08.02.2008

Eufor im Tschad

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Eufor im Tschad

Französischer Einsatz mit EU-Etikett von Léon Koungou

Die Stationierung der Eufor-Friedenstruppe im Osten von Tschad und im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik hat Anfang Februar begonnen. Doch kaum ist das erste Kontingent eingetroffen, muss die EU ihre Pläne überdenken, weil die Kämpfe im Tschad zwischen oppositionellen und Regierungstruppen die Hauptstadt N’Djamena erreicht haben. Dabei war der Einsatz schon seit November 2007 – trotz französischen Drängens – ständig verschoben worden. Der UNO-Sicherheitsrat hatte die Mission beschlossen, um die Sicherheit der Flüchtlinge in der durch den Darfur-Konflikt erschütterten Region zu gewährleisten1 .

Die Verzögerungen bei der Eufor-Stationierung zeigen, wie schwierig jede sicherheitspolitische Maßnahme in Afrika wird, sobald die Interessen ehemaliger Kolonialmächte – in diesem Fall Frankreichs – und die Versuche zur internationalen oder panafrikanischen Konfliktlösung einander in die Quere kommen. Anders ist kaum zu erklären, weshalb es nicht gelang, 4 300 Mann für die Eufor-Eingreiftruppe zusammenzubekommen, obwohl die europäischen Mächte über 1,7 Millionen Soldaten verfügen. Die Ausrüstung mit Flugzeugen oder Hubschraubern, für medizinische Versorgung und Logistik ist ebenfalls noch immer nicht vollständig.

Seltsam mutet auch die ganze Art und Weise an, wie die Operation vorbereitet wird. Die Truppe soll von dem irischen General Patrick Nash kommandiert werden und über einen Führungsstab von 150 Personen verfügen, den Frankreich in Mont Valérien bei Paris einrichten wird. Das Kontingent von inzwischen nur noch 3 700 Soldaten soll dann vor Ort unter der Führung des französischen Generals Jean-Philippe Ganascia stehen.

Frankreich wird etwas mehr als 2 100 Mann stellen, wobei zunächst die bereits in Tschad und Zentralafrika stationierten Soldaten herangezogen werden sollen. Der Rest soll sich aus irischen, schwedischen, rumänischen, österreichischen und niederländischen Truppen zusammensetzen. Belgien liefert einen Beitrag zur Logistik, Spanien und Griechenland haben Flugzeuge, Finnland ein paar Soldaten zugesagt.

Auffällig ist allerdings die Abstinenz von Großbritannien, Deutschland und Italien.2 Nach der Erfahrung mit der vorausgegangenen Eufor-Mission in der Demokratischen Republik Kongo hatten diese Länder kein Interesse signalisiert, noch einmal die Hilfstruppen für Frankreich zu spielen.3

Abgesehen von diesen Empfindlichkeiten scheint es jedoch vor allem die französische Außenpolitik gegenüber Tschad zu sein, die einigen EU-Mitgliedstaaten Probleme bereitet. Im Osten des Landes, genau dort, wo auch die Eufor intervenieren soll, kam es zuletzt zu heftigen Auseinandersetzungen mit schwerem Kampfgerät zwischen Rebellen und tschadischen Streitkräften. In dieser Region treiben nicht nur arabische Milizen ihr Unwesen, die die sudanesische Regierung unterstützen4 , sondern es wimmelt auch von Rebellengruppen, die das autoritäre Regime des von Frankreich gestützten Präsidenten Idriss Déby Itno bekämpfen.

Die Opposition warf den Franzosen vor, Aufklärungsflüge für die Regierungstruppen durchzuführen. Paris beteuert, man sei an Kampfhandlungen nicht beteiligt, doch die Rebellen der Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD) behaupten das Gegenteil. Sie sehen sich sogar im Kriegszustand mit Frankreich.5

Die Doppelrolle Frankreichs belastet die EU-Mission

Die Fakten scheinen ihnen recht zu geben. So nahm ein französisches Flugzeug im April 2006 die Truppen der Vereinigten Kräfte für den Wandel (FUC) unter Beschuss und verhinderte deren Vorrücken auf N’Djamena. Jetzt aber sind FUC-Kräfte bis in die Hauptstadt vorgedrungen, wo es ihnen jedoch zunächst nicht gelang, das Regierungszentrum zu erobern.

Die Doppelrolle Frankreichs scheint das Hauptproblem zu sein, weshalb die Mission im Tschad nicht in Gang kommt. „Ich frage mich, welche Absichten die EU wirklich verfolgt“, erklärte Albissaty Saleh Allazam von der Sammlung der Kräfte für den Wandel (RFC)6 . „Wenn die Europäer unter dem Vorwand kommen, in Darfur zu helfen, und dann unsere Truppen beim Vormarsch auf die Hauptstadt behindern, werden wir das nicht zulassen.“

Paris zieht sich hinter das Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit zurück, das es 1976 mit Tschad abgeschlossen hat. Darin sind vor allem nachrichtendienstliche Unterstützung sowie logistische und medizinische Hilfen geregelt. Ähnliche Abkommen existieren mit anderen afrikanischen Staaten. Auf der Basis dieses Abkommens mit N’Djamena führt die französische Luftwaffe Aufklärungsflüge mit Mirage F-1-CR-Jagdfliegern durch. Auch die 900 französischen Soldaten in N’Djamena und 200 in Abéché wurden auf dieser Grundlage stationiert.

Die Rebellengruppen werfen Frankreich Parteilichkeit vor und stehen deshalb der Eufor-Mission misstrauisch gegenüber. Die Beziehungen Frankreichs und der EU zu einigen der Konfliktparteien sind extrem schlecht; das gilt zum Beispiel für die UFDD unter General Mahamat Nouri, der die Stationierung der Eufor-Truppe ablehnt.

Am 25. Oktober 2007 hatten die tschadische Regierung und die Rebellen der UFDD ein Friedensabkommen in Syrte (Libyen) unterzeichnet. Das Abkommen regelt die Machtverteilung, wobei der neue Posten eines Vizeministerpräsidenten und mehrerer Staatsministersessel für die Rebellen vorgesehen sind. Die Kämpfe waren dennoch am 26. November 2007 wieder aufgeflammt. In einer Pressemitteilung vom 29. November 2007 erklärte der Sprecher der UFDD, Mahamat Hassane Boulmaye: „Wir befinden uns in einem neuen Stadium, weil sich Frankreich auf der Seite der Soldaten des Tyrannen Déby direkt am Krieg beteiligt.“7

Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat zwar am Rande des französisch-italienischen Gipfeltreffens in Nizza am 30. November 2007 beteuert, dass die Drohungen der Rebellen den Eufor-Einsatz keinesfalls infrage stellten. Dennoch fühlen sich die meisten europäischen Staaten durch die ablehnende Haltung einiger Konfliktparteien gegenüber der französischen Tschad-Politik darin bestärkt, einer Truppenbereitstellung für Eufor zu misstrauen.

Der unglückliche Verlauf der Eufor-Missionen sollte zum Anlass genommen werden, die Friedensinitiativen in Afrika zu überdenken. Bislang stützen diese sich noch zu sehr auf die staatlichen Führungseliten. Im Idealfall müsste es darum gehen, die Dynamik, die ein transnationaler Lösungsversuch entfalten kann, nutzbar zu machen und die vielen verschiedenen am Konflikt beteiligten Akteure in diesen Prozess einzubinden. Wenn man alle Parteien bei der Suche nach einer Friedenslösung an einen Tisch holen würde – einschließlich derer, die William Zartman „Schurkenfraktionen“8 nennt –, wäre damit auch das von ihnen ausgehende Gefahrenpotenzial reduziert.9 Eine wirksame Krisenbekämpfung muss Wirkungszusammenhänge auf lokaler Ebene berücksichtigen und nutzen.

Trotz der sichtbaren Bemühungen um autonome Lösungen kann das subsaharische Afrika seine Souveränität noch nicht vollständig und wirksam allein wahrnehmen. Nur zaghaft wurden erste Initiativen umgesetzt, und dabei sind noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. So hat die Wirtschaftsgemeinschaft der Staaten Zentralafrikas (CEEAC) zwar einen Friedens- und Sicherheitsrat für Zentralafrika (Copax) eingerichtet; dieses Gremium hat jedoch seit seiner Gründung 1999 keine wirksamen Initiativen auf den Weg gebracht.

Man erinnere sich an den Einsatz der Ecomog10 – der Friedenstruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas – in der Elfenbeinküste 2002, der den Weg für die „Operation Einhorn“ des französischen Militärs, aber auch für die nachfolgende UNO-Mission freigemacht hat. Gerade nach dieser Erfahrung verbietet sich eine direkte, paternalistische Intervention durch westliche Truppen von selbst. Die vermeintliche Neutralität dieser Aktionen erweist sich allzu oft als trügerisch.

Man muss sich nur genau ansehen, welche historischen Verbindungen und vor allem wirtschaftspolitischen und strategischen Interessen zwischen den Konfliktparteien– einschließlich der Staatsregierungen – und den Truppenstellern bestehen. Die Resolution 1778 des UNO-Sicherheitsrats hebt denn auch ausdrücklich hervor, dass die Eufor-Mission unter anderem dazu dienen soll, den Boden für die 26 000 Soldaten der Friedenstruppe von UNO und Afrikanischer Union zu bereiten, die bis Mitte 2008 schrittweise in Darfur stationiert werden sollen.

Fußnoten: 1 Die Resolution 1778 des UNO-Sicherheitsrats vom 25. September 2007 sieht eine internationale Militärpräsenz vor, um die Sicherheit einer halben Million Flüchtlinge im Osten von Tschad und Nordosten der Zentralafrikanischen Republik zu gewährleisten. Geplant ist unter anderem die Entsendung von rund 300 internationalen Polizeikräften, die unter dem Dach der UNO 850 tschadische Polizisten auswählen und ausbilden sollen; diese sollen dann die Flüchtlingslager schützen. Eine EU-Eingreiftruppe soll die Mission militärisch absichern. 2 Deutschland trägt mit 20 Millionen Euro ein Fünftel der Kosten und will vier Mann ins Hauptquartier der Mission nach Paris entsenden. 3 Vgl. Raf Custers, „Arrière-pensées européennes“, Le Monde diplomatique, Juli 2006. 4 Vgl. Gérard Prunier, „Darfur – Motive eines Völkermords“, Le Monde diplomatique, März 2007. 5 Vgl. Libération, Paris, 30. November 2007. 6 Pressekonferenz in Dakar am 14. September 2007. 7 Tanguy Berthemet, „La France défiée par les rebelles tchadiens“, Le Figaro, 30. November 2007. 8 William Zartman, „Guidelines for preserving peace in Afrika“, in: Chester Crocker und David Smock (Hg.): „African conflict resolution: the US role in peacemaking“, Washington D. C. (United States Institute of Peace Press) 1995, S. 95–104. 9 Am 26. November 2007 haben die Rebellen bei der Schlacht um Abou Goulem östlich von Abéché die gefürchtete russische Panzerabwehrrakete SPG-9 eingesetzt und damit mehrere Panzer der staatlichen Truppen zerstört.

Aus dem Französischen von Veronika Kabis Léon Koungou promoviert an der Universität Pa-ris 1 Panthéon-Sorbonne und forscht für das Centre de recherches politiques de la Sorbonne (CRPS).

Le Monde diplomatique vom 08.02.2008, von Léon Koungou