Iranische Intrigen
Geschichte der Machtkämpfe seit der Islamischen Revolution von Ahmad Salamatian
Die Botschaft war klar: „Benehmt euch nicht wie Amtsträger auf Abruf, die nur noch einige Monate vor sich haben, sondern stellt euch auf weitere fünf Jahre ein.“ Mit diesen an die Regierung gerichteten Worten ließ Ajatollah Ali Chamenei neun Monate vor der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni 2009 erkennen, dass sein Wunschkandidat Mahmud Ahmadinedschad ist.
Die Worte belegen aber auch, dass das geistliche Oberhaupt persönlich für die aktuelle Krise verantwortlich ist: Sie bot ihm die Chance, seine Macht abzusichern, alle Gegner innerhalb des Systems auszuschalten und sich gegen jede Reformbewegung zu stemmen.
Chamenei hatte schon die Wahlen von 2005 zum Ausbau seiner Macht genutzt. Damals waren die Iraner enttäuscht von der Politik Präsident Chatamis, der 1997 als Reformer angetreten war. Der konnte zwar nach zwei Amtsperioden einige Fortschritte in den Bürgerrechten vorweisen, aber die großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes blieben ungelöst.1 Trotz einer relativ hohen Wahlbeteiligung von 62,8 Prozent erreichte 2005 keiner der zur Wahl zugelassenen acht Kandidaten die erforderliche Mehrheit. Erstmals musste ein zweiter Wahlgang entscheiden. Für Mahmud Ahmadinedschad, den damaligen Bürgermeister von Teheran, hatten zunächst nur 5,7 Millionen der 29,4 Millionen Wähler gestimmt. Aber da die Kandidaten des Reformlagers zerstritten waren und Ali Akbar Rafsandschani, sein wichtigster Mitbewerber aus dem Establishment, zu unpopulär war, konnte Ahmadinedschad die Stichwahl gewinnen.
Unterstützt wurde seine Kandidatur von Vertretern des Militärs, der Geheimdienste und staatlichen Propaganda sowie von finanzkräftigen Wohlfahrtsorganisationen, die dem geistlichen Oberhaupt unterstanden. Ahmadinedschad präsentierte sich den Wählern als Mann des Wandels. Seine populistischen Reden kreisten stets um das Wort „Gerechtigkeit“. Das kam auch deshalb gut an, weil die Interventionspolitik der USA und vor allem der Irakkrieg von 2003 in der gesamten Region nationalistische und sogar fremdenfeindliche Einstellungen verstärkt hatten.
Nach vier Jahren im Amt durfte Ahmadinedschad seinen Auftrag als erfüllt ansehen. Die Reformbewegung war gestoppt und Rafsandschani, der seinem früheren Verbündeten Chamenei längst unbequem geworden war, an den Rand gedrängt. Aber mit seinen aggressiven Reden, die den Iran international isolierten, und mit seiner katastrophalen Wirtschaftspolitik hatte sich der Präsident viele Feinde gemacht. Eine große Koalition, die von der obersten Machtebene bis zu den untersten Schichten der Bevölkerung reichte, wollte deshalb eine zweite Amtsperiode verhindern. Auf Distanz ging sogar die islamistische Vereinigung Usul Garayan, die ihn 2005 im zweiten Wahlgang noch unterstützt hatte.
Gleichwohl verhinderte Ajatollah Chamenei durch seine direkte Intervention, dass sich zwei seiner engen Vertrauten – Parlamentspräsident Ali Laridschani und Teherans Bürgermeister Mohammed Ghalibaf – ebenfalls um das Präsidentenamt bewarben. Dabei wollten die beiden konservativen Politiker, die bereits 2005 im ersten Wahlgang angetreten waren, mit ihrer Kandidatur lediglich das konservative Lager vor einer katastrophalen Niederlage bewahren.
In dieser Situation entschloss sich der frühere Präsident Mohammed Chatami erneut zu kandidieren. Seine Wahlkampfauftritte im Süden des Landes weckten im März 2009 große Begeisterung. Doch dann wurde Chatami in der regierungstreuen Presse heftig angegriffen. In der Tageszeitung Keyhan ging der Chefredakteur (im Hauptberuf offizieller Sprecher Chameneis) so weit, ihm das Schicksal der pakistanischen Präsidentschaftskandidatin Benazir Bhutto zu prophezeien. Als sich Chamenei von der Morddrohung nicht distanzieren wollte, zog Chatami seine Kandidatur zurück.
Damit erhielt der letzte iranische Ministerpräsident Mir Hossein Mussawi (1981 bis 1989, danach wurde das Amt abgeschafft) die Chance, aus der politischen Versenkung aufzutauchen und sich als Kompromisskandidat zu präsentieren: als „Reformer auf den Grundlagen der Islamischen Revolution“. Er wollte nicht nur beim Reformlager punkten, sondern auch bei den Anhängern der islamistischen Usul Garayan, die eine zweite Amtszeit Ahmadinedschads nicht mehr absegnen wollten.
Mussawi ist beileibe kein „westlich orientierter“ Liberaler. Vielmehr war er seit 1979 an allen wichtigen Entscheidungen der Revolutionsführung beteiligt und stand während des irakisch-iranischen Kriegs an der Spitze der Regierung. Die USA beschuldigten ihn sogar, den Anschlag auf das Hauptquartier der US-Marines in Beirut befohlen zu haben, bei dem 2003 über 240 Menschen starben. Der Mann hat dazugelernt. Wie andere Protagonisten der Revolution glaubt Mussawi heute, dass sich das Regime den Realitäten anpassen müsse. Das geistliche Oberhaupt ist da allerdings anderer Ansicht.
Der Wächterrat, dem die Zulassung der Präsidentschaftskandidaten obliegt (und in dem sich acht von zwölf Mitgliedern für Ahmadinedschad starkmachten) spielte auf Zeit und tat alles, um die Wahlkampfzeit der Kandidaten zu beschränken. Der Amtsinhaber hingegen konnte seit Monaten überall im Land seine Auftritte inszenieren – finanziert aus Staatsgeldern, unterstützt von der staatlichen Presse und den Stiftungen des geistlichen Oberhaupts. Erst am letzten Tag vor Ablauf der gesetzlichen Frist ließ der Wächterrat vier Kandidaten zu, selbstredend lauter Männer (unter den 475 Antragsstellern waren 42 Frauen).
Die Führung glaubte, alles im Griff zu haben: Sie hatte zwei Reformkandidaten zugelassen, Mussawi und den früheren Parlamentspräsidenten Mehdi Karrubi, in der Hoffnung, dass die beiden sich gegenseitig Stimmen wegnehmen und damit neutralisieren würden. Außerdem durfte ein weiterer Konservativer als unabhängiger Kandidat antreten, der ehemalige Führer der Revolutionswächter, Mohsen Resai.
Mit der Farbe des Propheten
So kam es zu einem extrem kurzen Wahlkampf von nur 22 Tagen. Bis zu dessen offiziellem Beginn erhielten die Reformkandidaten nicht eine Minute Sendezeit im staatlichen Radio und Fernsehen. Aber sie wurden tagtäglich unter Beschuss genommen durch wahre und erfundene Berichte über ihre internen Streitigkeiten, ohne dass sie selbst die Möglichkeit bekamen, Gegendarstellungen zu veröffentlichen.
Erst ganz am Ende beschloss das Staatsfernsehen, direkte Debatten zwischen den Kandidaten zu senden. Dabei wurde jedem Kandidaten per Auslosung ein farbiges TV-Logo zugeordnet, und wie es der Zufall wollte, bekam Mussawi die Farbe Grün – das Symbol der iranischen Revolution.
Die Fernsehdebatten nahmen einen turbulenten Verlauf. Ahmadinedschad setzte von Anfang an auf das Prinzip, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Daraufhin wurden die gegenseitigen Anschuldigungen so heftig, dass alle ungeschriebenen Regeln der Islamischen Republik verletzt wurden. Millionen Zuschauer blieben bis spät in die Nacht auf, um das Spektakel zu verfolgen. Der Staatspräsident wurde als Lügner bezeichnet, höchste Würdenträger der Korruption bezichtigt. Und als Ahmadinedschad auch den Geistlichen Ali Akbar Rafsandschani öffentlich denunzierte, sandte dieser schließlich einen offenen Protestbrief an das geistliche Oberhaupt.
In diesen Debatten und den Reaktionen offenbarte sich der tiefe Wunsch der Iraner nach Freiheit. Es war, als durchlaufe die Gesellschaft eine demokratische Metamorphose. Die kämpferischen Sprüche und abgedroschenen Glaubenssätze der offiziellen Reden klangen plötzlich falsch und verlogen. Nachdem man Ahmadinedschad dazu gebracht hatte, seine Tiraden zu unterlassen, verlegte er sich auf Statistiken und Wirtschaftsdaten. Die konnten seine Gegner sofort als Fälschungen entlarven, womit sie Themen wie Inflation, Arbeitslosigkeit und die katastrophale Wirtschaftslage zur Sprache brachten.2
Nach den heftigen Diskussionen coram publico war eine hohe Wahlbeteiligung zu erwarten. Und die drohte einen Grundwiderspruch der islamischen Herrschaft bloßzulegen, nämlich deren doppelte Legitimitätsbasis. Auf den Punkt gebracht wird dieses Problem in einer Chapatte-Karikatur (International Herald Tribune vom 24. Juni) mit dem Titel: „So funktioniert die Theokratie“. Ein überdimensional gezeichneter Ajatollah Chamenei belehrt zwei eingeschüchtert blickende Wähler mit den Worten: „Ihr wählt – Gott entscheidet.“
Tatsächlich sah der erste Entwurf, der 1979 der verfassungsgebenden Versammlung vorgelegt wurde, in Artikel 6 einen Präsidenten vor, der sich aus der Volkssouveränität legitimiert. Aber die Konstituante, in der Korangelehrte die Mehrheit hatten, setzte einen Artikel 5 durch, der im Namen der göttlichen Souveränität eine religiöse Oberaufsicht (velayat-e faqih) einführte. Damit gingen die wichtigsten Regierungsbefugnisse des Präsidenten auf ein geistliches Oberhaupt über, das nach Artikel 57 die absolute Kontrolle über Legislative, Judikative und Exekutive ausübt.
Dieser hochrangigste Korangelehrte bestimmt die Richtlinien der Politik, fungiert als Oberbefehlshaber der Streitkräfte und entscheidet über Krieg und Frieden wie über die Generalmobilmachung. Er ordnet Volksabstimmungen an und ernennt die Korangelehrten, die den Wächterrat bilden, die Spitze der Judikative und den Leiter der Organisation, die das Monopol auf Rundfunk und Fernsehen hält. Desgleichen besetzt er die Posten von Generalstabschef und Oberkommandierenden der Revolutionswächter wie auch die übrigen Führungspositionen bei Militär und Geheimdiensten.
Zudem fungiert das geistliche Oberhaupt als Koordinator der drei Staatsgewalten und als Schlichter, wenn es zwischen diesen zu Konflikten kommt. Unter gewissen Voraussetzungen kann er sich auch über die Verfassung und sogar über Bestimmungen der Scharia hinwegsetzen. Insgesamt hat das geistliche Oberhaupt als weltlicher Repräsentant des „verborgenen Imams“3 eine quasi unbegrenzte Macht.
Der Staatspräsident ist also nur die Nummer zwei im Staat. Ihm obliegt die Leitung der täglichen Angelegenheiten in Wirtschaft und Gesellschaft – aber stets unter der strengen Aufsicht des geistlichen Oberhaupts und der Organe, deren Mitglieder von Chamenei ernannt werden und keinerlei öffentlicher Kontrolle unterliegen.
Dennoch genießt der Präsident eine demokratische Legitimität, die auf seiner Direktwahl durch das Volk beruht. Dieses hat alle vier Jahre Gelegenheit, seinen Willen zu äußern, und dieser Akt hat – trotz der zensierten Kandidatenauswahl – eine weit über den Anlass hinausgehende Bedeutung.
Auf der Ebene der politischen Führung war der Legitimitätskonflikt zwischen dem gewählten Präsidenten und den politisch-religiösen Institutionen stets der wichtigste Treibsatz historischer Veränderungen.
Gleich nach der Revolution, im Februar 1979, wurde Abolhassan Bani-Sadr zum ersten Präsidenten der Republik gewählt – aus einer Liste von 95 Kandidaten. Nach einem Konflikt mit Chomeini wurde Bani-Sadr im Juni 1981 abgesetzt, wobei die Umstände an die aktuelle Situation erinnern. Auch die beiden Amtsperioden des heutigen geistlichen Oberhauptes Ali Chamenei im Amt des Staatspräsidenten (von 1981 bis 1989, also während des iranisch-irakischen Kriegs) standen im Zeichen von Spannungen innerhalb des Regimes. Chomeini setzte damals Hossein Mussawi als Ministerpräsidenten ein, gegen den Willen von Chamenei, dessen Funktion damit auf eine rein zeremonielle Rolle reduziert wurde.
Als Chomeini 1989 starb, erwies es sich als schwierig, einen Nachfolger zu bestimmen. Chomeinis religiöse Autorität war unbestritten. Dagegen besaß Ali Chamenei, dem das höchste Amt schließlich übertragen wurde, nur den Rang eines Hodschatoleslam – seine umgehende Beförderung zum Großajatollah wirkte etwa so, als würde ein einfacher Priester plötzlich zum Papst gemacht. Am Aufstieg Chameneis hatte auch Ali Akbar Rafsandschani seinen Anteil, der im Juli 1989 zum Staatspräsidenten gewählt wurde.
In beiden Amtszeiten Rafsandschanis (1989 bis 1997) blieben die Legitimitätskonflikte innerhalb des Regimes verdeckt. 1997 setzte sich Mohammed Chatami als Vertreter einer Reformbewegung gegen den von Chamenei unterstützen Kandidaten durch. Bei dieser Wahl erreichte die Beteiligung wieder den hohen Wert von 79,9 Prozent (nachdem sie bei der Wiederwahl Rafsandschanis deutlich abgesunken war).
Mit Chatamis Wahlsieg – undenkbar in den meisten Ländern des Nahen Ostens, wo stets der Kandidat des Regimes gewinnt – wurde der Legitimitätskonflikt erneut voll sichtbar. Während der achtjährigen Amtszeit Chatamis wurden dessen Reformbemühungen immer wieder durch das geistliche Oberhaupt gestoppt. In der wachsenden Protestbewegung dieser Jahre sah Chamenei eine Bedrohung seiner eigenen Macht. Deshalb beschloss er bei der Präsidentenwahl von 2005, einen eigenen Kandidaten durchzusetzen: Mahmud Ahmadinedschad.
Die Entscheidung fiel erstmals in der Stichwahl. Weil das Lager der Reformer gespalten und Rafsandschani nicht populär genug war, konnte Ahmadinedschad gewinnen. Vier Jahre später entschied sich Chamenei, gegen den Rat vieler seiner Vertrauten, Ahmadinedschad erneut und bedingungslos zu unterstützen.
Am 12. Juni 2009 drängten sich die Menschen vor den Wahllokalen, aber es blieb zunächst alles ruhig. Schon um 17 Uhr, noch vor Schließung der Wahllokale, verkündete der Kommandant der Sicherheitskräfte von Teheran im Fernsehen, seine Leute würden jetzt in die Straßen der Stadt ausrücken. Die Sicherheitskräfte begannen die Vertreter der Kandidaten aus den Wahllokalen und Auszählungszentren zu vertreiben. Die Proteste der drei Konkurrenten Ahmadinedschads hatten keinen Erfolg. Aus dem Saal des Innenministeriums, wo das Wahlresultat verkündet werden sollte, war noch kein Laut gedrungen, als die Anhänger Ahmadinedschads bereits begannen, über ihnen nahestehende Presseagenturen (wie Fars) und auf dem Internet-Wahlkampfportal Rajanews imposante Hochrechnungen zu verbreiten.
Noch mehr erstaunt waren die iranischen Wähler, als das Innenministerium einige Stunden später diese Zahlen bestätigte und als Endresultate ausgab. Die ausgezählten Stimmen wurden zunächst in Blöcken von 2 Millionen veröffentlicht – ohne Bezug zu irgendwelchen Wahlbezirken. Nach mehrstündiger Pause folgten in den frühen Morgenstunden des 13. Juni weitere Ergebnisblöcke, diesmal von 5 Millionen Stimmen. Und stets nach derselben Methode: zuerst publiziert von den Medien, die den Amtsinhaber unterstützen, erst danach vom Innenministerium.
Während die Zahl der ausgezählten Stimmzettel langsam auf 39 Millionen anstieg (was einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent entspricht), blieb der prozentuale Stimmenanteil der Kandidaten die ganze Nacht über unverändert – als hätten die Wähler in allen Städten und Regionen exakt gleich abgestimmt. Erst nach zehn Stunden gab es regional aufgeschlüsselte Resultate.
Nach den offiziellen Angaben kam Mahmud Ahmadinedschad auf 24 527 516 Stimmen, das sind 62,63 Prozent. Damit hätte er, nach vier Jahren Machtmissbrauch und einer dürftigen wirtschaftspolitischen Bilanz, seinen Stimmenanteil fast verfünffacht: 2005 hatten sich nur 5,751 Millionen Wähler für ihn entschieden. Dem Kandidaten Mehdi Karrubi wurden nur 33 635 Stimmen zugerechnet, gegenüber einer halben Million bei den Wahlen von 2005. Informationen aus unterschiedlichen Quellen nähren den Verdacht, dass ein massiver Wahlbetrug vorlag. Sogar die Machthaber räumten Unregelmäßigkeiten ein, allerdings nur bei 3 Millionen der ausgezählten Stimmen.
Nach einem Report des britischen Thinktanks Chatham House4 wurden in zwei Provinzen mehr Stimmen gezählt, als es Wahlberechtigte gab. Um auf die offizielle Stimmenzahl zu kommen, hätte Ahmadinedschad in einem Drittel der Provinzen nicht nur alle Stimmen der Konservativen und der Mitte, sondern auch fast die Hälfte aller früheren Wähler von Reformern für sich gewinnen müssen. Überdies habe sich schon bei den Wahlen von 1979, 2001 und 2005 gezeigt, dass konservative Kandidaten, entgegen den gängigen Vorstellungen, gerade in ländlichen Gebieten nicht sehr populär sind. Das liege unter anderem daran, dass die lokalen nationalen Minderheiten eher gegen die Zentralmacht stimmen.
Es stellt sich die Frage, auf welch wundersame Weise Ahmadinedschad die Mehrheit erringen konnte. Die Unterschichten und vor allem die Arbeiter waren die ersten Opfer einer Wirtschaftspolitik, die dem Iran eine Inflationsrate von mehr als 20 Prozent und eine Massenarbeitslosigkeit beschert hat, von der vor allem Jugendliche betroffen sind.
Einen Tag nach der „Siegesfeier“ des Präsidenten gingen in Teheran und den Provinzen Millionen auf die Straße, um ihre Empörung über den Missbrauch ihrer Wahlstimme herauszuschreien. Diese Demonstrationen, die vor allem von der Mittelschicht getragen wurden, wären gewiss nicht so machtvoll ausgefallen, wenn in den USA noch die Bush-Regierung mit ihrer rückhaltlosen Unterstützung Israels und ihren bellizistischen Parolen im Amt gewesen wäre. Obamas Dialogbereitschaft hat den Iranern einiges von ihrer Angst vor den USA und vor ausländischer Einmischung genommen. Barack Obama hat, im Unterschied zu seinen Amtskollegen in Europa, die richtige politische Balance gefunden: klare Verurteilung der Repression, aber keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates.
Der weitere Verlauf der Auseinandersetzung wird nicht nur über das Schicksal der Islamischen Republik entscheiden. Eine Verhärtung des Regimes könnte zu einer Eskalation der antiwestlichen Politik führen und damit einen Dialog zwischen Washington und Teheran fast unmöglich machen.
Aus dem Französischen von Edgar Peinelt
Ahmad Salamatian lebt in Paris. Er war Abgeordneter des iranischen Parlaments und 1979 nach der Islamischen Revolution kurze Zeit Außenminister.