12.11.2004

Private militärische Dienste in Europa

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Private militärische Dienste in Europa

ANDERS als die USA und Großbritannien will Frankreich keine privaten Sicherheitsfirmen in militärisch umkämpfte Gebiete schicken. Bislang hält man sich im französischen Verteidigungsministerium bedeckt, was das Outsourcing von Verteidigungsaufgaben angeht. Aber seit dem Ende der allgemeinen Wehrpflicht muss unter dem Druck von Haushaltskürzungen an allen Enden gespart werden – und im Unterschied zu anderen staatlichen Einrichtungen, in denen die Gewerkschaften ein Wörtchen mitzureden haben, kann das Militär relativ ungestört Aufgaben an private Firmen delegieren.

Eine Arbeitsgruppe der Abteilung für Sonderaufgaben beim Generalstab sondierte seit Anfang 2004, welche Möglichkeiten die Auftragsvergabe nach amerikanischem Vorbild bietet. Geprüft wurden die Angebote in verschiedenen Bereichen technischer und logistischer Unterstützung, aber auch spezielle Leistungen wie die Bereitstellung von Leibwachen oder der Einsatz von Schutzmitteln für Politiker in Krisengebieten.

In solche heikle Bereiche wollte sich die französische Luftwaffe nicht vorwagen – sie begnügte sich damit, Putzkolonnen zu beschäftigen: Seit drei Jahren sind private Firmen zuständig für die Grünanlagen, die Abfallbeseitigung und die Reinigungsarbeiten auf den Stützpunkten. An etwa einem Dutzend Standorten prüft man inzwischen auch, ob Fahrdienste, Verwaltungstätigkeiten und die Wartung der militärischen Computernetze privat vergeben werden könnten. Seit 2001 war auf einem Militärflughafen im Département Allier eine Simulation der Vergabe der Dienstleistungen in allen Bereichen (Kantinen, Mannschaftsquartiere, Brandschutz, Wachschutz, Transport etc.) durchgeführt worden – dabei zeigte sich, dass man unbedingt ein Team von externen Fachleuten für die Überwachung und Koordination dieser Dienste brauchte.

Die Wartung ihrer kleinen Transportflugzeuge vom Typ TBN 700 und Mystère 20 hat die Luftwaffe längst an private Firmen abgegeben. Wahrscheinlich werden bald auch die Schulungsflugzeuge privat gewartet. Demnächst dürften an den Standorten Dax und Cognac Piloten auf Flugzeugen und Hubschraubern ausgebildet werden, die Privatfirmen gehören. Die Luftwaffe brauchte dann zum Beispiel ihre veralteten Gazelle-Helikopter nicht mehr einzusetzen – und auch nicht zu ersetzen. Außerdem gibt es Überlegungen, in Zukunft so wie die Briten Frachtflugzeuge samt Besatzung zu mieten. Um die Kosten von Auslandseinsätzen zu senken, wurde eine Ausschreibung für die Anmietung zweier Roll-on-roll-off-Flugzeuge gestartet. Außerdem hat das französische Verteidigungsministerium beschlossen, die Wohnhäuser für die Gendarmerie mit ihren 75 000 Wohnungen, deren Verwaltung bislang 1 200 Arbeitsplätze bedeutete, in private Hände zu legen. Ebenso ging die Betreuung des Transportwesens mit seinen 25 000 nichtmilitärischen Fahrzeugen auf zivile Firmen über.

Die französischen Beamtengewerkschaften laufen Sturm gegen diese Liberalisierung und den daraus folgenden Sozialabbau. Außerdem bestehen juristische Bedenken – vor allem im Bereich der Informationstechnologie – gegen die Verlagerung der Verantwortlichkeiten auf private Dienstleister. Der Wirtschaftsbeirat des Verteidigungsministeriums dagegen sprach von einer „positiven Entwicklung“, die im nächsten Schritt auch „neue Finanzierungsmodelle“ einschließen müsse – „neue Anbieter, etwa Banken, die bislang in diesem Bereich nicht gefragt waren“, sollten zum Zuge kommen.1

Bei der Jahrestagung des französischen Arbeitgeberverbandes Medef im Januar 2002 versammelte ein eigens zu diesem Zweck gegründetes „Institut Esprit Service“ eine Gesprächsrunde von Unternehmern und Militärs zu einer Grundsatzdebatte.2 Auf der Tagesordnung stand unter anderem die Frage, wie die Regeln öffentlicher Ausschreibungen zu verändern seien, um einen „vorvertraglichen Dialog“ zu erlauben und die allzu engen Bestimmungen der militärischen Auftragsvergabe der „wirtschaftlichen Praxis anzupassen“.

Es entstand ein Leitfaden für die Militärs zur Vergabe von Dienstleistungen an private Anbieter und ein Kodex der „erlaubten Verfahrensweisen“, der Mehrjahresverträge empfiehlt und gewährleistet, dass bei der Auftragsvergabe „der Kunde“ – also die Streitkräfte – „stets die Kontrolle über die vergebenen Leistungen behält“. Die staatlichen Stellen sollten „sich bemühen, die Dienstleistungen in einem angemessenen Rahmen zu vergüten“ und nur mit solchen Unternehmen zu arbeiten, von denen sie bereits „vor der Ausschreibung eines Angebots beraten wurden“. Natürlich verstießen diese Empfehlungen gegen übliche Bestimmungen des öffentlichen Auftragswesens, und trotzdem hieß es, die Verordnungen seien nicht flexibel genug, sie stammten aus „einer Epoche des überzogenen Rechtsdenkens“. Man verwies auf Großbritannien, wo „der Abschluss solcher Verträge lange nicht so starr gehandhabt wird“.

Die Vergabe von Leistungen außerhalb des Kernbereichs der Verteidigungsaufgaben an private Dienstleister ist tatsächlich keine französische Besonderheit. Überall in Europa zeigt sich dieses Phänomen – eine Folge des allgemeinen Trends zur Berufsarmee. Dennoch gibt es große Unterschiede: In Schweden, Spanien und Italien machen private Leistungen nur einen geringen Teil des Verteidigungsbudgets aus – 2001 waren es in Spanien nicht einmal 2 Prozent der laufenden Kosten. In Belgien dagegen begreift man diese Privatisierung als Beitrag zur Integration des Militärs in die Gesellschaft: Trotz strenger gesetzlicher Regelungen konnten hier Versorgung, nichtmilitärische Infrastruktur, Wartung und Ausbildung an private Anbieter vergeben werden.

In den Niederlanden hält man sich an die Maßgaben eines im Jahr 2000 abgeschlossenen Untersuchungsberichts über „Politisches Management der Verteidigungspolitik“ – hier treten die Privatfirmen nach strengen Grundsätzen gegen staatliche Institutionen an. In Deutschland beschloss man, die Neugestaltung der Kommunikations- und Datenbanksysteme der Bundeswehr („Herkules“) einem privaten Konsortium zu übertragen, dessen Teilhaber CSC (siehe Seite 21) und EADS der Finanzaufsicht durch die Deutsche Bank unterliegen.

Paradigm Secure Communications, eine Tochterfirma von EADS, hat kürzlich mit dem britischen Verteidigungsministerium einen Vertrag über die Einrichtung von Skynet 5 abgeschlossen: Fünfzehn Jahre lang soll das Unternehmen einer der größten Militärmächte der Welt alle Dienste im Bereich der Telekommunikation einschließlich Verschlüsselung liefern. Das hat es noch nie gegeben.

PHILIPPE LEYMARIE

Fußnoten: 1 Siehe „L‘économie de la Défense“, www.defense.gouv.fr/ced. 2 www.institutespritservice.com.

Le Monde diplomatique vom 12.11.2004, von PHILIPPE LEYMARIE