Amtsantritt) vorgefunden haben.“(2)
Mitsotakis hätte es auch kürzer sagen können: „Wir zwingen die Bootsflüchtlinge in die Türkei zurück, und der Erfolg gibt uns recht, aber ich verbitte mir, das als Pushback zu bezeichnen.“
Leugnen und Lügen
Außerhalb Griechenlands verfängt solche terminologische Trickserei nicht. Dank der Aufklärungsarbeit zahlreicher Menschenrechts-NGOs sind die Pushback-Praktiken der griechischen Küstenwache (HCG oder Hellenic Coast Guard) mittlerweile so umfassend dokumentiert, dass Leugnen zum Lügen wird.(3)
Umso aufschlussreicher ist, wie der Begriffsakrobat Mitsotakis reagiert, wenn er vor der internationalen Öffentlichkeit mit seinen Ausflüchten konfrontiert wird. So geschah es am 9. November 2021, als der Regierungschef an seinem Athener Amtssitz (der Villa Maximos) zusammen mit seinem niederländischen Kollegen Mark Rutte eine Pressekonferenz gab. Das nutzte die niederländische Journalistin Ingeborg Beugel, die seit vielen Jahren als Athener Korrespondentin arbeitet, um folgende Frage zu stellen:
„Herr Mitsotakis, wann werden Sie endlich aufhören, über die Pushbacks zu lügen, über das, was Flüchtlingen in Griechenland passiert? Bitte beleidigen sie nicht länger meine und die Intelligenz aller Journalisten in der Welt. Es gibt dafür überwältigende Beweise, und sie streiten es immer noch ab und lügen. Warum sind Sie nicht aufrichtig? Warum sagen Sie nicht: Brüssel hat uns allein gelassen; wir haben sechs Jahre gewartet und nichts ist geschehen; und jetzt müssen wir etwas tun, und ja, deshalb machen wir diese grausamen und barbarischen Pushbacks.“(4)
Auf diese knallharte Frage fiel dem griechischen Regierungschef zunächst nur der Satz ein: „Mir ist bekannt, dass Sie in den Niederlanden eine Kultur haben, direkte Fragen an Politiker zu richten, was ich sehr respektiere.“ Schon diese Einlassung enthält ein interessantes Eingeständnis: Tatsächlich sind in der publizistischen „Kultur“ Griechenlands direkte und harte Fragen auf Pressekonferenzen nicht vorgesehen; schon gar nicht unter dem PR-Regime Mitsotakis. „Der Bursche ist es halt nicht gewohnt, dass man ihm unbequeme Fragen stellt“, kommentierte ein griechischer Beobachter des Rededuells mit Beugel.(5)
Wie Mitsotakis seine Contenance verliert
Im griechischen Medienalltag lebt das souveräne öffentliche Auftreten des Regierungschefs auch davon, dass ihm das einheimische journalistische Corps überwiegend devot begegnet. Das erklärt, warum Mitsotakis bei unbequemen Fragen plötzlich die gewohnte Contenance abhanden kommt. Im Fall der niederländischen Journalistin gebärdete er sich wie der empörte Hausherr, dem ein ungebetener Gast auf den Teppich gepinkelt hat: „Ich akzeptiere nicht, dass Sie in diesem Raum mich oder das griechische Volk beleidigen, mit Anklagen und Ausdrücken, die nicht auf relevanten Fakten basieren; zumal dieses Land, das mit einer Migrationskrise von beispielloser Intensität zu tun hat, hunderte wenn nicht tausende Menschen aus Seenot gerettet hat.“
Allerdings musste Mitsotakis, da die peinliche Frage nun einmal im Raum stand, auch etwas zur Sache sagen: „Ja, wir fangen Boote ab, die aus der Türkei kommen, wozu wir nach den europäischen Regularien berechtigt sind, und wir warten dann, dass die türkische Küstenwache kommt und sie aufgreift, um sie in die Türkei zurückzubringen. Statt also Griechenland die Schuld zu geben, sollten sie diejenigen anschuldigen, die Migration systematisch – systematisch – instrumentalisieren, indem sie verzweifelte Menschen aus einem sicheren Land herüberpushen – denn ich muss sie daran erinnern, dass ihr Leben in der Türkei nicht gefährdet ist. Sie sollten also andere anschuldigen, und nicht uns. Wir haben eine harte, aber faire Migrationspolitik.“
Als Beleg für seine faire Flüchtlingspolitik verwies Mitsotakis sodann auf das gerade eröffnete neue Auffanglager in Samos, das aus EU-Geldern finanziert wurde. Dabei wandte er sich direkt an die Journalistin, was zu einem lautstarken Dialog führte, den Mitsotakis mit den Worten beendete: „Passen Sie auf: Sie werden nicht in dieses Gebäude kommen und mich beleidigen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“
Pressekonferenz mit Mark Rutte, 9. November: Mitsotakis verliert die Contenance
© Michael Varaklas/AP
Bemerkenswert an dieser Szene ist nicht nur die unverhüllte Drohung mit dem Hausrecht. Entscheidend ist vielmehr, dass Mitsotakis auf Beugels Vorwurf der Lüge nicht einging, die ja eine einklagbare „Verleumdung“ darstellen würde, wenn sie denn widerlegbar wäre. Stattdessen wechselte der Hausherr das Thema und begann, das neue Lager in idyllischen Farben zu schildern: „Wenn Sie nach Samos fahren, werden sie dort ein vorbildliches Lager finden, mit vorbildlichen Bedingungen, finanziert mit EU-Geldern, mit sauberen sanitären Anlagen, mit Spielplätzen für die Kinder – kein Vergleich mit dem, was wir in der Vergangenheit hatten. Dies ist unsere Politik, zu der stehen wir, und ich werde nicht akzeptieren, dass irgendjemand auf diese Regierung mit den Fingern zeigt und sie eines inhumanen Verhaltens bezichtigt.“
Der Schuldspruch ist längst gefällt
Das ist ein großes Wort. Und zugleich eine weitere Lüge. Mitsotakis will angeblich nicht akzeptieren, dass „irgendjemand“ mit dem Finger auf seine Regierung zeigt. In Wirklichkeit muss er genau dies hinnehmen. Es gibt zu viele „Irgendjemands“, die Griechenland inhumanes Verhalten vorhalten. Zu ihnen zählen internationale Institutionen wie das UNHCR und das Antifolterkomitee des Europarats (CPT), öffentliche Personen wie die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson und weltweit geachtete Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch. Sie alle stützen sich auf eigene Recherchen, aber auch auf detaillierte und nachprüfbare Informationen von NGOs, die im gesamten Mittelmeerraum aktiv sind, wie etwa Aegean Boat Report (ABR). Auf der Basis gründlicher Recherchen berichten seit Frühjahr 2020 auch viele internationale Medien über die Pushbacks in Griechenland (und anderen EU-Ländern). Wobei zu den Printmedien, die mit dem Finger auf die Griechen zeigen, unter anderem The Guardian, The New York Times oder Der Spiegel gehören, und zu den TV-Sendern die BBC, die ARD und die Deutsche Welle. Nicht ein einziger dieser publizistischen „Irgendjemands“ wurde von Mitsotakis der Falschinformation bezichtigt, presserechtlich belangt oder gar strafrechtlich verfolgt.
In der internationale Öffentlichkeit ist der Schuldspruch gegen die Regierung Mitsotakis in Sachen Pushbacks längst gefällt. Insofern sind die öffentlichen Äußerungen von griechischer Seite so peinlich wie vergebens. Aber auch lehrreich. Wenn man das Standardrepertoire von Mitsotakis und seinem Migrationsminister Notis Mitarakis betrachtet, lassen sich drei Typen von PR-Tricks unterscheiden, die ich im Folgenden darstellen will.
1. Der denunziatorische Hinweis auf „feindliche“ Informationsquellen
Da viele (aber keineswegs alle) Informationen und Beweismateralien (insb. Video-Aufnahmen) von der türkischen Küstenwache stammen, werden die Pushback-Beschuldigungen als „türkische Propaganda“ abgetan. Damit werden pauschal auch solche NGOs – wie Aegean Boat Report, Watch the Med oder Mare Liberum –, die eigenständiges Beweismaterial präsentieren und durch türkisches Video-Material ergänzen, als „Werkzeug der türkischen Propaganda“ oder als „Helfershelfer der Menschenschmuggler“ denunziert.
2. Der ablenkende Hinweis auf Rettungsaktionen der griechischen Küstenwache und die Flüchtlinge und Asylbewerber auf griechischem Boden
In keinem seiner Interviews versäumt es Mitsotakis, auf die aufgenommenen Flüchtlinge und die aus Seenot geretteten Boatpeople zu verweisen. Beide Hinweise sind richtig, aber sie taugen natürlich nicht als Unschuldsbeweis, nach der moralische Argumentation: Wie kann man einem Land, das Flüchtlinge aus Seenot rettet und ständig Asylbewerber aufnimmt, Pushback-Aktionen unterstellen? Die verdienstvollen Rettungseinsätze der griechischen Küstenwache schließen keineswegs aus, dass Spezialeinheiten derselben Küstenwache (HCG) fortwährend Pushback-Aktionen durchführen. Der systematische Charakter dieser Einsätze soll im Folgenden dokumentiert werden.
3. Irreführende Darstellungen dessen, was die griechische Küstenwache gegen die Bootsflüchtlinge unternimmt
Nachdem Mitsotakis im August 2020 das Faktum „Pushback“ gegenüber CNN noch glatt abstreiten konnte, hat er seitdem mehrfach versucht, die Praktiken der griechischen Küstenwache so zu beschreiben, dass sie nicht wie Pushback-Aktionen aussehen. In dem Kathimerini-Interview vom Juli 2021, in dem er den Begriff Pushback empört zurückwies, gab er immerhin zu, „dass wir alles tun, was in unserer Macht steht, damit dieses Boot dorthin zurückkehrt, von wo es gekommen ist“. Vier Monate später drückte er sich auf der Pressekonferenz mit Rutte noch genauer aus: „Wir fangen Boote ab, die aus der Türkei kommen, und wir warten dann, dass die türkische Küstenwache kommt und sie aufgreift, um sie in die Türkei zurückzubringen.“(6)
In solchen Darstellungen verrät Mitsotakis allerdings mehr, als er sagen will. Da die Schiffe der HCG strikt vermeiden, in türkische Hoheitsgewässer einzudringen, können sie die Flüchtlingsboote nur innerhalb der griechischen Hoheitszone "abfangen".(7) Also befinden sich die Flüchtlinge bereits auf griechischem „Gebiet“, wo ihnen das Recht zusteht, einen Asylantrag zu stellen. Damit die türkische Küstenwache die Boatpeople „aufgreifen“ kann, wie Mitsotakis formuliert, müssen diese also wieder in die türkische Hoheitszone zurück gedrängt worden sein – auf Englisch: pushed back. Das bestätigen auch zahlreiche Berichte von NGOs, wonach die Abfangaktionen der HCG – etwa zwischen Lesbos und der türkischen Küste – innerhalb griechischer Gewässer stattgefunden haben.
An dieser Stelle muss noch einmal klargestellt werden, warum Pusback-Aktionen illegal sind. Nach dem völkerrechtlich (in der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951) verbrieften Refoulment-Verbot dürfen Personen nicht in Länder zurückgeführt werden, wo ihnen schwere Menschenrechtsverstöße drohen. Sie haben vielmehr das Recht auf Überprüfung ihrer individuellen Schutzwürdigkeit in einem geregelten Asyl-Verfahren. Der Hamburger Seerechts-Experte Alexander Proelß folgert: "In dem Moment, in dem jemand das Staatsgebiet eines EU-Mitgliedsstaates erreicht, hat die betreffende Person einen Anspruch darauf, einen Asylantrag zu stellen, der dann überprüft werden muss."(8)
Dieses Recht wird den Bootsflüchtlingen von der Mitsotakis-Regierung verwehrt. Das ist der Sinn der Pushback-Operationen der griechischen Küstenwache in der Ostägäis, und natürlich auch der Pushbacks an der griechisch-türkischen Landgrenze, die in diesem Beitrag nicht untersucht werden. Auch dort hat Griechenland ein „sehr gut entwickeltes und systematisches Pushback-Regime“ aufgebaut, berichtet Hope Barker von der NGO „Border Violence Monitoring Network“ (BVMN) in Thessaloniki.(9)
4. Was Mitsotakis nicht erwähnt
a) Die Einsätze vermummter Kommandos der Küstenwache
Der jüngste Bericht von Lighthouse Reports(10) verzeichnet 15 dokumentierte Pushbacks auf offenem Meer, die von Spezialtrupps der griechischen Küstenwache exekutiert wurden. Diese maskierten und schwarzgekleideten Männer haben Ex-Offiziere der Küstenwache als Mitglieder der Eliteeinheiten MYA und KEA identifiziert. Ihre Aufgabe besteht darin, die Boote seeuntüchtig zu machen oder durch gefährliche Manöver zu zwingen, in türkische Gewässer zurückzusteuern. „Die Befehle dazu kamen von höchster politischer Ebene“, heißt es in einem Spiegel-Bericht vom 20. Oktober 2021.(11) Die höchste politische Ebene heißt Mitsotakis. In dessen Darstellung der Nicht-Pushback-Aktionen kommen die maskierten Männer nicht vor.
b) Pushbacks von Flüchtlingen, die es schon auf griechische Inseln geschafft haben
Was Mitsotakis ebenfalls verschweigt, sind die Fälle, in denen Bootsflüchtlingen bereits griechisches Inselterritorium erreicht haben, dann aber von den vermummten Kommandos der HCG auf Liferafts gesetzt und in Richtung der türkischen Hoheitszone gepusht werden. Nur drei Tage nach dem Mitsotakis-Auftritt mit Mark Rutte wurden auf diese Weise 93 Flüchtlinge (Männer, Frauen, Kinder), die auf Samos griechischen Boden erreicht hatten, in türkische Gewässer zurückverfrachtet, wo sie von der türkischen Küstenwache (TCG) gerettet werden.(12)
Dass solche Pushbacks nicht auf die Eigeninitiative örtlicher HCG-Offiziere zurückgehen, sondern von einer Zentrale koordiniert und angeordnet werden, geht schon daraus hervor, dass in allen Fällen derselbe Typ von „Liferaft“ (orangefarbene, mit einem Zeltdach versehene Rettungsinseln) zum Einsatz kommt. Über diese zu Pushback-Vehikeln umfunktionierten „Rettungsinseln“ verfügt heute jede HCG-Station in der östlichen Ägäis. Auf eine zentrale Steuerung verweist auch die Tatsache, dass die Küstenwache in sämtlichen Fällen erklärt, von der Ankunft der Flüchtlinge nichts zu wissen, obwohl deren Abtransport durch vermummte HCG-Männer von zivilen Zeugen beobachtet wurde. Wie oft diese Liferafts der HCG zum Einsatz kamen, wird man erst wissen, wenn eine offizielle Untersuchung stattgefunden hat. Aegean Boat Report geht von rund 450 Einsätzen aus, bei denen zwischen März 2020 und Anfang Dezember 2021 rund 8000 Flüchtlinge in türkische Gewässer zurückbefördert wurden.(13)
Wie systematisch die griechische Küstenwache ihre Pushback-Operationen betreibt, belegt auch ein Report der Hilfsorganisation Alarm Phone, der für den Zeitraum Februar 2020 bis März 2021 insgesamt 79 Fälle von Rechtsverletzungen dokumentiert (an der z.T. auch die türkische Küstenwache und Frontex-Einheiten beteiligt waren). Der englischsprachige Text mit der Beschreibung von acht konkreten Fällen ist im Alarm Phone Aegean Archive nachzulesen.(14)
c) Deportationen über weite Entfernungen
Die unter b) geschilderten Fälle sind Pushback-Aktionen, bei denen ein kurzer Schub genügt, um die Boote in türkische Gewässer zurückzudrängen. Weit mehr Einsatzkräfte und logistische Mittel sind erforderlich, wenn die Flüchtlinge über Hunderte von Kilometern deportiert werden. Solche Operationen werden von der griechischen Küstenwache immer häufiger vorgenommen. Im Folgenden werden fünf Fälle geschildert, von denen zwei von internationalen Medien dokumentiert wurden.
- Deportation von 22 Bootsflüchtlingen von Ikaria nach Menderes (Entfernung: 110 Kilometer)
Am Morgen des 17. Oktober 2021 erreichten 23 Bootsflüchtlingen (darunter vier Frauen und fünf Kinder) die Nordküste von Ikaria bei Armenistis. Sie wurden von Einheimischen mit Wasser, Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln versorgt. Dann trafen zwei Boote der Hafenpolizei ein, auf denen die Gruppe, bewacht von maskierten Männern in Schwarz, nach Ayios Kyrikos an der Südküste verbracht wurde. Dort lag ein Schiff der Küstenwache, das die Flüchtlingen angeblich nach Samos in das dortige Auffanglager bringen sollte, wie die Hafenpolizei gegenüber einem Reporter des staatlichen TV-Senders ERT erklärte.(15) Doch am späten Nachmittag, acht Stunden nach Ankunft der Gruppe in Ikaria, entdeckte die türkische Küstenwache ein Liferaft mit 22 Personen, das in der Nähe von Menderes im Meer trieb. Laut Aegean Boat Report konnten auf den Fotos der TCG vier Personen, die auf Irakia gelandet waren, eindeutig identifiziert werden.(16)
An diesem Fall ist bemerkenswert, dass die Küstenwache ihren Deportationsplan trotz zahlreicher Zeugen durchgezogen hat. Dabei konnte sie darauf vertraueen, dass die staatlichen Medien ihr Vertuschungsmanöver decken würden. Zwar hatte der staatliche TV-Sender ERT zunächst berichtet, das Hafenamt habe die Überstellung der Flüchtlinge nach Samos protokolliert. Doch dieser Eintrag war tags darauf nicht mehr zu finden. Darüber und über das tatsächliche Schicksal der Gruppe wurde das ERT-Publikum nie unterrichtet.
- Deportation von 14 Flüchtlingen von Ikaria nach Didim (Entfernung: 100 Kilometer)
Ein ähnlicher Fall wurde von Aegean Boat Report Anfang August 2021 registriert. In den Morgenstunden des 5. August waren in der Nähe des Flugplatzes von Ikaria 26 Boatpeople an Land gegangen. In diesem Fall hat die örtliche Polizei 12 Personen aufgegriffen und tatsächlich in das Lager von Samos überstellt. Weitere 14 Personen, die sich vom Strand in die Berge aufgemacht hatten, blieben jedoch verschwunden – bis sie 12 Stunden später von der türkischen Küstenwache in der Gegend von Didim von einem Liferaft gerettet wurden.(17)
In diesem Fall behauptete die Polizei von Ikaria, sie habe nur 12 Personen angetroffen. Es waren die Familien mit Kindern, die am Strand zurückgeblieben und von Einheimischen betreut worden waren. Die 14 Deportierten waren offenbar die jungen Männer, die sich in die Berge aufgemacht hatten, wo sie – ohne Zeugen – von der Polizei aufgespürt wurden. Einer der Festgenommenen berichtete später, die Polizei habe ihnen zugesichert, man werde sie nach Samos in ein Lager bringen. Das war gelogen: „Wir wurden in einem alten Lieferwagen zu einem kleinen Hafen gebracht, und von da mit einem blau-weißes Fischerboot zu einem vor der Küste liegenden Boot der Küstenwache transportiert.“ Das HCG-Boot fuhr aufs offene Meer hinaus, wo die Männer später in der Nacht gezwungen wurden, auf eines der berüchtigten Liferafts umzusteigen.
- Deportation von 36 Flüchtlingen von Euböa nach Cesme (Entfernung: 180 Kilometer)
Am 27. Oktober 2020 landeten 36 Flüchtlinge an der Südostspitze der Insel Euböa, die vor der Ostküste Attikas liegt. Fotos und Video-Aufnahmen belegen, wie die Boatpeople, darunter Frauen und Kinder, an einer felsigen Küste an Land gehen. Nach einem dreistündigen Marsch ins Innere der Insel wurden sie von der Polizei aufgegriffen und zum Hafen von Karistos gefahren. Dort nahm ihnen die Hafenpolizei sämtliche Papiere und ihre Mobiltelefone ab. Dann brachte sie ein Schiff der Küstenwache an einen anderen Ort, wo sie auf ein zweites Schiff verladen wurden. Ein drittes Schiff transportierte die Flüchtlinge dann Richtung Osten, um sie nach mehrstündiger Fahrt südöstlich der Insel Chios auf zwei Lifecrafts auszusetzen. Noch in derselben Nacht wurden sie von der türkischen Küstenwache entdeckt und an Land gebracht.(18)
- Deportation von 44 Flüchtlingen von Kalamata nach Datca (Entfernung: ca. 500 Kilometer)
In der Nacht vom 14. auf den 15. November 2021 geriet ein Segelboot mit 44 Flüchtlingen an Bord vor der Küste der Halbinsel Mani (im Süden der Peloponnes) in Seenot. Nachdem der Motor ausgefallen war, hatten die Schlepper, die ihren Kunden den Transport von der Türkei nach Italien verkauft hatten, die Insassen ihrem Schicksal überlassen. Einer der Flüchtlinge informierte Aegean Boat Report über die Hotline, woraufhin ABR die griechische Küstenwache alarmierte. Nach zwei Stunden traf ein HCG-Schiff ein und schleppte das Flüchtlingsboot über 50 Kilometer nach Kalamata, in einen vermeintlich sicheren Hafen.
Am Morgen des 15. November riss der Kontakt von ARB mit den Flüchtlingen ab. Deren letzte Meldung lautete, dass neben ihrem Boot ein Schiff der Küstenwache festmachte. Was dann folgte, konnte ARB durch nachträgliche Gespräche mit den Boatpeople rekonstruieren. An Deck des HCG-Schiffs befand sich eine Gruppe maskierter Männer in Kampfanzügen, einige mit Waffen, aber alle ohne Abzeichen oder Erkennungsnummern. Sie filzten die Flüchtlinge – Männer, Frauen und Kinder – und nahmen ihnen alle Gepäckstücke, Papiere, Handys und Geldmittel ab. Dann wurden die 44 Personen auf das HCG-Schiff verfrachtet.
In den folgenden zwölf Stunden auf See bekamen sie weder Verpflegung noch irgendwelche Informationen. Dass sie sich auf der „Rückfahrt“ in Richtung Türkei befanden, merkten sie erst, als sie von den maskierten Männern mitten in der Nacht in zwei Liferafts gestoßen wurden, die das HCG-Schiff mitgeführt hatte. Nach mehreren Stunden wurden die beiden „Rettungsflösse“ bei Datca (südlich des Touristenorts Bodrum) von einem Fischer entdeckt, der die türkische Küstenwache alarmierte. Nach einer Fahrt über 500 Kilometer waren die 44 Flüchtlinge – 41 von ihnen aus Afghanistan – wieder zurück auf Null – an der ägäischen Ostküste.(19)
Das Besondere an diesem Beispiel ist, dass die griechische Küstenwache in ihrer Doppelrolle tätig wird: Zuerst rettet sie 44 Schiffbrüchige aus Seenot – wie es ihre Pflicht ist. Aber dann erledigt sie auch, in Gestalt vermummter Rambotypen, den schmutzigen Job, die unerwünschten Eindringlinge zu deportieren. Eine weitere Besonderheit: In diesem Fall traf es Flüchtlinge, die nicht nach Griechenland, sondern nach Italien gelangen wollten. Doch auch sie hatten nach ihrer Havarie das Recht, auf griechischem Boden einen Asylantrag zu stellen.
- Deportation von Vasilitsi (Peloponnes) nach Dikili (Entfernung: ca. 600 Kilometer)
Am 22. September 2021 gingen 25 Flüchtlinge bei dem Dorf Vasilitsi (im Südwesten der Peloponnes) an Land. Bei ihrem winzigen Boot, mit dem sie Italien erreichen wollten, war der Motor ausgefallen. Die Gruppe, fast alle aus dem kurdischen Nordirak stammend, wurden von mindestens 15 Dorfbewohnern gesehen und mit Lebensmitteln versorgt, wie der Gemeindevorsteher der ARD-Korrespondentin Verena Schälter erzählte.(20) Laut Aussage eines einheimischen Zeugen war bald auch die Polizei und die Küstenwache da, die den Flüchtlingen ihre Handys abnahmen. Gegen Abend sagte man den Dörflern, sie könnten nach Hause gehen, man werde die Leute mit dem Bus nach Patras bringen. Dort sind sie aber nie angekommen.
Was tatsächlich geschah, hat die ARD-Journalistin rekonstruiert, die über die kurdische Community in Athen Lazo Muhamed Hasan ausfindig machen konnte, einer der 25 Gestrandeten. Hasan erzählte ihr, wie die Küstenwache sie auf ihr kaputtes Boot zurückgebracht hatte, das sodann abgeschleppt worden war. Angeblich wollte man sie mit einem größeren HCG-Schiff nach Italien bringen. Lazo berichtete weiter: „Das neue Schiff war ein großes Schiff. Da waren Männer mit schwarzer Kleidung. Sie nahmen unser Geld und weitere Wertsachen, die wir bei uns hatten. Als wir an Bord gegangen sind, haben wir gesehen, dass noch mehr als hundert andere Migranten auf diesem Schiff waren.“
Offensichtlich handelte es sich um einen Sammeltransport von Bootsflüchtlingen, die man an der griechischen Westküste aufgegriffen hatte. Nachdem das HCG-Schiff über viele Stunden nach Osten gefahren war, wurden sie auf kleinen Schlauchbooten ausgesetzt. Am 27. September gab die türkische Küstenwache bekannt, sie habe zwei Tage zuvor nahe der Kleinstadt Dikili 149 Personen aufgegriffen, die auf sieben Booten im Meer trieben. Auf einem Foto der Geretteten ist der Zeuge Lazo Muhamed Hasan zu sehen. Auch die Dorfbewohner von Vasilitsi haben mehrere der jungen Männer wiedererkannt.(21)
Verräterisches Leugnen
Diese und die meisten anderen Fälle weisen eine Gemeinsamkeit auf: Bei der HCG will man nichts gehört, gesehen oder erfahren haben. Im Fall der verschwundenen Schiffbrüchigen vom 15. November fragte Aegean Boat Report zwei Tage später bei der Küstenwache in Kalamata an, wo die 44 Menschen verblieben seien. Die Antwort: „Wir haben keine Informationen über einen Seenotfall vor der Mani-Küste; und die HCG hat am 15. November kein Boot nach Kalamata geschleppt.“
Ähnlich lief es im Fall der Deportierten von Vasilitsi. Als der Gemeindevorsteher des Dorfes, der die Flüchtlinge selbst betreut hatte, am nächsten Tag beim der Küstenwache in Koroni nach dem Verbleib „seiner Leute“ fragte, traf er drei Beamte an. Der Amtsvorsteher erklärte nach längerem Schweigen: „Es gibt keine Leute und keinen Vorfall in Vasilitsi.“ Seine beiden Kollegen hielten bei dieser Auskunft die Köpfe gesenkt. Einen Monat später brachten im Athener Parlament 38 Syriza-Abgeordnete – unter Berufung auf den ARD-Bericht vom 23. Oktober – eine Anfrage nach den Verschwundenen von Vasilitsi ein. Die offizielle Antwort des HCG-Oberkommandeurs, Konteradmiral Theodoros Kliaris lautete: „Der besagte Vorfall ist uns niemals zur Kenntnis gekommen, noch waren wir an ihm beteiligt.“ (EfSyn vom 27. Oktober 2021)
Der Zweck der Übung – ein Fazit
Erstens: Die Athener Regierung beauftragt ihre Küstenwache fortlaufend und systematisch mit Aktionen, die das internationale Recht beugen. Um in Griechenland ankommenden Flüchtlingen das verbriefte Menschenrecht auf einen Asylantrag zu verweigern, schickt sie die HCG-Schiffe sogar auf 1000 Kilometer weite Reisen.
Zweitens: Das hartnäckige Leugnen von Regierungschef Mitsotakis und seinen Ministern zeigt, dass sie sich ihres illegalen Handelns bewusst sind.
Drittens: Ein Leugner, der es nicht besser weiß – zum Beispiel, weil er von anderen nicht informiert wurde –, verbreitet zwar Unwahrheiten, aber nicht unbedingt Lügen. Aber wer Unwahrheiten verbreitet, obwohl er es besser weiß, der ist ein Lügner.
Im Fall des Kontrollfreaks Kyriakos Mitsotakis, der sich mit dem Aufbau eines straffen, zentralisierten Regierungssystems brüstet, ist Nichtwissen oder Ignoranz aus Gleichgültigkeit völlig ausgeschlossen. Sein Lügen ist auch kein leichtfertiges Flunkern, dazu ist es zu „systemisch“. Mitsotakis ist vielmehr der Architekt eines wahrhaft Potemkinschen Bauwerks. Dass sein PR-Gebäude auf einem Sumpf von Lügen errichtet ist, macht dem Baumeister nichts aus, solange die Fassade für das griechische Publikum stehen bleibt. Die verbale Fassade lautet: Unsere Nation muss vor Überfremdung bewahrt werden. Das ist das Ziel, das alle Mittel heiligt, selbst wenn sie Menschenrechte verletzen. Deshalb sendet Mitsotakis „die klare Botschaft aus, dass wir unsere Grenzen schützen. Sonst werden mehr Menschen versuchen, illegal nach Griechenland zu gelangen“ (so gegenüber ITV am 16. November 2021).
Mit anderen Worten: Es sind die Bootsflüchtlinge, die illegal handeln; wer illegale Eindringliche abwehrt, kann also nicht illegal handeln. In diesem Kontext beruft sich die Athener Regierung auf ein rechtliches Argument, das ihre Praxis angeblich legitimiert: Die Türkei sei für die Flüchtlinge ein „sicheres Land“, schon deshalb sei der Anspruch auf Asyl in Griechenland hinfällig.
Dieses rechtliche Argument zieht nicht. Vergebens fordert Migrationsminister Mitarakis seine EU-Kollegen immer wieder auf, die pauschale Rückführung in das „sichere Transitland“ Türkei abzusegnen. In dem umstrittenen Rückführungsabkommen, das die EU mit Ankara abgeschlossen hat, ist dies allerdings nur für abgelehnte Asylbewerber vorgesehen. Die EU kommt der Forderung von Mitarakis auch deshalb nicht nach, weil es diverse Gerichtsentscheidungen (auch in Deutschland) gibt, nach denen die Türkei nicht als sicheres Land gelten kann. Entscheidend ist dabei, ob die Flüchtlinge im Rückkehrland einen Anspruch auf Asyl geltend machen können. Das ist in der Türkei nicht gegeben. Auch deshalb kommt eine Abschiebung aus Griechenland allenfalls für abgelehnte Asylbewerber in Frage. Das hat YEU-Kommissarin Johansson bereits im März 2020 bei einem Besuch in Athen klargestellt: „Jedes Individuum in der Europäischen Union hat das Recht, Asyl zu beantragen. Dies steht im Vertrag, dies ist internationales Recht.“
Auch auf kurzen Beinen kann man weit kommen
Was erreicht die griechische Regierung mit ihrer Taktik, fortwährend unbestreitbare Rechtsverletzungen zu leugnen? Lügen haben angeblich kurze Beine, aber Mitsotakis kommt damit ziemlich weit. Seine Politik der „Verteidigung unserer Grenzen“ erhält in den Umfragen hohe Zustimmungswerte. Freilich ist Griechenland nicht das einzige EU-Land, in dem mit einer „humanen Flüchtlingspolitik“ innenpolitisch nichts zu gewinnen ist. Das wissen wir gerade in Deutschland, wo das Thema im diesjährigen Wahlkampf von allen Parteien als „toxisch“ gemieden wurde.(23)
Umso mehr kann die Regierung in einem Land, das an der EU-Außengrenze liegt – und wo neben Italien am meisten Flüchtlinge ankommen – mit einer inhumanen, aber effektiven Flüchtlingspolitik erfolgreich um Wählerstimmen werben, wie es Mitsotakis unablässig tut. Deshalb darf Migrationsminister Mitarakis mit „Erfolgen“ protzen, die ein direktes Resultat der Pushback-Praktiken sind. Am 27. August vermeldete er im griechischen Parlament, man habe es geschafft, den „Migrantenstrom“ nach Griechenland insgesamt um 86 Prozent eindämmen, auf den Inseln sogar um 95 Prozent. Damit habe man „die Kontrolle über die Immigration zurückgewonnen, und folglich auch internationale Glaubwürdigkeit für unser Land“.
Die Opposition übt zwar immer wieder Kritik an den Ausflüchten und Ausreden der Regierung und einzelne Syriza-Repräsentanten attackieren die Pushbacks fast schon todesmutig.(24) Auch in der Parteizeitung Avgi werden die Pushback-Fälle regelmäßig dokumentiert. Aber die Linkspartei kann sich keine laute Kampagne leisten, die ihnen den Vorwurf einbringen würden, „das Spiel von Erdoğan zu spielen“.
Wie in ganz Europa ist auch in Griechenland die „Volksstimmung“ in der Flüchtlingsfrage längst umgekippt. Das hat Giorgos Christides schon vor einem Jahr in seinem eindrucksvollen „Report aus der Ägäis“ beschrieben: Selbst von Menschen, die „zunächst große Anteilnahme zeigten, deren Bereitschaft zu helfen groß war, wird Migration mittlerweile als Waffe in den Händen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan präsentiert und auch akzeptiert.“(25)
Ein Stimmungsbarometer: der Papst auf Lesbos
Zuletzt zeigte sich dieser Stimmungswandel in der Resonanz auf den Besuch von Papst Franziskus in Lesbos am 5. Dezember 2021. Auf der Insel, deren Bevölkerung den Pontifex im April 2016 nach seinem Besuch im Lager Moria noch gefeiert hatte, war Franziskus dieses Mal nur bei den Flüchtlingen im Lager Kara Tepe willkommen. Der Bürgermeister der Hauptstadt Mytelene hingegen hatte sich dafür entschieden, den hohen Besucher demonstrativ zu schneiden. Und zwei Stadträte erklärten den Gast für „unerwünscht“, weil er auf ein erneutes „Anschwellen des Migrantenstroms“ hinarbeite, was für Lesbos eine „ökonomische Katastrophe“ bedeute. In dieselbe Kerbe hieb Kostas Moutzouris, der rechtspopulistische Präfekt von Lesbos, der die „Ankunft“ von Franziskus als böses Omen für die Insel deutete.(26)
5. Dezember: Papst Franziskus in Lesbos
© picture alliance/Vatican Media/Spaziani
Dabei hätte man den Papst als Bundesgenossen begrüßen können, der eine Art globale Solidarität für die Flüchtlinge dieser Welt einfordert. Und explizit auch eine paneuropäische Solidarität mit den Mittelmeerländern Italien und Griechenland. Von einer solchen Solidarität sind die EU-Partner und die EU-Kommission in Brüssel weit entfernt. Keine Regierung will ihrer Bevölkerung die Übernahme von Asylbewerbern oder Schutzbefohlenen aus Griechenland zumuten. Das erklärt weitgehend, warum die Pushback-Praktiken der Regierung Mitsotakis auf EU-Ebene fast nie thematisiert werden. Und warum sich Ylva Johansson bislang nicht duchsetzen konnte. Die EU-Innenkommissarin bezeichnete die Medienberichte und Informationen der NGOS als „glaubhaft“ und „schockierend“ und forderte eine gründliche Untersuchung der Vorwürfe. Doch ihr Anlauf, mehr Transparenz in Athen einzuklagen, ist vorerst im Dickicht der Brüsseler Instanzen stecken geblieben.
Wie man eine unabhängige Aufsicht verhindert
Anfang September hatte Johansson als Vorbedingung für die Freigabe weiterer Finanzmittel (in Höhe von 15,8 Millionen Euro) für die griechische Grenzsicherung gefordert, dass die Regierung Mitsotakis einem „unabhängigen und glaubwürdigen Monitoring-Mechanismus“ zustimmt. Der solle dazu beitragen, „die Verletzung fundamentaler Rechte an den Grenzen zu verhindern“ und gewährleisten, dass „jeder Vorwurf solcher Verletzungen effektiv untersucht“ wird.(27)
Begrüßt wurde Johanssons Forderung vom UNHCR und dem European Network of National Human Rights Institutions (ENNHRI). Diese geachteten Organisationen verlangten in einer gemeinsamen Erklärung, die Monitoring-Instanz müsse mit einem breiten Mandat ausgestattet, institutionell unabhängig und operationell autonom sein. Genau das will die Regierung Mitsotakis nicht. Deshalb betreibt sie eine Taktik hinhaltender Obstruktion.
Am 29. September erklärte Migrationsminister Mitarakis im griechischen Parlament, die Tätigkeit eines solches Organs bedrohe die Souveränität des Landes und verstoße womöglich gegen die Verfassung. Griechenland habe bereits eigene Institutionen, die für diese Aufgabe zuständig und geeignet seien – zum Beispiel die „Nationale Transparenzbehörde“ EAD (Ethniki Archi Diafanias) und die Abteilung für „innere Ermittlungen“ (DEY), die der Generalstaatsanwaltschaft untergeordnet ist.(28) Bis heute argumentiert die Regierung: „Wir brauchen keinen anderen Mechanismus, wir haben ja schon die Nationale Transparenzbehörde.“ (EfSyn vom 14. Dezember 2021) Diese EAD soll allenfalls Vertreter des Migrationsministeriums und der Gerichtsbarkeit hinzuziehen – auf keinen Fall aber Repräsentanten unabhängiger NGOs und humanitärer Organisationen.
Mitte Dezember war der Stand der Verhandlungen zwischen Brüssel und Athen immer noch undurchsichtig. Am 8. Dezember erklärte Ylva Johansson, Athen habe letztlich eine unabhängige Instanz zugesichert und beide Seiten hätten sich auf „eine enge Kommunikation über die weitere Entwicklung“ geeinigt. Wann und wie diese „Entwicklung“ endet, weiß der Himmel. Die ganze Transparenz-Geschichte, kommentierte die EfSyn, sei offenbar „lost in translation“ zwischen Athen und Brüssel.
Kampagne Athens gegen feindliche NGOs
Selbst wenn es zu einem Kompromiss kommen sollte, auf einem Punkt wird die griechische Regierung beharren: Internationale Menschenrechtsorganisationen und in Griechenland tätige NGOs müssen draußen bleiben. Aber gerade die Repräsentanten von Amnesty International oder Aegean Boat Report, könnten die Rechtsverstöße der griechischen Küstenwache am glaubwürdigsten bezeugen. Genau deshalb sind sie für die Mitsotakis-Regierung der Feind Nummer 1, der mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Dazu zwei Beispiele.
Am 3. September 2021 verabschiedete das griechische Parlament ein Gesetz über „Deportationen und Rückführungsprozeduren der Angehörigen von Drittländern“. Der Artikel 40 dieses Gesetzes, für das nur die Abgeordneten der Regierungspartei ND stimmten, enthält restriktive Regeln für NGOs, die Rettungsoperationen auf See durchführen oder unterstützen. Gegen sie können bei Regelverstößen Geldstrafen bis zu 12 000 Euro verhängt werden. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatović kritisierte, damit würden „die lebensrettende Tätigkeit von NGOs und deren Fähigkeit, die Einhaltung der Menschenrechte in der Ägäis zu überwachen, einschneidend behindert“.(29)
Das aber ist schon längst der Fall. Die besonders lästigen NGOs werden seit Jahren von der Polizei schikaniert, geheimdienstlich überwacht und mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingedeckt. Im Sommer 2020 inszenierte die Regierung gegen drei Hilfsorganisationen, die das Notrufsystem Alarm Phone betreiben, eine regelrechte Undercover-Operation unter Beteiligung des Geheimdienstes EYP.(30) Dieses Unternehmen führte zwar zu keinem Prozess, aber gegen eine weitere NGO wurde von der Staatsanwaltschaft Lesbos eine strafrechtliches Verfahren vorangetrieben. Der Prozess gegen 24 Aktivistinnen und Aktivisten des Emergency Response Center International (ERCI), das bis 2018 in Lesbos operierte, sollte am 18. November beginnen, wurde aber aus rechtstechnischen Gründen verschoben. Den ERCI-Angeklagten wird eine Vielzahl von Delikten vorgeworfen: Sie reichen von Spionage über Dokumentenfälschung und Geldwäsche bis zur Unterstützung krimineller Organisationen (womit die auf türkischer Seite operierenden Schlepperbanden gemeint sind). Den Angeklagten drohen Freiheitsstrafen bis zu 25 Jahren.
Internationale Proteste gegen den Prozess von Lesbos
Die Ankündigung dieses Strafprozesses hat allerdings ausnehmend viele Proteste im In- und Ausland provoziert. In einem Offenen Brief verurteilten 71 Abgeordnete des Europäischen Parlaments die „Kriminalisierung“ humanitärer Aktivitäten. Human Rights Watch bezeichnete den Prozess als „politisch motiviert“. Amnesty International sprach von einer Farce und erklärte: „Dieser emblematische Fall demonstriert, wie weit die griechischen Behörden gehen, um Leute davon abzuschrecken, Flüchtlingen und Migranten zu helfen.“ Also Leute wie den deutsch-irischen Rettungstaucher Seán Binder, der 2018 für 107 Tage in einem Athener Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt war. Drei Jahre später sagt Binder: „Wenn du Menschen ertrinken siehst, würdest du dasselbe tun wie ich; du würdest sie rausziehen, und das ist genau das Verbrechen, für das ich angeklagt bin.“(31)
Was das Ansehen der griechischen Justiz betrifft, so ist zu hoffen, dass das Gericht seine Unabhängigkeit von der regierungsamtlichen Abschreckungsstrategie unter Beweis stellen wird. Die Mitsotakis-Regierung hingegen beweist mir ihrer Kampagne gegen die NGOs abermals ihr – wenn auch stillgestelltes – Unrechtsbewußtsein. Einerseits wagt sie keinerlei juristische Schritte gegen die Publikationen in aller Welt, die über ihre Pushback-Aktionen berichten. Andererseits feuert sie aus allen juristischen Rohren auf Menschen, deren Engagement die journalistischen Enthüllungen erst ermöglicht haben. Wenn die bösen Nachrichten nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind, nimmt man die bösen Übermittler unter Feuer.
EU-Gelder für eine Propagandavehikel
Am Ende stellt sich allerdings die Frage, worüber man sich mehr empören soll: Über die Regierung eines EU-Landes, die eine Hexenjagd gegen humanitäre NGOs betreibt? Oder über eine Europäische Union, die diese Regierung nicht in die Schranken weist und eine EU-Kommission, die das propagandistische Bemühen von Mitsotakis und Mitarakis sogar noch finanziert?
Am 16. September hat der griechische Migrationsminister eine internationale Aufklärungskampagne angekündigt, derer erklärtes Ziel es sei, „illegale Migrationsströme zu verhindern“.(32) Die „Kernbotschaft“ dieser Kampagne lautet, dass „Griechenland seine Grenzen auf organisierte Weise bewacht und keine illegalen Migrationsströme zulässt, indem es eine strenge, aber faire Migrationspolitik umsetzt, die immer das europäische und das internationale Recht respektiert.“ Die Verbreitung dieser Botschaft erfolgt „sowohl über internationale Massenmedien als auch über soziale Medien, die von den Hauptempfängern vorzugsweise benutzt werden“.
Nach Mitarakis ist das Ganze natürlich eine humanitäre Aktion, will sie doch „mögliche illegale Migranten“ davor bewahren, „zu Opfern von Schleusern zu werden und ihr Leben aufs Spiel zu setzen“. Das sagt ein Minister, der die Pushbacks leugnet, die NGOs denunziert und sich gegen eine unabhängige Monitoring-Gruppe zur Wehr setzt. Gleichwohl kann dieser Minister am Ende seiner Ankündigung vermelden: „Die Aktion wird aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union zu 75 Prozent ko-finanziert.“
Anmerkungen
1) Es bedurfte monatelanger Bemühungen, um das Presseamt zur Herausgabe der Verteilerliste zu zwingen. Details unter www.thepressproject.gr
2) Das Interview wurde von „Radio K“ am 3. Juli 2021 gesendet; nachzulesen ist es in der Kathimerini vom 4. Juli.
3) Zum ersten Mal tat er dies am 20. August 2020 in einem CNN-Interview, als er Pushback-Praktiken noch schlankweg geleugnet hat. Siehe meinen Blog-Text vom 21. Oktober 2020.
4) Der auf englisch geführte Gedankenaustausch findet sich auf Youtube; in deutscher Übersetzung auf www.stern.de.
5) Übermittelt via Twitter; ein weiterer Tweet lautete: „Da sieht man, dass er solche Art von Fragen nie gestellt bekommt. Alle seine Interviews sind mit vorbereiteten Fragen und Antworten inszeniert. Endlich kriegt eine Niederländerin, die bei seinen politischen Spielchen nicht mitmacht, die Chance, diese Marionette von Ministerpräsident vorzuführen.“
6) Ähnlich formulierte es Mitsotakis in einem Interview mit dem britischen Sender ITV vom 16. Oktober: „We intercept the boats. We always try – and very effectively I would argue – to save people whose life is in danger. But we will call on the Turkish Coastguard to do its job, in accordance with the agreement that the EU has signed with Turkey.“
7) Die Entfernung zwischen den Inseln Lesbos, Chios, Samos und Kos und der türkischen Küste beträgt weniger als 12 Seemeilen, sodass es zwischen den (maximal 6 Seemeilen breiten) Hoheitsgewässern beider Staaten keinen Raum für internationale Gewässer gibt; die griechisch-türkische Seegrenze verläuft also auf der Mittellinie.
8) Siehe: Andreas Noll, „Wann sind Pushbacks an der EU-Außengrenze illegal?“, Deutsche Welle, 7. Oktober 2021.
9) Zitiert nach: Florian Schmitz, "Griechenland: Flüchtlinge abwehren um jeden Preis", Deutsche Welle, 16. September 2021.
10) Report vom 6. Oktober 2021
11) Der Bericht bezieht sich auf Pushbacks in Griechenland und Kroatien, siehe: "Europas Sozialdemokraten fordern Vertragsverletzungsverfahren", Der Spiegel, 20. Oktober 2021.
12) 54 weitere Insassen der insgesamt fünf Boote wurden auf Samos registriert und durften bleiben. Diese und weitere Berichte aus jüngster Zeit auf der Website von Aegean Boast Report. Pushback-Fälle aus dem Jahr 2020 werden auch in meinem Blogtexten vom 9. Mai und vom 21. Oktober 2020 dargestellt.
13) Siehe: "The Shipwreck Of Civilization", Aegean Boat Report, 14. Dezember 2021; eine andere Zahl steht in einem ABR-Bericht vom 19. Oktober, hier ist die Rede von 384 Liferaft-Einsätzen und 6559 Flüchtlingen.
14) Eine griechische Fassung wurde von der EfSyn vom 31. März 2021 publiziert, mitsamt einer „Landkarte der Schande“, in der die Orte der Pushbacks eingetragen sind. Einen gut belegten Einzelfall (vom 28. November 2020) schildert der Spiegel-Journalist Giorgos Christides im Online-Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung vom 21. Dezember 2020.
15) Siehe den ERT-Bericht vom 17. Oktober; sowie die Lokalzeitung Ikariotika Nea, die Fotos von den Ankömmlingen veröffentlichte.
16) Dass die TCG nur 22 der 23 Flüchtlinge aufgreifen konnte, erklärt sich dadurch, dass auf Ikaria zwei Männer in die Berge geflüchtet waren, von denen nur einer von der Polizei gefasst wurde. Siehe: "Not In My Name", Aegean Boat Report, 19. Oktober 2021.
17) Anhand des Fotomaterials der TCG wurden acht der 14 „Schiffbrüchigen“ von Didim zweifelsfrei als Mitglieder der auf Irakria angekommenen Gruppe identifiziert. Siehe: "14 People Pushed Back From Ikaria", Aegean Boat Report, 14. August 2021.
18) Der ganze Vorgang ist – mit Fotomaterial – in der EfSyn vom 6. November 2020.
19) Eine detaillierte Schilderung findet sich in dem Blog-Text „Robbed, Beaten and Abused“, Aegean Boat Report, 29. November 2021.
20) Die Reportage mit eindrucksvollem Material unter www.tagesschau.de.
21) Die Presserklärung und Fotos finden sich auf der TCG-Website, wo auch alle Vorfälle aufgelistet sind, die von türkischer Seite als Pushbacks eingeordnet werden.
22) Siehe das Zitat des Hamburger Seerechts-Experten Alexander Proelß (siehe Anmerkung 8).
23) Das Wahlprogramm der Grünen verweist zwar auf die „rechtliche Verpflichtung, den Zugang zum Grundrecht auf Asyl zu garantieren“ und kritisiert die „Zustände“ auf dem Mittelmeer als „Bruch mit europäischen Werten und Menschenrechten“, aber es benennt weder die Pushbacks noch die Länder, die sie praktizieren.
24) So forderte der Abgeordnete (und ehemalige Bildungsminister) Nikos Filis nach den „erschreckenden Enthüllungen“ in den internationalen Medien ein glaubwürdige Untersuchung der Vorwürfe über „gewaltsame und gefährliche Pushbacks der Küstenwache“ (Avgi vom 7. Oktober 2021); siehe auch die Kritik an der „Normalisierung der Unmenschlichkeit“ von Kostas Douzinas (Leiter der Syriza-nahen Nikos Poulantzas-Stiftung) in der EfSyn vom 29. November.
25) Zitiert nach dem Bericht von Giorgos Christides (siehe Anmerkung 14).
26) Siehe den kritischen Bericht von Pantelis Boukalas in der Kathmerini vom 12. Dezember.
27) Zitiert nach: "Greece: Renewed Demands for Human Rights Monitoring, Pushbacks Continue with NGO Oversight Restricted, Refugee Children Risk Exclusion", European Council on Refugees and Exiles (ECRE), 17. September 2021; sowie EfSyn vom 15. September und den DW-Bericht vom 16. September (siehe Anmerkung 9).
28) Bericht in I Efimerida vom 29. September und vom ECRE vom 1. Oktober 2021.
29) Zitiert nach Euro News vom 3. September 2021. Das kritisierte Gesetz enthält weitere Einschränkungen der Rechte von Migranten in Griechenland, dazu die Berichte von ECRE (siehe Anmerkung 27) und auf der Website Infomigrants.
30) Siehe meinen Blog-Text vom 21. Oktober 2020.
31) Zitiert nach: Karolina Tagaris, "Aid workers face trial in Greece for spying after refugee rescues", Reuters, 15. November 2021. Ein ausführliche Darstellung auf Deutsch bei der österreichischen Sektion von Amnesty International: www.amnesty.at.
32) Der Text auf Englisch findet sich auf der Website des Ministeriums.