Kupfer aus Sambia
Radikale Privatisierung, Umweltschäden und das Auf und Ab der Weltmarktpreise von Jean-Christophe Servant
Peter und Irene sind 30 Jahre alt.1 Nach ihrem Studium an der University of Zambia in Lusaka fanden die beiden Diplomingenieure Arbeit bei den Konkola Copper Mines (KCM), dem landesweit größten Kupferproduzenten. Deshalb lebt das junge Paar seit 2006 in der kleinen Bergwerksstadt Chingola, im „Copperbelt“ von Sambia.
Das Land erwirtschaftet über die Hälfte seines Bruttoinlandsprodukts im Bergbau. KCM produziert allein 70 Prozent des sambischen Kupfers. Deshalb gehören Peter und Irene zu den Bestverdienern: Die Aktiengesellschaft zahlt den beiden Ingenieuren ein monatliches Nettogehalt von 5 Millionen Kwacha (700 Euro) und Mitarbeiteranteile, die sie in einem Jahr einlösen können. Das monatliche Durchschnittseinkommen der 400 000 Beschäftigten der Kupferbranche liegt bei 2 Millionen Kwacha (281 Euro), während 68 Prozent der 11 Millionen Sambier von weniger als 1,40 Euro am Tag leben.
Natürlich musste das junge Paar auch zu Opfern bereit sein. Als Irene, die für die Bevorratung der zur Kupferverarbeitung erforderlichen Chemikalien verantwortlich ist, vor zwei Jahren zu einer Fortbildung ins ferne Indien geschickt wurde, mussten Mann und Kind in Sambia bleiben. 2004 ist der britisch-indische Bergbaukonzern Vedanta bei KMC als größter Anteilseigner eingestiegen. Die Übernahme ist nur das jüngste Beispiel einer Privatisierungswelle, die Sambia seit Ende der 1990er-Jahre überrollt. Seitdem wurden 257 der 280 Staatsbetriebe privatisiert. Nahezu 100 000 Beschäftigte wurden entlassen, davon allein 40 000 beim Staatsunternehmen Zambia Consolidated Copper Mines (ZCCM), das nach und nach in lauter kleine Produktionsstätten zerlegt wurde. Mit der Förderstätte von Chingola hat Vedanta das größte Kuchenstück erworben.
Irene hat an ihren Aufenthalt in Indien nur gute Erinnerungen. Doch als sie auf ihren alten Arbeitsplatz bei KCM zurückkehrte, waren manche sambische Kollegen durch junge Inder ersetzt worden, die „bei gleicher Qualifikation besser bezahlt werden als wir, in neuen Siedlungen wohnen und Dienstwagen gestellt bekommen“.
Sie registrierte auch, dass das Leben für die kleine Familie in Sambia teurer geworden war. Besonders stark stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel und Benzin, aber auch ihre Miete: 2 Millionen Kwacha (281 Euro) zahlen sie für eine Dreizimmerwohnung, in der andauernd der Strom ausfällt und die Küche von Kakerlaken wimmelt.
Kurz vor Weihnachten 2008 wurde die Miete wieder auf 1,7 Millionen Kwacha (239 Euro) gesenkt, parallel zum Weltmarktpreis für Kupfer, der von Juli bis Ende 2008 von 8 675 US-Dollar (6 700 Euro) pro Tonne auf 2 817 US-Dollar (2 206 Euro) abstürzte. Die 20 000 Beschäftigten im Bergbausektor bangten um ihre Zukunft. Und Arbeiter wie Manager dachten nur noch ans Sparen: Erstere befürchteten im neuen Jahr erhebliche Preissteigerungen, Letztere sorgten sich um ihre schönen Gewinne.
Als Erste reagierte die sambische Vedanta-Filiale, die für die letzten vier Monate von 2008 nur noch einen Gewinn von etwa 122 Millionen US-Dollar auswies, während er im vorangegangenen Trimester noch doppelt so hoch war. Sie kündigte vielen ihrer – überwiegend südafrikanischen – Zeitarbeitsfirmen. Tausende unterbezahlte Beschäftigte, die keiner Gewerkschaft angehören und oft für die gefährlichsten Arbeiten eingesetzt werden, verloren ihren Job. Außerdem zögerte Vedanta fällige Zahlungen an ihre Zulieferbetriebe zum Teil so weit hinaus, dass einige von ihnen Konkurs anmelden mussten. Für die verbleibende Belegschaft wurde die Arbeitszeit verdichtet: „Vier Tage Zwölfstundenschichten und dann zwei Tage frei“, berichtet ein Gewerkschafter von der Miners Union of Zambia (MUZ), der größten sambischen Bergarbeitergewerkschaft.
„Sie machen uns fertig“, erzählt Peter. „Wir müssen uns Tag und Nacht in Bereitschaft halten. Wenn das so weitergeht, wird es wieder zu Unfällen kommen.“ James Lungu, der Wirtschaftswissenschaften an der Copperbelt University in Kitwe lehrt, regt sich auf: „Wer hat von den hohen Rohstoffkursen in den letzten Jahren profitiert? Die Minengesellschaften samt ihren Aktionären. Und wer wird unter dem Absturz leiden? Die Bergarbeiter, deren Familien und die Umwelt. Wir stehen vor einer sozialen Katastrophe.“
Durch den Copperbelt fließt der Kafue, der südlich von Lusaka in den Sambesi mündet. Am 6. November 2006 mussten die Anwohner entdecken, dass sich der ganze Fluss grünblau verfärbt hatte. Durch eine Panne bei Vedanta waren giftigen Rückstände ins Wasser geleitet worden. Mindestens zwei Tage lang gab es kein Trinkwasser für die 2 Millionen Einwohner des Distrikts Chingola, von denen 100 000 direkt aus dem Fluss schöpfen. Hunderte mussten ambulant behandelt werden, nachdem sie Fisch aus dem Kafue gegessen hatten. Das Wasser wurde analysiert. Die Belastung mit Schwermetallen lag zwei- bis über zehnmal höher als die entsprechenden Grenzwerte der Weltgesundheitsbehörde (WHO). So wurden in einem Liter Wasser 38,5 mg Magnesium, 10 mg Kupfer und 1 mg Kobalt gefunden. Und mit einem pH-Wert von 1,5 hatte sich der Kafue über Nacht in einen sauren Fluss verwandelt.
Als ein Mitarbeiter von Vedanta gestand, dass sein Unternehmen für die Verseuchung des Kafue verantwortlich sei, wurde er umgehend entlassen. Der Konzern drohte außerdem der staatlichen Times of Zambia, keine Anzeigen mehr in der Tageszeitung zu buchen, falls sie über den Vorfall berichten würde. Die Redaktion blieb standhaft, und der Skandal wurde publik. Auf Beschluss des Umweltrats von Sambia musste Vedanta seine Kupferproduktion in Chingola einstellen. Aber als sich der Konzern beschwerte, er habe dadurch 2 Millionen Euro eingebüßt, konnte der Betrieb weitergehen und die Wasserverseuchung auch.
Es war während der Regenzeit, als wir dem gigantischen Bergwerk einen unangekündigten Besuch abstatteten. Ein danteskes Schauspiel bot sich uns dar. Auf drei Kilometern lief der Kontrolldamm über und das beißend riechende kupferhaltige Wasser ergoss sich in einem zum Kafue strömenden Bach. „Sicher, wir verschmutzen. Aber Bergwerke sind nun einmal Dreckschleudern“, meinte einer der sambischen Angestellten von Vedanta. „Zur Zeit der ZCCM war es noch viel schlimmer. Wir haben die ewigen Vorwürfe satt. Ein Bergwerk lässt sich eben nicht ohne Umweltverschmutzung betreiben“, sagt auch Sampa Chita, die für die KCM das Programm „Unternehmensverantwortung für Soziales“ leitet.
Vedanta ist die einzige in Sambia niedergelassene Bergbaugesellschaft mit einem derartigen Programm. Sampa Chita, die in einem leeren Büro ohne Computer sitzt, schätzt ihr Budget auf „12 oder 13 Millionen Dollar“. Das Geld dient dem Kampf gegen Malaria und der Aufklärung über Aids, es finanziert ein Waisenhaus, Universitätsstipendien und Brunnenbohrungen.
Selbst der Cricket Club bezieht Geld aus dem Programm, mehr sogar als der Fußballverein. „Weil die Inder lieber Cricket spielen?“, fragen wir. Sampa Chita weicht aus. Zum ersten Mal sind die Nchanga Rangers, die vor 60 Jahren gegründete Fußballmannschaft der Kupferminen von Chingola, in die zweite Liga abgestiegen. Über die Gewinne, die das Unternehmen mit der Kupferförderung erzielt, weiß Sampa Chita angeblich nicht Bescheid. Allerdings muss sie einräumen, dass ihre Abteilung – gemessen an den Bedürfnissen – noch mehr Mittel bräuchte. „Die staatliche ZCCM hat sich sozialpolitisch engagiert. Aber sie war sicher zu sozial“, sagt sie gleich dazu. „Wir dagegen sehen mehr auf die Erträge. Ist es etwas Unrechtes, Gewinne machen zu wollen? Wer investiert, und im Bergbau fallen gewaltige Investitionen an, will auch Profite sehen. Man muss doch realistisch bleiben.“ Nachdem Vedanta 2004 mit 51 Prozent die Mehrheit an der KCM erworben hatte, meldete der Konzern schon nach drei Monaten ein Plus von 19,5 Millionen Euro.
Die Begeisterung über die Chinesen war rasch verflogen
James Lungu und Alastair Fraser haben die Hintergründe der Privatisierung von Sambias Kupferminen recherchiert2 , die Präsident Chiluba3 – unter Anleitung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) – durchgezogen hatte. „Die Privatisierung der ZCCM wurde auf höchst undurchsichtige Weise betrieben, ohne Parlamentsdebatte. Das Ganze lief über leoninische Verträge4 , die kaum jemand zu sehen bekam“, berichtet Lungu. „Die Bewohner des Copperbelt haben davon jedenfalls nicht profitiert. Die Umwelt übrigens auch nicht.“
Lungus Darstellung wird von Edith Nawakwi bestätigt, die damals als Finanzministerin den Privatisierungsprozess begleitet und beaufsichtigt hat: „Weltbank und IWF sagten uns damals, dass ein Ansteigen des Kupferpreises in Zukunft völlig ausgeschlossen sei. Alle Untersuchungen würden zeigen, dass in den nächsten 20 Jahren keine Gewinne mehr herauszuholen seien. Dagegen könnte die Privatisierung helfen, unsere Schulden abzubauen. Man hielt uns also ein Stück Zuckerbrot unter die Nase. Da blieb uns nichts anderes übrig, als darauf einzugehen.“5
In letzter Zeit hat sich die internationale Presse vor allem mit dem chinesischen Engagement im Copperbelt beschäftigt. Knapp vier Jahrzehnte nach Baubeginn an der Tanzam-Railway6 , die den Binnenstaat Sambia mit dem Hafen von Daressalam in Tansania verbindet, legte Peking in Sambia ein bemerkenswertes Comeback hin – diesmal allerdings nicht unter dem ideologischen Vorzeichen einer Dritte-Welt-Solidarität, sondern auf ganz pragmatische Art. Heute ist China der drittgrößte Handelspartner des subsaharischen Afrika.
Doch die Begeisterung über die angebliche Win-win-Konstellation verflog auf einen Schlag, als es im April 2005 bei der Explosion in einer chinesischen Sprengstofffabrik in Chambishi 52 Todesopfer gab. Noch im Februar 2007 zog es Chinas Präsident Hu Jintao bei seinem Besuch in Sambia vor, eine Fahrt durch den Copperbelt abzusagen.
In den chinesischen Betrieben sind die Arbeitsbedingungen ohne Zweifel schlechter als früher unter den von Kanadiern, Schweizern oder Südafrikanern dominierten Rohstoffmultis. Die Löhne sind niedriger, den Arbeitern ist das Recht auf gewerkschaftliche Organisation verwehrt. Dennoch dürfe man nicht vergessen, „dass es nicht die chinesischen Unternehmen waren, die das Kupfer privatisiert haben,“ betont Sam Mulafulafu, der Leiter des sambischen Caritas-Hilfswerks.
Auch in einer Studie der südafrikanische Stiftung Bench Marks Foundation wird nachgewiesen, dass sich die Verhältnisse seit der „Mondialisierung“ Sambias und dem Engagement internationaler Konzerne aus aller Welt verschlechtert haben. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass diese Konzerne in Sambia in Bezug auf Gesundheit, Sicherheitsvorkehrungen und Umweltschutz oft laxere Maßstäbe anlegten als in ihren Betrieben in den westlichen Industriestaaten.7
Im Januar 2008 wurde in Mufulira, etwa 40 Kilometer von Chingola entfernt, das Grundwasser durch die Kupferproduktion der Mopani Copper Mine (MCM) verseucht. Über 800 Bewohner eines an die MCC grenzenden Township litten an Durchfall, Erbrechen und Unterleibsschmerzen. Die MCM ist ein Joint Venture der Schweizer Glencore-Gruppe und des kanadischen Konzerns First Quantum Minerals und wurde in der Aufbauphase unter anderem von der Europäischen Investitionsbank finanziert.
Unfälle dieser Art, die immer wieder vorkommen, erhöhen die „ökologischen Schulden“, wie es die Wirtschaftswissenschaftlerin Nachilala Nkombo und die Juristin Brenda Mofya ausdrücken. Bei der Privatisierung seien die Belange der Umwelt geopfert worden, betonen die beiden jungen Wissenschaftlerinnen. Das aber gehe, im Unterschied zur Staatsverschuldung, unmittelbar zulasten des sambischen Volkes: „Diese ökologischen Schulden zählen viel mehr als die 5,4 Milliarden Euro, die der sambische Staat dem IWF damals geschuldet hat.“8
Im Township Kankoyom am Rand der Bergbaustadt Mufulira leben über 30 000 Menschen. Fäkalien und Abwässer fließen in offenen Rinnen, die Blechdächer der Baracken sind vom sauren Regen zerfressen, man sieht verlassene Krankenstationen und Läden mit kaputten Fenstern. Was von der Zeit der ZCCM noch übrig ist, versuchen die Bewohner heute mehr schlecht als recht instand zu halten. Wie ein Geschwür frisst sich die Siedlung in die flaschengrüne Landschaft. Der Boden ist fruchtbar, dank der Regenzeiten. Doch im Township wachsen nur zwei Pflanzen: Avocados und Kakteen. Vom Hüttenwerk der MCM ziehen ständig Giftwolken herüber. An manchen Tagen legt sich über die ganze Siedlung ein erstickender Nebel. Pro Jahr werden etwa 700 000 Tonnen Schwefeldioxyd in die Luft geblasen. Immer wieder kommt es zu Choleraepidemien. Auf den Abraumhalden sitzen bewaffnete Wachleute der MCM auf Plastikstühlen und passen auf, dass sich niemand heranschleicht, um in den Abfällen zu wühlen.
Der ehemalige Bergarbeiter Percy Chanda sitzt heute für die Oppositionspartei Patriotische Front im regionalen Parlament von Mufulira. Sein Büro hat er in einer ehemaligen Krankenstation eingerichtet. Die Luft ist stickig. „Ich hab nichts gegen ausländische Firmen“, sagt Chanda. „Wir brauchen sie doch. Aber die Art und Weise, wie sie sich im Copperbelt aufführen, finde ich bedauerlich. Sie hören uns nicht einmal an. Stellen Sie sich vor, Sie kommen zu mir nach Haus und ich koche für Sie. Sie würden mir doch sicher anbieten, den Tisch zu decken, oder? Die neuen Bosse hier machen keinen Finger krumm und warten auf den nächsten Gang.“
Chanda kann sich noch gut an „die goldenen Zeiten“ des Staatskonzerns ZCCM erinnern, der sich von der Wiege bis zur Bahre um alle Belange der Bergleute und ihrer Familien kümmerte: Er hielt die Siedlung instand, betrieb die Schulen und die medizinische Versorgung, organisierte Abendkurse und Sportvereine. Die ZCCM besorgte alles, sie wechselte sogar die kaputten Glühbirnen in den Häusern aus, witzeln die Alten.
Chanda arbeitete noch im Bergwerk, als die ZCCM täglich 550 000 Euro Minus machte. Der Preis für eine Tonne Kupfer lag damals bei 2 500 Dollar. Dann hat er als kämpferischer Vertreter der Bergarbeitergewerkschaft die große „Verschlankung“ im Zuge der Privatisierung erlebt, ehe er 2006 Abgeordneter wurde. „Ich hatte keinerlei Informationen über die genauen Vereinbarungen bei der Privatisierung“, erzählt auch er. „Auch nicht über die Gewinne, die seitdem erzielt wurden. Ich konnte nicht einmal die Mitglieder des Verwaltungsrats sprechen, als sie hier waren. Ich komme mir vor wie einer, der im Dunkeln schreit.“
Als der Kupferpreis stieg, versuchte er für die Bergarbeiter eine Lohnerhöhung auszuhandeln. „Sie erklärten uns, die Hausse werfe nichts ab, man habe das Kupfer vorweg zu Preisen des Vorjahres verkauft. Jetzt sagen sie uns, wegen des Preisverfalls seien sie gezwungen, Leute zu entlassen. Dabei verkaufen sie immer noch zu den Septemberpreisen. Dem Höchststand! Aber wissen Sie, es ist gefährlich, auf fremdem Boden inmitten seiner Feinde zu leben. Eines Tages werden sie bereuen, was sie uns angetan haben.“
Weiter südlich in der alten Bergbaustadt Luanshya haben die Luanshya Copper Mines (LCM), ein in den Niederlanden eingetragenes israelisch-schweizerisches Joint Venture, kürzlich die gesamte Belegschaft von1 300 Leuten entlassen. „Die Produktion wird erst wieder aufgenommen, wenn die Kupferpreise steigen“, erklärt der LCM-Generaldirektor Derek Webbstock, der den Eingang zum Minengelände von 60 Polizisten bewachen lässt. Die LCM soll bereits heimlich Ausrüstungen – den zerlegten Förderturm und Rohrstutzen – auf Lastwagen herausgeschafft und nach Südafrika transportiert haben.
Man munkelt, die Chinesen wollten die Mine übernehmen. Im Selbstbedienungsladen zählen die Kunden ihre Scheine. Der Gewerkschafter Boniface Kabwe, Vater von vier Kindern, erzählt: „Im Oktober haben einige Bergarbeiter bei einer Bank in der Stadt Kredite beantragt. Aber man sagte ihnen, sie hätten nicht genügend Sicherheiten zu bieten. Offenbar wusste die Bank von der Grubenschließung schon vor der Regierung! Die hat es zuletzt erfahren!“
Davor waren die Beziehungen zwischen LCM und den Einwohnern recht gut gewesen. Im Gegensatz zu anderen Bergbaustädten wurde die Zufahrtsstraße saniert. 2008 wurde Luanshya zur saubersten Stadt des Copperbelt gekürt. Die Abgaben der LCM machten zwei Drittel der städtischen Steuereinnahmen aus, das waren im zweiten Halbjahr 2008 über 1,2 Milliarden Kwacha (168 000 Euro).
„Erst kürzlich haben sie uns noch gesagt, dass trotz der Krise genügend Geld da sei“, berichtet Mutakela Kayonde vom Amt für Stadtplanung. „Die Schließung trifft ja die Bergarbeiter mitsamt ihren Familien, bei acht Personen pro Haushalt kommt man da fast auf die Einwohnerzahl einer kleinen Stadt.“ Und er fragt sich, wie viele im Copperbelt, ob die Unternehmen mit dem Sturzflug des Kupferpreises vielleicht nur einen neuen Vorwand gefunden haben, um den sambischen Staat unter Druck zu setzen.
Mit der Krise ist der Hollywoodfilm zu Ende
Im Frühjahr 2008, viel zu spät nach Ansicht mancher Kritiker, rang die Regierung sich endlich dazu durch, die Verträge über den Rohstoffabbau zu revidieren. Die Körperschaftsteuer für die Konzerne wurde von 25 auf 30 Prozent angehoben, die Gewerbesteuer von lächerlichen 0,6 auf 3 Prozent.9
Angesichts der bescheidenen Summen, die bis dahin in die Staatskasse Sambias geflossen waren, fand das erstmals auch die Zustimmung der Weltbank. Denn der Kupferabbau hatte dem Land nichts mehr eingebracht, während die Konzerne dicke Dividenden einstrichen. Zudem hatten es die internationalen Betreiber als versierte Steuerhinterzieher geschafft, ihre Gewinne über Offshore-Töchter unversteuert außer Landes zu bringen.
2008 konnten die Konzerne aus dem Kupferabbau in Sambia eine Gewinnsumme von 2,34 Milliarden Euro erzielen. Hingegen wird die sambische Staatskasse von den 325 Millionen Euro, die ihr zustehen, am Ende wohl höchstens 200 Millionen einnehmen. Obwohl die Steuersätze in Sambia immer noch zu den niedrigsten im südlichen Afrika gehören, haben die größten Bergbaukonzerne die neue Regelung unverzüglich angefochten und drohen sogar damit, die Streitigkeiten mit dem sambischen Staat vor die Handelsgerichte ihrer Ursprungsländer zu bringen.
Sambias neuer Präsident Rupiah Banda, der nach dem Tod seines Vorgängers die Wahlen Ende Oktober 2008 knapp gewinnen konnte und unverzüglich vereidigt wurde10 , hat bereits angekündigt, dass seine Regierung mit den Bergwerksgesellschaften über Steuererleichterungen verhandeln wird: „Wir dürfen nicht das Huhn schlachten, das goldene Eier legt. Was helfen uns ein paar Millionen Dollar zusätzliche Steuergelder, wenn wir tausende Arbeitsplätze verlieren?“11
Fred M’membe ist Chefredakteur von The Post, der größten oppositionellen Tageszeitung Sambias. Der engagierte Journalist ist heute einer der reichsten und einflussreichsten Männer des Landes, wegen seiner Leitartikel und weil er in Sambias New Economy mitmischt. „Unsere Regierung hat den ausländischen Unternehmen alle Türen geöffnet, aber nie die Möglichkeit gehabt, sie auch wieder zu schließen. Die Wirtschaftspolitik eines Landes darf nicht von Verträgen diktiert werden, die mit Privatunternehmen abgeschlossen wurden“, meint M’membe. Und dann erklärt der erfolgreiche Unternehmer, der eine Baseballmütze der Kommunistischen Partei Südafrikas auf dem Kopf und einen Humvee vor der Tür stehen hat: „Die Privatisierungen haben zwar eine Art Hoffnung erzeugt, aber jetzt ist der Hollywoodfilm zu Ende. Die internationale Krise hat uns die Augen geöffnet. Es gibt nur einen Ausweg: Der Staat muss bei den Bergwerken wieder einsteigen. Egal wie, ob durch Kooperativen oder durch Verstaatlichung. Die Profite aus den Minen müssen in erster Linie dem eigenen Volk zugutekommen.“
Die Zink- und Bleivorkommen von Kabwe waren einmal die reichsten in ganz Afrika. Die Förderung wurde Mitte der 1990er-Jahre eingestellt, nachdem die Mine fast ein Jahrhundert lang vom südafrikanischen Konzern Anglo American ausgebeutet worden und praktisch erschöpft war. Die hinterließ eine Umweltkatastrophe: Trotz eines von der Weltbank finanzierten Sanierungsprogramms zählt die 300 000-Einwohner-Stadt nach einer Analyse des New Yorker Blacksmith Institute immer noch zu den zehn am stärksten verschmutzten Industriestädten der Welt.12 In Kabwe wurden im Blut von Kindern Bleigehalte festgestellt, die um das Fünf- bis Zehnfache höher lagen als die von der US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) festgelegten Grenzwerte.
In einer Mulde der alten Abraumhalde geht die Suche nach Bodenschätzen weiter. Jugendliche aus den umliegenden Townships schaufeln Brocken von Magnesium-, Kupfer- oder Kobalterz in 100-Kilo-Säcke, die sie dann an Zwischenhändler verkaufen. Ihre Väter waren noch in der Mine beschäftigt. Doch die Erzwilderei ist gefährlich: 2007 kamen drei Jugendliche zu Tode, als der Boden wegsackte.
Im Umkreis von 20 Kilometern rund um die Stadt finden sich beunruhigende Konzentrationen von Bleistaub im Boden; das Wasser ist von anderen Metallen belastet. Das hat der Landwirtschaft den Garaus gemacht, doch fährt man etwas weiter Richtung Lusaka, erinnern die Maisfelder und Gemüsestände entlang der Straße daran, dass Sambia nicht nur über Bodenschätze, sondern auch über einen ebenso großen Reichtum an fruchtbarem Ackerland verfügt. Viele Bergleute sind aufs Land zurückgekehrt, um die alten Felder der Familie zu bewirtschaften.
Als wir uns zu Peter Kapumba aufmachen, fahren wir durch eine bukolische Landschaft, die fast vergessen machen könnte, dass 80 Prozent der Landbevölkerung immer noch unterhalb der Armutsgrenze leben. Wegen der einseitigen Fixierung auf das Kupfer hat Sambia jahrzehntelang seine Landwirtschaft vernachlässigt. Inzwischen leiden 35 Prozent der Bevölkerung an Hunger. Eine sechsköpfige Familie braucht zum Leben mindestens 1,2 Millionen Kwacha (168 Euro) im Monat.
Auf der alten Kolonialfarm von Peter Kapumba leben drei Generationen unter einem Dach. „Das Leben ist hart“, sagt der frühere Minenarbeiter. Er hat die Statur eines Boxers, die Wirkung der Säuren hat seine Augen ganz hell gemacht. „Aber hier ist es immer noch besser als in der Stadt. Ich glaube, die Landwirtschaft ist die Zukunft dieses Landes. Nur müsste die Regierung die Wirtschaft endlich bewusst diversifizieren. Anders geht es sowieso nicht. Denn irgendwann wird es kein Kupfer mehr geben.“
Aus dem Französischen von Grete Osterwald
Jean-Christophe Servant ist Journalist und Autor von (zusammen mit Anne-Cécile Robert): „Afriques, années zéro. Du bruit à la parole“, Nantes (L’Atalante) 2008.