11.06.2004

Fairplay mit falschem Bewusstsein

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Fairplay mit falschem Bewusstsein

AM 12. Juni beginnt eine Saison von Ereignissen, die die Herzen der Sportfans höher schlagen lassen: Fußball-Europameisterschaft, die Tour de France, die Olympischen Spiele. Selbst linke Intellektuelle verbergen ihre Begeisterung nicht. So transportieren sie einen verlogenen Pseudohumanismus, kapitalistische Demagogie und die Legitimität polizeistaatlicher Unterdrückung. Aber nicht nur.

Von J.-M. BROHM, M. PERELMAN u. P. VASSORT *

Mit einer zunehmenden Zahl von Wettbewerben setzte nach dem Zweiten Weltkrieg die Globalisierung des Sports ein, der auch als beliebte Freizeitaktivität eine immer größere Rolle zu spielen begann. Doch die Versportlichung der Gesellschaft bekam ihren entscheidenden Impuls schon weitaus früher: als sich Baron Pierre de Coubertin für eine Neuauflage der Olympischen Spiele engagierte, die schließlich zum ersten Mal 1896 in Athen stattfanden. Coubertin verfolgte ein pädagogisches Anliegen, sah er doch im sportlichen Wettkampf das ideale Übungsfeld für demokratisches Verhalten. In den folgenden Jahren wurden viele Sportarten internationalisiert, ihre Regeln weltweit vereinheitlicht. Sportliche Spiele mit lokaler Tradition verloren hingegen an Bedeutung.

Das sportliche Geschehen ordnete sich in seiner zeitlichen und räumlichen Dimension gewissermaßen neu. Die Abstände zwischen internationalen Meisterschaften, die den öffentlichen Kalender strukturieren, werden ständig kürzer, und die Räume, die der Sport erobert, immer weiter und vielfältiger. Wie in einer historischen Überlieferung werden die Berichte über Leistungen und Rekorde der Spitzensportler und über die Mythen und Legenden, die sich um das Leben der sportlichen – wie Götter verehrten – Champions ranken, festgehalten und in einer Flut von Bildern für die Nachwelt konserviert.

Die auf den Bildschirm reduzierte Öffentlichkeit ist schon so sehr durch sportliche Verhaltenskodizes konditioniert, dass auch die Politik als eine Art sportliche Veranstaltung wahrgenommen wird. Der ansteckende Sportbazillus – auf Italienisch heißen Sportbegeisterte daher auch tifosi – ist so hartnäckig, dass jeder zum „Fan“ werden kann. Das Bedürfnis nach Sport ist schon fast zu einem Grundbedürfnis geworden. Eine große Sportveranstaltung ist praktisch der einzige Ort und Moment von Gemeinsamkeit für die vereinsamten Massen, die hier ihre Leidenschaft für eine Nebensächlichkeit ausleben können, sei es der Ball im Tor, der Sieg beim 100-Meter-Rennen oder das entscheidende Ass in einem Tennismatch.

Während im Stadion ein reales Geschehen zu beobachten ist, beruht die Faszination des Zuschauers bei der weltweiten Fernsehübertragung auf der ihr eigentümlichen Darstellungsweise, das Unmittelbare mit Zeitlupensequenzen zu kombinieren, die das Geschehene unter allen erdenklichen Blickwinkeln endlos reproduzieren. Die komplexe geschichtliche Zeit wird in ihrer dialektischen Fluidität1 durch die Zeit des Sports ersetzt, die den Lauf der Geschichte im Rhythmus der Wettkämpfe, Rekorde und Fernsehübertragungen skandiert. Der „real existierende“ Sport wird zur ununterbrochenen Abfolge von Wettbewerben nach einem universellen Kalender. Damit ist er unter eine autonome raum-zeitliche Ordnung subsumiert, die den Gesetzen des Kapitals unterliegt, das den Sport gemäß seiner Auffassung von Zeit und Raum prägt und ins Bild setzt.

Als neue Stars der Globalisierung haben die Spitzensportler ihren Kollegen von Film und Showbusiness den Rang abgelaufen. Sie sind zu Rollenvorbildern geworden. Mittels Globalisierung wird das Image solcher Weltstars des uniformierten Sports genau so verbreitet wie das Image ihrer Schuhmarken. Abgesehen von ihrem vereinheitlichten Lebensstil absolvieren die Sportstars alle ein intensives Trainingspensum und nehmen die gleichen Dopingmittel. Als Mitglieder eines Fußballteams oder eines Rennstalls, die von mächtigen Finanziers kontrolliert werden, verbringen sie ihre Zeit damit, um den Globus zu reisen – von Turnier zu Turnier.

Die permanente Globalisierung über das Medium Fernsehen verwandelt die Begeisterung am Sport in eine Bildsucht, die „Ikonomanie“, um der unerträglichen Einmaligkeit der Ereignisse scheinbar zu entrinnen.2 Über die Dauerberieselung durch TV-Sportübertragungen werden nicht nur die neuen Ikonen des Sports zelebriert. Vor allem wird dabei das Bewusstsein der Menschen mit einer bestimmten Weltanschauung infiltriert: Alles ist Sport, alles Wettbewerb.

In einem Brief an Franz Mehring schrieb Friedrich Engels: „Die Ideologie ist ein Prozess, der zwar mit Bewusstsein vom so genannten Denker vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewusstsein. Die eigentlichen Triebkräfte, die ihn bewegen, bleiben ihm unbekannt; sonst wäre es eben kein ideologischer Prozess. Er imaginiert sich also falsche resp. scheinbare Triebkräfte.“3 So inszeniert die Sportideologie das imaginäre Wirken imaginärer Größen – etwa die olympische Idee oder das Prinzip des Fairplay oder den Sportsgeist – und verkennt, verdreht oder verdrängt die wirklichen Triebkräfte des professionalisierten Sportbetriebs.

Das falsche Bewusstsein resultiert zuallererst aus der Verleugnung des ideologischen Charakters des Spitzensports im Medienzeitalter, der politischen Verdrängung seines politischen Charakters. Was die in der narzisstisch-megalomanischen Traumwelt lebenden Sportler und deren Manager eher naiv behaupten, wird von manchen Intellektuellen absichtsvoll getan: Sie imaginieren den Sport als Gegengesellschaft friedlichen Wettstreits jenseits aller ideologischen Widersprüche, politischen Orientierungen und religiösen Überzeugungen. Sport wird als eine prinzipiell neutrale, apolitische Sache dargestellt, die mit Klassenkampf nichts zu tun habe, die weder links noch rechts verortet werden könne und über alle sozialen Konflikte erhaben sei.

Diese Verharmlosung zeigt sich in zwei Varianten. Die erste ist bei sämtlichen Strömungen der Linken populär. Sie äußert sich in der hartnäckig verbreiteten Behauptung, der Sport könne in allen politischen Farben bis hin zu Dunkelrot changieren. So könne er etwa – „fortschrittlich“ organisiert – die Emanzipation befördern, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen, den Zusammenhalt der Gesellschaft festigen und einen Beitrag zur „Kultur“ leisten. Glaubt man dieser Version, so gibt es so etwas wie einen „wahren“, einen Sport mit menschlichem Antlitz, eine Art Essenz oder platonische Idee des Sports, die sich von den bedauerlichen Exzessen, Missbräuchen, Entstellungen und Fehlentwicklungen des real existierenden Sports vorteilhaft abhebe. Wobei freilich die ziemlich schmutzige Realität – sprich die Kommerzialisierung, die Dopingaffären, die arrangierten Ergebnisse und andere Arten von Korruption – eben doch unübersehbar ist.

Die zweite Variante der Ideologie von der „politischen Neutralität“ des Sports ist noch verbreiteter. In dem ekstatischen Jubel, den der Sieg eines Nationalteams auslöst, glauben diese Sportfans die Manifestation einer nationalen Wiederbelebung zu erkennen. Die Spitzensportler werden zur angeblichen Avantgarde einer zur Selbstversöhnung findenden Gesellschaft.

So hat etwa der Sieg des französischen Black-blanc-beur-Teams bei der Weltmeisterschaft 1998 zu manch dümmlichen Kommentaren verführt. Didier Deschamps, der Kapitän der „Blauen“, behauptete damals allen Ernstes: „Der Fußball ist eine Kraft, die über soziale, politische und Herkunftsdifferenzen hinweghilft.“4 Trainer Aimé Jacquet fabulierte aus gleichem Anlass: „Frankreich hat sich in dieser multiethnischen Mannschaft wiedererkannt. Dass diese jungen, in Frankreich geborenen Menschen, die voller Lebensfreude und Ehrgeiz sind, so viele Leute glücklich gemacht haben, ist für unser Land eine sehr positive Sache. Ich denke, daraus könnte neuer Schwung für die nationale Einheit entstehen.“5

Die olympische Idee in kapitalistischen Diensten

DER Leitartikler der kommunistischen L’Humanité strickte gar an der Metapher von der „Jahrhundertlegende“: „Die blauen Idole haben sich in der glanzvollen Geschichte des Fußballs verewigt.“6 Da verwundert es auch nicht mehr, wenn Starfußballer Zinedine Zidane zum „beliebtesten Franzosen der Franzosen“ gewählt wurde und die völlig dem Sportwahn Verfallenen sogar schon die Parole „Zidane soll Präsident werden“ erfanden.

Freilich konnte sich diese Demagogie, die keine Parteien mehr kennen mag, nicht lange gegen die Realität behaupten. Weder der „Fußball im Kiez“ noch „Streetball“, weder die Initiativen für den „Volkssport“ noch von „Sport für alle“ konnten die Auflösung des sozialen Zusammenhalts in den „Problemvierteln“ bremsen. Sportveranstaltungen sind keineswegs ein Mittel, Gemeinsamkeit und Eintracht zu stiften, vielmehr führen sie zu schlimmen Gewaltausbrüchen. Sie sind Ausdruck einer Mentalität, bei der es um den Sieg um jeden Preis geht. Im Übrigen spiegelt sich im Dschungel der sportlichen Institutionen nur wider, was sich auch auf dem globalisierten Markt beobachten lässt.

Diese zweite Variante ideologischer Überhöhung des Sports – als nationaler Integrationsmechanismus – ist Ausdruck einer gleichsam schizophrenen Spaltung zwischen dem offiziellen Diskurs – den die Produzenten des guten Sportgewissens auf ihre Weise befördern7 – und den tristen Gegebenheiten des „Milieus“: den immer häufigeren und schlimmeren Ausschreitungen in und vor den Sportarenen, den ständigen Korruptionsskandalen in einem mafiösen Milieu, der allgemeinen Kommerzialisierung der sportlichen „Werte“ bis hin zum massivsten Doping auf allen Ebenen.

Bei genauerem Hinsehen erweist sich diese schizophrene Spaltung sogar noch als eine doppelte. Zum einen wird die Institution Sport als unabhängig von der kapitalistischen Gesamtgesellschaft imaginiert. Ausgerechnet der Sport soll in unserer vom Profitinteresse zerfressenen Gesellschaft seiner eigenen Logik folgen und im Schutz seiner „Werte“ ein „reines“ Inseldasein führen. Zum anderen wird unterstellt, beim Sport lasse sich sein „gutes“ Wesen auf der einen Seite von einer „schlechten“ Umsetzung auf der anderen Seite, also von „Fehlentwicklungen“ und „Entstellungen“ unterscheiden. Nach dieser Lesart gilt Doping als bedauerliche Randerscheinung, die zwar den Sport vom rechten Weg seiner Ethik abbringe, aber doch auf wenige Sportarten und dort auf wenige Schummler begrenzt sei.

Die letzten fünfzehn Jahre haben indes gezeigt, dass das Doping den Sport als eine bereits im Kern degenerierte Angelegenheit enthüllt. Wir haben es hier mit einem unaufhaltsamen Marsch in die biochemische Manipulation zu tun, mit einer „Anthropomaximologie“, wie es die sowjetischen Theoretiker einst nannten, einem totalitären Projekt also, das den Menschen letztlich in einen Cyberanthropen, ein bionisches Wesen neuen Typs verwandeln will. Durch Untersuchungsausschüsse, Gerichtsverfahren und Enthüllungen sind unzählige Dopingfälle bekannt geworden, im Radsport ebenso wie in der Leichtathletik, im Fußball wie im Schwimmsport und davor bereits im Gewichtheben, im Skilanglauf und im Rudersport. Das führte in praktisch allen Disziplinen zur Einführung von strengeren Dopingkontrollen. Geändert hat sich dadurch nichts. Es gibt kaum eine Sportart, die nicht ihre „Fälle“ vorzuweisen hätte, zuletzt hat es auch Disziplinen wie Rugby, Baseball und Tennis getroffen.

All diese Affären führen immer wieder zu der entscheidenden Frage, unter welchen medizinischen Rahmenbedingungen die heutigen Höchstleistungen erbracht werden. Härteres Training, häufigere Wettkämpfe, höhere Leistungsanforderungen, wachsender Mediendruck – verstärkt durch die exorbitanten Geldsummen, die jedes Mal auf dem Spiel stehen – weisen alle in dieselbe Richtung: Aus dem einstigen Doping-Handwerk ist längst eine multinationale Industrie geworden.8

Während die Liste der positiven Testergebnisse auf allen Wettbewerbsebenen immer länger wird, tun die Verantwortlichen immer so, als würden sie den Ernst der Lage gerade erst entdecken. Nach jeder Tour de France verspricht der Radsport Besserung – bis zur nächsten Affäre. Wenn sich bekannte Sportler mit den verbotenen Substanzen aufputschen, wie etwa der kubanische Hochspringer Sotomayor, die britischen Sprinter Christie und Chambers oder der österreichische Skiläufer Schönfelder, kann man sie als bloße „Einzelfälle“ abtun. Doch sie bilden nur die Spitze des Eisbergs. Die anderen stehen vor der Alternative, sich entweder einzugestehen, dass an leistungssteigernden „Nahrungszusatzstoffen“ kein Weg vorbeiführt, oder aber darauf zu verzichten, mit den Koryphäen mitzuhalten.

Man spricht nicht darüber, dass zahlreiche Sportler in der Blüte ihrer Jugend ihr Leben lassen, eines „natürlichen Todes“9 sterben oder wie Pantani, Maradona und viele andere drogensüchtig sind. Während die Welt-Antidoping-Agentur sich in Scheinaktivitäten übt, erweisen sich die Antidopinggesetze einiger Länder als weitgehend nutzlos und die Sportverbände als viel zu nachlässig, wenn sie nicht sogar die zu erwartenden Opfer billigend in Kauf nehmen.

Genau so, wie das „kommunistische Ideal“ seine Anhänger lange Zeit daran hinderte, die schreienden Verbrechen des real existierenden Sozialismus anzuerkennen, und sie gegen ihre eigene Verblendung blind machte, genau so tragen das „Ideal des Fairplay“ oder die „olympische Idee“ dazu bei, die realen Bedingungen des Hochleistungssports auszublenden. Und genau so wie es einmal hieß, man dürfe den Arbeitern bei Renault-Billancourt, denen die Entlassung bevorstand, nicht „die Hoffnung nehmen“, genau so wird heute davor gewarnt, die vielen Athleten zu entmutigen, die dem Doping zum Opfer zu fallen drohen. The show must go on.

Und dann gibt es noch einen dritten ideologischen Diskurs, der die sportliche Weltanschauung als Ensemble von Leistungsanforderungen auf die Gesellschaft überträgt.10 Der Glaube an den Sport soll vor allem die Reinheit des athletischen Dogmas, den unbefleckten Charakter des olympischen Mythos bewahren helfen. Unter Verweis auf die „sportliche Idee“ empfehlen eine Reihe von Ideologen, die im sportlichen Milieu angeblich noch immer lebendigen Werte gesellschaftlich zu reaktivieren. Abgesehen davon, dass die „Zweckfreiheit“ des Sports stets nur ein idealistischer Mythos war, stellt sich der sportliche Wettbewerb gerade im Namen dieser vermeintlichen Zweckfreiheit in den Dienst wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Interessen.

Diese Ideologie sucht unter gleichsam mystischer Berufung auf die „ewigen Werte des Sports“ den Abgrund aufzufüllen, der die Wirklichkeit des kapitalistischen Sportspektakels vom Himmel der sportlichen Idee trennt. Nach Art eines kategorischen Imperativs setzt sie alles daran, die wenig glanzvollen Usancen im Leistungssport nach dem angebeteten Ideal auszurichten, als dessen Hohepriester sich Coubertin gerierte. Die in allen Tonlagen psalmodierten Glaubensartikel des sportlichen Katechismus – Fairplay, Achtung des Gegners, olympischer Friede, Völkerfreundschaft, Fest der Jugend – werden zu falschen Assoziationen missbraucht, die Sport mit Kultur in Verbindung bringen, mit Frieden, Demokratie, Umweltschutz, der Emanzipation der Völker und der Frauen.

Bisweilen ist die sportliche Ideologie sogar so verstiegen, ihr Ideal mit dessen absoluter Negation zu verknüpfen. Die „Freiheit zum Spiel“, die bei der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien 1978 abgefeiert wurde, war in erster Linie ein Propaganda-Unternehmen der faschistischen Junta um Jorge Rafael Videla; doch vom Internationalen Fußballverband (Fifa) wurde sie genauso abgesegnet wie von allen anderen Anhängern des Fait accompli.

Selbst die Hakenkreuzspiele in Berlin 1936, die stalinistischen Spiele in Moskau 1980 und die Polizeistaatsspiele in Seoul 1988 beriefen sich auf das „olympische Ideal“. Und nicht anders wird es auch bei den diesjährigen Spielen in Athen sein, denn auch hier kommt es zu einem „friedlichen“ Treffen von „Verbrecherstaaten“, Bananenrepubliken und Polizeistaatsregimen.

Von Athen – der antiken Wiege von Philosophie und Demokratie – wird das olympische Feuer nach Peking weitergereicht, einem finsteren Symbol des orientalischen Despotismus. Dann werden die Meistersinger des Sports wieder peinlich berührt die Augen verschließen vor den massiven Menschenrechtsverletzungen in China, damit auch dem Erfolg der Olympischen Spiele 2008 nichts im Wege steht. Man wird also die Arbeitslager und die staatlichen Lügen vergessen, die Besetzung Tibets und die blutige Unterdrückung der Tienanmen-Demonstration, die öffentlichen Hinrichtungen und die Übergriffe der politischen Polizei, die Drohungen an die Adresse Taiwans und die „Normalisierung“, die Hongkong von Peking verordnet wird. Ein weiteres Mal werden die Olympischen Spiele einem totalitären Regime zum Vorwand groß angelegter Propaganda dienen, wird die sportliche Phraseologie mit ihrem falschen Humanismus das politische Marketing der chinesischen Bürokratie bestimmen. Und abermals wird die „Zweckfreiheit“ des Sports wie gehabt das illegitime Gewaltmonopol einer Tyrannei legitimieren.

deutsch von Bodo Schulze

* Jean-Marie Brohm ist Professor für Soziologie an der Universität Montpellier III, Marc Perelman Professor für Informations- und Kommunikationswissenschaften in Paris X-Nanterre, Patrick Vassort Assistent am Fachbereich Wissenschaft und Technik körperlicher und sportlicher Aktivitäten an der Universität Caen.

Fußnoten: 1 Walter Benjamin, „Über den Begriff der Geschichte“, Ein Lesebuch, Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1996. 2 Günther Anders, „Die Antiquiertheit des Menschen“, München (C.H. Beck) 1985. 3 Friederich Engels, „Brief an Franz Mehring vom 14. Juli 1893“, MEW 39, S. 97. 4 Le Monde, 14. Juli 1998. 5 Le Monde, 18. Juli 1998. 6 Claude Canabes, L’Humanité, 13. Juli 1998. 7 Zur Kritik der „Humanisten des Sports“ siehe: Jean-Marie Brohm und Marc Perelman, „Le Football, une peste émotionnelle“; Marc Perelman, „Les Intellectuels et le football“; Patrick Vassort, „Football et politique“; alle drei Bücher erschienen 2002 im Pariser Verlag Editions de la Passion. 8 „L’industrie florissante du dopage“, Capital 118, Juli 2001. 9 Zahlreiche Hochleistungssportler sind in den vergangenen Monaten plötzlich verstorben. Nach der Autopsie wurde in allen Fällen behauptet, sie seien eines „natürlichen Tods“ gestorben. Diese Erklärung hat Professor Jean-Paul Escande, ehemaliger Präsident der nationalen Antidopingkommission, als „unerträglich“ bezeichnet. (Le Monde, 2. März 2004). 10 John Langshaw Austin, „How to do things with words“, Cambridge (Harvard University Press) 1962; John Rogers Searle, „Speech Acts: An Essay in the Philosophy of Language“, Cambridge University Press 1970.

Le Monde diplomatique vom 11.06.2004, von J.-M. BROHM und M. PERELMAN / P. VASSORT