Dschibutis Zukunft
Von PHILIPPE LEYMARIE *
ZEHN Jahre nach dem katastrophalen Ausgang ihrer Militärexpedition nach Somalia im Rahmen der Operation „Neue Hoffnung“1 sind die Amerikaner erneut am Horn von Afrika engagiert, diesmal im Rahmen des weltweiten Kriegs gegen den Terror. 3 000 GIs wurden auf dem Militärstützpunkt Lemonnier in Dschibuti stationiert, der ursprünglich der französischen Fremdenlegion als Operationsbasis diente. Seit der Eröffnung im September 2002 wurde der Stützpunkt ständig erweitert. Die in der Golfregion kreuzende „24th Marine Expeditionary Unit“, eine amphibische Flotteneinheit um das Versorgungsschiff „Nassau“, hat im vorigen Jahr an der Küste nahe Obock im Norden des Landes drei Landungsmanöver mit Panzern durchgeführt, und zwar mit scharfer Munition. Eine neu gebildete „Vereinigte Kommandozentrale für das Horn von Afrika“ unter dem Kommando von General John Stattler, die vorerst auf dem vor Dschibuti liegenden Kommandoschiff „USS Mount Whitney“ untergebracht ist, soll demnächst an Land verlegt werden.
Bei seinem Besuch in Dschibuti im Dezember vorigen Jahres erklärte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld: „Ich gehe davon aus, dass die amerikanischen Anlagen in drei oder vier Jahren immer noch da sind.“ Ein kleiner Satz, der das Ende einer Epoche markiert, und zwar die 100 Jahre dauernde enge Beziehung der französischen Armee mit Dschibuti. Das ehemalige Französisch-Somaliland, das später in „Afar und Issa“ umbenannt und 1977 als Präsidialrepublik Dschibuti unabhängig wurde, war die wichtigste französische Militärbasis in Übersee.2 Als „Wüstenschule“ stand dieses einmalige Terrain bei den Franzosen hoch im Kurs.
Im Rahmen eines Beistandsabkommens schützte Frankreich den jungen Staat nach dessen Unabhängigkeit vor den territorialen Begehrlichkeiten seiner Nachbarn Äthiopien und Somalia und erhielt als Gegenleistung die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Wüstenstreifen bei Obock. Damit besaß Frankreich einen wichtigen Stützpunkt in einer strategischen Region, durch die ein Viertel aller globalen Rohöltransporte gehen. Gleichzeitig hatte es ein Trainingslager mit unbegrenzten Ausbildungsmöglichkeiten gewonnen, eine Anlaufstelle für seine Seestreitkräfte im Indischen Ozean und einen Zwischenlandeplatz für Flüge nach den frankophonen Inseln Madagaskar, Komoren, Réunion, Mauritius und Mayotte.
Paris befürchtet, am Horn „ausgebootet“ zu werden, weil die Präsenz französischer Truppen immer entbehrlicher scheint. Auch heißt es, Dschibuti laufe Gefahr, seinerseits zur Zielscheibe eines antiamerikanischen Terroranschlags zu werden.3 Obwohl schließlich eine „alliierte“ Stabsstelle für geheimdienstliche Kooperationen gebildet wurde, war die Zusammenarbeit in den ersten Monaten eher schwierig. Der Informationsfluss zwischen den beiden Generalstäben ließ zu wünschen übrig, und ihre Truppen kamen sich bei Manövern manchmal gefährlich nahe. „Niemand stellt unsere Präsenz vorher, währenddessen und danach in Frage. Die anderen sind nur vorübergehend und aus aktuellem Anlass hier“, tröstet sich der Befehlshaber der Französischen Streitkräfte von Dschibuti (FDDJ), General Bévillard.
Den Amerikanern ist noch schmerzlich in Erinnerung, dass ihr Zerstörer „USS Cole“ vor zwei Jahren Opfer eines Anschlags wurde, als er im Hafen von Aden, gegenüber von Dschibuti, ankerte. Das Attentat auf den französischen Öltanker „Limburg“ am 6. Oktober 2002 ließ die Befürchtung wieder aufleben, ein „maritimer Dschihad“ könnte die Erdölversorgung des Westens gefährden.4 Der Jemen gilt genau wie Somalia bei den USA als mögliches Rückzugsgebiet von al-Qaida. Im Dezember 2002 wurde in der kenianischen Stadt Mombasa ein Anschlag auf israelische Einrichtungen verübt, und vor vier Jahren fielen die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam (Tansania) einem Bombenattentat zum Opfer.
In Anbetracht dieser Entwicklung kann man davon ausgehen, dass die Amerikaner Dschibuti zu einer ständigen Militärbasis ausbauen werden. Der Nutzen eines militärischen Umschlagplatzes in unmittelbarer Nähe des Roten Meeres und des Persischen Golfs liegt auf der Hand,5 zumal wenn man einen Blick in die nähere Nachbarschaft wirft: Dem Sudan drohte bis vor kurzem die Gefahr, in die Hände der Islamisten zu fallen, Äthiopien und Eritrea haben territoriale Streitigkeiten, und in Somalia herrschen nach wie vor anarchische Zustände. Der Kommandant der Task-Force CJTF-HOA6 befehligt eine Flotte, der außer britischen und spanischen Einheiten auch ein kleiner deutscher Marineeinsatzverband angehört (drei Fregatten, vier Versorgungsschiffe, 1 800 Mann). Er patrouilliert im Golf von Aden sowie in den somalischen und jemenitischen Küstengewässern. Im Dezember vorigen Jahres verständigten sich die USA mit der äthiopischen und der eritreischen Regierung über die Nutzung der örtlichen Flug- bzw. Seehäfen.
Der Kleinstaat Dschibuti mit seinen Trainingsmöglichkeiten, seinem modernen Hafen und dem modernen Flugplatz gilt in Washington als nützlicher Zugewinn. Als Vorbereitung auf die Irak-Offensive fand die US Army hier ein ausgezeichnetes Übungsfeld, um den Krieg im kleinen Maßstab durchzuspielen. Ein regionales See- und Luftüberwachungssystem wurde installiert, um die Landung von Al-Qaida-Einheiten an der jemenitischen, somalischen und kenianischen Küste zu verhindern. Mit Hilfe dieses Systems traf eine von einer Predator-Drohne abgefeuerten Rakete – eine Entwicklung der CIA – sechs mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder in der jemenitischen Provinz Marib auf der anderen Seite der Meerenge. Unter den Opfern befand sich auch einer ihrer Anführer. Das Fluggerät war in Dschibuti gestartet und stand in direktem Kontakt mit der CIA-Kommandozentrale in Langley (Virginia). Ein Tastendruck auf einer Computertastatur in 15 000 Kilometer Entfernung genügte, um das Zielobjekt in Staub zu verwandeln.
Dschibutis Minister für internationale Zusammenarbeit, Mahmoud Ali Youssouf, erklärte vor einigen Wochen: „Wir haben uns unmittelbar nach dem 11. September 2001 in diesem weltweiten Krieg gegen den Terror engagiert und den Amerikanern alles gegeben, was sie haben wollten. Doch bisher haben wir dafür keinerlei Gegenleistung erhalten.“7 Als „Beleidigung“ habe er ein Angebot amerikanischer Parlamentarier empfunden, die eine Finanzhilfe von 4 Millionen Dollar in Aussicht stellten, wovon drei Viertel für den Ausbau der Flughafensicherheit vorgesehen war. Wie aus dschibutischen Regierungskreisen verlautet, habe das Land einen „dringenden Grundbedarf“ an Nahrungsmitteln, Schulen, Straßen und Gesundheitseinrichtungen. Vor den Verhandlungen im Januar dieses Jahres über ein „Niederlassungsabkommen“, das finanzielle Kompensationszahlungen vorsieht, hatte die US-Regierung eine halbe Million Dollar für die Finanzierung der Parlamentswahlen am 10. Januar zur Verfügung gestellt8 und bereits die Zusicherung erhalten, dass der Radiosender „Voice of America“ von Dschibuti nach Jemen und Somalia senden darf.
„America, America, we want a job!“ – hunderte von Jugendlichen umlagern das Einstellungsbüro der US-Streitkräfte in Dschibuti, meist ohne Erfolg. Und tausende von Dschibutern haben sich in unmittelbarer Nähe der Militärbasis Lemonnier eine notdürftige Bleibe gezimmert, in der Hoffnung, es werde das eine oder andere für sie abfallen. Doch die US-Militärs, verschanzt hinter Erdwällen und Alarmanlagen, verlassen ihr „Quartier“ und ihre klimatisierten Zelte nur selten.
dt. Bodo Schulze
* Journalist, Radio France International.