Erneuerbar, aber schmutzig: Ethanol aus Brasilien
von Philippe Revelli
Die Fabrik Três Irmãos, ein paar Kilometer vor Andradina im Westen des Bundesstaats São Paulo gelegen, gehört zur Cosan-Gruppe, dem größten Zucker- und Alkoholproduzenten Brasiliens. Etwa 1 500 Männer schuften mit der Machete in der Hand auf den zugehörigen Plantagen – fünf Tage Arbeit, ein Tag Erholung, die Arbeitszeit ist beliebig verlängerbar. Bezahlt wird nach Ertrag: Für eine Tonne Zuckerrohr gibt es noch nicht mal einen Euro.
Aparecido Bispo, Generalsekretär der Landarbeitergewerkschaft des Bundesstaats São Paulo (Feraesp), erzählt: „In den 1980er-Jahren hat ein Arbeiter ungefähr 4 Tonnen Zuckerrohr pro Tag geerntet. Heute liegt der durchschnittliche Ertrag bei mehr als 10 Tonnen, und manche Arbeiter schaffen sogar 20 bis 25 Tonnen täglich.“ Einen solchen Akkord kann der menschliche Körper nur schwer aushalten. Nach einer Studie der Universität Piracicaba ist das so, als würde man jeden Tag einen Marathon laufen.
Die meisten Zuckerrohrschneider leiden unter Muskel- und Gelenkproblemen, Rücken- und Kreuzschmerzen. In den letzten Jahren sind nach Angaben der Gewerkschaften 15 Arbeiter an Erschöpfung gestorben. Ungefähr 80 Prozent der Arbeiter sind nur für die acht Monate Erntezeit beschäftigt. Meist stammen sie aus Brasiliens ärmsten Gegenden, der Region Nordeste und dem Bundesstaat Amazonas. Sie haben keine feste Wohnung und sind den Anwerbern, Vermietern und Busunternehmern, die alle mehr oder weniger mit den Arbeitgebern unter einer Decke stecken, völlig ausgeliefert. „In den Verträgen der Transportunternehmen mit den Fabriken steht, dass sie die Arbeiter von ihrem Wohnort zum Arbeitsplatz bringen sollen“, sagt Bispo. „In Wirklichkeit spielt der Busunternehmer häufig auch die Rolle des Vorarbeiters und verlangt unter der Hand einen bestimmten Prozentsatz von der Ernte seiner Arbeiter.“ Angesichts der sich zusehends verschlechternden Arbeitsbedingungen und der ständigen Verstöße gegen das Arbeitsrecht wird gelegentlich gestreikt. Dann drohen die Arbeitgeber ihrem kaum gewerkschaftlich organisierten Personal mit der Automatisierung der Ernte; außerdem können sie sich auf die tatkräftige Unterstützung der Polizei verlassen. „Nach dem Streik auf den Plantagen von Três Irmãos hat die Leitung sofort 300 Arbeiter entlassen und erklärt, sie würden nicht ersetzt; die Polizei hat die Streikenden belästigt und ihnen befohlen, die Arbeit wieder aufzunehmen“, erzählt Bispo.
In der letzten Augustwoche wurden in Ribeirão Preto mehr als 500 Arbeiter entlassen. Zaqueu Aguilar von der örtlichen Landarbeitergewerkschaft beklagt die Unnachgiebigkeit der Arbeitgeber: „Vor allem die Firmen, in denen ausländisches Kapital steckt und wo Aktionäre den Chef aus Fleisch und Blut ersetzt haben, lehnen jede Form der Verhandlung strikt ab.“
Etwa zur selben Zeit, im August 2008, verkündete ein Spruchband am Eingang des Konferenzzentrums von Campo Grande: „Die Zucker- und Alkoholbranche bietet neue Perspektiven, neue Technologien und neue Möglichkeiten.“ Zum Zuckerkongress „Canasul 2008“ trafen sich in der Hauptstadt des Bundesstaats Mato Grosso do Sul die Vertreter der Industrie, der staatlichen Verwaltung und der Zuckerrohrproduzenten. Die Stimmung war geradezu euphorisch. Im letzten Jahrzehnt ist Brasiliens Anteil am globalen Rohrzuckerexport von 7 auf 62 Prozent angestiegen. Auch die Ethanolproduktion1 boomt: Sie lag im Jahre 2008 bei 22,3 Milliarden Litern, das ist etwa ein Drittel der Weltproduktion. Inzwischen wird auf einer Fläche von 7,8 Millionen Hektar Zuckerrohr angebaut. Trotzdem glaubt Marcos Jank, Präsident des Verbands der Zuckerindustrie (Unica) und Starredner des Kongresses, dass die brasilianischen Produzenten eine noch viel wichtigere Rolle auf dem internationalen Biospritmarkt spielen werden.
Zwar wird der Großteil des brasilianischen Zuckers exportiert, doch beim Ethanol schluckt der einheimische Markt bislang noch 85 Prozent der Produktion. Angesichts des zwischenzeitlich hohen Ölpreises und der drohenden Erderwärmung wird in den reichen Ländern weniger darüber nachgedacht, wie sich der Prozess umsteuern ließe, als nach einfachen Lösungen gesucht – und Biosprit vorschnell als „ökologisch sinnvoll“ qualifiziert.2 Die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und Kanada haben eine Reihe von Gesetzesvorhaben initiiert, die einen bestimmten Anteil von Biokraftstoffen im Benzin vorschreiben.3
Brasilía und Tokio haben ein Partnerschaftsabkommen über 8 Milliarden Dollar geschlossen: In den nächsten fünfzehn Jahren wird Brasilien Japan mit Ethanol beliefern. Und im Zentrum des Treffens von George W. Bush und Luiz Inácio Lula da Silva in Camp David am 31. März 2007 stand die Gründung einer neuen Achse Washington-Brasília zur Produktion und Vermarktung von Biosprit; 70 Prozent des weltweit produzierten Ethanols stammen allein aus den USA und Brasilien.4
Verbandspräsident Marcos Jank rechnet mit einem langfristigen Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Agrotreibstoffen und prognostiziert, dass sich die Zuckerrohrplantagen im Jahre 2020 auf 14 Millionen Hektar erstrecken werden – drei Viertel davon zur Ethanolproduktion (heute ist es etwa die Hälfte). Doch auch wenn Brasilien mit grüner Energie wirbt und die Regierung ein Nachhaltigkeitslabel für Ethanol entwickelt – die Tonnen von Asche, die auf die Köpfe der Menschen an den Produktionsstandorten niederregnen, und die Bilder von den wie Sklaven ausgebeuteten Zuckerrohrarbeitern lassen diesen Industriezweig gar nicht gut aussehen.
Nach Einbruch der Nacht kann man von den Dächern der höchsten Gebäude in Sertãozinho, einer kleinen Stadt im Bundesstaat São Paulo, die Brände sehen, die sich hier und da in die Zuckerrohrfelder fressen. Die Technik, nur die Blätter zu verbrennen, ohne das Rohr zu zerstören, ist seit den 1960er-Jahren in Brasilien in Gebrauch und hat sich schnell verbreitet. Sie erleichtert die Ernte per Hand und erhöht den Zuckergehalt des Rohrs, aber sie setzt enorme Mengen von Treibhausgasen und anderen Verschmutzungen frei.
Allein im Bundesstaat São Paulo werden nach Angaben von José Eduardo Cançado, Wissenschaftler an der Universität São Paulo, jeden Tag 285 Tonnen giftiger Partikel und 3 342 Tonnen Kohlenmonoxid in die Atmosphäre geblasen. In den Erntemonaten verzeichnet das Krankenhaus von Piracicaba, einer Stadt im Herzen der Zuckerregion, einen 10-prozentigen Anstieg bei den Atemwegserkrankungen.5 Der Bundesstaat São Paulo, der mehr als 60 Prozent der Zuckerrohrplantagen beherbergt, hat deshalb ein Grünes Protokoll erlassen, nach dem das Abbrennen der Felder bis zum Jahre 2014 endgültig abgeschafft sein soll – laut brasilianischem Bundesgesetz ist dieses Ziel erst für 2021 festgesetzt. Umweltstaatssekretär Xico Graziano bestätigt, dass bereits 148 Ethanolfabriken und mehr als 10 000 Bauern dieses Grüne Protokoll unterzeichnet haben.
Begehrte Aktie für Soros, Goldman Sachs & Co.
Dass die manuelle Erntearbeit von Maschinen übernommen wird, ist wahrscheinlich unabwendbar. Die Veränderung ist dabei weniger den Umweltbedenken der Produzenten geschuldet als dem technischen Fortschritt und einfachen Rentabilitätsberechnungen: Eine Maschine erledigt die Arbeit von 100 Männern. Außerdem sind infolge der großen Streiks von 1984/85 viele Fabriken zur automatisierten Ernte übergegangen.6 Doch nach dem heutigen Stand der Technik können die Maschinen bislang nicht auf Böden mit mehr als 12 Prozent Steigung arbeiten. Also wird mehr als die Hälfte der Ernte immer noch von Hand erledigt, und im Bundesstaat São Paulo beteiligen sich daran auch in diesem Jahr wieder um die 300 000 bóias frias,7 also Landarbeiter.
In keinem anderen Land wird soviel internationales Kapital in Ethanol investiert wie in Brasilien.8 Unter den Investoren sind die Riesen des Agrobusiness: Der US-Multi Cargill hat seine Beziehungen zum brasilianischen Ethanolhersteller Crystalsev verstärkt und im Jahre 2006 einen Aktienanteil von 63 Prozent an der Zucker- und Ethanolfabrik Cevesa gekauft. Der Saatguthersteller Monsanto baut Partnerschaften mit den Konzernen Cosan und Votorantim auf und kündigt an, ab 2009 die gentechnisch veränderte Zuckerrohrplanze „Roundup-Ready“9 einsetzen zu wollen. Und Bajaj Hindusthan, der wichtigste indische Zucker- und Alkoholproduzent, hat 500 Millionen Dollar in eine brasilianische Niederlassung investiert.
An ausländischen Börsen wurden Fonds für Investitionen in brasilianisches Ethanol aufgelegt. Zu den Aktionären zählen der Großinvestor George Soros, die Investmentbank Goldman Sachs, der ehemalige Weltbankpräsident James Wolfensohn und die drittgrößte französische Bank Société Générale (über den Bioenergy Development Fund, eine Fondsgesellschaft mit Sitz auf den Kaimaninseln).
Präsident Lula da Silva setzt konsequent auf die Agroindustrie. Wie seine Minister nutzt auch er jede Auslandsreise, um Werbung für sein Ethanol zu machen und Handelsabkommen abzuschließen. Die staatliche Ölgesellschaft Petrobras baut ihrerseits energisch die Infrastruktur für den Export aus. Das neueste Projekt ist eine 1 300 Kilometer lange Pipeline vom Landesinneren zur Raffinerie Paulinia, von wo das Ethanol anschließend zum Hafen São Sebastião transportiert wird.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts subventioniert der Staat in verschiedenen Formen die Zucker- und Alkoholproduktion. So kaufte das 1933 gegründete Institut für Zucker und Alkohol die Zuckerüberschüsse auf und garantierte den Produzenten so einen Absatzmarkt und stabile Preise. Und das 1975 nach der ersten Ölkrise lancierte Programm Pró-Álcool trug entscheidend zum Erfolg der Ethanolautos10 bei und gewährte der Zuckerbranche großzügige Kredite. Nach Angaben von Pedro Ramos, Wissenschaftler an der Universität des Bundesstaats Campinas, „kann der Umfang der direkten und indirekten Hilfen für die Zuckerrohrindustrie von 1975 bis 1989 auf 500 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt werden. (…) Es ist allgemein bekannt, dass ein Teil dieser Gelder zu anderen Zwecken verwendet wurde (…). Anfang der 1990er-Jahre hatte die Zuckerindustrie 2,4 Milliarden Dollar Schulden beim Staat; sie wurden nur teilweise zurückgezahlt.“11
Präsident Lula da Silva bleibt in der Spur seiner Vorgänger: Im August 2008 erklärte Umweltminister Carlos Minc, für den Zuckerrohranbau würden zusätzlich 7 Millionen Hektar Land zur Verfügung gestellt, und es solle weitere Anreize für die Produzenten geben.
Dank der von ausländischen Investoren wie von der Regierung getragenen Goldgräberstimmung konnten ein paar große brasilianische Familien, die sogenannten Zuckerbarone12 , ihre Machtstellung weiter ausbauen. Zwischen 2000 und 2005 gab es in der Zuckerbranche 37 Fusionen oder Übernahmen. Die Cosan-Gruppe kaufte die brasilianischen Esso-Tankstellen und sicherte sich damit einen direkten Vertriebsweg für ihr Ethanol.
Die Kritiker des Ethanolbooms – linke Aktivisten, Wissenschaftler, Umweltschützer und Bauernorganisationen – verweisen auf die ökologisch und sozioökonomisch problematischen Folgen. Um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, greift Unica-Präsident Jank auf gut gelernte Argumente zurück13 : Die neuen Zuckerrohrpflanzungen würden auf altem Kulturland entstehen, es müssten keine neuen Flächen urbar gemacht werden. Den Gegnern des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen wirft er Obskurantismus vor und erklärt, die transgenen Zuckerrohrarten erzielten ein größeres Produktionsvolumen ohne Steigerung der Anbauflächen.14
Die Mär von der grünen Energie des Zuckers
Zuckerrohr produziere grüne Energie, fährt der Unica-Präsident fort, seine CO2-Bilanz sei weitaus besser als beim Mais, der in den USA zur Ethanolproduktion benutzt wird. Durch Recycling der Pflanzenabfälle (in diesem Bereich verfügt Brasilien über neueste Technologien) erzeugten die Fabriken inzwischen mehr Energie, als sie verbrauchten, und trügen so zur Energieversorgung des Landes bei.15 Schließlich, so Jank weiter, umfasse der Zuckerrohranbau weniger als 3 Prozent der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Brasiliens16 und verdränge daher nicht den Nahrungsmittelanbau.
Ariovaldo Umbelino, Geograf und Professor an der Universität São Paulo, bestreitet diese Thesen. Als Mitglied der Kommission, die von der Regierung da Silva mit der Erarbeitung des 2. Nationalen Plans zur Agrarreform beauftragt ist, kennt er die Unterlagen zur Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche. „Die wichtigsten Ausdehnungsgebiete des Zuckerrohranbaus liegen rund um den Bundesstaat São Paulo: in Mato Grosso do Sul, Goiás, Minas Gerais und Paraná. Dort gibt es mehrere neue Anbauprojekte im Cerrado, einem Savannenökosystem, dessen Biodiversität dadurch unwiederbringlich zerstört würde. Andere Projekte betreffen den Amazonas – besonders im Bundesstaat Paraná – und die Region Nordeste.“
In dieser Region stößt die von der Regierung geplante Umlenkung des Rio San Francisco auf großen Widerstand der Bevölkerung. Umbelino zufolge „geht es vor allem darum, neue landwirtschaftliche Nutzflächen zu bewässern, auf denen auch Zuckerrohranbau vorgesehen ist. Wenn das Zuckerrohr andere Kulturen ersetzt oder sich auf ehemaligem Weideland ausbreitet, entsteht ein Dominoeffekt: Soja- und Maisanbau sowie die Viehherden verschwinden nicht einfach, sondern weichen auf neue Flächen aus – etwa in Amazonien oder im Feuchtgebiet Pantanal.“ Nach den Zahlen des brasilianischen Raumforschungsinstituts Inpe vom 28. November 2008 wurden zwischen August 2007 und Juli 2008 am Amazonas 11 968 Quadratkilometer Regenwald zerstört, das sind 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Und wie steht es mit der ökologischen Verträglichkeit – von der Praxis des Abbrennens der Felder einmal ganz abgesehen? Zuckerrohr benötigt – wie jede Monokultur – sehr viel Chemie, vor allem Stickstoffdünger, die besonders schädlich für die Ozonschicht sind. Zwar hat man die Millionen von Litern Vinasse (Rückstände der Alkoholherstellung), die auf den Feldern verteilt werden, als Naturdünger deklariert – aber sie dringen durch die Böden ins Grundwasser und bedrohen das Guaraní-Aquifer-System, eines der bedeutendsten Süßwasserreservoire der Erde.
Auf die Frage, ob der verstärkte Zuckerrohranbau zulasten der Nahrungsmittelproduktion gehe, führt Umbelino die offiziellen Zahlen des brasilianischen Geografie- und Statistik-Instituts IBGE an: „Zwischen 1990 und 2006 ist die Anbaufläche für Zuckerrohr im Bundesstaat São Paulo um 2,7 Millionen Hektar gestiegen. Zur selben Zeit gingen im Bohnenanbau 261 000 und im Reisanbau 340 000 Hektar verloren, das bedeutet, es fehlen jetzt 400 000 Tonnen Bohnen und eine Millionen Tonnen Reis, das sind 12 beziehungsweise 9 Prozent der landesweiten Produktion.“
Im Nachbarstaat Goiás, in dem sich der Zuckerrohranbau stark ausdehnt, verzeichnet die Vereinigung der Landwirte und Viehzüchter einen durchschnittlichen Anstieg der Bodenpreise um 15 Prozent, wobei sich der Wert einer Fläche verdreifacht, wenn sie in der Nähe einer Zuckerfabrik liegt. Dieser Preisanstieg macht es den kleinen und mittelgroßen Bauern noch schwerer, Land zu kaufen, obgleich sie den Großteil der Nahrungsmittel produzieren. Die Konzentration des Grundbesitzes wird dadurch logischerweise verstärkt.
Zurück in Andradina: Zuckerrohrschneider, Gewerkschafter, Kleinbauern und Landlose beraten sich für ein Wochenende. Die Zuckerrohrschneider haben keine Illusionen. Sie wissen, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet ist und sie in dieser Branche keine Zukunft haben. Die Arbeitsperspektiven auf dem Land sehen nicht gerade rosig aus. Die Kleinbauern, die wenigstens ein Stückchen Land besitzen, klagen über den Mangel an staatlichen Hilfen: „Der Löwenanteil geht ins Agrobusiness und bloß ein paar Krümel in den Anbau von Nahrungsmitteln.“
Die Landlosen stellen fest, dass ihr Kampf immer schwieriger wird: „Wenn wir die Enteignung einer Fazenda (Großgrundbesitz) fordern, wo die Flächen nicht genutzt werden, stehen wir jetzt in Konkurrenz zu den geplanten Zuckerrohrpflanzungen.“ Die Bodenreform, einst größtes Versprechen des Präsidentschaftskandidaten Lula da Silva, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. „Dass das nicht zu einem Aufstand geführt hat, liegt daran, dass unsere Bewegung durch das Null-Hunger-Programm und Familienhilfen keine Basis mehr hat“, sagt ein Vertreter der Landlosen. Mit diesen Hilfsprogrammen für die Ärmsten, die das Überleben knapp sichern, hat sich die Regierung den sozialen Frieden und die Zustimmung der Armen erkauft. „Zuckerrohr und Ethanol, aber keine Bodenreform“ – für Bispo, einen der Organisatoren der Tagung, hat die Gesellschaft damit eine Wahl getroffen.
Aus dem Französischen von Sabine Jainski
Philippe Revelli ist Journalist.