11.09.2025

Kryptos spalten die Welt

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Kryptos spalten die Welt

Szenarien eines künftigen Währungskriegs

von Frédéric Lemaire und Dominique Plihon

Lotte Keijzer, More to Recycle, 2022, Acrylfarben und Buntstift auf Holzplatte, 120 × 120 cm
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In seiner ersten Amtszeit (2017–2021) hatte Donald Trump den Bitcoin noch als „Betrug“ und „Konkurrenz zum US-Dollar“ bezeichnet. Heute ist er einer der größten und mächtigsten Krypto-Fans. So verkündete er bei einem Gipfeltreffen mit Branchengrößen am 7. März, er werde Washington zur „Welthauptstadt der Kryptowährungen“ machen.1

Schon drei Tage vor seiner Amtseinführung hatte der Milliardär Trump eine eigene digitale Währung namens $Trump zum Verkauf angeboten. „Die gegen Krypto zu Felde ziehende Schreckensherrschaft ist vorbei“, jubilierte damals David Sacks, ehemals Chief Operating Officer von Paypal.2 Der libertäre Milliardär wurde von Trump an die Spitze der Arbeitsgruppe für digitale Märkte (Working Group on Digital Asset Markets) berufen, die Maßnahmen zur Förderung der Krypto-Assets vorschlagen soll. Davon soll auch die eigene Familie profitieren: An der neuesten Krypto-Firma namens American Bitcoin sind zwei Trump-Söhne mit 20 Prozent beteiligt.

Ganz offensichtlich will der US-Präsident sein Land auf die Entwicklung privater Kryptowährungen der „zweiten Genera­tion“ einschwören, die Krypto-Werte wie den Bitcoin ablösen könnten.3 Dabei setzt Trump voll auf den Markt und das Instrument der Stable­coins, was die großen Player der Branche in Begeisterung versetzt. Diese Strategie ist der Gegenentwurf zum Konzept des digitalen Zentralbankgelds (CBDC), bei dem China die Nase vorn hat. Zwar entwickeln sich beide Versionen von Kryptowährung derzeit nebeneinander, doch auf längere Sicht geht die Welt schrittweise einer monetären Spaltung entgegen.

Stablecoins gibt es seit 2014. Der Wert dieser Krypto-Assets ist an eine gesetzliche Währung (meist den US-Dollar) oder einen Währungskorb gekoppelt. Diese Anbindung soll den Stable­coins (wie schon der Name suggeriert) Stabilität verschaffen und unterscheidet sie von den Kryptowährungen der ersten Generation, deren Kurse sehr stark schwanken.

Ursprünglich wurden Stablecoins genutzt, um auf Handelsplattformen die Umwandlung von Kryptowährungen in dauerhafte Werte zu erleichtern. Mittlerweile sind sie zu einem eigenständigen Zahlungsmittel geworden.

Transaktionen mit Stablecoins bieten mehrere Vorteile: Sie lassen sich in Sekundenschnelle ausführen, während Transaktionen über das Bankensystem Bearbeitungszeit kosten. Sie sind transparent, da sie in der Blockchain, einer digitalen Technik zur Speicherung und Übertragung von Informationen, erfasst werden. Sie sind ano­nym, da keine Identitätsprüfung durchgeführt wird, und leicht zugänglich, denn sie erfordern lediglich eine Internetverbindung und kein Bankkonto. Zudem sind sie weitaus kostengünstiger als internationale Zahlungsaufträge.

2024 hat das Volumen von Transaktionen mit Stablecoins massiv zugenommen. Laut einer im Januar 2025 von der Plattform Cex.io veröffentlichten Studie belaufen sie sich mittlerweile auf nahezu 28 Billionen US-Dollar; das übersteigt bereits den Gesamtwert der Transaktionen, die mit Visa und Mastercard abgewickelt werden.4 Zum Vergleich: Im Oktober 2020 hatte das Stablecoinvolumen noch nicht einmal 100 Milliarden US-Dollar erreicht.5

Allerdings relativiert sich die Zahl für 2024 dadurch, dass es sich bei mindestens 70 Prozent dieses Transaktionsvolumens um sehr kurzfristige Arbitragegeschäfte von automatisierten Handelsrobotern handelt. Diese Transaktionen werden eingesetzt, um geringfügige Preisschwankungen auf Krypto-Plattformen auszunutzen.

In jedem Fall sind Stablecoins bereits in der Lage, mit den traditionellen Zahlungsmitteln zu konkurrieren. Den privaten Unternehmen, die sie emittieren, winken hohe Einnahmen durch die Transaktionsgebühren, die sich bisher Konzerne wie Visa, Mastercard oder Western Union gesichert haben.

Aktuell scheint Amazon die Einführung einer eigenen Kryptowährung ins Auge zu fassen. Diese könnten dann hunderte Millionen aktiver Nutzer für Transaktionen auf der Amazon-Plattform nutzen, die man überdies durch Sonderangebote, Rabatte oder Geschenke zur Nutzung dieses Zahlungsmittels animieren würde. Damit hätte Amazon die Möglichkeit, hohe Transaktionsgebühren einzunehmen und seine Kundinnen und Kunden noch stärker an seine Plattform zu binden.

Trumps Finanzminister Scott Bessent hat die Strategie, die auf die Entwicklung privat emittierter Stablecoins mit US-Dollar-Bindung setzt, am 7. März 2025 auf dem „Krypto-Gipfel“ im Weißen Haus verkündet. Diese auch als Krypto-Merkantilismus bezeichnete Doktrin liegt dem Gesetzentwurf der Trump-Regierung zur Entwicklung von Stablecoins (Guiding and Establishing National Innovation for US Stablecoins, kurz Genius) zugrunde. Für Yanis Varoufakis, den griechischen Ex-Finanzminister, handelt es sich dabei um ein „trojanisches Pferd zur Privatisierung des Gelds“. Das Gesetzesvorhaben laufe darauf hinaus, „die Vorherrschaft des Dollar an die finstersten Mächte der Techindustrie outzusourcen“.6

Im März 2025 hat die von der Familie Trump kontrollierte Plattform World Liberty Financial einen neuen, an den Dollar gekoppelten Coin namens USD1 aufgelegt. Inzwischen wird gegen den US-Präsidenten deswegen der Vorwurf eines Interessenkonflikts erhoben. Anlass war die Ankündigung eines staatsnahen Fonds aus Abu Dhabi, 2 Milliarden US-Dollar in den USD1 zu investieren. Unzweifelhaft wollen sich die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) damit die Gunst des US-Präsidenten sichern.

In geldpolitischer Hinsicht könnten die Stable­coins für die USA zum Glücksfall werden. Es scheint durchaus möglich, dass die an den Greenback gekoppelten Stablecoins – die im März 2025 etwa 97 Prozent des Krypto-Markts ausmachten – zu einer Redollarisierung der Weltwirtschaft beitragen. Mit diesem Instrument erhalten Menschen auf der ganzen Welt Zugang zu einer Art digitalem US-Dollar, womit sie sich etwa gegen die Inflation in ihrem Land schützen können. Fast 50 Prozent der Stablecoininhaber in fünf großen Schwellenländern halten diese Krypto-Werte nämlich primär zur Vermögens­sicherung.7

In den letzten Jahren war weltweit eine relative Abkehr vom US-Dollar zu beobachten. Stable­coins könnten diese Dynamik nun wieder umkehren und durch zusätzliche Mittelzuflüsse die Finanzierung der US-Staatsschulden erleichtern. Wenn ein privates Unternehmen einen solchen Krypto-Wert emittiert, legt es die erhaltenen Gelder ganz oder teilweise in US-Staatsanleihen an. Mit diesen US-Treasurys soll die potenzielle Umwandlung des Instruments in seine Basiswährung garantiert werden. Laut einem Bericht des Finanzdienstleistungsriesen Citigroup könnte der Stablecoinmarkt bis 2030 ein Volumen von 1,6 Billionen Dollar erreichen.8 Damit würden die Emittenten dieser Vermögenswerte zum größten Gläubiger der USA aufsteigen, noch vor Japan und China.

Die Entscheidung der US-Regierung für Stable­coins birgt jedoch auch Risiken. Die meisten Techunternehmen, die Stablecoins in US-Dollar emittieren, agieren wie Pseudo- oder Schattenbanken. Sie vergeben Kredite und erzeugen damit Geld, ohne an die ohnehin minimalen Sicherheitsvorkehrungen und Aufsichtsregeln des traditionellen Bankensystems gebunden zu sein.

Zum Beispiel gibt es in diesem Sektor keinen Mechanismus, der mit der Einlagensicherung im Bankwesen vergleichbar wäre. Diese wurde in den USA nach dem Börsencrash von 1929 eingeführt und nach der Weltfinanzkrise von 2008 ausgeweitet. Die Einlagensicherung soll Runs auf Banken vorbeugen – also verhindern, dass die Bankkunden bei ersten Anzeichen von Schwäche eines Instituts sämtliche Guthaben abziehen.

Im Fall der Stablecoinemittenten könnte eine solche Panik eine destruktive Abwärtsspirale in Gang setzen: Käme es zu massiven Stablecoin­verkäufen, müssten diese Unternehmen ihre Bestände an US-Staatsanleihen abbauen – mit der Folge, dass die Kurse der US-Treasurys sinken und die verbleibenden Bondspositionen in den Portfolios der Stablecoinemittenten an Wert verlieren. Der Einbruch des Anleihemarkts würde dann die Krise verschärfen und den US-Dollar schwächen, den die Stablecoins doch eigentlich stärken sollten. Käme es dann zur Insolvenz von Stablecoin­emittenten, verlören die Inhaber der betreffenden Krypto-Werte ihr gesamtes investiertes Kapital. Und hätten dann keinen Anspruch auf Entschädigung mangels entsprechender Anlegerschutzmaßnahmen.

China hat einen radikal anderen Weg eingeschlagen. Peking setzt auf Digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC): eine von der Zentralbank ausgegebene öffentliche Kryptowährung. China ist nicht das einzige Land, das auf diese Methode setzt. 2024 wurden in mehr als 130 Ländern Überlegungen zum Thema CBDC angestellt. Und Nigeria, die Bahamas sowie Jamaika haben das Digitale Zentralbankgeld bereits eingeführt.

Solches CBDC hat – anders als private Stablecoins – den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels und kann je nach Land und Entwicklungsstand ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen. Es kann dem Ziel dienen, eine Bargeldalternative anzubieten und der Allgemeinheit den Zugang zu einem staatlich garantierten Zahlungsmittel zu verschaffen, die Kosten im Zahlungsverkehr zu senken oder Geldgeschäfte rückverfolgbar zu machen, um illegale Transaktionen zu unterbinden.

Digitales Zentralbankgeld wird in zwei Formen emittiert. Das Wholesale-­CBDC, das zur Abwicklung von Großtransaktionen bestimmt ist, darf nur von Finanzintermediären gehalten werden, die dafür eine Genehmigung der Zen­tralbank haben. Das Retail-CBDC ist hingegen für das breite Publikum zugänglich; im Grunde handelt es sich um eine digitale Form des derzeitigen Bargelds.

Wholesale- und Retail-CBDC dienen komplementären Zwecken. Erstere sollen die Effizienz und Sicherheit grenzüberschreitender Zahlungen zwischen Finanzintermediären verbessern, und zwar durch die Senkung der Kosten für Auslandsgeschäfte. Demgegenüber sollen die Retail-CBDC die finanzielle Inklusion fördern, indem sie Menschen ohne Bankkonto den Zugang zum Zahlungsverkehr ermöglichen. Diese Funktion ist in den Entwicklungsländern besonders wichtig.

Eines der ehrgeizigsten und ältesten aller ­CBDC-Projekte ist der 2014 eingeführte chinesische E-Yuan (E-CNY). Diese digitale Währung wird derzeit offiziell in 29 chinesischen Städten eingeführt. Sie kann genutzt werden, um etwa Bus­tickets, Supermarkteinkäufe oder Freizeitaktivitäten zu bezahlen. Das Digital Currency ­Research Institute (DCRI) der chinesischen Zentralbank, das hinter dem CBDC-Projekt steht, schätzte das Transaktionsvolumen der digitalen Währung im Juli 2024 auf 7,3 Billionen Yuan (888 Milliarden Euro). Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer bezifferte das DCRI auf 180 Millionen, was etwa einem Achtel der Bevölkerung Chinas entspricht.9

Einer der Hauptkritikpunkte am E-Yuan betrifft die mögliche Verletzung der Privatsphäre. Wegen der Rückverfolgbarkeit der Transaktionen und der großen Menge der an die chinesische Zentralbank übermittelten Daten könnte das System als Instrument zur Überwachung der Bevölkerung missbraucht werden.

Technisch wäre es für die Behörden durchaus machbar, in Echtzeit zu ermitteln, was die Nutzerinnen und Nutzer essen, wo sie sich gerade ­aufhalten und in welchem Friseursalon sie sich die Haare schneiden lassen. Die Staatsmacht könnte auch beschließen, die Verwendung des E-Yuan zu kontrollieren, bestimmte Transak­tio­nen zu blockieren oder die digitale Geldbörse einzelner Personen zu sperren. Zwar betont die chinesische Zentralbank, der Schutz der Privatsphäre habe für sie oberste Priorität, aber eine tatsächlich ­un­abhängige Kontrolle der Verwaltung gibt es nicht.

Bei der Einführung eines digitalen Euro, die derzeit in Brüssel geprüft wird, könnte es zu ähnlichen Problemen kommen. Außerdem müsste geklärt werden, welche Auswirkungen ein digitales europäisches Zentralbankgeld auf das Bankensystem hätte.

Die privaten Kreditinstitute sehen die Entwicklung eines Retail-CBDC in Europa kritisch, denn es würde mit dem von ihnen im Rahmen ihres Kreditgeschäfts geschaffenen Buchgeld konkurrieren. Kundinnen und Kunden könnten versucht sein, ihre Bankeinlagen aufzulösen und in den digitalen Euro zu investieren. Das würde die Kreditvergabekapazität des Bankensystems beeinträchtigen, die im Euroraum die wichtigste Finanzierungsquelle der Wirtschaft darstellt.

Umgekehrt könnte dies aber auch ein Hauptvorteil eines CBDC in Euro sein: Durch die Entwicklung eines digitalen Zentralbankgelds in Europa würde das Quasimonopol der Privatbanken bei der Geldschöpfung infrage gestellt.

Die Digitalisierung im monetären Bereich dürfte bei den internationalen Währungsbeziehungen künftig eine wichtige Rolle spielen. Angesichts der Spannungen, die bereits jetzt insbesondere zwischen den USA und China herrschen, könnte diese Entwicklung den internationalen Wettbewerb zwischen den Währungen bis hin zu einem „Währungskrieg“ verschärfen.

Im Ergebnis könnte das zu einer stärkeren Segmentierung des Währungssystems führen, also zu einer Situation, in der die gesetzlichen Währungen nicht mehr nur untereinander, sondern auch mit privat emittierten Währungen konkurrieren.

1 Philippe Coste, „Avec Donald Trump, les cryptos gagnent une place de choix à la Maison Blanche“, Libération, Paris, 9. März 2025.

2 MacKenzie Sigalos, „Trump’s crypto-frenzied inauguration weekend makes first family billions of dollars richer“, CNBC, 20. Januar 2025.

3 Siehe Frédéric Lemaire, „Falschgeld Bitcoin“, LMd, Februar 2022.

4 Illya Otychenko, „Stablecoin landscape: what 2024 reveals about 2025?“, blog.cex.io, 31. Januar 2025.

5 Jalpa Bhavsar, „Stablecoin transfer volume surges 16x since 2020“, Cryptotimes, 20. Juni 2024.

6 Yanis Varoufakis, „Trump wants big tech to own the dollar“, Project-Syndicate, 29. Mai 2025, project-syndicate.

7 Siehe Roomy Khan, „The stablecoin paradox: supercharging dollar dominance“, Forbes, 3. März 2025.

8 Ronit Ghose u. a., „Digital dollars: banks and public sector drive blockchain adoption“, Citigroup, New York, 23. April 2025.

9 Roger Huang, „A 2025 Overview of the E-CNY, China’s Digital ­Yuan“, Forbes, 15. Juli 2024.

Aus dem Französischen von Markus Greiß

Frédéric Lemaire ist Wirtschaftswissenschaftler und Dominique ­Plihon emeritierter Professor (Universität Sorbonne Paris-Nord). Beide gehören dem wissenschaftlichen Beirat von Attac an.

Le Monde diplomatique vom 11.09.2025, von Frédéric Lemaire und Dominique Plihon