Feinster Reis aus Thailand
Der größte Exporteur der Welt ist stolz auf die Vielfalt seiner Duftreissorten. Und macht sich Sorgen um die sinkenden Preise von Xavier Monthéard
Die Vereinigung der thailändischen Reisexporteure residiert in einer Villa in einem ruhigen Viertel von Bangkok. Geschäftsführer Charin Hansuebsai lächelt, doch sein Ton ist schneidend. „Wir sollen Reisfelder an die Saudis verpachten? Glauben Sie bloß nicht, was die internationale Presse schreibt. So was hätte in Thailand keine Chancen. Ausländische Investoren können Land vielleicht einem Staat abkaufen, dem das Wasser bis zum Hals steht, etwa Kambodscha. Aber uns doch nicht!“
Im Mai 2008 besuchten saudische Geschäftsleute auf Einladung des Milliardärs und damaligen Premierministers Thaksin Shinawatra die Ebene von Suphan Buri (siehe nebenstehenden Artikel). Drei Monate später setzte sich Thaksin nach Großbritannien ab, im Oktober 2008 wurde er in Abwesenheit zu zwei Jahren Haft verurteilt. Seine Anhänger wurden aus der Regierung gedrängt. Heute haben Nationalisten und Traditionalisten das Sagen, und niemand würde es wagen, die fruchtbaren Reisfelder anzutasten, die mit 21 Millionen Hektar die Hälfte der landesweiten Anbaufläche ausmachen.
Nach der Gesetzeslage wäre das ohnehin nicht gegangen: „Die Reisbranche ist für Ausländer tabu“, erklärt Charin. „Natürlich freuen wir uns über ausländische Investitionen – sofern sie nicht unsere Unabhängigkeit und unsere Lebensweise bedrohen.“
Reis ist für den „Thai Way of Life“ unverzichtbar. Er gehört zu jedem Gericht: zur bäuerlichen Suppe wie zum khanom, einem Kuchen aus Klebreis, Gelatine und Kokoscreme, der in den Büros gegessen wird und den Kindern als Schulbrot mitgegeben wird. Für die 63 Millionen Einwohner Thailands werden pro Jahr 20 Millionen Tonnen Paddy (ungeschälter Reis) verarbeitet.
Seit den 1980er-Jahren steht Thailand an der Spitze der Reisexportländer. Dabei werden nur 5 bis 6 Prozent der weltweiten Produktionsmenge überhaupt gehandelt (bei Weizen sind es 20, bei Soja 30 Prozent). Mit dem Export von rund 10 Millionen Tonnen verarbeitetem Reis bediente Thailand 2008 ein Drittel der weltweiten Nachfrage. Das ist umso bemerkenswerter, als andere Länder, die ihre Landwirtschaft aufgegeben oder zu Schleuderpreisen veräußert haben, heute wieder auf Importe angewiesen sind. Der steile Anstieg des Weltmarktpreises für Reis im zweiten Quartal 2008 ließ Thailands Staatseinnahmen auf das Rekordniveau von 6 Milliarden Dollar steigen, eine Verdoppelung gegenüber 2007.
Christophe Cousin ist Broker. Nach 15 Jahren im Lande spricht er fließend Thai. Seine Firma ST Prasert makelt für kleine und mittelgroße Betriebe, die nach Afrika und Nahost, nach Russland oder in andere Länder exportieren möchten. „Wir beuten die Reisbranche nicht aus, sondern sorgen für ihre Diversifizierung. Seit ein paar Jahren treten neue Akteure auf, und das auf einem Markt, der von riesigen Agrarkonzernen beherrscht wird.“
Einer der Newcomer ist das Familienunternehmen Toumi Intertrade, das auf Platz 20 der thailändischen Duftreisexporteure steht. „Dabei sind wir erst vor fünf Jahren eingestiegen“, erzählt Geschäftsführer Samphan Jantrakul, der in Australien Management studiert hat. „Dreißig Jahre lang hat mein Vater den Export völlig vernachlässigt. Dieses Jahr haben wir schon 50 Millionen Tonnen in Containern von Bangkok ins Ausland verschifft.“
Die Firma kauft ihren Paddy vor allem bei Bauernkooperativen im Norden. Vor der Verschiffung wird der Reis in der Provinz Pathum Thani verarbeitet. In einer offenen Lagerhalle stehen, mit Vogelschutznetzen abgedeckt, die bis zu 100 Kilo schweren Plastiksäcke. In der angrenzenden Fabrik wird der Reis gesiebt, poliert, sortiert und maschinell abgefüllt. Die moderne Sortiermaschine aus Südkorea ist der ganze Stolz des Betriebs.
Die Exporteure achten auf strikte Hygiene. „Wir überwachen sehr penibel die Qualität unseres Produkts“, erklärt Somroek Tangpiroonthum vom Verband der thailändischen Reisverpacker. „Nach Begasung und Hygienekontrollen zertifizieren wir, dass der Reis nicht kontaminiert ist. Wir garantieren auch, dass die Sorten nicht vermischt werden, ein gängiger Betrug bei unseren Nachbarn.“ Das dürfte auf China1 gezielt sein oder auf den billigen vietnamesischen „Einheitsreis“, der teurer, aber dennoch schlechter ist als die berühmten thailändischen Duftreissorten wie Jasmin, Hom Mali, Pathum Thani.
Ein Symbol dieses Überlegenheitsgefühls ist die Rohstoffbörse Agricultural Futures Exchange of Thailand (Afet) in Bangkok. Von den großen Glasfenstern der Luxusbüros im 35. Stock blickt man auf ein ultramodernes Geschäftsviertel. Der Handel mit Landwirtschaftsprodukten läuft an einer automatisierten Terminbörse. Über die Bildschirme flimmern ununterbrochen die wechselnden Kurse für Kauf, Verkauf – und Spekulation.
Auf dem besten Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung
Ein Händler, der anonym bleiben will, meint, dass diese Art von Handel zwar beim total liberalisierten Kautschukmarkt funktioniere, auf dem Thailand ebenfalls der führende Exporteur ist. „Aber beim Reis bedeuten die Kontrollen der Zentralbank von Thailand einen regelrechten Papierkrieg, besonders für Ausländer. Wie soll man da Geschäfte machen? Und seitdem die Regierung die Preise stützt, gibt es nicht mehr genug Risiko.“
Die Regierung hat sich am 1. November 2008 verpflichtet, 8 Millionen Tonnen der aktuellen Ernte zu höheren Preisen als auf dem Binnenmarkt aufzukaufen. Viele Analysten verdammten diesen Eingriff in den Marktmechanismus als populistisch und geschäftsschädigend. Doch die Absatzgarantie der Regierung ist gar nichts Neues.
Antoine Sautenet, Rechtsexperte bei der Welthandelsorganisation (WTO), betont, es sei gut für Thailand gewesen, „dass man beim Beitritt zur WTO 1995 von der für Entwicklungsländer vorgesehenen Liberalisierungsstrategie abgewichen ist. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs will sich die Regierung mögliche Subventionen vorbehalten.“ Frédéric Lançon und Patricio Mendez del Villar vom französischen Zentrum für internationale Zusammenarbeit in der Agrarforschung für Drittländer (Cirad) erklären, warum: „Die öffentliche Hand nutzt die Reispolitik als makroökonomischen Hebel, um die negativen Auswirkungen der wachsenden Ungleichheiten zwischen Stadt und Land und zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen aufzufangen.“2
Es besteht eine Riesenkluft zwischen dem Großgrundbesitzer, der sein Land verpachtet, und dem Tagelöhner, der seine Arbeitskraft zur Erntezeit verkauft; zwischen dem Händler, der Güter oder Dienstleistungen (wie Pflanzenschutzmittel oder Traktoren) auf Kredit – und mit Wucherzinsen – verkauft, und dem bei ihm einkaufenden Kleinbauern: Es sind quasi feudale Abhängigkeitsbeziehungen innerhalb eines Systems aus zahlreichen Kooperativen und wenigen großen Monokulturbetrieben.
In Thailand arbeitet die halbe Bevölkerung in der Landwirtschaft, zwei Drittel leben auf dem Land. Die drei Methoden industriellen Landwirtschaftens – systematische Bewässerung, Überdüngung und starke Eingrenzung der Saatgutvarietät – fanden hier weniger Nachahmer als in den anderen großen Agrarstaaten. Transgener Reis ist gar nicht zugelassen. Daraus ergibt sich ein interessantes Paradox: Die Hektarerträge dieser führenden Exportnation gehören weltweit zu den niedrigsten.3
Das hat durchaus Vorteile, meint Claude Hammecker vom französischen Forschungsinstitut für Entwicklung (IRD). Denn in Thailand werde eine Agrarwissenschaft gefördert, die sich nicht auf den klassischen Imperativ maximaler Produktivität beschränkt. „Heute steht die Agrarforschung vor einer dreifachen Herausforderung: Die Verwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln einzuschränken, die Arbeitszeit zu verkürzen und die Produktion zu regulieren. Thailand hat bessere Chancen als andere, diese Ziele zu erreichen; das Land ist auf dem besten Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung.“
Galionsfigur dieser sanften Entwicklung ist Kwanchai Gomez. Fast drei Jahrzehnte arbeitete sie beim International Rice Research Institute (IRRI) in Los Baños auf den Philippinen. 2001 gründete sie die Stiftung für thailändischen Reis, deren Schirmherr der König ist. „Wir wollen Regierungsorganisationen, Unternehmer und kleine Produzenten zusammenbringen; denn wenn wir nicht aufpassen, kann unser Modell irgendwann scheitern. Aber der Reis ist unser Blut! Wir müssen einen Mittelweg finden zwischen exzessiver Ertragssteigerung und vernachlässigter Entwicklung. Mit Dünger haben wir grundsätzlich kein Problem – ich rede jetzt nicht von Pestiziden oder von Monsanto! –, sofern man ihn maßvoll einsetzt. Wer darauf verzichten will, ist ein Träumer.“
Die Thailänder sind keine Träumer: Sie haben sich mit dem Thai Earth Observation System (Theos)4 einen Beobachtungssatelliten zugelegt, der Landwirtschafts- und Umweltdaten liefern soll. Für die Chefs der großen Konzerne wie Capital Rice oder Charoen Intertrade, die traditionell mit den politischen Machthabern verbunden sind, beginnt die Erntesaison 2009 mit vielen Unwägbarkeiten. Sie müssen teuer verkaufen, und zwar an die Staaten, die den Empfehlungen der WTO gefolgt und jetzt gezwungen sind, Grundnahrungsmittel zu importieren. Wegen der globalen Lebensmittelkrise und der allgemeinen Kreditklemme könnten sich diese Geschäfte schwierig gestalten, sagt Sautenat: „Womöglich werden sogar einige afrikanische Entwicklungsländer bei der WTO Beschwerde gegen die zinsverbilligten Darlehen einlegen, die Bangkok seinen Reisbauern gewährt.“
Angesichts der sinkenden Reispreise hätte die thailändische Regierung als Gastgeberin des Asean-Gipfeltreffen Ende Februar in Hua Hin einen Regionalfonds vorschlagen können, der die Nahrungsmittelversorgung der zehn Mitgliedstaaten sichert.5 In einen solchen Fonds könnte Thailand als führender Reisexporteur die ersten Millionen Tonnen einbringen. Der Asean, dessen Flagge eine Reisgarbe zeigt, würde eine solche Lösung gut zu Gesicht stehen.
Aus dem Französischen von Sabine Jainski
Xavier Monthéard ist Journalist.