12.12.2003

Gospels und Suren

zurück

Gospels und Suren

Der Kampf gegen den Terrorismus hat in den USA das öffentliche Misstrauen sowohl gegen die islamische Diaspora als auch gegen die „Black Muslims“ der Bürgerrechtsbewegung verstärkt. Dabei haben beiden Gruppen völlig unterschiedliche Wurzeln und Ziele.

Von ABDURAHMAN ADEN *

SO wie es „den Islam“ nicht gibt auf der Welt, weil diese Religion auf ihren Wegen nach Afrika, Asien und Europa vielfältige Einflüsse in sich aufnahm,1 wird der Islam auch in den USA sehr unterschiedlich praktiziert. Da ist zunächst die islamische Diaspora: Millionen Familien, die vorwiegend als Arbeitsmigranten oder politische Flüchtlinge in die USA kamen. Ihr Islam ist eine Fortsetzung des mitgebrachten traditionellen Islam. Der Islam in der Bürgerrechtsbewegung hingegen, der so genannte Black Islam, hat seine Anhänger vornehmlich unter den Nachkommen der schwarzen Sklaven.

Die Bürgerrechtsbewegung ist beinahe so alt wie die Sklaverei selbst, doch von Onkel Toms Hütte bis zum Million Men March war ein weiter Weg. Gewandelt haben sich im Laufe der Zeit vor allem die Formen des Agierens, der Organisationsgrad und die religiöse Färbung. Die Religion war deshalb so wichtig, weil die Gebetshäuser für die Unterdrückten oft die einzige Zufluchtsstätte waren.

Kulturelle Entwurzelung, soziale Deklassierung, Konkurrenz zu den Einwanderern aus Europa und der virulente Rassismus der weißen Bevölkerung waren die wichtigsten Ursachen für die Herausbildung einer schwarzen Identität, die sich zunächst durch das Sklavenschicksal der Vorfahren und die gemeinsame afrikanische Herkunft konstituierte. Noch heute kann man die Frage hören: „Andere Einwanderer wie die Iren, Juden und Italiener haben mit ähnlichen Handicaps angefangen und es doch auch geschafft – warum die Neger nicht?“ Die Schwarzen waren die Einzigen, die für immer durch ihre Hautfarbe stigmatisiert blieben. Und die Einzigen, deren Vorfahren ausnahmslos unfreiwillig kamen, in Ketten, mittellos. Die Einzigen auch, denen die weißen Herren ihre Familienstrukturen zerstörten.

Der Sieg über Nazideutschland, von afroamerikanischen Soldaten mit errungen, und der Aufschwung der antikolonialen Bewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg hatten das Selbstbewusstsein der Afroamerikaner gestärkt und ihre Führer ermutigt, auch auf internationaler Bühne die Rassendiskriminierung in den USA anzuprangern. Die älteste und größte schwarze Bürgerrechtsorganisation, die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People), war zwar dafür, das Verbot der Diskriminierung aufgrund von „Rasse, Sprache, Religion oder Geschlecht“ in die UN-Charta aufzunehmen. Doch diese Bestimmung war durch die Klausel, die der UN Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten untersagt, für die Bürgerrechtler weitgehend wertlos. So folgte auf jede Hoffnung eine Enttäuschung. Enttäuschung über weiße Gesetzgeber, die Gesetze zugunsten der Rechte Farbiger erlassen, ohne sie je umsetzen zu wollen. Enttäuschung über christliche Kirchengemeinden, die mehr weiß als christlich sind, über weiße Pfarrer, die vor dem Unrecht die Augen verschließen, und auch über schwarze Geistliche, die sich mehr für ihr neues Auto interessieren als für ihre seelsorgerischen Aufgaben.

Viele Enttäuschte zogen sich zurück; andere flüchteten sich in eine diffuse Rache an der Gesellschaft, in die Kriminalität. Wieder andere träumten von einem eigenen schwarzen Staat im Staate. Man bemühte sich, ein schwarzes Selbstgefühl aufzubauen: Black is beautiful.

Auch Martin Luther King2 verkündete anfangs: „Wenn der Neger sich selbst annimmt und sich selbst schätzt, wird er das weiße Amerika eines Tages zu der Einsicht bringen, dass die Integration kein Hindernis, sondern eine Chance zur Teilnahme an Schönheit und Vielfalt ist.“

In den Sechzigerjahren schossen schwarze Organisationen wie Pilze aus dem Boden: eigene Kirchenkongregationen, Studentenorganisationen und Berufsverbände. Doch die offiziellen schwarzen Organe propagierten Kompromisse mit der weißen Mehrheitsgesellschaft.

Die Frage, wie und auf welchem Weg die Schwarzen ihren Anteil an der Macht erobern können, spaltete die Betroffenen in zwei Fraktionen: Konfrontation oder Kooperation, Revolution oder Reform, Separation oder Integration, Gewalt oder Gewaltlosigkeit? Martin Luther King plädierte im Namen der christlichen Nächstenliebe: „Was wir brauchen, ist die Erkenntnis, dass Macht ohne Liebe rücksichtslos und schimpflich ist und dass Liebe ohne Macht sentimental und blutleer ist.“

Angesichts zunehmender Spannungen zweifelten auch viele Christen, ob die religiöse Seelenmassage gesellschaftlich zu verantworten sei. Disqualifizierten die Kirchen sich nicht selbst, wenn sie die Benachteiligten zum Stillhalten aufriefen? Machte die Aufforderung Jesu, die Feinde zu lieben, das Christentum zur Religion der Schwachen und Feigen? Jesus, sagten die Unzufriedenen, war ein weltfremder Egoist. Oder sogar: Jesus war ein Weißer, also keiner von uns. Eine Religion, die sich um die Seelen der Menschen kümmert, aber nicht an die Slums denkt, in denen die Seelen verkümmern, ist eine tote Religion. Das war auch eine Kritik an King. Während viele Weiße ihn als Mann der Worte wahrnahmen, von dem man nichts zu befürchten hatte, warfen viele Schwarze ihm Feigheit und Verrat vor.

Die Black Muslims sahen demgegenüber ihre Aufgabe darin, den Schwarzen ihre – vermeintlich islamische – Identität wiederzugeben. Für ihre Selbstdefinition prägten die Anhänger der Black-Muslim-Bewegung den Begriff Nation of Islam. Er drückt aus, dass die Schwarzen sich als das wahre Volk Gottes fühlen und zugleich Anspruch auf Zugehörigkeit zur Bruderschaft der arabisch-islamischen Staaten erheben. Für einen Black Muslim bedeutet die Zugehörigkeit zur Nation of Islam ein Gefühl der Selbstachtung; es bedeutet würdevolles Auftreten, gepflegte Sprache und Kleidung, das Bemühen um einen Broterwerb – und die Ablehnung von Drogen. All das soll die Klischees über „die Schwarzen“ konterkarieren. Die Mischehe mit Nichtmuslimen wird vermieden. Die Neubekehrten beten allerdings lieber getrennt von den Diaspora-Muslimen, weil die Korankenntnis der traditionellen Muslime sie verunsichern und beschämen könnte. Die Afroamerikaner haben den Koran ja nicht im Kindes- und Jugendalter gelernt, sondern sich erst nach dem Bekenntnis zum Islam mit dem Koran vertraut gemacht. Für sie sind vor allem solche Suren bedeutsam, die direkten Bezug zu den Nöten und Notwendigkeiten des US-Alltags haben.

Die Moschee, „Tempel“ genannt, ist oft ein leer stehendes Fabrikgebäude oder eine verarmte Kirche, von Spendengeldern gekauft und hergerichtet. Die Spenden kommen nicht nur von Gemeindemitgliedern, sondern auch von Gläubigen in der arabischen Welt, wobei sich politische Führer wie Gaddafi gern als Unterstützer präsentieren. Das kulturelle Ambiente ist eine Mischung aus Islam und westlicher Kultur. Die Black Muslims achten die fünf Säulen des Islam3 wie andere Muslime, doch der Freitag ist für die meisten ein normaler Arbeitstag. Bei ihren Zusammenkünften wird zu ausgewählten Koransuren frei und inspiriert gepredigt in einem Stil, der mehr protestantisch als islamisch wirkt. Viele Prediger der Black Muslims sind ehemalige christliche Prediger. Nicht die Tradition, sondern das Bekehrungserlebnis steht im Vordergrund. Einige Muslimgemeinden haben sogar den Gospelgesang schwarzer Christen übernommen und mit neuen Inhalten gefüllt.

Der Kampf der farbigen US-Amerikaner um Chancengleichheit wurde unter Einfluss der Muslime qualitativ verändert. Am wichtigsten waren zunächst die Black-Panther- und die Black-Power-Bewegung. Erstere wurde allerdings durch Polizeiaktionen dezimiert, der Letzteren fehlte die Ausdauer, um die Massen zu gewinnen. Doch ohne ihr Sendungsbewusstsein und ihre Appelle, auf die eigene Kraft zu setzen, hätte es die Bewegung der schwarzen Muslime nicht gegeben. Die Nation of Islam verstand sich jedoch nicht als bloße Fortsetzung der bisherigen Bewegungen, sondern als Subjekt des nation building im Geiste des Islam. Damit geriet die Bürgerrechtsbewegung zwischen die Mühlräder Rasse und Religion. Die Black Muslims vertraten zunächst einen konsequenten Separatismus gegenüber den Weißen und verwarfen den American Way of Life. Anfangs, während der 1930er-Jahre, entwickelten sie eine sektiererische Schöpfungslehre, nach der Adam und Eva schwarz und die Weißen degenerierte Schwarze oder gar Geschöpfe des Teufels seien. Die Lehre enthielt zwar islamische Elemente und Begriffe, benutzte aber die Sprache der Bibel, wie sie unter den baptistischen Endzeitpredigern der Südstaaten verbreitet war.

Erst als Malcolm X in die Führungsspitze aufstieg und seine Mission viel stärker politisch als religiös auffasste, wurde die Nation of Islam in den 1960er-Jahren zum aggressiven und kompromisslosen Gegenpol der friedlichen Bürgerrechtsbewegung eines Martin Luther King. Ihren Ursprung hatte die Bewegung der Black Muslims im Getto von Detroit, wo seit 1930 der selbst ernannte Prediger Wallace Fard und sein Schüler Elijah Muhammad (1897–1975) wirkten. Doch dann begann der Aufstieg des Exdrogenhändlers Malcolm Little (1929–1965), der 1952 sein Bekehrungserlebnis hatte. Dieser neue Anführer nannte sich Malcolm X – wobei das X für den anonymen Schwarzen aus dem Getto stand. Er formte die Nation of Islam zu einer disziplinierten, auch ihren Mitgliedern gegenüber repressiven politischen Organisation mit eigenem paramilitärischen Ordnungsdienst.4

Für Malcolm X waren alle Weißen Christen und alle Schwarzen Muslime. Seinen antirassistischen Rassismus setzte er in eine naive, aber publikumswirksame Rhetorik um. „Es ist so, als hättest du einen Kaffee, der zu schwarz ist – das heißt, er ist zu stark. Was machst du? Du mischst ihn mit Milch, du machst ihn schwach. Aber wenn du zu viel Milch hineintust, merkst du nicht einmal mehr, dass es Kaffee ist. Er war heiß, jetzt ist er kalt. Er war stark, jetzt ist er schwach. Er machte dich wach, jetzt macht er dich müde.“ Auch die Kritik an der Kompromissbereitschaft Kings formulierte Malcolm X in dieser drastischen Sprache: „Man kann nicht einem Mann ein Messer neun Zentimeter tief in den Rücken stoßen, es dann bis auf sechs Zentimeter herausziehen und fragen: ‚Geht es dir jetzt nicht besser?“

Malcolm X liebte Menschen wie Muhammed Ali alias Cassius Clay, und er hasste Schwarze, die sich anpassten. Er trug zur Polarisierung bei, indem er seine Brüder in „Hausneger“ und „Hofneger“ einteilte: Die Weißen hätten seit der Sklavenzeit immer einzelne Schwarze besser behandelt als die Masse draußen auf den Feldern. So habe sich eine Schicht von Kollaborateuren entwickelt, die stets für den „guten Herren“ Partei ergreifen würde. „Hausneger“ waren für ihn Martin Luther King und seine Mitstreiter. Für deren historischen Marsch auf Washington von 1963 hatte Malcolm X nur Spott übrig: „Wer hat schon einmal zornige Revolutionäre gesehen, die sich ausgerechnet bei den Leuten, gegen die sie eigentlich rebellieren sollten, einhaken und mit ihnen ‚We Shall Overcome‘ singen?“

Martin Luther King verkörperte die Hoffnungen einer schwarzen Mittelklasse, die durch die Rassentrennung ihre Aufstiegschancen blockiert sah. Sie warf den schwarzen Muslimen „umgekehrten Rassismus“ vor. Malcolm X dagegen sprach vor allem für die schwarze Unterklasse; und die hatte auch vom Ende der Segregation nicht viel zu erwarten. Über fragwürdige Integration sagte er 1964 in einem Interview: „Das Wort Revolution heißt wörtlich Umwaelzung [deutsch im englischen Text], was eine völlige Veränderung bedeutet. Aber die Negerrevolution ist keine Revolution, denn sie verurteilt erst das System und bittet dann das System, das man verurteilt hat, die Neger ins System zu integrieren.“

Erst während seiner Haftzeit hatte Malcolm X den Koran studiert und war zum Islam konvertiert. Was ihn dabei anzog, war das Menschenbild des Islam: „Ihr seid Menschen, und alle Menschen sind gleich vor Gottes Angesicht. Keiner wird mit einem Schandmal im Gesicht geboren, niemand kommt mit einem Ehrenzeichen an der Brust auf die Welt. Der allein ist angesehen und geachtet, der gottesfürchtig und fromm und aufrichtig in Wort und Tat ist.“ Das führte zur Forderung nach gleichen Rechten für alle Rassen. Andererseits ging Malxom X von ihrer scheinbar unabänderlichen Trennung aus. Erst die Pilgerfahrt nach Mekka brachte ihn zu der späten Einsicht, dass der Islam eine wahrhaft rassenübergreifende Religion ist. Noch nie hatte er so viele weiße Muslime gesehen, musste er doch die hellhäutigen Orientalen und Asiaten zu den Weißen rechnen.

Malcolm X konnte seine neue Erkenntnis nicht mehr in die Bewegung hineintragen, weil er 1965 ermordet wurde. Malcolm X und der Sänger und Musiker Louis Farrakhan (geb. 1933),5 ehemals gläubiger Christ, waren die bekanntesten Schüler von Elijah Muhammad. Offizieller Nachfolger Elijahs als oberster Prediger der Nation of Islam wurde jedoch dessen Sohn W. D. Muhammad, der sich um Annäherung an die weltweite islamische Mehrheit, die Sunniten, bemühte und dafür den Anspruch der Einzigartigkeit der schwarzen Rasse aufgab. Louis Farrakhan, Leiter der großen Chicagoer Gemeinde, war damit nicht einverstanden. Den Rivalitäten in den eigenen Reihen fiel Malcolm X zum Opfer. Seine Ermordung – noch zu Lebzeiten Elijahs – wurde unbekannten Schülern Elijahs zugeschrieben.

Louis Farrakhan baute dann die Nation of Islam zu einer Bewegung auf, die von der Weltöffentlichkeit nicht mehr übersehen werden konnte. In seiner Rede zum Million Men March am 16. Oktober 1995 in Washington meinte er an die Adresse von Präsident Clinton: „Ich muss Ihnen sagen, dass ich mich als Arzt sehe, der die Wahrheit aussprechen muss, der sagt, was schlecht ist. Und die schmerzliche Wahrheit ist: Amerika ist durch seine Macht arrogant geworden. Macht und Reichtum haben Amerika spirituell blind gemacht. Und jetzt hindern Amerikas Macht und Arroganz Sie daran, zu hören, dass ausgerechnet ein Nachkomme von Sklaven das Schlechte in Ihrer Gesellschaft benennt.“

Farrakhan ist eine Kultfigur für junge Schwarze: Man geht zu seinen Ansprachen wie zu einem Popkonzert und sampelt Teile seiner Reden in Musik. Er ist ein bildhafter Redner, der in der Tradition von Malcolm X die Gewaltlosigkeit eines Martin Luther King ablehnt. Selbstbewusst hielt er seine Rede am historischen Ort, wo einst Martin Luther King sein „Ich hatte einen Traum“ sprach und mit Menschen aller Hautfarben „We Shall Overcome“ sang. Dem hielt Farrakhan entgegen: „Wir sollten nicht farbenblind sein, schließlich hat Gott uns mit verschiedenen Hautfarben geschaffen.“ Farrakhan mahnt aber auch die Afroamerikaner selbst mit seiner Kritik: Sie sollten nicht über das ihnen angetane Unrecht klagen, sondern ihr privates und berufliches Leben selbst in die Hand nehmen. Schwarze Männer sollen für ihre Kinder sorgen und aufkommen, sollen ein Geschäft eröffnen und die Wirtschaft ihres Stadtviertels voranbringen, sie sollen den Drogen und den vielen Süßigkeiten und dem Fastfood entsagen, denn Allah will seine Anhänger schön, gesund und sauber sehen (und eben nicht als gettotypische Armutsdicke). Als Geste der Versöhnung mit seinem ehemaligen Rivalen Malcolm X lud Farrakhan die Witwe des Ermordeten ein, als einzige Frau auf seiner Kundgebung zu sprechen. Auch was den traditionellen, unheilvollen Hass der Black Muslims auf die US-amerikanischen Juden anbelangt, rief er im letzten Jahr zur Mäßigung auf. Trotz ihrer Bekehrung sind die schwarzen Muslime US-amerikanisch sozialisiert, ihre Mentalität und Verhaltensweise bleiben amerikanisch. Sie teilen das selbstgefällige Weltbild vieler US-Amerikaner, wonach Staaten und Menschen anderer Kontinente klein und bedeutungslos sind.

Angesichts der neuen Verteufelung des Islam seit dem 11. September 2001 fühlen sich viele afroamerikanische Muslime verunsichert. Die Aufgeklärten unter ihnen lehnen alle Verschwörungstheorien ab, aber sie halten auch Ausnahmekarrieren von farbigen Falken wie Colin Powell und Condoleezza Rice nur für eine Show. Sie empfinden Solidarität mit Palästinensern und Irakern und dürfen sie im gegenwärtigen Klima nicht öffentlich zeigen. So herrscht unter den schwarzen Muslimen bedrückende Stille, solange der weitere Verlauf im Irak ungewiss ist. Rückschläge und Misserfolge im Irak bekommen die Schwarzen immer sofort zu spüren, weil sie als Erste arbeitslos werden.

Offen bleibt auch die Frage, was die neuen Sicherheitsgesetze der Bush-Administration für die Black Muslims bedeuten werden. Verfolgung, Lauschangriffe, Schikanen durch das FBI, Polizeiwillkür und illegale Festnahmen sind in den USA heute an der Tagesordnung. Wer einen Muslimnamen trägt, kann bei der Aufnahme in die Armee wie bei der Jobsuche besondere Schwierigkeiten bekommen. Gleichzeitig ist die US-Regierung jedoch bemüht, die Muslime im eigenen Land mit Vorsicht zu behandeln und ihre Diskriminierung zu beschönigen, denn Präsident Bush ist bei der bevorstehenden Wahl auch auf die Stimmen von Schwarzen und Migranten angewiesen. Die Black Muslims können nur gewinnen, wenn sie ein breites Bündnis mit den demokratischen Bewegungen schließen. Das setzt voraus, dass sie jeglichen Ruch von Antisemitismus vermeiden. Der Rückblick auf die Geschichte der Bewegung zeigt: Mit Liebe allein kann man nicht gewinnen, aber auch auf Hass lässt sich keine Heimat aufbauen.

Dieser Text erscheint nurin der deutschsprachigen Ausgabe

* Geschäftsträger der Botschaft Somalias a. D., Jurist und Publizist. Lebt bei Bonn.

Fußnoten: 1 Abdurahman Aden, „Vor Allah sind alle Somali gleich“, Le Monde diplomatique, Januar 2003. 2 Martin Luther King (deutsche Übersetzung von Hans Lamm), „Warum wir nicht warten können“, Frankfurt/M. (Fischer TB) 1965. 3 Sayyid Abu-A’la Maudoodi: „Weltanschauung im Leben und Islam“, Herder Bücherei Band 397, Herder (Freiburg) 1971. 4 David Gallen: „Malcolm A to X“, New York (Carroll & Graf Publishers) 1992. 5 Hans Hielscher, „Gott ist zornig, Amerika. Der Aufstieg des Schwarzenführers Louis Farrakhan“, Bonn (Dietz) 1996.

Le Monde diplomatique vom 12.12.2003, von ABDURAHMAN ADEN