10.07.2009

Widerstände nach außen

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Widerstände nach außen

Das staatliche iranische Fernsehen hat verbreitet, einige der im Juni 2009 festgenommenen Demonstranten hätten inzwischen gestanden, unter dem Einfluss „von BBC und Voice of America“ agiert zu haben. Vor allem Großbritannien steht am Pranger: Zwei britische Diplomaten wurden ausgewiesen, neun iranische Botschaftsmitarbeiter vorübergehend festgenommen. Die staatliche Propaganda sucht offensichtlich nach einem Sündenbock, auf den sie den Volkszorn lenken kann. Dabei kann sie an das kollektive Gedächtnis anknüpfen, in dem noch immer präsent ist, dass der Iran in seiner jüngeren Geschichte immer wieder militärische Interventionen ausländischer Mächte erlebt hat, die das Land zerstückeln wollten. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei das „perfide Albion“, das deshalb noch vor den USA als Hauptfeind wahrgenommen wird.

Ein iranisches Staatsgebilde entstand nach einer langen Krisenperiode erstmals wieder im 16. Jahrhundert unter der Dynastie der Safawiden. Schah Ismail I. versuchte damals die Unabhängigkeit des Landes gegenüber dem Osmanischen Reich der sunnitischen Türken zu behaupten, indem er den schiitischen Islam zur verbindlichen Religion erklärte. Da es aber an schiitischen Korangelehrten mangelte, wurden diese aus Dschabal Amil (dem heutigen Südlibanon) ins Land geholt: So begann die bis heute andauernde Beziehung zwischen den Schiiten des Libanons und des Irans.

Das neu geeinte Land hatte sich dennoch wiederholter Übergriffe des Osmanischen Reichs, des russischen Zarenreichs und des britischen Empires zu erwehren, das seine Macht auf dem indischen Subkontinent ausbaute. Die Dynastie der Kadscharen, die Ende des 18. Jahrhunderts ihre Herrschaft aufrichtete, verstrickte sich in erfolglose Kriege gegen das Zarenreich (dem sie den Südkaukasus abtreten musste) und Großbritannien (dem sie Afghanistan überließ). Spätere Versuche, den Staat zu modernisieren, wurden immer wieder durch die Einmischung fremder Mächte vereitelt. 1906 machte die Konstitutionelle (jungpersische) Revolution den Iran zu einer konstitutionellen Monarchie. Die Übergriffe Russlands und Großbritanniens gingen dennoch weiter. So unterzeichneten die beiden Monarchien 1907 einen Vertrag, mit dem sie sich über die Aufteilung des Irans in Einflusszonen einigten.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem der Iran von britischen und russischen Truppen besetzt war, gelangte Reza Khan durch einen Militärputsch an die Macht. 1925 gab er sich den Herrschernamen Reza Schah Pahlavi. Nachdem Russland im Gefolge der Oktoberrevolution aus dem geopolitischen Machtspiel ausgeschieden war, verstärkte sich die britische Dominanz insbesondere auf ökonomischem Gebiet, da die Anglo-Iranian Oil Company die neu entdeckten Erdölvorkommen ausbeutete.

Obwohl sich der Iran zu Beginn des Zweiten Weltkriegs neutral erklärt hatte, rückten im August 1941 sowjetische Truppen in den Norden und britische Verbände in den Süden des Landes ein. Der Schah, der mit Hitler-Deutschland sympathisierte, musste zugunsten seines Sohns Mohammed Reza abdanken, der bis 1979 regierte. 1945/46 entstanden auf iranischem Territorium mit sowjetischer Hilfe zwei unabhängige Republiken, die kurdische Republik Mahabad1 und die Demokratische Republik Aserbaidschan, die aber keinen Bestand hatten, nachdem ihnen die Sowjetunion auf Druck Großbritanniens und der USA die Unterstützung entzog.

Derlei Versuche, das Land aufzuteilen, förderten einen neuen Nationalismus, der in der Forderung kulminierte, die Ausbeutung der Ölvorkommen durch ausländische Unternehmen zu beenden. Es kam zu Massenprotesten gegen die Anglo-Iranian Oil Company, die eine Erhöhung der Gewinnbeteiligung des iranischen Staats ablehnte. „Das Öl ist unser Blut, das Öl ist unsere Freiheit“, skandierten die Demonstranten.

Am 28. April 1951 wählte das Parlament den gemäßigten Nationalisten Mohammed Mossadegh zum Ministerpräsidenten, dessen erste Amtshandlung die Verstaatlichung der Ölindustrie war. Im August 1953 wurde Mossadegh abgesetzt. Der Schah, der kurz zuvor ins Ausland geflohen war, übernahm in Teheran die volle Macht. Dass der Staatsstreich von der CIA organisiert war2 – in Abstimmung mit Großbritannien –, wurde inzwischen von US-Präsident Barack Obama in seiner Kairoer Rede vom 4. Juni eingeräumt.

Die USA wurden für diese Aktion mit einem vierzigprozentigen Anteil an der iranischen Ölförderung belohnt. Die Ordnung in Teheran war wiederhergestellt, die demokratische Opposition zerschlagen – Tausende wurden hingerichtet. Bis heute steht der Name Mossadegh für die gescheiterte Hoffnung auf echte Unabhängigkeit.

In den 1960er- und 1970er-Jahren trat die Doppelfunktion der Schahherrschaft immer deutlicher zutage: als ein diktatorisches Regime und als Agentur einer formalen Modernisierung westlichen Stils. Die Iraner missbilligten allerdings die zahlreichen ausländischen Militärstützpunkte und die Anwesenheit von 30 000 US-Militärberatern. Die 1975 einsetzende wirtschaftliche und soziale Krise im Gefolge des Ölpreisverfalls, die umfassende Repression und der übermächtige Einfluss der USA ergaben eine explosive Mischung. Der Zündfunke, der das System in die Luft sprengte, war dann ein eher banales Ereignis.

Am 7. Januar 1978 erschien in einer Regierungszeitung ein beleidigender Artikel über den im irakischen Exil lebenden Ajatollah Ruhollah Chomeini, einen der höchsten Würdenträger der schiitischen Geistlichkeit. Tags darauf protestierten tausende Koranstudenten in den Straßen der heiligen Stadt Qom. Die Polizei schoss in die Menge, und während das Schahregime von neun Toten sprach, zählte die Opposition mindestens hundert. Mitte Februar folgte ein Aufstand in Täbris, der Hauptstadt des iranischen Ostaserbaidschan, mit mehr als hundert Toten. Der fatale Kreislauf von Demonstrationen, Unterdrückungsmaßnahmen und öffentlichen Totenfeiern (nach vierzig Tagen) beschleunigte sich immer mehr und forderte tausende von Menschenleben. Die Demonstranten richteten sich nicht nur gegen die Diktatur, sondern auch gegen die Großmacht, die sie stützte. „Tod dem Schah, Tod den USA“ lautete damals die Kampfparole.

Noch im Oktober 1978 hatte der US-Geheimdienst dem Schah viele Jahre an der Macht prophezeit. Doch am Ende konnten ihn weder der massive Einsatz der Armee noch die politische Rückendeckung durch US-Präsident Jimmy Carter retten. Der mächtigste Volksaufstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte das Regime zu Fall. In der Nacht vom 1. auf den 2. April 1979 wurde die Islamische Republik ausgerufen. Die Besetzung der US-Botschaft in Teheran am 4. November 1979 war der Beginn einer Radikalisierung der Islamischen Revolution. Aber sie zeigte auch die entschiedene Opposition der Iraner gegen eine Einmischungspolitik des Westens, die die gesamte jüngere Geschichte des Landes geprägt hatte.

Alain Gresh

Fußnoten: 1 Vgl. Jan Piruz, „Verminte Erinnerung in Mahabad“, Le Monde diplomatique, Januar 1997. 2 Vgl. Mark Gasiorowski, „Die USA und die Irankrise 1953“, Le Monde diplomatique, Oktober 2000.

Le Monde diplomatique vom 10.07.2009, von Alain Gresh