11.01.2008

Jemens Opposition

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Jemens Opposition

Mit dem Slogan „Ein Präsident für den Jemen statt eines Jemen für den Präsidenten“1 war Faisal Bin Shamlan bei der Präsidentschaftswahl von 2006 als Kandidat der Joint Meeting Parties (JMP), einer Koalition von „linken Islamisten“2 , angetreten. Damit bekam es Präsident Ali Abdullah Saleh, dessen Partei Allgemeiner Volkskongress (GPC) das Land seit der Wiedervereinigung 1990 regiert, erstmals mit einem ernsthaften Gegenkandidaten zu tun: Bin Shamlan erhielt 21,8 Prozent der Stimmen, Saleh 77,2 Prozent.3 Bei den ersten Präsidentschaftswahlen im vereinten Jemen, war Saleh noch auf 96 Prozent gekommen.

Aus der Zusammenarbeit zwischen al-Islah (Jemenitische Vereinigung für Reform) und der Sozialistischen Partei Jemens (YSP) ist seit 2001 ein Wahlbündnis linker Islamisten hervorgegangen, das sich zu einer echten Opposition entwickelt hat, wobei sich die al-Islah als führende Kraft behauptet.

Nach der Parlamentswahl von 1997 hatte die al-Islah feststellen müssen, dass ihr das Bündnis mit dem GPC nur geschadet hatte. Deshalb entschied sich die Partei vor den Wahlen von 2003 für die YSP als neuen Partner. Diese Allianz hat sich inzwischen zu einer dauerhaften Verbindung entwickelt.

Dem neuen Bündnis haben sich weitere Gruppierungen angeschlossen, die trotz erheblicher ideologischer Differenzen in der Überwindung alter Auseinandersetzungen eine Chance sahen. Heute umfasst das Oppositionsbündnis neben der al-Islah und der YSP noch die Nasseristische Unionistische Volkspartei (TWSN), die Sozialistische Baath-Partei, die Union Jemenitischer Volkskräfte, die islamistische Al-Haqq-Rechtspartei und die September-Partei. Die letztgenannte kleine Gruppierung hat allerdings schon lange vor den Wahlen von 2006 nicht mehr an den Kongressen der JMP teilgenommen.4

Die interessanteste Kraft in diesem Bündnis ist zweifellos die al-Islah, die oft nur als „islamistische Partei“ gesehen wird. Jemenitische Beobachter sehen in ihr aber „eher eine politische Bewegung als eine Partei mit islamistischer Orientierung“.5 Die al-Islah wurde 1990, vier Monate nach der Wiedervereinigung, gegründet und setzte sich von Anfang an aus drei unterschiedlichen politischen Lagern6 zusammen: einer tribalen Gruppierung unter Scheich al-Ahmar, Oberhaupt des Haschid-Stamms und wichtigste Führungsfigur des Landes neben Präsident Saleh; einer Gruppe reformorientierter Intellektueller, in der Ideologen aus den Reihen der Muslimbrüder den Ton angeben; und einer konservativen Strömung, die wegen ihrer salafistischen Auffassung des Islams7 intern als die radikalste Fraktion gilt. Ihr Führer, Scheich Abdul Madschid al-Zandani, steht wegen seiner Verbindungen zu Ussama Bin Laden8 auf der Terroristenliste der USA.9

Als „politische Bewegung“ konnte die al-Islah in der jemenitischen Bevölkerung nicht zuletzt durch ihr weit gespanntes Netz von Wohlfahrtseinrichtungen Rückhalt gewinnen.

Während Präsident Saleh und die regierende GPC ihr politisches Monopol zu bewahren suchen, wagt eine Koalition unterschiedlicher Kräfte unter Einschluss der Islamisten etwas Neues: den Pluralismus in der politischen Praxis.

Nahia Faisal

Fußnoten: 1 Siehe Jon Rooney, „Election fever grips in Yemen“, al-jazeera.net, 20. September 2006. 2 Siehe Jillian Schwedler und Janine A. Clark, „Islamist-leftist cooperation in the Arab world“, Isim review 18, Herbst 2006. Hier wird die JMP als „Zusammenschluss linker Islamisten“ beschrieben. 3 Report on the presidential and local council elections in the Republic of Yemen, National Democratic Institute for International Affairs. 2006, S. 11. 4 Ebd., S. 8. 5 The Yemen Times, 26.–28. Februar 2007. 6 Siehe dazu Ahmed al-Yemeni Hezam, „The dynamic of democratization. Political Parties in Yemen“, Bonn (Friedrich-Ebert-Stiftung) 2003. 7 Die salafistischen Gruppierungen zeichnen sich durch durch eine traditionalistische Auffassung des Islam (mit dem Ziel der sozialen Umgestaltung nach dem Vorbild der „Ahnen“ [al-salaf]) aus. Auch die saudische, extrem konservative „wahabitische“ Glaubensrichtung wird dazugerechnet. Sie ist im Jemen wegen der historischen Bindungen an Saudi-Arabien weit verbreitet. Siehe Jillian Schwedler, „Democratization in the Arab World? Yemens aborted opening“, Journal of Democracy, Vol. 13.4, (National Endowment for Democracy and the Johns Hopkins University Press) 2002, S. 48–55. 8 Hassan al-Zaidi, „Al-Zandani lays conditions for dialogue with US“, The Yemen Times, 28. November 2006. 9 Kuwait News Agency, 23. November 2006.

Le Monde diplomatique vom 11.01.2008, von Nahia Faisal