11.03.2005

Die Dollar-Story

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Die Dollar-Story

OB der Dollarkurs steigt oder fällt, die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind offenbar immer nur negativ. Der Grund hierfür liegt in der besonderen Stellung des Dollars als internationales Zahlungsmittel und Reservewährung. Dieses „exorbitante Privileg“, wie Charles de Gaulle es nannte, wurde seit dem Zweiten Weltkrieg praktisch nie in Frage gestellt. Juli 1944: Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgt auf der ersten internationalen UN-Finanzkonferenz vom 1. bis 22. Juli 1944 in Bretton Woods, einer Kleinstadt im US-Bundesstaat New Hampshire. Hier wurden zwei Institutionen gegründet: der Internationale Währungsfonds (IWF)1 und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), die später in Weltbank umgetauft wurde. Das neue Währungssystem verpflichtet die teilnehmenden Staaten, die Konvertibilität ihrer Währung zu einem festen Wechselkurs mit dem US-Dollar beziehungsweise der Feinunze Gold sicherzustellen, bei einer maximalen Schwankungsbreite von 1 Prozent.

Offiziell wollte man damit Wechselkursschwankungen und Geldkrisen wie in der Zwischenkriegszeit vorbeugen. In Wirklichkeit begründete das Bretton-Woods-System die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten und des Dollars, zumal mit der Sowjetunion der zweite große Sieger des Zweiten Weltkriegs nur mit einem Beobachter vertreten war, sodass sie wirtschaftlich und finanziell nicht als Gegenpart der USA auftreten konnte.

Das wirtschaftliche Gewicht des Dollars hat sich dann im Zuge der Wiederaufbauhilfen für Europa im Rahmen des Marshallplans noch weiter erhöht. Die Vereinigten Staaten tätigten umfangreiche Investitionen im Ausland – 1946: knapp 10 Milliarden, 1950: 19 Milliarden, 1959: 40 Milliarden Dollar – und glichen das Zahlungsbilanzdefizit mit zusätzlichen Dollaremissionen aus. Mit dem steigenden Finanzierungsbedarf infolge des Vietnamkriegs und dem industriellen Aufstieg Deutschlands und Japans in den 1960er-Jahren begann sich das Blatt zu wenden. Damit das System nicht aus den Fugen gerät, bildeten die wichtigsten Zentralbanken bereits 1961 einen Goldpool, um den Dollarkurs bei 35 Dollar je Unze Gold zu stabilisieren: Sank der Dollar, kauften sie ihn auf; stieg er, stießen sie ihn ab. Die Kosten der fixen Dollar-Gold-Parität trugen also Drittstaaten. Frankreich zog sich 1967 aus dem Pool zurück. Ein Jahr später wurde der Markt gesplittet: Für Private wurde die Dollarparität aufgegeben, für die Zentralbanken weiterhin auf 35 Dollar je Unze Gold festgelegt. 15. August 1971: US-Präsident Richard Nixon kündigt den Grundsatz der Goldkonvertibilität des Dollars auf. Mit diesem Handstreich reagierte Washington auf eine Reihe gescheiterter Versuche, den schwächelnden Dollar zu stabilisieren. Fortan überstiegen die Dollarreserven der Zentralbanken die Goldbestände der US-Notenbank.

Die Inkonvertibilität des Dollars bedeutete eine schlagartige Aufwertung der D-Mark (und des Yen). Dies wirkte sich natürlich auch auf die 1972 geschaffene Europäische Währungsschlange aus, die die Wechselkursschwankungen innerhalb der EG begrenzen sollte. 1973 wurden die Wechselkurse allgemein freigegeben. Januar 1976: Das Jamaika-Abkommen besiegelt das Ende fester Währungsparitäten und des Goldstandards. Der Dollar, der 1971 noch 5,5 Franc kostete, war jetzt nur noch knapp 4 Dollar wert. Der Wertverlust, der zunächst noch den US-Exporten zugute kam, bewirkte aber bald nicht mehr das gewünschte Resultat. Die US-Defizite stiegen an, die erwartete Erholung blieb aus. 13. März 1979: Das Europäische Währungssystem, das die Wechselkursschwankungen zwischen den europäischen Währungen dämpfen soll, wird geschaffen. Gleichzeitig, aber unabhängig davon beschließt die US-Zentralbank im Rahmen ihrer monetaristischen Politik des „starken Dollars“ eine drastische Erhöhung der US-Leitzinsen (über 20 Prozent im Jahr 1980). In der Folge strömte immer mehr Auslandskapital ins Land, die Investitionstätigkeit zog an. Der Dollarwert, der 1979 noch bei 4 Franc gelegen hatte, stieg bis zum 1. Quartal 1985 auf 10 Franc. September 1985: Infolge der lateinamerikanischen Schuldenkrise und des Zusammenbruchs zahlreicher Sparkassen in den USA beschließen die fünf reichsten Industrienationen mit dem Plaza-Abkommen eine konzertierte Abwertung des Dollars: Die USA senken ihre Leitzinsen, die anderen Zentralbanken stoßen Dollars ab, die sie zuvor teuer aufgekauft hatten (zahlen also die Rechnung). Der Dollarkurs sinkt.

Unterdessen hatte die Deregulierung der Finanzmärkte begonnen (freier Kapitalverkehr). Seitdem haben zahlreiche Krisen die Weltwirtschaft erschüttert: Krach der Junk Bonds in den Vereinigten Staaten (1989), Währungskrise in Europa, Abwertung von Franc und Lira, Großbritannien verlässt das Europäische Währungssystem (1992–1993), Schuldenkrise in Mexiko, Argentinien und anderen lateinamerikanischen Ländern (1994), asiatische Finanzkrise (1997). Japan schlägt die Schaffung einer asiatischen Währungszone vor, muss das Vorhaben jedoch aufgeben: China ist zu schwach, und die Vereinigten Staaten legen über den Internationalen Währungsfonds ihr Veto ein. 1. Januar 1999: Startschuss für den Euro, der am 1. Januar 2002 die nationalen Währungen der EU-Länder ersetzt. Ziel ist, wie im Vertrag von Maastricht (1992) postuliert, ein „starker Euro“ nach dem Vorbild des starken Dollars in den 1980er-Jahren. Der Kursverfall des Dollars gegenüber dem Euro schwächt das Wachstum der EU-Wirtschaft.

Gegenwärtig werden drei Viertel der Welthandels in Dollar abgewickelt.

Fußnote: 1 Die Vereinigten Staaten besaßen im IWF 2004 17 Prozent der Stimmen, die EU-Länder mit 30 Prozent der Stimmen mehr als die Sperrminorität.

Le Monde diplomatique vom 11.03.2005