Degenerierte Böden
Eine Bilanz der europäischen Agrarpolitik von Jean-Christophe Kroll und Aurelie Trouvé
Mit ihren knapp 500 Millionen Konsumenten ist die Europäische Union der größte und lukrativste Markt für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel.1 Hinzu kommt, dass bei der Welthandelskonferenz (WTO) keine Entscheidung ohne Zustimmung der EU zustande kommt, die damit bei der Deregulierung des Welthandels eine zentrale Rolle spielt. Dies belegen auch die jüngsten Beschlüsse des Rats der Landwirtschaftsminister, die sie, gleichsam als Ouvertüre zu der für 2013 geplanten grundlegenden Reform, in ihrer „Gesundheitsbilanz“ der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) verabschiedet haben.2
Über lange Zeit war die „Gemeinsame Agrarpolitik“ das einzige wirklich gemeinsame europäische Politikprojekt, über das in Brüssel entschieden wurde und zu dessen Budget alle Mitgliedstaaten beitrugen. Das erklärt auch den hohen Anteil der GAP (derzeit 45 Prozent) an den Gesamtausgaben der Union. Es erklärt zudem, warum die GAP lange als die wichtigste Säule des europäischen Gesamtprojekts galt, bevor die wirtschaftsliberalen Politiker und Experten sie nur noch als Geldverschwendung und Wettbewerbshindernis wahrnahmen.
Das ursprüngliche Ziel der 1958 auf der Konferenz von Stresa beschlossenen GAP war die Nahrungsmittelversorgung für alle Länder der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zu sichern. Deshalb wollte man die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf einem Niveau stabilisieren, das einerseits den Bauern Produktionsanreize bot und andererseits für die Konsumenten erschwinglich blieb.
Dieses System der „Preisstützung“ beruhte auf garantierten Ankaufpreisen sowie der Einrichtung von Vorratslagern, die bei Produktionsschwankungen als Puffer dienten. Beides war erforderlich, weil die Bindung an Weltmarktpreise nicht hinreicht, um eine bedarfsgerechte Produktion zu gewährleisten. Insofern war eine regulierende Intervention durch den Staat gerechtfertigt.3
In der Folge wurden verschiedene nach Produktgruppen untergliederte Grundverordnungen der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) verabschiedet, um die „Gemeinschaftspräferenz“ langfristig sicherzustellen. Als Schutz der europäischen Agrargüter vor Importen dienten vor allem Einfuhrzölle. Diese waren auf die Weltmarktpreise abgestimmt, die damals meist unter denen der EWG-Produkte lagen. Dennoch gab es schon damals Lücken im System, etwa bei der zollfreien Einfuhr eiweißhaltiger Ölpflanzen wie Soja, Raps und Sonnenblumen, die vor allem als Viehfutter dienen. Solche Ausnahmeregelungen waren seit den 1960er-Jahren im Rahmen des Allgemeine Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) vorgesehen.
Die GAP erwies sich rasch als höchst effektiv. Die stabilen Preise ließen Investitionen, Erträge und Produktivität steigen, was bedeutete, dass immer weniger Arbeitskräfte immer mehr Nahrungsmittel erzeugten. Die im Agrarsektor freigesetzten Erwerbstätigen ließen das Heer der Industriearbeiter anschwellen.
Das Niveau der Eigenversorgung ist bei den wichtigen Agrarprodukten, die wie Milch und Getreide durch die GMO gezielt begünstigt wurden, schon längst überschritten. Die Überschüsse mussten mithilfe von Exportsubventionen auf dem Weltmarkt abgesetzt werden.4 Zugleich nahm die – auch ökologisch problematische – Spezialisierung der landwirtschaftlichen Produktion zu, was wiederum die Landflucht verstärkte, wobei allerdings die Beschäftigung in der Industrie seit den 1970er-Jahren ebenfalls zurückging.
Die Krise verschärfte sich in den 1980er-Jahren weiter, als die globale Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen schrumpfte, während die Schwellenländer ihre Agrarproduktion ausbauten. Das ließ die Weltmarktpreise einbrechen und die EWG-Agrarsubventionen in die Höhe schnellen. Großbritannien, das 1973 der Gemeinschaft beigetreten war, nutzte jede Gelegenheit, die Auswüchse der GAP zu kritisieren: Mitte der 1980er-Jahre fand Premierministerin Margaret Thatcher inner- wie außerhalb der Gemeinschaft immer mehr Bündnispartner, die im Hinblick auf die Ende 1986 anstehende Welthandelskonferenz (Gatt) in Punta del Este ihre Forderung nach einer grundlegenden Reform der GAP unterstützten.
Damit begann die Phase der Deregulierung. Sie sollte das „freie“ Spiel der Marktkräfte gewährleisten, von dem – nach der wirtschaftsliberalen Doktrin – alle profitieren sollen: Die Konsumenten und Steuerzahler in den entwickelten Ländern würden sich über niedrige Lebensmittelpreise und Steuern freuen; die armen Länder des Südens würden durch den Export ihrer relativ preisgünstigen Produkte selbst dann noch Gewinne erzielen, wenn sie Grundnahrungsmittel einführen müssten, die sie preiswert von den reichen Länder beziehen könnten.
Seit 1992 ist damit ein Prozess in Gang, der die GMO schrittweise zerstört. Bis 2003 blieb einzig der Milchmarkt mit seiner seit 1984 geltenden Quotenregelung verschont. In der Tat sind Milchquoten ein geeignetes Mittel, um die Produktionsmenge zu steuern und damit die Subventionen drastisch zu senken und den Produzenten einträgliche Preise zu garantieren.5
In den anderen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion sollten die Reformen der Jahre 1992, 1999 und 2003 darauf hinwirken, die EU-Preise den Weltmarktpreisen anzugleichen und die verschiedenen EU-Agrarverordnungen WTO-konform zu gestalten. An die Stelle der von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Abschöpfungszölle traten einheitliche Sätze, die im Rahmen des liberalisierten Warenverkehrs zwischen den beteiligten Partnerländern schrittweise reduziert wurden.
Zum Ausgleich erhielten die landwirtschaftlichen Produzenten direkte, an der Größe ihrer Anbaufläche bemessene Finanzhilfen. Dank der 2003 beschlossenen „Entkoppelung“ dieser Zuschüsse brauchen die Bauern ihre Flächen aber nicht mehr zu bearbeiten. Die bleiben jedoch Maßstab für die Höhe der Finanzhilfen, was heißt, dass nach wie vor öffentliche Gelder eingesetzt werden, um sowohl die Substitution von menschlicher Arbeit als auch die beschäftigungsfeindliche Expansion von Großbetrieben zu subventionieren.
Über die Paradoxien dieser neoliberalen Politik täuscht auf den ersten Blick der Umstand hinweg, dass weiterhin erhebliche Summen an die Landwirtschaft fließen. All diese Entwicklungen lassen sich jedoch erklären. Die Garantiepreise und der Schutz des europäischen Agrarmarkts vertragen sich ausgezeichnet mit dem ursprünglichen Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit von Landwirtschaft, industrieller Agrarproduktion und Lebensmittelhandel zu stärken. Diese Politik zielt vor allem auf die Entwicklung eines europäischen Binnenmarkts, der sich mit der Aufnahme neuer Mitgliedsländer sukzessive erweitern sollte.
Französische Hähnchen – made in Brasilien
Während freilich die großen Produktions- und Handelsunternehmen der Lebensmittelbranche ihre Positionen auf dem europäischen Markt hinreichend ausbauen konnten, sind sie zugleich auf außereuropäische Märkte vorgedrungen und stärkten seit Beginn der 1990er-Jahre – dank fallender Preise für Agrarprodukte und eines erleichterten Zugangs zu billigen Importwaren – auch ihre internationale Konkurrenzfähigkeit. Das logische Ziel dieses Prozesses ist die Ausdehnung der Wertschöpfungskette in die Länder jenseits der EU, in denen sie ihre Produkte beschaffen. Dies zeigt das Beispiel des französischen Lebensmittelkonzerns Doux, der die Produktion und Verarbeitung von Hähnchen zum Teil nach Brasilien verlagert hat. Viele europäische Agrarproduzenten, die früh auf Internationalisierung gesetzt haben, entdecken nun, dass sie überflüssig werden.
Während die Liberalisierung des Handels mit immer stärkeren Schwankungen der Weltmarktpreise einhergeht (die nicht etwa die Produktionskosten spiegeln), hat sie in sozialer und ökologischer Hinsicht erhebliche negative Folgen. Die wichtigste soziale Folge ist, dass bei zu niedrigen Preisen die produktivsten Landwirtschaftsbetriebe in den reichen Ländern ohne massive Direktsubventionen nicht überleben können; diese Betriebe machen aber die Hälfte der landwirtschaftlichen Durchschnittseinkommen in EU-Europa aus.6 Bei stark steigenden Preisen bedeuten diese Hilfen wiederum, solange sie von den Preisen und den Produktgruppen abgekoppelt sind, überzogene Gewinne für bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Produzenten.
So beziehen etwa die europäischen Getreideproduzenten nach wie vor massive Subventionen, obwohl sich ihre Abgabepreise und Einkünfte zwischen Anfang 2007 und Mitte 2008 verdoppelt haben. Und weil diese Subventionen – ohne jede Differenzierung nach Betriebsgröße oder Ertrag – an die Anbaufläche gekoppelt sind, vollzieht sich bei den Agrarunternehmen unweigerlich ein gewaltiger Konzentrationsprozess. In manchen neuen EU-Mitgliedstaaten wie Rumänien oder Polen bedrohen die EU-Subventionen einen Wirtschaftssektor, in dem mehr als ein Drittel der Erwerbsbevölkerung beschäftigt ist. Sie schwächen vor allem die kleinbäuerliche Subsistenzlandwirtschaft, die das Überleben vieler Familien sichert und für den Arbeitsmarkt wie ein sozialer Puffer wirkt.
Ebenso kläglich fällt die umweltpolitische Bilanz der Gemeinsamen Agrarpolitik aus. Um Eindruck zu schinden, hat die EU-Kommission alle ihre Reformen mit einem umweltfreundlichen Anstrich versehen und operiert mit Begriffen wie „Öko-Verträglichkeit“ und „Entwicklung des ländlichen Raums“, die seit 1999 als „zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik“ angepriesen werden. Den Trend zur Liberalisierung der Agrarmärkte – mitsamt der zunehmenden Spezialisierung und einem enormen Konkurrenzdruck – können diese schönen Worte freilich nur mit Mühe kaschieren. Diese Entwicklung geht auf Kosten von unabhängigen und nachhaltigen Produktionsweisen – wie etwa der traditionellen Weidenkultur –, die nachweislich Landschaftspflege, Schutz der Artenvielfalt sowie die Qualität von Wasser und Böden am besten gewährleisten können.7
Falls sich dieser Trend fortsetzt, werden sich die landwirtschaftlichen Betriebe in den wettbewerbsstärksten Gegenden konzentrieren, während die Landschaft in den benachteiligten Regionen verödet. Statt einer bewussten Raumplanung erleben wir damit eine simple, ökonomisch determinierte Produktionsverlagerung.
Noch schlimmer ist diese Entwicklung für die ärmsten Länder in der Dritten Welt. Für ihre Dumpingpreispolitik bekamen die reichen Länder auch noch den Segen der WTO. Die hat der oben skizzierten Kompensation der Niedrigpreise durch direkte, von der Anbaufläche entkoppelte Ausgleichszahlungen, glatt bescheinigt, dass sie den internationalen Agrarwettbewerb nicht verzerrt. Diese Politik zerstört unaufhaltsam – im Zusammenwirken mit dem Abbau der Zollschranken als dem einzigen Schutz, über den die armen Länder überhaupt noch verfügen – die Möglichkeiten der bäuerlichen Selbstversorgung in den allerärmsten Regionen, was deren Abhängigkeit von Nahrungsmittellieferungen merklich erhöht.
Und schließlich macht es diese Politik immer schwerer, in einer angespannten Marktsituation angemessene Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, wenn in den meisten Ländern die Instrumente zur Preisstützung wie zur Bevorratung von Agrarprodukten weitgehend abgeschafft sind. So haben die weltweiten Getreidevorräte seit 1996 kontinuierlich abgenommen und waren 2008 auf dem niedrigsten Niveau seit 25 Jahren angelangt.
Kein Wunder also, dass wir eine globale Ernährungskrise haben. Wie üblich traten die strukturellen Ungleichgewichte erst im Zuge starker konjunktureller Schwankungen zutage. So hat der plötzliche Anstieg der Lebensmittelpreise im Jahr 2007 die in manchen Gebieten bereits dramatische Versorgungskrise weiter verschärft. Laut Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) waren 2007 weltweit 925 Millionen Menschen unterernährt, 75 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Das verweist auf ungeheure globale Ungleichheiten, die ein Ergebnis wirtschaftspolitischer Entscheidungen im Rahmen einer bewussten Strategie sind. Diese Strategie hat die EU bewusst unterstützt, beim Internationalen Währungsfonds (IWF), bei der Weltbank und in den bilateralen wie multilateralen Verhandlungen mit den Ländern des Südens. So hat sie, um das Zustandekommen eines Kompromisses bei der WTO zu beschleunigen, die Gemeinsame Agrarpolitik bereits 2003, sozusagen im Vorgriff, „reformiert“.
Hier soll nicht etwa die europäische Agrarpolitik im Nachhinein verklärt werden. Dafür sind die durch die GAP verursachten sozialen und ökologischen Schäden viel zu offenkundig. Aber es geht auch nicht an, per Umkehrschluss die völlige Zerschlagung aller Mechanismen einer vernünftigen Marktregulierung zu fordern. Zwar sind in jüngster Zeit die Preise für die meisten Agrargüter stark gefallen, aber selbst das ist vor allem Ausdruck chronischer Marktschwankungen, denen die EU und die internationalen Organisationen freien Lauf lassen. Die Wende in der Preisentwicklung darf also keinesfalls die vorangegangene Krise und die Hungerrevolten vergessen machen, die im Frühjahr 2008 in mehreren armen Entwicklungsländer ausgebrochen sind.8
Von der Einschätzung ausgehend, dass es sich um eine langfristig heilsame Krise handele, formulierte WTO-Generalsekretär Pascal Lamy im April 2008 sein Lösungskonzept wie folgt: „Wenn man will, dass die Krise vorbeigeht, muss der Handel energisch weitergehen“, selbst wenn das „kurzfristig für viele Entwicklungsländer keine guten Nachrichten bedeutet.“9
Dem ist mit John Maynard Keynes entgegenzuhalten: „In the long run we’re all dead.“ Das heißt am Ende, wenn die Medizin von Doktor Lamy angeschlagen haben wird, sind sie sowieso alle tot. Aber das stört den WTO-Chef kaum, der unbedingt die Verhandlungen wieder ankurbeln will, um die Doha-Runde10 mit einer einzigartigen Liberalisierung des Agrarhandels abzuschließen.
Nach einem ersten Versuch im Juli 2008, den Indien, um seine eigenen Bauern zu schützen, mit der Ablehnung der Vertragsbestimmungen scheitern ließ, kam auch die für Mitte Dezember vorgeschlagene Ministerrunde nicht zustande. Lamy will auf Biegen und Brechen eine WTO-Vereinbarung erreichen, wobei er auf die Unterstützung der neuen EU-Handelskommissarin Catherine Ashton setzt, die Anfang Oktober die Nachfolge ihres Landsmanns Peter Mandelson antrat (den Gordon Brown zu seinem neuen Wirtschaftsminister berufen hat).
Die EU-Organe ignorieren die vielfachen Alarmsignale wie die Warnungen von Wissenschaftlern und einer wachsenden Zahl von Politikern und Experten. Als wäre nichts geschehen, betreiben sie den Abbau der politischen Regulierungsmechanismen auf den Agrarmärkten einfach weiter. Und sie lassen sich auch nicht davon beirren, dass sogar die USA seit 2002 die geschilderte Politik der Entkoppelung aufgegeben und stattdessen ein System „antizyklischer Agrarhilfen“ aufgelegt haben, die jeweils der aktuellen Marktlage angepasst werden.11
In Brüssel glaubt man beharrlich an die Wohltaten der Deregulierung und des wirtschaftlichen Laissez-faire. Jedenfalls weist bei den Entscheidungen, die am 21. November anlässlich der „Gesundheitsbilanz“ der Gemeinsamen Agrarpolitik getroffen wurden, nichts darauf hin, dass die EU-Kommission die alte, seit 1992 geltende Logik überdenken könnte.
Wir brauchen eine neue Welternährungsordnung
Im Gegenteil: Die Möglichkeiten staatlicher Regulierungen werden weiter eingeschränkt: die Milchquoten schrittweise abgeschafft und die preisstabilisierenden Maßnahmen eingeschränkt. Die Agrarbeihilfen werden weiter entkoppelt, trotz offensichtlicher Verschwendung und extremer Formen der Ungleichbehandlung. Und die Solidarität zwischen Staaten und Regionen wird noch stärker abgebaut, während sich zugleich neue Formen der Kofinanzierung durch nationale und Gebietskörperschaften breitmachen, die auf eine Renationalisierung der europäischen Agrarpolitik hinauslaufen.12
Während die skizzierten agrarpolitischen Strategien im Namen des Wettbewerbs die Verödung des ländlichen Raums beschleunigen, beschließt man gleichzeitig im Namen der Entwicklung desselben Raums, die entstandenen Schäden auszubessern. Trotz vollmundiger Grundsatzerklärungen über die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen bleibt festzuhalten, dass die Europäische Kommission nach wie vor – also auch in den erneuerten Formen – auf einen rein produktivitätsorientierten Strukturwandel der Landwirtschaft hinarbeitet.
Dennoch könnte die Europäische Union beim Versuch einer Neuorientierung der anstehenden Handelsrunden entscheidend dazu beitragen, einer neuen Welternährungsordnung den Weg zu ebnen. Lösungsvorschläge existieren bereits. Sie stützen sich auf das Prinzip einer landwirtschaftlichen Unabhängigkeit, die sich an gemeinsam vereinbarte Regeln für den internationalen Agrarhandel hält.
In diesem neuen, unter der Ägide der Vereinten Nationen erarbeiteten Rahmen müssten die Stabilisierung der Weltmarktpreise und die Garantie stabiler, für die Produzenten kostengerechter Preise auf den Binnenmärkten vereinbart werden. Im Gegenzug sollten sozialverträgliche und umweltgerechte Produktionsweisen gestärkt und eine vernünftige Planung der Produktionsmengen sowie eine gerechtere Vergabe der Beihilfen an die landwirtschaftlichen Erzeuger ermöglicht werden.
Darüber hinaus müssten, im Sinne der Solidarität mit den armen Ländern, die für diese nachteiligen Freihandelsverträge kassiert werden. Stattdessen sollten verstärkt Präferenzvereinbarungen getroffen und öffentliche Subventionen für die landwirtschaftliche Entwicklung gezahlt werden. Und natürlich müsste die Produktion von Biokraftstoffen aufhören, die heute in einem harten Verdrängungswettbewerb mit der Nahrungsmittelproduktion steht.
Letztendlich lässt sich die Nahrungsmittelkrise nicht zulasten von ökologischen Notwendigkeiten überwinden, denn der Klimawandel und die Degradierung der Böden werden diese Krise weiter verschärfen. Der jüngste Bericht des „International Assessment of Agricultural Sciene, Knowledge and Technology for Development“ vom April 2008, der die Fortschritte und Verbesserungsmöglichkeiten der globalen Landwirtschaft evaluiert, fordert zum Beispiel die Entwicklung einer neuen Agrarökologie, einer regionalen Kreislaufwirtschaft und die Aufwertung des lokalen Erfahrungswissens.13
Aus dem Französischen von Ulf Kadritzke
Jean-Christophe Kroll und Aurelie Trouvé arbeiten als Wissenschaftler an der Hochschule für Landwirtschaftkunde in Dijon (Enesad).