11.01.2008

Kosovo: Gerechte Grenzen sind nicht zu haben

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Kosovo: Gerechte Grenzen sind nicht zu haben

von Jean-Arnault Dérens

Mit der Unabhängigkeit des Kosovo rücken die gravierenden Folgen, die einige Beobachter für die Region voraussagen, in den Bereich des Wahrscheinlichen. Die Serben der Republika Srpska werden ein unabhängiges Kosovo als Präzedenzfall reklamieren, denn auch sie fordern das Recht auf Sezession von einem Staat, der nie wirklich funktioniert hat, und zwar der Föderation Bosnien-Herzegowina. Das wiederum könnte eine Kettenreaktion in Mazedonien und Montenegro auslösen, was am Ende alle Grenzen auf dem Balkan infrage stellen würde.

Aber sind diese Grenzen nicht doch ein Tabu, an dem man heute getrost rühren kann, wie es zahlreiche „Experten“ und Diplomaten empfehlen? Die Balkankriege der 1990er-Jahre wurden im Namen von nationalen Expansionsprojekten geführt: von „Großserbien“ oder von „Großkroatien“. Heute könnte hinter dem Anspruch auf die Unabhängigkeit des Kosovo das Gespenst eines „Großalbanien“ lauern. Doch ist es nicht vielleicht an der Zeit, sämtliche Gebietsforderungen auf den Tisch zu packen und neue Grenzen festzulegen? Grenzen, die dann endlich „gerecht“ wären, weil sie der Verteilung der ethnischen Volksgruppen entsprechen. Muss man, mit anderen Worten, eine neue Balkankarte entwerfen, um zu gewährleisten, dass diese Region und damit auch ganz Europa endlich auf Dauer befriedet wird?

Die Idee ist alt und wurde immer wieder ins Spiel gebracht. Während der Krise in der Republik Mazedonien von 2001 machte der Publizist Alexandre Adler den Vorschlag, das Problem „nicht homöopathisch, sondern chirurgisch“ anzugehen und die ehemalige jugoslawische Teilrepublik in eine albanische und eine (slawo-)mazedonische Region aufzuteilen.1 Ebenfalls 2001 präsentierte David Owen, der 1992 zusammen mit Cyrus Vance die Londoner Jugoslawien-Konferenz geleitet hatte, den Plan zu einer Neufestlegung der Grenzen auf dem Balkan.2 Den Gedanken nahm Arbën Xhaferi auf, ein legendärer Führer der albanischen Nationalisten in Mazedonien, als er die Schaffung „ethnischer“ Staaten forderte.3

Die Zauberlehrlinge riskieren neue Umsiedlungen

Nachdem in den Kosovo-Verhandlungen der vergangenen Monate kein Kompromiss zwischen Serben und Albanern erzielt werden konnte, taucht nun wieder eine Idee auf, die lange Zeit als undenkbar galt: die Teilung der Provinz. Der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger, Vertreter der EU in der „diplomatischen Troika“, die mit den Kosovo-Verhandlungen betraut ist, erklärte im August, man dürfe keine Lösungsmöglichkeit ausschließen. Sollten sich Belgrad und Pristina auf eine Teilung des Kosovo verständigen, müsse die EU zustimmen. Das ist auf den ersten Blick ein vernünftiger Gedanke: Wenn die Bevölkerungsgruppen nicht zusammenleben wollen, soll man sie halt trennen, selbst wenn das „begrenzte“ Umsiedlungen bedeutet, um zu erreichen, das ethnische Verteilung und neue Grenzen übereinstimmen.

Gehen wir also für einen Moment davon aus, dass die Zauberlehrlinge ihre Pläne realisieren können. Dass also eine internationale Konferenz neue, auf ethnischen Kriterien basierende Grenzen absegnet, die zuvor friedlich ausgehandelt wurden. Die neue Karte müsste die Zusammenlegung aller Regionen mit albanischer Bevölkerungsmehrheit vorsehen: Albanien, das Kosovo, das nordwestliche Viertel von Mazedonien, aber auch das Presevo-Tal im Süden Serbiens und Randgebiete im Süden und Osten Montenegros.

Die so amputierte Republik Mazedonien wäre dann nur noch ein Krüppelstaat, in dem womöglich die probulgarischen Kräfte die Oberhand gewinnen und den Anschluss an den Nachbarn im Osten erzwingen könnten. Und auch die Frage der Minderheiten in Albanien käme wieder auf die Tagesordnung: Die Griechen im Süden des Landes könnten den Anschluss an Griechenland fordern, im Gegenzug würden die Albaner, die nach 1945 aus dem nordgriechischen Epirus (von den Albanern Camëria genannt) vertrieben wurden, auf ihre Rechte pochen. Montenegro könnte Ansprüche auf die Region Shkodra erheben, wo immer noch eine serbisch-montenegrinische Minderheit lebt, und die Republik Mazedonien von Albanien und Griechenland die Rückgabe slawischer Dörfer am Ohrid- respektive am Prespasee fordern.

Die Serben in Bosnien-Herzegowina würden sich natürlich an ihr „Vaterland“ anschließen und damit den Untergang Bosniens besiegeln. Die Kroaten in der westlichen Herzegowina, in Zentralbosnien und in der Bosanska Posavina müssten dann zu Kroatien geschlagen werden. Für die muslimischen Bosniaken bliebe nur ein „Ministaat“ um Sarajevo, Zenica und Tusla übrig. Damit wäre der berüchtigte Teilungsplan für Bosnien-Herzegowina verwirklicht, den Franjo Tudjman schon 1991 entworfen hatte.4 Die Bosniaken könnten dabei die Enklave Gorazde im Osten wie auch den Sandschak Novi Pazar beanspruchen, der heute zwischen Serbien und Montenegro aufgeteilt ist.5

Auch Montenegro bliebe nicht in den heutigen Grenzen bestehen: Der Staat würde nicht nur die von Albanern und Bosniaken besiedelten Regionen, sondern auch die serbischen Gebiete im Norden verlieren. Dort sind serbische und bosniakische Bevölkerungsgruppen allerdings so sehr vermischt, dass kriegerische Auseinandersetzungen bei den erforderlichen Umsiedlungen nicht zu vermeiden wären. An Kroatien würde die Bucht von Kotor fallen, ein bis heute katholisch geprägtes Gebiet, das erst 1918 Teil Montenegros wurde. Kurzum, der erst seit drei Jahren unabhängige Staat wäre auf die Grenzen zurückgeworfen, die er in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte.

Auch Serbien fände sich in einer paradoxen Situation wieder. Der Staat würde zwar um seine albanisch und bosnisch geprägten Gebiete amputiert, dürfte sich aber die heutige Republika Srpska, also große Teile von Bosnien-Herzegowina, und die serbischen Gebiete im Norden Montenegros einverleiben. Großes Kopfzerbrechen würde die Vojvodina machen. In dieser autonomen Region im Norden Serbiens leben etwa 20 Minderheiten, die zusammen fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Die größte Volksgruppe bilden die Ungarn (etwa 350 000 Menschen), entsprechend müssten die vorwiegend ungarischen Städte Subotica, Senta und Kanjiza an Ungarn fallen. Es sei denn, die Vojvodina würde unabhängig und damit zu einer multiethnischen Insel in einem Meer von Balkanwahnsinn.

Die Grenzverschiebungen würden auch Staaten betreffen, die bereits der EU angehören. In Griechenland bliebe die Minderheitenfrage nicht auf die seit 1945 vertriebenen Albaner beschränkt. Im Westen Thrakiens leben heute noch muslimische Türken und Pomaken, die den Anschluss an die Türkei beziehungsweise Bulgarien fordern könnten, womit im Grunde der 1923 abgeschlossene Vertrag von Lausanne revidiert wäre.6 Auch die Frage der slawofonen Bevölkerung in der griechischen Provinz Mazedonien, die im hellenischen Staat ein Tabu ist, wäre damit neu aufgeworfen.

Slowenien wiederum könnte versucht sein, seine sehr kleinformatigen territorialen Ansprüche gegenüber Kroatien durchzusetzen.7 Zudem könnte Ljubljana die Annullierung der Volksabstimmungen von 1918 fordern und Gebiete im österreichischen Kärnten zurückfordern, in denen heute eine slowenische Minderheit lebt.8 Und es würde womöglich sogar Teile des italienischen Friaul mit der Grenzstadt Gorizia zurückfordern, oder gar die Stadt Triest (slowenisch: Trst).9

Aber selbst bei einer solch umfassenden Revision der Grenzen blieben die Ansprüche etlicher Minderheiten unberücksichtigt. Man denke etwa an die Goraner (Goranci), eine slawofone muslimische Minderheit, die vorwiegend im Südwesten des Kosovo lebt, oder die Ruthenen im kroatischen Ost-Slawonien oder die Arumanen (Wlachen) in Mazedonien, Albanien und Griechenland? Und auch die drei bis vier Millionen Roma im westlichen Balkan würden bleiben, was sie schon immer waren – ein Volk ohne Staat.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die erörterten Grenzverschiebungen ohne politische Kontroversen über die Bühne gehen könnten, was sogar zu bewaffneten Konflikten mittlerer Intensität führen könnte. In diesem Fall müsste eine regionale Eingreiftruppe der EU den Frieden wiederherstellen und sichern. Und da die Bevölkerungsverschiebungen nicht etwa Kollateralschäden wären, sondern der eigentliche Zweck des Unternehmens, müssten sie unbedingt unter Aufsicht des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR und unter Beteiligung zahlreicher Nichtregierungsorganisationen stattfinden. Dabei dürfte allein die Soforthilfe für den westlichen Balkan mehr Finanzmittel erfordern als die Hilfe nach dem Tsunami im Dezember 2004.

Ein solches Szenario mag wie eine überspannte Fantasie anmuten, aber völlig abwegig ist es nicht. Einige Entwicklungen sind bereits in Gang gekommen, etwa was das Schicksal von Bosnien-Herzegowina oder die „albanische nationale Frage“ angeht. Die Befürworter eines unabhängigen Kosovo betonen zwar, es dürfe „kein Präzedenzfall geschaffen werden“, aber das bleibt ein frommer Wunsch. Ob eine Kosovo-Regelung als Präzedenzfall verstanden wird, entscheiden letztlich diejenigen, die sich – auf dem Balkan oder anderswo – mit ihren Ansprüchen auf das Kosovo-Modell berufen.10

Alle nationalen Fragen durch neue Grenzen regeln zu wollen, ist eine völlig illusionäre Idee, weil nach ethnischen Kriterien festgelegte Grenzen keineswegs per se „gerecht“ sind. Alle Grenzen, nicht nur auf dem Balkan, sind das historische Produkt bestimmter politischer und militärischer Kräfteverhältnisse. Es gibt also weder „gerechte“ noch „natürliche“ Grenzen.

Der Begriff „Balkan“, der sich im Lauf des 19. Jahrhunderts durchsetzte, war von Anfang an ideologisch befrachtet. Im Zuge der schrittweisen Auflösung des Osmanischen Reiches – im Westen als „kranker Mann am Bosporus“ bekannt – führten die gegensätzlichen Ansprüche der damit freigesetzten Völker zu verschärften Konflikten. „Balkan“ wurde zum Synonym für ein Gemenge von Nationen, für endlose Konflikte und erbitterte Grenzstreitigkeiten. „Balkanisierung“ wurde zum definitorischen Merkmal des „Balkan“ – und dieser selbst zu einem eher ideologischen als geografischen Begriff. Er meinte einen „mazedonischen Salat“ von Völkern, Ambitionen, konkurrierenden Ansprüchen – und entsprechend erbitterten Grenzkonflikten.

Die Entstehung von Staaten und festen Grenzen markieren den Eintritt der Balkanregion in die politische Moderne. Das Selbstverständnis dieser neuen Gebilde orientierte sich am Nationalstaat nach westeuropäischem Vorbild. Serbien wie Griechenland konstituierten sich am Beginn des 19. Jahrhunderts durch ethnische Säuberungen: die Vertreibung oder Assimilierung der als „allochthon“ geltenden Volksgruppen. Dabei war die Religion ein wichtiges Kriterium: Alle „Türken“, also alle Muslime – slawische oder albanische ebenso wie turkofone – mussten die neuen Staaten verlassen.

Die Festlegung der Grenzen glich dabei dem Versuch, das balkanische Durcheinander durch eine Ordnung europäischen Typs zu regulieren, die Volk und Staat auf einen Nenner bringt. Die sprachliche, „nationale“ und religiöse Vielfalt, die das Osmanische Reich gekennzeichnet hatte, wurde so allmählich zum Verschwinden gebracht.

Diese Entwicklung beschleunigte sich noch einmal am Ende des 20. Jahrhunderts. Der Krieg in Jugoslawien reduzierte den serbische Bevölkerungsanteil in Kroatien von 12 auf 4 Prozent. Und er löste den ethnischen „Flickenteppich“ in Bosnien auf, wo die drei Volksgruppen heute jeweils große monoethnische Gebiete kontrollieren.

Im 19. und 20. Jahrhundert wollten die Großmächte Österreich-Ungarn und Russland, aber auch Frankreich, Großbritannien und Italien ihre Einflusszonen auf dem Balkan ausweiten, indem sie die nationalen Hoffnungen der einzelnen Völker anheizten.11 Eine entscheidende Etappe bei dieser Verfestigung der Staatsgrenzen markierte 1878 das Abkommen von Santo Stefano zwischen Russland und der Türkei, das die Schaffung eines großbulgarischen Staates unter russischer Oberherrschaft vorsah. Diese Regelung ging territorial zu Lasten Serbiens und Rumäniens und brachte London, Paris und Wien in Rage. Wenige Monate später wurde der Vertrag von San Stefano auf dem Berliner Kongress annulliert, und Österreich-Ungarn bekam das Mandat über Bosnien-Herzegowina und den Sandschak von Novi Pazar zugesprochen.

Weitere entscheidende Etappen in diesem gewaltigen territorialen Poker waren die Balkankriege von 1912 und 1913 und der Erste Weltkrieg. Serbien und Rumänien wurden 1918 als Waffenbrüder der Alliierten reich belohnt: Die serbische Karadjordjevic-Dynastie durfte in einem neuen „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ regieren; die Verbündeten in Bukarest wurden mit einem „Großrumänien“ belohnt.

Die von Präsident Wilson nach dem Ersten Weltkrieg ausgerufenen Prinzipien einer Friedenspolitik hinderten die neuen Staaten nicht daran, das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu ignorieren und zahlreichen Volksgruppen innerhalb ihrer Grenzen den Status nationaler Minderheiten zuzuweisen. Tatsächlich entsprach etwa der Einheitsstaat der Karadjordjevic-Dynastie in keiner Weise den romantischen Vorstellungen von einer Vereinigung der süd-slawischen (jugo-slawischen) Völker.12

Im 1945 gegründeten sozialistischen Jugoslawien waren die Grenzen der Bundesstaaten das Ergebnis eines Kompromisses, das einer der Schöpfer dieses föderativen Modells, der Montenegriner (und spätere Dissident) Milovan Djilas, als den „am wenigsten schlechten“ bezeichnet hat. Das jugoslawische System orientierte sich an austromarxistischen Konzepten aus dem frühen 20. Jahrhundert, die auf der strikten Trennung von Nationalität und Staatsbürgerschaft basierten.13 Man konnte also Staatsbürger einer Teilrepublik (und des sozialistischen Bundesstaats) sein und sich zugleich einer nationalen Gemeinschaft zugehörig fühlen. Entsprechend musste bei den Volkszählungen in Jugoslawien die Nationalität nicht angegeben werden.

Die historischen Erfahrungen in der Balkanregion zeigen, dass es zu endlosen Konflikten und Zusammenstößen kommt, sobald die verschiedenen Völker ihre Ansprüche in die Forderung nach eigener Staatlichkeit übersetzen. Im Kosovo stehen sich zwei – exklusive – nationale Ansprüche gegenüber, die auf dasselbe Territorium gerichtet sind. In einer solchen Konstellation sind nur zwei Lösungen denkbar: der Sieg einer Partei, was bei den Verlierern zwangsläufig Revisions- und Rachegelüste auslöst. Oder die Suche nach neuen Formen politischer Koexistenz und gemeinsamer Souveränität. Im europäischen Rahmen sollte es gelingen, solche territorialen Konflikte durch neue politische Ansätze zu überwinden.

Aber hier muss man wieder, um die Herausbildung der neuen Grenzen zu verstehen, die Intervention der „Großmächte“ ins Auge fassen. Insofern scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Die Kosovo-Frage ist zu einem Streitobjekt in dem globalen Kräftemessen geworden, das sich zwischen Russland und den USA anbahnt. Bei diesem Kräftemessen drohen die wahren Interessen der Albaner, Serben und der anderen Volksgruppen im Kosovo in Vergessenheit zu geraten.

Es wäre ein für ganz Europa gefährliches Unterfangen, die Probleme des Balkans durch territoriale Neuaufteilung regeln zu wollen. Bevor man sich auf dieses glatte Parkett begibt, sollte man über andere Lösungen nachdenken, die den Ansprüchen der beteiligten Völker gerecht werden.

Fußnoten: 1 Alexandre Adler, „Pour les Balkans, chirurgie ou homéopathie?“, Courrier international (Paris), 12. April 2001. 2 David Owen, „Redessiner la carte des Balkans“, Le Monde, 21. März 2001. 3 Arbën Xhaferi, „Les États multiethniques ne son pas une solution“, Le Courrier des Balkans, 28. April 2003. balkans.courriers.info/article 3009.html. 4 1991 hatten sich die Präsidenten Serbiens und Kroatiens, Slobodan Milosevic und Franjo Tudjman, in geheimen Verhandlungen auf einen Plan zur Teilung Bosniens geeinigt. 5 Siehe dazu „Le Sandjak de Novi Pazar, un foyer de tensions en Europe du Sud-Est“, Le Courrier des Pays de l’Est, Nr. 1058, November–Dezember 2006, S. 78–93. 6 Der Vertrag vom 24. Juli 1923 war Grundlage eines gewaltigen Bevölkerungsaustauschs zwischen Griechenland und der Türkei. Er enthielt aber auch die Anerkennung einer muslimischen Minderheit im griechischen Westthrakien. 7 Es geht dabei um den Grenzverlauf am Golf von Piran, der über Sloweniens Zugang zu internationalen Gewässern entscheidet, sowie um das kleine Gebiet von Mura. 8 Damals wurde die Zugehörigkeit umstrittener Grenzgebiete zu Österreich oder Slowenien entschieden. 9 Das 1947 entstandene Freie Territorium Triest wurde erst 1954 geteilt: Die Zone A (das Stadtgebiet) fiel an Italien, die Zone B (das östliche Umland) an Jugoslawien – und damit später an Slowenien. 10 Siehe Jean-Arnault Dérens, „Kosovo – Pulverfass mit langer Lunte“, Le Monde diplomatique, März 2007. 11 Darüber haben damals viele Journalisten und Reisende geschrieben, deren „humanitäres und philanthropisches“ Engagement die britische Schriftstellerin Rebecca West ironisiert hat. Siehe: „Schwarzes Lamm und grauer Falke. Eine Reise durch Jugoslawien“, Berlin (Edition Tiamat) 2002. 12 Diese „jugoslawische“ Idee vertraten vor allem kroatische Intellektuelle wie Ljudevit Gaj (1804–1872) und der Bischof Josip Strossmajer (1815–1905). Die Realität war jenes Königreich Jugoslawien, das die Komintern ein neues „Völkergefängnis“ nannte. 13 Diese Prinzipien hatte Otto Bauer 1907 in seiner Schrift „Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie“ entwickelt.

Aus dem Französischen von Edgar Peinelt Jean-Arnault Dérens ist Chefredakteur des Courrier des Balkans und Autor (mit Laurent Geslin) von: „Comprendre les Balkans. Histoire, sociétés, perspectives“, Paris (Non Lieu) 2007.

Le Monde diplomatique vom 11.01.2008, von Jean-Arnault Dérens