Die Erfindung der Barbaren
Aufschlussreiche Lektüren zum Selbstbild des Westens von Alain Gresh
Henri Massis, der so produktive wie einflussreiche französische Schriftsteller, rief im Jahr 1927 zum Kreuzzug gegen die heraufziehenden Gefahren für Geist und Werte des Abendlandes auf, die aus seiner Sicht mit denen Frankreichs weitgehend übereinstimmten. „Das Schicksal der abendländischen Kultur, ja das Schicksal des Menschen überhaupt ist gegenwärtig bedroht. Das bestätigen uns alle, die oft in den Fernen Osten reisen oder dort seit langem als Ausländer leben: In nur zehn Jahren hat sich die Mentalität der einheimischen Bevölkerung einschneidender verändert als in den zehn Jahrhunderten zuvor. An die Stelle der selbstverständlichen Unterwerfung von einst ist dumpfe Feindseligkeit, mitunter sogar regelrechter Hass getreten, der nur auf den günstigen Zeitpunkt wartet, um sich Bahn zu brechen. Ganz Asien, von Kalkutta bis Schanghai, von der mongolischen Steppe bis zu den Weiten Anatoliens, wird von einem unbestimmten Freiheitsdrang beherrscht. Die Überlegenheit, an die das Abendland gewohnt war, seit Jan Sobieski vor den Toren Wiens den Vormarsch der Türken und Tataren ein für alle Mal zum Stillstand gebracht hat1 – diese Überlegenheit erkennen die Asiaten heute nicht mehr an. Die Völker Asiens haben nichts anderes im Sinn, als sich gegen den weißen Mann zu verbünden, und verkünden seinen Niedergang.“2 Ganz Unrecht hatte Massis nicht: Tatsächlich kündigte sich überall der Aufstand der kolonialisierten Völker an.
Dieselben Ängste leben heute wieder auf. Der Kontext ist zwar ein völlig anderer, doch lässt er sich mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg durchaus vergleichen. Auch heute werden wir zu Zeugen schwerer Erschütterungen – die Attentate des 11. September 2001, die Kriege im Irak und in Afghanistan, die aktuelle Finanzkrise und so weiter. Vor allem aber steht uns wie damals eine Neuordnung der Welt bevor durch die aufstrebenden Mächte China und Indien. Eine Menge, teils sogar auch namhafte Autoren, die Geschichte als eine Dauerkonfrontation zwischen Zivilisation und Barbarei auffassen, laden uns zu einer Zeitreise ein, um nach den Wurzeln dieses blutigen, weltumspannenden „zweitausendfünfhundertjährigen Kampfes“ zu fahnden (so der Untertitel von Anthony Pagdens Buch „Worlds at War“, das 2008 bei Oxford University Press herauskam).
Anthony Pagden, der an den Elite-Universitäten Oxford, Cambridge und Harvard Geschichte und Politische Wissenschaft gelehrt hat, zeichnet auf rund 500 Seiten ein grob strukturiertes Bild der Weltgeschichte. „In Troja wurde eine Flamme entzündet, die über die Jahrhunderte hinweg stetig weiterbrannte, während auf die Trojaner die Perser, auf die Perser die Phönizier, auf die Phönizier die Parther, auf die Parther die Sassaniden, auf die Sassaniden die Araber und auf die Araber die Osmanen folgten. Die Front hat sich mit der Zeit verlagert, auch die Gegner sind nicht mehr dieselben. Unverändert geblieben ist aber die jeweilige Auffassung davon, was die beiden Seiten entzweit, und wie immer in solchen Fällen beruht auch diese Wahrnehmung auf einer Vielzahl historischer Überlieferungen, von denen manche mehr oder weniger zutreffend, andere jedoch vollkommen falsch sind.“
Seinem kleinen Vorbehalt hinsichtlich „vollkommen falscher“ Überlieferungen zum Trotz greift der Autor bei der Entwicklung seines Gedankengangs auf ein duales Weltbild zurück, das schon in dem von Herodot geschilderten Zusammenstoß zwischen Griechen und Persern auftauchen würde. Der große griechische Chronist habe nämlich zeigen wollen, dass der Gegensatz „zwischen Persern und Griechen oder Asiaten und Europäern viel tiefer reichte als ein simpler politischer Konflikt. Was sie trennte, war eine Weltanschauung, eine unterschiedliche Auffassung darüber, was es hieß, ein Mensch zu sein und wie ein Mensch zu leben. Zwar waren die Städte Griechenlands und im weiteren Sinn ‚Europas‘ von durchaus unterschiedlichem Charakter, hatten bisweilen sehr verschiedene Gesellschaften hervorgebracht und fielen einander auch gern in den Rücken, und doch bestanden zwischen ihnen große Gemeinsamkeiten. Sie alle kannten den Unterschied zwischen Freiheit und Sklaverei, und alle vertraten weitgehend ein, wie wir heute sagen würden, individualistisches Menschenbild.“
Ähnlich argumentiert auch Paul Cartledge, Professor für griechische Geschichte an der Universität Cambridge, in seinem Buch über die „weltverändernde“ Schlacht bei den Thermopylen („Thermopylae: The Battle That Changed the World“, London (Macmillan) 2006): „Die Auseinandersetzung zwischen den Spartiaten3 und anderen Griechen auf der einen und der persischen Horde (bei der auch Griechen mitkämpften) auf der anderen Seite war ein Konflikt zwischen Freiheit und Sklaverei, und als solchen haben ihn schon die damaligen Griechen empfunden. Tatsächlich hat man ihn als die eigentliche Achse der Weltgeschichte bezeichnet und plausible Argumente dafür gefunden. […] Die Schlacht bei den Thermopylen war damit ein Wendepunkt nicht nur in der klassischen griechischen Antike, sondern für die gesamte Weltgeschichte.“ Immerhin hat ja auch der englische Philosoph und Nationalökonom John Stuart Mill Mitte des 19. Jahrhunderts erklärt, die Schlacht von Marathon sei wichtiger gewesen als die von Hastings4 , selbst für die Geschichte Großbritanniens.
Paul Cartledge macht keinen Hehl aus seiner ideologischen Motivation: „Nach den Anschlägen vom 11. September in New York und vom 7. Juli in London hat dieses Anliegen [der Schlacht bei den Thermopylen auf den Grund zu gehen] eine neue Dringlichkeit und Bedeutung innerhalb des größeren Rahmens der west-östlichen kulturellen Begegnung gewonnen.“ Eine „Begegnung“, die nichts anderes sei als der Zusammenprall von „Despotie“ und „Freiheit“.
Populär wurde diese wissenschaftliche Sicht dank des 1998 erschienenen Comic „300“ von Frank Miller und Lynn Varley sowie dessen martialischer Verfilmung von Zack Snyder aus dem Jahr 2007. Darin geht es um eben jene Schlacht bei den Thermopylen, wo 480 v. Chr. die zahlenmäßig weit überlegenen Perser die unter Leonidas I. kämpfenden „300“ Spartiaten besiegten. Der gut zweistündige Film – in den USA ein Blockbuster – ähnelt einem Computerspiel, in dem schöne, amphetamingedopte Muskelprotze auf weibische (von schwarzen oder „arabisch wirkenden“ Schauspielern dargestellte) Barbaren treffen, die man skrupellos niedermetzeln kann. „Keine Gefangenen“, lautet die Parole des Leonidas, nachdem er zu Beginn des Films den persischen Botschafter umgebracht hat – für die Wilden gelten die hehren Gesetze der Menschlichkeit natürlich nicht.
Kein Völkerrecht für Negerstämme
Zivilisation bedeutet also Vernichtung der Barbaren. So sprach der preußische Hofhistoriograf Heinrich von Treitschke Ende des 19. Jahrhunderts nur aus, was viele seiner Zeitgenossen dachten: Dass das Völkerrecht nur auf die Beziehungen zwischen zivilisierten Völkern, nicht aber auf „barbarische Völker“ oder „Negerstämme“ anwendbar sei. Im Umgang mit diesen könne man nur etwas erreichen, wenn abschreckende Exempel statuiert würden, etwa durch Niederbrennen von Dörfern. Würde das Deutsche Reich in derartigen Fällen das Völkerrecht anwenden, wäre das kein Zeichen von Menschlichkeit oder Gerechtigkeit, sondern nur ein schmachvoller Ausdruck seiner Schwäche.
Die Deutschen bewiesen wahrlich keine Schwäche, als sie zwischen 1904 und 1907 das Hirtenvolk der Herero in Deutsch-Südwestafrika (dem heutigen Namibia) nach einem Aufstand nahezu ausrotteten und damit den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts begingen, der – neben einigen anderen – als Modell und Vorläufer der Ermordung der europäischen Juden diente.
Auch den Spartiaten aus „300“ kann niemand „Schwäche“ vorwerfen. Sie verbieten ihren Frauen den Zutritt in den Senat, töten missgebildete Kinder und halten den Krieg für den Gipfel der Menschheitsleistungen. Der US-Zeichner Frank Miller, Autor der Graphic Novel „300“, ist sich mit dem Historiker Cartledge einig: „Unser Land und die gesamte westliche Welt stehen derzeit einem existenziellen Feind gegenüber, der im Unterschied zu uns ganz genau weiß, was er will.“
Paul Cartledge behauptet, es gebe keine persischen Quellen über die Perserkriege, keinen einheimischen Herodot. Tatsächlich verfügen wir aber über ein umfangreiches Wissen über die Perserreiche. So weist Touraj Daryaee, Professor für Alte Geschichte an der California State University in Fullerton, darauf hin5 , dass die Sklaverei in Persien kaum existierte, dass die Stellung der Frau in Persien nicht niedriger war als in Griechenland und dass die erste bekannte Charta der Menschenrechte vom Perserkönig Kyros dem Großen stammt: Diesen Text, der unter anderem Religionsfreiheit, Abschaffung der Sklaverei und freie Berufswahl enthält, ließen die Vereinten Nationen 1971 in alle Sprachen übersetzen.
Den Griechen sei Dank!
Wen wundert es, dass die Griechen vor allem durch die Vermittlung von Herodot – der freilich längst nicht zu so grotesken Verzerrungen neigt wie seine modernen Adepten – ihren letztendlichen Sieg (Seeschlacht von Salamis) als einen Sieg über die Barbarei darstellten? Seit es Kriege gibt, stellen die Beteiligten stets großartige Grundsätze auf. So sind in den Augen der US-amerikanischen Regierung die Kriege der Vereinigten Staaten im Irak und in Afghanistan mindestens ein Kampf des Guten gegen das Böse.
Warum sind wir nach 2 500 Jahren immer noch wie besessen von den alten Griechen? Marcel Detienne, Professor an der Johns Hopkins University in Baltimore und zuvor an der École Pratique des Hautes Études in Paris, hat dafür eine ironische Erklärung: „Unsere Geschichte fängt mit den Griechen an – das sollten, so befand schon der Historiker Lavisse6 , die Kinder an den höheren Schulen lernen, und zwar möglichst ohne es zu merken. Unsere Geschichte fängt mit den Griechen an, die Freiheit und Demokratie erfunden haben, denen wir die Ästhetik und den Universalismus verdanken. Wir sind die Erben der einzigen Zivilisation, die der Welt ‚den vollendeten und idealen Ausdruck der Freiheit‘ geschenkt hat. Deshalb muss unsere Geschichte mit den Griechen beginnen. Zu diesem ersten Dogma kam ein zweites, ebenso starkes hinzu: ‚Die Griechen sind anders.‘ Aber was denn sonst, wo sie doch am Beginn unserer Geschichte stehen? Zwei maßgebliche Glaubenssätze für eine Nationalmythologie, die traditionelle Humanisten ebenso gut versorgt wie nationalistische Historiker.“7
Und deshalb, schlussfolgert er, gebe man sich gern dem Glauben hin, dass im klassischen Athen nicht nur der Politiker und die Politik und mit ihnen die Demokratie eines Tages vom Himmel gefallen sind, sondern „dass uns eine göttlich lineare Geschichte wie selbstverständlich an der Hand führt und uns vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg über die Französische Revolution bis hin zu unseren westlichen Gesellschaften geleitet hat, die so fest überzeugt sind, dass ihre Mission in der Bekehrung aller Völker der Erde zur einzig wahren Religion der Demokratie bestehe.“
Eben diese Vorstellung von einem „außergewöhnlichen“ Europa, von einer Genealogie, die auf direktem Wege von der klassischen Antike über die Renaissance zum heutigen Europa führt, bringen inzwischen mehrere angelsächsische Werke ins Wanken.8
John M. Hobson zeigt in „The Eastern Origins of Western Civilisation“ (siehe Kasten), dass sich die Weltgeschichte nicht begreifen lässt, wenn man den Orient aus dem Blick verliert: „Erstens erlebte der Osten nach dem Jahr 500 einen eigenen Wirtschaftsaufschwung, mit dem er zweitens die Weltwirtschaft begründete und in der Folge auch in Gang hielt. Drittens – und das ist besonders wichtig – trug der Osten, indem er seine Techniken, Institutionen und Ideen nach Europa exportierte, erheblich zum Aufstieg des Westens bei.“
Wer weiß schon, dass die erste Industrielle Revolution im 11. Jahrhundert im China der Song-Dynastie begann? 1078 erzeugte das chinesische Reich bereits 125 000 Tonnen Eisen, während in Großbritannien siebenhundert Jahre später erst 76 000 Tonnen pro Jahr hergestellt werden konnten. Außerdem beherrschten die Chinesen fortschrittliche Techniken wie den Eisenguss. Anstelle von Holzkohle verwendeten sie schon Steinkohle und schonten so ihre Wälder. Zur selben Zeit revolutionierten sie ihr Transportwesen, die Energieversorgung (mit der Erfindung der Wassermühlen), das Steuersystem, den Handel und die Landwirtschaft.
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts blieb China „primus inter pares“ unter den Großmächten. Nach Ansicht mancher Autoren stand das Reich der Mitte damals im Zentrum der damaligen Weltwirtschaft, und auch Indien spielte eine wichtige Rolle. Viele chinesische Erfindungen wurden von Europa aufgegriffen und trugen so zum Aufschwung des modernen Kapitalismus bei. Ohne den Beitrag Chinas hätte die Industrielle Revolution in Großbritannien nicht stattgefunden. Ähnliches lässt sich über die Bedeutung der großen islamischen Reiche sagen.
Die eurozentristisch bornierten Historiker und Kulturwissenschaftler haben sich laut Hobson von Anfang auf zwei Sorten von Fragen kapriziert: „Was hatte der Westen, dass ihm der Durchbruch zur kapitalistischen Moderne gelang?“ und „Was hatte der Osten, dass er diesen Durchbruch nicht schaffte?“ Beide Fragen gingen stillschweigend davon aus, dass die Vorherrschaft des Westens unvermeidlich gewesen sei. Sie verleiteten dazu, die Vergangenheit gezielt nach Erklärungen für die westliche Vorherrschaft abzusuchen. „Der Aufstieg des Westens wird somit als etwas aufgefasst, das sich aus sich selbst und durch rein innereuropäische Faktoren erklärt“, was dazu führe, dass Orient und Okzident als zwei unterschiedliche Wesenheiten betrachtet würden, getrennt durch eine Chinesische Mauer der Kultur: unsere Barriere gegen den Einfall der Barbaren.
Die eigentliche Tradition der Aufklärung
Wer aber sind diese angeblichen Barbaren? Für den Ethnologen Claude Lévi-Strauss ist ein Barbar, wer an die Barbarei glaubt. Der französisch-bulgarische Philosoph Tzvetan Todorov hingegen meint: „Barbar ist, wer der Überzeugung anhängt, eine Population oder ein Individuum gehöre nicht voll und ganz der Menschheit an und könnte in einer Weise behandelt werden, wie er selbst es sich empört verbitten würde.“ In seinem jüngsten Buch, „La peur des barbares. Au-delà du choc des civilisations“, (Paris (Laffont) 2008) geht Todorov einer Frage nach, die ihn schon seit vielen Jahren umtreibt9 : „Es ist die Angst vor den Barbaren“, schreibt er in der Einleitung, „die uns selbst zu Barbaren zu machen droht. Und das Unheil, das wir dann anrichten, wird größer sein als der ursprüngliche Anlass unserer Furcht.“
„Wenn wir“, erklärt Todorov weiter, „mit ‚dem Barbaren‘ über einen Begriff mit absoluter Bedeutung verfügen, so gilt dies auch für dessen Gegenteil. Zivilisiert ist zu jeder Zeit und an jedem Ort derjenige, der das Menschliche des Anderen uneingeschränkt anzuerkennen vermag.“ Der Prozess verlaufe in zwei Phasen: Auf die Erkenntnis, dass Andere anders leben als wir, folge deren Akzeptanz als Träger desselben Menschseins, das wir für uns in Anspruch nehmen – was nicht bedeute, dass wir entweder alles Fremde einfach übernehmen oder aber in Relativismus verfallen müssten: eine komplexe Vorgehensweise, zu der sich nur wenige westliche Intellektuelle bereitfänden.
Nach Todorov bezog die reformfreudige, liberale Strömung, die sich im Namen der Universalität und des allen Menschen gleichermaßen geschuldeten Respekts gegen den Konservativismus starkmachte, über lange Zeit ihre Inspiration aus dem Geist der Aufklärung. Aber das ist heute anders: „Denn heute sind es die konservativen Anhänger eines vermeintlich überlegenen westlichen Denkens, die sich auf den Geist der Aufklärung berufen. Sie glauben, gegen den Anfang des 19. Jahrhunderts aus der romantischen Reaktion hervorgegangenen ‚Relativismus‘ zu kämpfen. Aber sie bezahlen einen hohen Preis dafür, nämlich die Loslösung von der eigentlichen Tradition der Aufklärung, die zwischen der Universalität der Werte und der Pluralität der Kulturen durchaus zu unterscheiden vermochte. Wir müssen die Klischees überwinden: Der wahre Geist der Aufklärung hatte nichts Dogmatisches an sich (meine Kultur muss der ganzen Welt aufgezwungen werden), und er lief auch nicht auf nihilistischen Relativismus hinaus (alle Kulturen sind gleichwertig). Den Geist der Aufklärung zu benutzen, um den Anderen herabzusetzen und ihn auf diese Weise zu unterwerfen oder zu vernichten, ist nichts anderes als ein Missbrauch der Aufklärung.“
Handelt es sich tatsächlich um Missbrauch, oder haben bestimmte der Aufklärung innewohnende Aspekte diese Fehlentwicklung vielleicht begünstigt? Laut Hobson ist es erst mit der Herausbildung einer europäischen Identität im 18. und 19. Jahrhundert möglich geworden, sich auf eine „Außergewöhnlichkeit“ zu berufen, die keine andere Zivilisation je für sich beansprucht habe. „Letztlich versuchten die Europäer die Welt nicht deshalb neu zu gestalten, weil sie es konnten (das wäre die materialistische Erklärung), sondern weil sie sich moralisch dazu verpflichtet glaubten. Ihr Handeln war in hohem Maße von ihrer Identität bestimmt, die den Imperialismus als ethisch vertretbar ansah.“ Eine solche Haltung würden inzwischen allerdings viele Europäer weit von sich weisen, ob aus Solidarität mit den Ländern des Südens oder in Erinnerung an die antikolonialen Befreiungskämpfer.
Aus dem Französischen von Barbara Schaden