15.08.2003

Marktchancen für harte Jungs

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Marktchancen für harte Jungs

ANFANG April hat die französische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das alle Arten von Söldnertum unter Strafe stellt. Aber so einfach ist die Sache mit der Unterscheidung zwischen der offiziellen Armee und den „illegitimen Söhnen der Geheimdienste“, wie sich die Söldner selbst manchmal bezeichnen, gar nicht. Denn das Kapital eines jeden Söldners sind gerade seine verdeckten Verbindungen, nicht selten seine Loyalität gegenüber den offiziellen Auftraggebern.

Wenn man Jack(1) nach dem Verhältnis zwischen Geheimdiensten und Söldnern fragt, antwortet er lakonisch: „Das ist wie der Adelige im Umgang mit seinem unehelichen Sohn.“ Jack ist eine bekannte Figur im Söldnermilieu von Paris, ein selbstbewusster Dreißigjähriger. Seit etwa zehn Jahren, meint Jack, zeigten die adligen Väter immer weniger Neigung, sich zu ihren „natürlichen Söhnen“ zu bekennen. Die Söldner seien einfach zu ungebärdig geworden, und die um ihr Ansehen besorgten Geheimdienste beteuerten, zumal in den feineren Kreisen, sie hätten die väterlichen Bande gekappt – was allerdings nicht sehr überzeugend klingt. „Wir sind in Ungnade gefallen“, erklärt Yves, ein anderer Söldner aus dem Pariser Milieu.

Jack und Yves sind beide erfahrene Kämpfer. Sie waren an den Kriegen in Bosnien, in Zaire (bzw. später im Kongo) und in Elfenbeinküste beteiligt. Sie gehören zur Generation der heute Dreißigjährigen, die einerseits als gefährliche Idealisten, andererseits als Profiteure verschrien sind. Ihre ersten Kampferfahrungen haben sie in Birma an der Seite der christlichen Minderheit der Karen und in Bosnien an der Seite der Kroaten gemacht.

In Paris gibt es etwa 80 bis 100 professionelle Söldner, die regelmäßig Aufträge erhalten – überwiegend Franzosen, aber auch einige Ausländer. Hinzu kommt eine variierende Anzahl selbst ernannter Kämpfer. „Mythomanen gibt es immer wieder in unserem Geschäft“, meint der ebenfalls einschlägige Stéphane. Die Motive dieser Leute unterscheiden sich kaum von denen ihrer Vorläufer: die Lust am Abenteuer und dem Leben in der Gemeinschaft, bisweilen kommt auch eine Portion politische Überzeugung hinzu.

Wo für das Abendland oder für die Monarchie gekämpft wird, sind die Anhänger der extremen Rechten – in all ihren Schattierungen – am stärksten präsent, darunter auch der Front National. „Insofern setzt man sich nicht für Sachen ein, die einem gegen den Strich gehen“, erläutert Jack. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: Jerôme zum Beispiel, der außer dem Wehrdienst in der französischen Armee keine militärische Ausbildung mitbekommen hat, war zwei Jahre lang in der „Revolutionären Kommunistischen Jugend“ aktiv.

Man verdient zwar nicht schlecht als Söldner, aber das Geld ist anscheinend nicht mehr so entscheidend wie früher. 4 500 bis 7 500 Euro im Monat sind sicher noch immer verlockend – aber „in Frankreich wird einer besser bezahlt, wenn er zum Beispiel als Funktionär einen sozialen Konflikt entschärft – und das bei null Risiko –, als wenn er an einem bewaffneten Konflikt im Ausland teilnimmt“, meint Jack.

Zwischen ihren Einsätzen arbeiten die Söldner oft als Wachleute für private Sicherheitsunternehmen, in Frankreich oder auch anderswo. Auch das sind meist gut bezahlte Jobs. Zu den Großverdienern in der Szene gehört zum Beispiel der ehemalige Gendarm Paul Barril, der früher zum Wachpersonal des Elysée-Palasts gehörte. Mit dieser Vergangenheit und den entsprechenden Kontakten kann man in Afrika alle möglichen einträglichen Geschäfte machen, indem man etwa mit Massenkonsumwaren und Waffen handelt oder auch neue Kämpfer rekrutiert.

Letztlich bleibt unklar, was genau unter „Söldnermilieu“ zu verstehen ist. Charles, ein Kenner der Szene, geht davon aus, dass ein spezifisches Beziehungsgeflecht das ansonsten unübersichtliche Milieu strukturiert: Freundschaftscliquen, die sich um zwielichtige Figuren wie „Marquez“, „Sanchez“ oder „Garibaldi“ gruppieren.

Im Frankreich der 1960er- und 1970er-Jahre war Robert „Bob“ Denard, auch „der Alte“ genannt, die bekannteste Figur der Söldnerszene, für deren Zusammenhalt er ein wichtiger Faktor war.(2) Diese Figur hat nie einen Nachfolger gefunden. Nur wenige Männer aus dem Milieu haben heute die Qualitäten, die für einen Großmeister des Söldnerwesens unabdingbar sind: militärische Ausbildung, Kampferfahrung, Fähigkeiten als Ausbilder, Organisationstalent und gute Kontakte.

Vor vierzig Jahren, am Ende des Algerienkriegs, war der Anteil von ehemaligen Offizieren unter den Söldnern höher als heute. „Derzeit wäre kein französischer Söldner in der Lage, eine Kompanie zu führen“, befindet Yves. Einen Zug kommandieren, das würde er gerade noch fertig bringen. Doch außerhalb Frankreichs warten genügend einfachere Aufgaben – zum Beispiel der Aufbau einer Präsidentengarde.

Am 3. April 2003 verbot das französische Parlament per Gesetz die Ausübung und Organisation von Söldnertätigkeit.(3) Dadurch bröckelt die Söldnerelite noch weiter – die Führungsfiguren im Milieu werden sich genau überlegen, ob sie Aufträge annehmen, die als strafbare Handlungen gelten.

Ihre wichtigste Aufgabe sehen die Söldner in Frankreich in der Rekrutierung und Ausbildung von Kämpfern. Sie können sich dabei „auf ein Know-how verlassen, um das sie viele Mitglieder der regulären Armee beneiden dürften“, meint ein Kenner der Szene. Entscheidend sind ihre Spezialkenntnisse, etwa auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung und Informationsbeschaffung, aber auch, dass sie wissen, wie man einen Hubschrauber fliegt, Artilleriegeschütze bedient oder Kommandoaktionen durchführt.

„Seit nunmehr dreißig bis vierzig Jahren bilden die Armeen des Westens und die Söldner die afrikanischen Armeen aus“, meint François-Xavier Sidos, ein ehemaliger Kampfgefährte von Bob Denard und Autor eines Buches über die Geschichte der Söldner(4). „Aber bis heute haben diese Soldaten gerade mal den Parademarsch und das Schießen gelernt.“ Dabei verweist Jérôme auf die Tatsache, dass sich die französischen Söldner insbesondere durch ihr „handwerkliches“ Können und ihre Kenntnis der frankophonen Länder Afrikas auszeichnen, während die Angelsachsen sich in Sachen „Kriegsindustrie“ besser verkaufen.(5)

Wenn die reguläre Armee zu langweilig wird

AUSSERDEM finden sich die französischen Söldner in schwierigen Situationen gut zurecht, meint Jérôme. Weil sie aus einer Armee kommen, deren Logistik und Ausrüstung nie so perfekt waren wie die der US-Amerikaner, „können sie viel besser improvisieren“. Seit mehr als zehn Jahren zieht Frankreich seine Truppen aus Afrika ab – das hat die Nachfrage nach militärischen Dienstleistungen wieder angekurbelt. Der junge Politikwissenschaftler Jean-Philippe Daniel kommt deshalb zu dem Schluss, dass in „der militärtechnischen Beratung inzwischen ein privater Markt“ entstanden ist, „der vom Zerfall der Staaten lebt“.(6)

Militärgeschichtlich betrachtet, haben die französischen Söldnertruppen ihren Ursprung in Spezialeinheiten der regulären Armee, verdeckte Beziehungen bestehen auch zum Geheimdienst. Die Söldner rekrutierten sich vor allem aus den Fallschirmjäger-Einheiten, den Marineinfanteristen (die in den ehemaligen Kolonien eingesetzt wurden) und der Fremdenlegion. Diese Leute haben meist im Alter zwischen zwanzig und dreißig den Dienst quittiert, der ihnen zu bürokratisch war und keine Chance bot, sich bei operativen Einsätzen von kleineren Kommandoeinheiten zu bewähren. „In der Armee hätte ich bestenfalls Feldwebel werden können“, erklärt Jérôme. So oder ähnlich sehen es alle Söldner.

Überdies haben sich inzwischen viele Reservisten der Streitkräfte oder „echte“ Söldner in der Grauzone zwischen den öffentlichen und privaten Militäreinsätzen profitabel eingerichtet. „In der Branche gibt es immer was zu tun“, erklärt ein Oberst, der früher beim französischen Auslandsgeheimdienst (DGSE) tätig war. Er gehört damit zu jener Fraktion von Söldnern, die immer noch gute Kontakte zu ihren früheren Kollegen im Staatsdienst haben und dies zu nutzen wissen. Das sei einer der Gründe für die Verabschiedung des Gesetzes vom 3. April gewesen, meint ein hochrangiger Mitarbeiter des früheren Verteidigungsministers: „Man kann nie wissen, ob jemand nicht zum Geheimdienst irgendeines Landes gehört […]. Und gerade die Söldner pflegen ihre persönlichen Beziehungen zum Geheimdienst DGSE und zu den Afrika-Experten im Beraterstab des Elysée. Das beeindruckt ihre ‘Kunden‘ – aber es schadet dem Image Frankreichs.“

Ein Beispiel ist der frühere Generalstabschef der Streitkräfte, Jeannou Lacaze. Er gehörte einst dem französischen Auslandsgeheimdienst Sdece an, der 1982 durch den DGSE abgelöst wurde. Und er hatte gute Beziehungen zu Bob Denard. Aus afrikanischer Sicht „steht Jeannou Lacaze selbstverständlich für ganz Frankreich“, meint Jean-Philippe Daniel.

Die Umwandlung des französischen Militärs in eine Berufsarmee hat solche Tendenzen noch verstärkt. Die Führungspositionen wurden knapp, die Dienstzeit kürzer und straffer, es gab kaum noch Kampfeinsätze – also wuchs die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere, die sich als Söldner versuchen wollten.

Für den französischen Staat hat der Einsatz von „privaten“ Streitkräften – den Begriff „Söldner“ hält man inzwischen für unzeitgemäß – zwei wichtige Vorteile: Die Operationen unterliegen keiner demokratischen Kontrolle, können also auch keinen öffentlichen Anstoß erregen. „Söldner kann man nach dem Wegwerfprinzip benutzen, sie hinterlassen keine Spuren“, meint ein Kenner der Szene. „Und Wähler zu verlieren ist schlimmer, als Söldner zu verlieren“, erklärt ein anderer völlig ungerührt, einer der Bescheid weiß, weil er bis zu seiner Pensionierung eine führende Position beim DGSE innehatte. Und außerdem „muss die Armee den Söldnern keine Pension zahlen“, meint einer, der noch im Geschäft ist. Hätte man damals die Aufbringung des Greenpeace-Schiffes „Rainbow Warrior“ einer Söldnertruppe übertragen, hätte man die politische Krise viel leichter aussteuern können.

So kann der Staat seine „Freibeuter“, mit denen er offiziell nichts zu tun hat, für eine Art „Stellvertreterpolitik“ benutzen. Alle Präsidenten der 5. Republik haben Söldnereinsätze zugelassen oder sogar veranlasst: de Gaulle und später Pompidou die Aktionen in Katanga und Biafra, Giscard d‘Estaing die Operationen auf den Komoren und in Benin, Mitterrand schließlich die Einsätze im Tschad und in Gabun. Auch Präsident Jacques Chirac hat diese Politik fortgeführt: in Zaire (1997), in Kongo-Brazzaville (1997–1998 und 2000), in der Elfenbeinküste (2000 und 2002). Die Dementis seitens der verantwortlichen Politiker seien „nie glaubhaft gewesen“, meint ein früherer Mitarbeiter des Auslandsgeheimdiensts.

Zuweilen werden Söldner auch zum inoffiziellen Instrument staatlicher Politik. Das Schema ist immer dasselbe, ein ehemaliger Geheimdienstmann bringt es auf die Formel: erst Militärhilfe, dann Söldner, dann reguläre Truppen. Nach dem Muster lief es auch in der Elfenbeinküste nach dem Staatsstreich vom 19. September 2002 ab. Der französische Außenminister Dominique de Villepin forderte den ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo auf, seine Söldnertruppen zurückzuziehen – dann rückten französische Einheiten ein, um den Waffenstillstand zu überwachen. Für Frankreich wäre es ein Problem gewesen, offen zugunsten eines wenig frankophilen Regimes einzugreifen, das sich überdies nicht gerade durch die Achtung der Menschenrechte auszeichnet, wie man etwa am Einsatz seiner „Todesschwadronen“ sehen kann. Das Engagement Frankreichs hatte den Vorteil, dass die Söldner abgelöst wurden, nachdem in den Medien über deren überzogene Geldforderungen ausführlich berichtet worden war.

In Zaire, Ende 1996 bis Anfang 1997, führte Frankreich vor, wie ein auch nur minimaler Söldnereinsatz ein politisches Signal setzen kann. Damals erhielten dreißig Franzosen den Auftrag, die Armee von Joseph Mobutu zu reorganisieren, die durch die von Ruanda und Uganda finanzierten Truppen des Rebellen Laurent-Désiré Kabila aufgerieben worden war. Dieser Neuaufbau erfolgte unter deprimierenden Bedingungen: Die zairischen Soldaten waren demoralisiert, die Ausrüstung schlecht, hinzu kamen Konflikte zwischen serbischen und französischen Söldnern und die Rivalität zwischen zwei französischen Geheimdiensten. Mit der Entsendung von „privaten“ Militärberatern bekundete Paris dann ein letztes Mal seine Sympathie mit einem Regime, das allerdings bereits zum Untergang verurteilt war.

Wenn kahl rasierte Typen die Touristen mimen

WIE die diskrete Arbeitsteilung zwischen dem Staat und den „Privaten“ funktioniert, wird auch daran deutlich, dass die offizielle Politik in der Regel nichts gegen die von Söldnern durchgeführten „Staatsstreiche“ hat. Ein Beispiel dafür ist die Operation, die der damals schon etwas in die Jahre gekommene Bob Denard am 28. September 1995 auf den Komoren unternahm, um den unberechenbaren Diktator Saïd Mohammed Djohar abzusetzen. Der Putsch von Denard wurde zwar eine Woche später durch die Intervention französischer Truppen niedergeschlagen, doch Djohar kehrte danach nie mehr an die Macht zurück.

Bei Bedarf kann die Entsendung von Söldnern auch als „Nebelwerfer“ dienen, erläutert Stéphane: „Wenn an irgendeinem gottverlassenen Ort plötzlich ein Dutzend breitschultrige Typen mit kahl rasiertem Schädel und Tätowierungen vom Scheitel bis zur Sohle auftauchen und die Touristen mimen, dann muss das natürlich auffallen.“ Und es kann die Weltöffentlichkeit von anderen Schauplätzen ablenken, die womöglich weitaus interessanter sind. Diesem Ziel könnte zum Beispiel der äußerst spektakuläre Söldnereinsatz auf Madagaskar vom 18. Juni 2002 gedient haben.(7) Aber sicher weiß man das bis heute nicht. Vielleicht war es auch eine Aktion, die ein paar Glücksritter aus der Söldnerszene auf eigene Faust unternommen haben. Vielleicht hat sie aber auch, worauf einiges hindeutet, der frühere madagassische Staatspräsidenten Didier Ratsiraka höchstpersönlich angeordnet.

Den Geheimdiensten geht es vor allem darum, die Kontrolle zu behalten. „Nur ein Söldner, den man im Griff behält, ist ein guter Söldner“, erklärt ein ehemaliger Offizier des Auslandsgeheimdiensts. Im Amt für den Schutz und die Sicherheit der Landesverteidigung (DPSD), dem früheren militärischen Geheimdienst, gibt es für die Überwachung sämtlicher Söldneraktivitäten eine eigene Abteilung. Deren Aufgabe wird offenbar zunehmend schwieriger. „Zur Zeit der Einsätze im Tschad gab es noch Söldner, auf die man sich verlassen konnte“, meint ein pensionierter Experte des Verteidigungsministeriums. „Das waren Profis – heute sind manche einfach nicht mehr zu kontrollieren.“

Ähnliche Töne hört man auch aus Söldnerkreisen: „Zu viele Idioten mischen in diesem Geschäft mit“, sagt Jack. „Das sind Leute, die einen oder zwei Einsätze durchziehen und dann überall mit ihren Geschichten hausieren gehen. Mit solchen unberechenbaren Typen will der Staat natürlich nichts zu tun haben.“

Diese Entwicklung hat verschiedene Ursachen. Die Ausweitung des Söldnermilieus hat zur Auflösung der traditionellen Strukturen geführt. Gleichzeitig wird es für den Staat aus politischen wie moralischen Gründen immer schwieriger, auf solche privaten Verbände zurückzugreifen. Ein dritter Grund sind die Konflikte zwischen verschiedenen staatlichen Entscheidungszentren wie auch Zwistigkeiten zwischen konkurrierenden Geheimdiensten.

Letztlich ist es eine Frage der persönlichen Einstellung, ob ein Söldner sich gegenüber einem Staat oder einem Geheimdienst loyal verhält. Manche Kämpfer würden „niemals etwas unternehmen, ohne sich mit ihrem Geheimdienst abzustimmen“, sagt ein Reservist der Sondereinsatztruppe „11e choc“. Diese Einheit, die angeblich keiner staatlichen Instanz verantwortlich ist, gilt als der „bewaffnete Arm“ der DGSE. Stéphane aus der Söldnerszene dagegen kennt auch andere Kollegen, „denen ist alles zuzutrauen“. Yves stimmt zu: „Bei mehr als zehn Leuten ist die Geheimhaltung einer Operation nicht mehr gesichert.“ Neben den regelmäßigen Einkünften garantieren gute Beziehungen zu einem Geheimdienst aber auch, dass die Söldner sich nicht in unkalkulierbare Einsätze verstricken lassen. Bei bestimmten Spezialaufträgen „geht ohne die Geheimdienstleute überhaupt nichts“, versichert Stéphane.

Allerdings sollte man jeweils wissen, wer das Sagen hat: Der Auslandsgeheimdienst DGSE, der Inlandsgeheimdienst DST, das Außenministerium, der Ministerpräsident oder der Staatspräsident? Die Zersplitterung der politischen Entscheidungsstrukturen erreichte ihren Höhepunkt zur Zeit der Kohabitation, der Teilung der Macht zwischen Sozialisten und Gaullisten. Das sei eine „extrem schwierige“ Zeit gewesen, urteilt ein ehemaliger hoher Offizier im Auslandsgeheimdienst. Anfang 2000 sorgte ein Präsidentenberater dafür, dass General Robert Gueï, kurzzeitig Militärherrscher in Elfenbeinküste, ein sechsköpfiges Beraterteam erhielt. Diese Leute sollten die Präsidentengarde neu aufbauen und die Kontakte der Opposition ausspähen. Doch nach sechs Monaten wurde die Operation abgeblasen – auf Drängen des Ministerpräsidenten. Die Zeiten, da ein Geheimdienstchef wie Jacques Foccart die gesamte französische Afrikapolitik dominierte, sind längst vorbei.

Von solchen regierungsinternen Meinungsverschiedenheiten abgesehen gibt es auch die Versuche einzelner Politiker, die Afrikapolitik zu beeinflussen. So lässt etwa der frühere Innenminister Charles Pasqua gern seine Beziehungen spielen. Dasselbe gilt für Oberst Maurice Robert, ehemals französischer Botschafter in Gabun und Leiter des Auslandsgeheimdienstes Sdece. Ein früherer DGSE-Mann plaudert aus, er habe „mehr als einmal dafür sorgen müssen, dass idiotische Einsätze, die sich irgendein Politiker ausgedacht hatte, abgeblasen wurden“.

Natürlich gibt es kaum Operationen, die ohne Wissen der zuständigen Geheimdienste laufen. „Die Staatsmacht behält stets den Überblick“, meint François-Xavier Sidos, „auch wenn die Ampel schon auf Gelb umgesprungen ist.“ Wo es ihr geboten scheint, kann die politische Führung jederzeit intervenieren. So erzählt ein Geheimdienstmann, es hätte nur einen einzigen Söldnereinsatz gegeben, über den er nicht im Bilde gewesen sei, und zwar der auf den Komoren im Dezember 2001. Das habe aber daran gelegen, dass die Männer nicht aus dem typischen Söldnermilieu stammten.

Notfalls brechen die Dienste eine Operation auch ab oder untersagen sie von vornherein. Ein Notabbruch erfolgte zum Beispiel im Juni 2002 in Madagaskar. Die zweite Methode wurde vor zwei Jahren bei einem Putschversuch gegen Laurent Kabila, den Staatspräsidenten der Demokratischen Republik Kongo angewandt: Damals drohte der französische Auslandsgeheimdienst, den Söldnerführer zu verhaften, der im Begriff war, eine hundertköpfige Truppe um sich zu scharen.

Die Söldner spielen vielleicht keine entscheidende Rolle mehr, sind aber nach wie vor ein Instrument der französischen Außenpolitik, auf das man bei Bedarf zurückgreift. In Frankreich wie in anderen Ländern bieten spezielle Agenturen eine breite Palette von Söldnerdienstleistungen an. Die bekanntesten Vermittler von privaten Sicherheitsdiensten und Firmen, die sich auf Krisenprävention und -bewältigung spezialisiert haben, behaupten zwar stets, sie hätten keinerlei Verbindungen zu Söldnerkreisen – aber die Grenzen sind hier ohnehin fließend. „Wir müssen uns gar nicht tarnen“, erklärt ein anonymer Gesprächspartner im Interview mit der Fachzeitschrift Raids. „Alle Welt setzt doch auf Grün [gemeint ist die Farbe der Kampfanzüge; d. Red.], mit Rückendeckung durch die Behörden der Interventionsmächte.“(8)

Offiziell wollen die großen angloamerikanischen Firmen mit dem Milieu nichts zu tun haben. Sandline International, Dyncorp, Defense Systems Ltd, Military Professional Resources Inc (MPRI), Wackenhut und andere geben sich einfach als Dienstleister, die in Rekordzeit jedes gewünschte Kontingent an Truppen und Material für spezielle Aufgaben zusammenstellen können.

Das offizielle Frankreich erklärt zwar, man habe sich für eine Verbotspolitik entschieden. Aber Zweifel sind angebracht: Davon, dass man die Teilnahme an Kampfhandlungen gesetzlich verbietet, bleiben die wichtigsten Tätigkeitsfelder der französischen Söldner völlig unberührt: die Betreuung von Operationen oder die Rekrutierung und Ausbildung von Spezialtruppen. Das erklärt womöglich, warum sich Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie, als sie den Gesetzentwurf am 3. April 2003 im französischen Senat begründete, so schwammig ausgedrückt hat: „Es geht darum, die Praxis der Söldnertruppen zu regeln, um Auswüchse zu verhindern.“ Was ist also das Ziel? Will Frankreich künftig überhaupt keine Söldner mehr einsetzen? Oder will man mit dem Verbot die Mietsoldaten nur besser unter Kontrolle bekommen?

deutsch von Edgar Peinelt

* Journalisten

Fußnoten: 1 Alle Vornamen geändert. 2 Robert Denard diente als Marineinfanterist im Indochinakrieg, von 1952 bis 1957 war er als Polizeioffizier der königlichen Sicherheitskräfte in Marokko tätig. Danach gehörte er dem französischen Geheimdienst in Algerien an. Seine nächsten Stationen waren der Jemen, der Kongo, Nigeria (Biafra), Angola und Benin. Ab 1975 organisierte er Sicherheitsdienste auf den Komoren, danach begann sein Stern zu sinken. Im Mai 1999 musste er als Zeuge im Gerichtsverfahren um die Ermordung des komorischen Präsidenten Ahmed Abdallah auftreten. Seither spielte er im Söldnermilieu keine Rolle mehr. 3 Der vom abgelösten Verteidigungsminister Alain Richard ausgearbeitete Gesetzentwurf wurde 2003 ohne Gegenstimme im Parlament angenommen. Er sieht vor, dass Söldner (und die Organisationen, die ihren Einsatz vorbereiten) bei „direkter Einmischung in bewaffnete Konflikte“ mit Geldstrafen und Gefängnisstrafen (fünf bis sieben Jahre) belegt werden können. 4 François-Xavier Sidos, „Les Soldats libres, la grande aventure des mercenaires“, (L‘Æncre) 2002. Sidos kandidierte für den Front National im Departement Seine-Saint-Denis. 5 Philippe Chapleau, François Misser, „Mercenaires SA“, Paris (Desclée de Bouwer) 1998. Siehe auch Pierre Conesa, „Krieg als Dienstleistung“, Le Monde diplomatique, April 2003. 6 Jean-Philippe Daniel, „La politique militaire de la France au Sud du Sahara, du discours de la Baule à l’opération Hadès: du désengagement à la privatisation?“, Diplomarbeit an der Fakultät für Internationale Politik, Universität Panthéon-Sorbonne, Paris 2000. 7 Zwölf Söldner, rekrutiert von dem kleinen Sicherheitsunternehmen Active Protection International Service (Apis), waren bereits auf dem Weg von Paris nach Madagaskar. Das französische Außenministerium sorgte dafür, dass ihre Falcon 900 bei der Zwischenlandung in Daressalam (Tansania) am Weiterflug gehindert wurde. Auf Madagaskar tobte damals der Machtkampf zwischen dem scheidenden Präsidenten Didier Ratsiraka und seinem gewählten Amtsnachfolger Marc Ravalomanana. 8 Pascal Le Pautremat, „Les nouveaux acteurs de la sûreté des entreprises“, Raids (Paris), Nr. 199, Dezember 2002. Siehe dazu auch das Schwerpunktthema „Mercenaires. Des chiens de guerre aux sociétés éttiques“ in Raids, Nr. 196, September 2002.

Le Monde diplomatique vom 15.08.2003, von BARBARA VIGNAUX und FRANÇOIS DOMINGUEZ