Von Hölzern und Verstößen
Die Holzindustrie ist rund um die Welt in zahlreiche Konflikte verwickelt. Der Rohstoff Holz dient als Zahlungsmittel bei mafiosen Geschäften und hilft autoritären Regimen in Afrika und Asien, sich an der Macht zu halten. Die illegale Holzgewinnung fördert die Korruption und entzieht den öffentlichen Haushalten die dringend benötigten Gelder für die Armutsbekämpfung. Eine große Verantwortung trägt dabei der Holzgroßhandel der westlichen Welt. Deshalb hofft man, durch ein Embargo gegen Rohstoffe aus Konfliktregionen den Schmuggel eindämmen oder vielleicht sogar Kriege verhindern zu können. Im Fall Liberia hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 6. November beschlossen, das Embargo gegen Holzexporte aufrechtzuerhalten.
Von ALICE BLONDEL *
Einige der blutigsten Kriege unserer Zeit stehen in direktem Zusammenhang mit den Interessen der Holzindustrie. Das gilt vor allem für viele Konflikte in Afrika. Als wertvoller Rohstoff, der sich leicht gewinnen und rasch verkaufen lässt, ist Holz mittlerweile für Warlords, mafiose Netze und Waffenhändler zu einer wichtigen Geldquelle geworden. Die Vermarktung von Hölzern erschließt diesen Gruppen kriegswichtige Ressourcen wie finanzielle und logistische Verbindungen. In einigen Fällen honorieren Regierungen und Aufstandsbewegungen ihre Unterstützer auch mit Forstkonzessionen. Diese kriminelle Ausbeutung von Holz hat zahlreiche Konflikte verlängert, unter anderem die Bürgerkriege in Elfenbeinküste und in Liberia, aber auch in Kambodscha und in Birma.
Der blutige Bürgerkrieg in Sierra Leone (1990–2001) zum Beispiel wurde unter anderem mit Gewinnen aus der liberianischen Holzindustrie finanziert.1 Liberias Expräsident Charles Taylor gab vor einigen Monaten sogar öffentlich zu, dass er Waffenkäufe mit Einnahmen aus dem Holzexport bezahlt hat – ein eindeutiger Verstoß gegen das UN-Embargo.2 Ende vergangenen Jahres finanzierten und bewaffneten die Regierung in Monrovia und einige örtliche Holzunternehmer die Aufständischen in den westlichen Provinzen der Elfenbeinküste.3 In Ländern, die vom Krieg bisher verschont blieben, wie beispielsweise Kamerun führt das illegale Geschäft mit dem Holz zu verstärkter Korruption.4
Auch andere Kontinente sind betroffen: In den 1990er-Jahren nahmen die Roten Khmer aus dem Holzexport während der Trockenzeit monatlich 10 bis 20 Millionen Dollar ein. Hier hat sich das Geschäft mit dem Holz selbst zu einem Konfliktherd entwickelt. So konnte etwa Pol Pot 1991 erklären: „Unser Land besitzt nicht genügend Kapital, um seine Macht und seine Streitkräfte auszubauen. Die bestehenden Naturressourcen (in den ganz oder halb befreiten Gebieten) müssen unter allen Umständen genutzt werden.“5 Auch aus Russland gibt es Informationen, wonach die Mafia in der sibirischen Holzwirtschaft mitmischt.6
Eine Expertengruppe, die 2001 im Auftrag der Vereinten Nationen7 eine Untersuchung über die illegale Ausbeutung von Naturressourcen in der Demokratischen Republik Kongo durchführte, hat den Begriff „Konflikt-Holz“ geprägt. In welchem Ausmaß sich die Rebellengruppen, Unternehmen und Regierungstruppen der benachbarten Länder Holz aneignen, zeigt sich auch im Holzpreis, der beispielsweise in Uganda über die letzten fünf Jahre um die Hälfte gesunken ist. Die UN-Experten schließen daraus, dass allein schon die finanziellen Interessen die Kriegsparteien dazu bringen könnten, den Konflikt endlos auszudehnen.
In Uganda, Ruanda und Simbabwe haben die Experten weit verzweigte Handelsnetze aufgedeckt. Nach ihren Recherchen reicht das organisierte Verbrechen etwa im Fall der kongolesischen Ressourcen weit über die Grenzen des Landes hinaus. Über einhundert Personen und mafiose Gruppen konnten namentlich ausfindig gemacht werden.8 „Konflikt-Holz“, so die Nichtregierungsorganisation „Global Witness“, wird irgendwo in der Verwertungskette zu einem Umschlaggut, an dem „bewaffnete Gruppen beteiligt sind – Rebellen, reguläre Soldaten oder eine in den Konflikt verwickelte Zivilbehörde –, um entweder den Konflikt in die Länge zu ziehen oder um sich persönlich zu bereichern“.
Kriminell ist die Nutzung des Waldes auch, wenn gegen nationale Gesetze und internationale Übereinkommen zum Schutz bedrohter Arten und Waldgebiete verstoßen wird. Dadurch verliert der Staatshaushalt der betroffenen Länder außerdem Einnahmen, wovon die internationale Gemeinschaft im Allgemeinen nichts erfährt. So wandert ein erheblicher Anteil der kurzfristigen Einnahmen statt in den Staatssäckel in die Taschen der Eliten. Angesichts dieser undurchsichtigen Transaktionen muss es gesetzliche Vorschriften geben, die dabei helfen können, die Verbindungen zwischen dem illegalen Waffenhandel und den Seetransportunternehmen zu zerschlagen und den Import illegal geschlagener Hölzer durch die reichen Länder zu beenden.
In Afrika organisiert eine überschaubare Anzahl von Leuten aus dem kriminellen Milieu den Handel „Waffen gegen Holz oder Diamanten“. Zu diesen Leuten gehört auch Victor Bout, der als „Händler des Todes“ traurige Berühmtheit erlangte und der mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Bout soll in zahlreichen afrikanischen Ländern – Ruanda, Sierra Leone, Angola, Liberia und Demokratische Republik Kongo – in die Tauschgeschäfte vom Typ „Waffen gegen Naturressourcen“ verwickelt sein.9 Ähnliche Figuren sind beispielsweise Sanjivan Ruprah, der im Diamantenschmuggel mitmischen soll, und Gus Kouwenhoven von der in Mali ansässigen „Oriental Timber Company“ (OTC), der die Vereinten Nationen illegale Aktivitäten vorwerfen.10 Gegen alle drei Männer haben die UN wegen ihrer mutmaßlichen Unterstützung der Rebellentruppe „Revolutionäre Einheitsfront“ (RUF) im sierra-leonischen Bürgerkrieg ein Reiseverbot verhängt.
Schmuggel unter Billigflagge
SCHÄTZUNGEN ergaben, dass der weltweite Handel mit leichten Waffen zu 40 bis 50 Prozent auf illegalen Wegen abgewickelt wird. Ohne effektive Kontrollmechanismen, die den Zwischenhändlern das Handwerk legen, bleibt der Waffenschmuggel ein lukratives Geschäft, das auch von der allgemeinen Deregulierung des internationalen Handels profitiert. Bis 2002 hatten erst sechs Länder ein Abkommen unterzeichnet, das sich ausdrücklich gegen Wiederverkäufer richtet.11 Meist werden die Waffen auf dem Luftweg transportiert, neuerdings immer häufiger aber auch auf dem Seeweg. Wie die steigende Zahl von Schiffen unter Billigflaggen zeigt, bewegt sich der Seefrachtverkehr in einem weitgehend rechtsfreien Raum. Die Ware wird im Allgemeinen in Containern verschifft, wobei die Frachtpapiere12 in der Regel von den Exporteuren selbst ausgestellt werden. Überdies werden die Container höchstens stichprobenartig überprüft, die Reeder wissen also im Allgemeinen nicht genau, was sie transportieren. Und da die meisten Cargoschiffe zwischen 5 000 und 7 000 Container aufnehmen können, ist es offensichtlich erschreckend einfach, Waffen in Konfliktgebiete zu schmuggeln.
Zwar besitzt jeder Staat das souveräne Recht, mit seinen Naturressourcen zu verfahren, wie ihm beliebt, doch hat er sich dabei an internationale Abkommen, vor allem aber an seine eigenen Gesetze zu halten. Demnach müssten Naturressourcen, ob Holz oder Diamanten, nachhaltig und zur Förderung des Gemeinwohls bewirtschaftet werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die liberianische Regierung hat der Oriental Timber Company (OTC) angeblich 2 Millionen Dollar an Zollgebühren erlassen. Die Summe wanderte direkt in die Privatschatulle des Präsidenten. Die Holzfäller der OTC, die wie ein Staat eigene Gefängnisse, eigene Kasernen und eine 2 500 Mann starke Miliz unterhält, warteten zeitweise jedoch vergeblich auf ihre Löhne.
Die Länder, die „Konflikt-Holz“ importieren, schieben die Verantwortung auf die Exportländer und kaufen weiterhin bei Firmen, die notorisch in Waffenschmuggel und blutige Konflikte verwickelt sind. Einige dieser Unternehmen verkünden in aufwändigen Werbekampagnen, sie würden die Menschenrechte respektieren und sich für die Umwelt einsetzen. Der unbedarfte Käufer soll glauben, die Holzgewinnung habe mit illegaler Naturzerstörung und Krieg nicht das Geringste zu tun. Das dänische Unternehmen DLH zum Beispiel führt ungeachtet seiner Ankündigung, nur noch bei gesetzestreuen und umweltbewussten Lieferanten zu kaufen, nach wie vor „Konflikt-Holz“ aus Liberia ein.
Die Folgen dieser Verstöße gegen internationale Abkommen treffen die örtliche Bevölkerung hart. In Gebieten, für die eine Forstkonzession vergeben wurde, büßen die Menschen ihre traditionellen Waldrechte ein. Durch Abholzung oder Vertreibung kann sich ihr Leben grundlegend verändern, wenn sie etwa Gemüse und andere Grundbedarfsgüter kaum noch anbauen können. In Liberia haben einige Betroffene die OTC wegen dieser Methoden verklagt. Ohne Erfolg. Überschwemmungen und Trockenheit führen ebenfalls zur Zerstörung der lokalen Ökosysteme. Nur wer von diesem Handel unmittelbar profitiert, kann die Behauptung aufrechterhalten, die Forstwirtschaft komme dem Lebensstandard der Menschen zugute.
Allein ein von der UN verordnetes Verbot könnte den Handel mit „Konflikt-Holz“ beenden. Insofern war es ein Schritt in die richtige Richtung, als der UN-Sicherheitsrat im Mai 2003 ein Embargo auf liberianisches Holz beschloss, das zwei Monate später in Kraft trat. Im Gefolge der erwähnten Untersuchungsberichte über die Demokratische Republik Kongo wurden Konten von einschlägigen Firmen eingefroren und mehrere Beamte suspendiert. Die Nichtregierungsorganisation Global Witness13 wurde als unabhängiger Beobachter zugelassen. Dennoch blieben viele Empfehlungen der Experten unbeachtet. Aus Kambodscha wurde ein unabhängiger Beobachter ausgewiesen, der seine Aufgabe zu gewissenhaft wahrgenommen hatte.
Ende dieses Jahres will der UN-Sicherheitsrat das Embargo auf liberianisches Holz überdenken und eventuell durch ein Programm „Holz für Lebensmittel“ (Wood for Food) ersetzen. Damit könnte die örtliche Holzindustrie den Betrieb wieder aufnehmen, um die Einfuhr dringend benötigter Nahrungsmittel zu finanzieren. Unberücksichtigt blieben bei dieser Entscheidung die engen Verbindungen zwischen Forstwirtschaft und Waffenschmuggel wie auch die massiven Menschenrechtsverletzungen der Milizen als Arbeitgeber. Und natürlich bedeutet das auch, dass Regierung und Rebellen sich erneut Forstkonzessionen verschaffen könnten.
Die Rebellen von den „Vereinigten Liberianern für Versöhnung und Demokratie“ (Lurd) und die „Bewegung für Demokratie in Liberia“ (Model) kontrollieren die Waldgebiete des Landes. Nach dem Sturz von Charles Taylor im August dieses Jahres14 wurde die Model übergangsweise mit der Leitung der Forstwirtschaftlichen Entwicklungsbehörde betraut. Überdies wäre es in einem vom Krieg zerrissenen Land wie Liberia praktisch unmöglich, wirksame Handelskontrollen durchzuführen. Das UN-Programm „Holz für Lebensmittel“ würde unweigerlich dazu beitragen, die Kassen der Kriegsparteien wieder aufzufüllen und eine für das Land wichtige Ressource einer kleinen Elite zu überlassen. Deshalb beschloss der Sicherheitsrat am 6. November, das Einfuhrverbot auf liberianisches Holz für unbestimmte Zeit aufrechtzuerhalten.
deutsch von Bodo Schulze
* Journalistin, Mitglied der Organisation „Global Witness“.