Yale, Harvard und ihr Kapital
Trump betrachtet die US-Unis als ideologischen Feind – doch fragwürdig sind vor allem deren Elitismus und das Geschäftsmodell
von Martin Barnay

Die Trump-Regierung hat sechs der acht Ivy-League-Universitäten wirtschaftlich ins Mark getroffen. Sie hat Forschungszuschüsse und -verträge ausgesetzt, die sich für Princeton auf 210 Millionen, für die Brown University auf 510 Millionen und für Cornell auf über 1 Milliarde US-Dollar belaufen. Außerdem hat sie eine Verwendungsprüfung für die 9 Milliarden US-Dollar eingeleitet, die jährlich an Harvard überwiesen werden; fast 3 Milliarden wurden Harvard bereits gestrichen.
Landesweit wurden Forschungsgelder in Höhe von mindestens 11 Milliarden Dollar eingefroren.1 Und das könnte erst der Anfang sein. Im Visier stehen die Hochburgen der US-amerikanischen Bildungselite, die für die Exzellenz ihrer Lehre – und für die soziale Homogenität ihrer Studentenschaft – bekannt sind.
Die Columbia University geriet als erste unter Beschuss: Anfang März kündigte die US-Regierung an, ihr 400 Millionen US-Dollar zu streichen – mehr als ein Drittel dessen, was die Hochschule jedes Jahr aus Bundesmitteln erhält; offiziell als Strafe dafür, dass die Uni zu lax gegen Antisemitismus vorgegangen sei. Auf dem Campus an Manhattans Upper West Side war besonders laut gegen die israelische Kriegsführung in Gaza protestiert worden.2
Die schnelle Kapitulation der Columbia University hat den gesamten Hochschulsektor unter Druck gesetzt, auch wenn Harvard, mittlerweile das Hauptziel der Trump-Administration, sich juristisch wehrt – sowohl gegen die Kürzungen als auch gegen das Ende Mai verhängte Verbot, ausländische Studierende aufzunehmen.
Das US-Bildungsministerium hat neue Bedingungen für den Zugang zu Bundesmitteln aufgestellt und rund 60 Universitäten mit „möglichen Durchsetzungsmaßnahmen“ (potential enforcement actions) gedroht, wenn sie „ihre jüdischen Studierenden nicht vor antisemitischen Übergriffen schützen“.
Angesichts des schwindenden Zuspruchs für die Trump-Regierung setzt diese möglicherweise darauf, dass sich ihr Kräftemessen mit den Unis politisch auszahlt.
„Die Universitäten sind ein leichtes Ziel für Konservative“, sagt Dylan Riley, Soziologieprofessor in Berkeley. „Für einen Teil der Amerikaner verkörpern sie die Arroganz der großen Küstenstädte. Ihr Prestige bemisst sich daran, wie viele Studierende sie aufnehmen – oder, genauer gesagt, wie viele sie ausschließen.“
2021 hielt der künftige Vizepräsident J. D. Vance, der aus einer armen Familie aus den Appalachen stammt, aber an der elitären Yale Law School studiert hat, auf der National Conservatism Conference eine Rede mit dem Titel „Die Universitäten sind der Feind“. „Es ist nicht verwunderlich, dass die Republikaner den Campus als Brutstätte oppositioneller Wähler sehen“, sagt Riley, denn alle Umfragen zeigten, dass die große Mehrheit der Lehrenden eher linksgerichtet sind.
Columbia stand schon lange vor den Anschlägen auf Israel vom 7. Oktober 2023 im Fadenkreuz der Konservativen. 2020 hatte Universitätspräsident Lee Bollinger mit der tradierten Unparteilichkeit gebrochen und sich öffentlich gegen Trumps Wiederwahl ausgesprochen.
Hinzu kommt eine alte Geschichte, die die New York Times wieder ausgegraben hat: Als die Uni Anfang der 2000er Jahre ihren Campus erweitern wollte, hatte Trump versucht, ihr ein Grundstück zu verkaufen3 – für genau die Summe, die seine Regierung der Uni nun gestrichen hat.
Details zu weiteren Kürzungen sind noch nicht bekannt, doch die biomedizinische Forschung ist besonders stark betroffen, weil sie in weiten Teilen von den National Institutes of Health (NIH) finanziert wird, einer Behörde des US-Gesundheitsministeriums. Im vergangenen Jahr vergaben die NIH 60 000 Zuschüsse in Höhe von mindestens 32 Milliarden US-Dollar. Zurzeit werden die NIH von der Trump-Regierung heftig angegriffen. Angestellte wurden entlassen, Gelder eingefroren, laufende Studien eingestellt. Zudem wurde angekündigt, die Obergrenze für indirekte Kosten, etwa für Labore oder Verwaltung, die bisher fast 50 Prozent der Förderung ausmachten, drastisch zu senken.
Generalstaatsanwälte aus 22 demokratisch regierten Bundesstaaten klagten gegen die Kürzungen. Eine Bundesrichterin blockierte die Maßnahme, was die angespannten Nerven jedoch kaum beruhigte: Aus Angst vor einem langfristigen Schwund an Mitteln haben mehrere Universitäten schon Stellen gestrichen und vorerst keine neuen Leute eingestellt.

Jimmy Carter und sein Bildungsministerium
Die Hochschulbildung war nicht immer Gegenstand politischer Polarisierung. Dies änderte sich, als 1979 unter Jimmy Carter (US-Präsident 1977–1981) das Bildungsministerium gegründet wurde. Das neue Ministerium stand für den spektakulären Aufschwung des Bildungssystems nach dem Zweiten Weltkrieg, als die öffentlichen Universitäten an Bedeutung gewannen und ein Hochschuldiplom für viele zum Sprungbrett des sozialen Aufstiegs wurde.
Zunächst hatte das Ministerium eine lediglich administrative Rolle. Es war etwa damit betraut, Statistiken zu zentralisieren oder die Bundesfinanzmittel zu koordinieren. Alles andere fiel in die Zuständigkeit der Bundesstaaten, insbesondere die Erstellung von Lehrplänen.
Als Ronald Reagan 1981 an die Macht kam, versuchte er das Bildungsministerium wieder abzuschaffen – ohne Erfolg. Obwohl die Bundesbehörde zeitweise von republikanischen Hardlinern wie William Bennett (1985–1988) und Betsy DeVos (2017–2021) geleitet wurde, galt sie stets als Hort der Demokraten. Trumps aktuelle Bemühungen, die Behörde zu schwächen – die Hälfte der 4000 Stellen sollen gestrichen werden –, sind also auf einer Linie mit der Ideologie seiner Partei.
Tatsächlich geht es in diesem Kulturkrieg vor allem um materielle Interessen. Das Bildungsministerium ist bereits das kleinste aller Ministerien. Es beschäftigt weniger als 1 Prozent der Bundesbediensteten, verwaltet aber fast 4 Prozent des Staatshaushalts. Vor allem aber verwaltet es die 1,6 Billionen US-Dollar an Studienkrediten, die mehr als 43 Millionen Amerikaner:innen aufgenommen haben. Hinzu kommen die 80 Milliarden US-Dollar an Beihilfen und Stipendien, die jährlich von der Bundesregierung und den Bundesstaaten an besonders bedürftige Studierende ausgezahlt werden.4
Studienschulden zählen mittlerweile zu den wirtschaftlichen Schlüsselfaktoren in den USA; sie belasten den öffentlichen Haushalt und bremsen den Konsum. Laut einer Studie von 2024 bedeutet ein Anstieg des Schulden-Einkommen-Verhältnisses eines Hochschulabsolventen um 1 Prozentpunkt, dass sich sein Konsum um 3,7 Prozentpunkte verringert.5
Die Biden-Administration hatte daher auf mehreren Wegen versucht, den einkommensschwächsten Kreditnehmer:innen einen Teil ihrer Schulden zu erlassen. Die größte dieser Initiativen wurde vom Supreme Court jedoch untersagt, weil sie die Befugnisse der Exekutive überschreite.
Joe Biden verlängerte auch das während der Coronapandemie eingeführte Rückzahlungsmoratorium für Studienkredite. Die Trump-Regierung hat diese Maßnahme im April aufgekündigt, weshalb die Zahl der säumigen Kreditnehmer:innen binnen weniger Monate von etwas mehr als 5 Millionen auf knapp 10 Millionen steigen könnte.6
Die ohnehin hohe Verschuldung der US-amerikanischen Studierenden stieg nach 2008 exponentiell an. Die stetige Erhöhung der Studiengebühren verstärkt das noch: An den beliebtesten Hochschulen liegen sie heute bei 30 000 bis 60 000 Dollar. Im Durchschnitt haben sich die Gebühren in den letzten 30 Jahren verdoppelt.7
Um sich einen Teil dieses Geldsegens zu sichern, haben die Unis vermehrt in sogenannte Student Life Services investiert und den einen oder anderen Campus in einen wahren Luxushotelkomplex verwandelt.
Die Louisiana State University etwa investierte 85 Millionen US-Dollar in einen Aquapark mit einem Schwimmbecken, das die Buchstaben LSU formt. Stanford, am Rande des Silicon Valley, steckte mehrere hundert Millionen Dollar in den Ausbau von Cafeterien und Wohnheimen. Ein universitätseigenes Architektenteam beaufsichtigte den Bau eines ultramodernen, 7000 Quadratmeter großen Sportzentrums am Rande eines Campus, der bereits über einen Golfplatz, ein Reitzentrum und ein Stadion mit 50 000 Plätzen verfügt.
Im Durchschnitt geben die großen, privaten Forschungsuniversitäten mit 40 Prozent ihres Budgets etwa genauso viel für Verwaltung und Dienstleistungen aus wie für die Lehre.8
Da ihre Gläubiger Steuerbefreiungen in Anspruch nehmen können, profitieren Hochschulen von sehr niedrigen Kreditzinsen. Mit 1 bis 3 Prozent liegen sie in vielen Fällen unter der Verzinsung von US-Staatsanleihen. Dadurch konnten die Universitäten hohe Vermögenswerte anhäufen.
Die Columbia University zum Beispiel ist heute der größte Grundbesitzer in Manhattan. Quasi in Gutsherrenart kann sie gegenüber einem Teil ihrer Mitarbeiter:innen nicht nur als Arbeitgeber, sondern auch als Vermieter auftreten – selbstverständlich zu marktüblichen Preisen.
Die Universitäten halten einen immer größeren Teil ihres Vermögens in Form von Finanzanlagen. Dabei spielen die sogenannten endowments (Stiftungsvermögen) eine wichtige Rolle. Sie speisen sich unter anderem aus Spenden ihrer Alumni, die so Steuern sparen und stillschweigend davon ausgehen können, dass ihre Kinder bei der Studienplatzvergabe bevorzugt werden.9
Die Stiftungsvermögen der wohlhabendsten Universitäten erreichen zweistellige Milliardenbeträge. Harvard verfügt mit fast 52 Milliarden Dollar über das größte Stiftungsvermögen, gefolgt von Yale (41 Milliarden) und Stanford (37 Milliarden).
Landesweit beläuft sich das Gesamtvolumen der Stiftungsvermögen auf über 870 Milliarden Dollar. Die durchschnittliche Kapitalrendite für diese Gelder liegt bei fast 7 Prozent, während die Steuerbelastung mit 1,4 Prozent extrem niedrig ist.10
Erst seit einem Gesetz aus Trumps erster Regierungszeit von 2017 werden endowments überhaupt besteuert. Im Januar 2025 beantragten republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, den Steuersatz auf 14 Prozent anzuheben, was der Mindeststeuer auf Kapitalerträge entspricht. Und im Mai schlug Trump vor, man solle von den reicheren Unis 21 Prozent verlangen.
Einige der großen US-Universitäten ähneln manchmal eher Investmentfonds als Bildungseinrichtungen. 2013 lag etwa das Jahresgehalt von Columbia-Präsident Bollinger bei 4,6 Millionen US-Dollar – womit er allerdings immer noch etwas weniger verdiente als der Stiftungs-CEO seiner Uni.
Dass bald massenhaft Forscher:innen vor Trumps Autoritarismus nach Europa fliehen könnten, wie in der europäischen Presse spekuliert wird, ist daher eher unwahrscheinlich – dazu ist die finanzielle Ausstattung der meisten europäischen Hochschulen einfach zu schlecht.
Neben Harvards 50-Milliarden-Dollar-Vermögen nehmen sich die 9 beziehungsweise 7 Milliarden Pfund, über die die britischen Universitäten Oxford und Cambridge verfügen, bescheiden aus; und die etwa 100 Millionen Euro Eigenkapital der französischen Eliteuniversitäten Sciences Po oder der École polytechnique sind geradezu lächerlich.
In den USA können Lehrstuhlinhaber:innen selbst in den Geisteswissenschaften leicht auf ein Jahresgehalt von mehr als 200 000 US-Dollar kommen. Ihre französischen Kolleg:innen verdienen selbst am Ende ihrer Karriere nicht mehr als 70 000 Euro, in Deutschland sind es durchschnittlich etwa 80 000 Euro; nur die Schweiz kann mit den USA mithalten: Hier lag 2024 das Jahresgehalt für eine Professur je nach Uni bei umgerechnet zwischen 239 913 Euro (Université Fribourg) und 315 682 Euro (ETH Zürich).
Die aktuellen Turbulenzen in der US-Forschungsindustrie dürften vor allem den technologischen Rückstand gegenüber China vergrößern. Dort werden schon jetzt 60 000 Patente pro Jahr angemeldet, in den USA sind es nur 40 000. Trumps Attacken gegen die Universitäten stehen somit offensichtlich im Widerspruch zu seinem Versprechen einer neuen industriellen Revolution, die durch Innovationen das Wachstum ankurbeln soll.
„Ein Ziel dieser Maßnahmen könnte darin bestehen, einen Teil der Forschungsinfrastruktur zugunsten der Techbranche zu privatisieren“, sagt Dylan Riley.
Der US-Kapitalismus profitiert seit Langem von der Subventionierung der Universitäten. Durch den Bayh-Dole Act von 1980 können sich Unternehmen seitdem mit Bundesmitteln geförderte Forschungsergebnisse patentieren lassen. Damals ging es darum, die ostasiatische und insbesondere japanische Konkurrenz daran zu hindern, sich die aus US-Steuern finanzierten Erfindungen zu eigen zu machen.
Womöglich meinen die Techgiganten, sie seien mittlerweile groß genug, um ohne universitäre Forschungseinrichtungen auszukommen. Deren auf Lebenszeit abgeschlossene Verträge und die starke gewerkschaftliche Organisation an den Fakultäten ist ihnen ohnehin ein Graus.
„Die großen Digitalunternehmen funktionieren bereits fast wie Universitäten“, bemerkt Riley. „Sie beschäftigen Forscher, publizieren in wissenschaftlichen Zeitschriften und bilden ihre Ingenieure intern aus.“
Die Kürzungen der Bundeskredite für Studierende und höhere Hürden, um sie zu bekommen, werden in erster Linie mittelgroße Universitäten treffen und damit die Herrschaft des Gelds im Hochschulsektor verstärken. In letzter Zeit haben jedes Jahr etwa 50 Bildungseinrichtungen Konkurs angemeldet oder mussten fusionieren. Ein Trend, der sich jetzt beschleunigen könnte – besonders gefährdet sind regionale öffentliche Hochschulen und kleine Liberal-Arts-Colleges.
Dagegen können finanzstarke Hochschulen auf Reserven zurückgreifen, Unterstützung ihrer Bundesstaaten (Kalifornien, Massachusetts oder Illinois) beantragen und Alumninetzwerke aktivieren. Auch die Finanzierung über die Kapitalmärkte ist eine Option. Harvard, Brown und Princeton haben sich in den letzten Wochen durch die Ausgabe von Anleihen mehrere hundert Millionen US-Dollar beschafft.
Einige Universitäten werden die Gelegenheit nutzen, sich stärker auf „strategisch wichtige“ Fächer zu konzentrieren und weniger profitable (und politisch brisantere) Disziplinen wie Anthropologie oder Literatur zurückzustellen.
Die schwindende Bedeutung der Universitäten kann auch als Anpassung an die demografischen Realitäten des Landes verstanden werden. Die rückläufige Geburtenrate seit der Finanzkrise von 2007/08 erschüttert ein Modell, das auf einer ständig wachsenden Zahl von Studierenden beruht.
Bis vor Kurzem haben die Hochschulen diesen relativen Bevölkerungsrückgang durch den Zustrom von Studierenden aus China ausgeglichen, deren Eltern bereit waren, viel Geld in einen US-amerikanischen Hochschulabschluss zu investieren. Ihre Zahl hat sich zwischen 2010 und 2020 von 120 000 auf 370 000 mehr als verdreifacht.11
Wegen der zunehmenden Entkopplung zwischen den USA und China droht diese lukrative Einnahmequelle der Universitäten jedoch zu versiegen. Im akademischen Jahr 2023/24 waren noch knapp 280 000 chinesische Studierende an US-Unis eingeschrieben. Die von Trump angedrohte Verschärfung der Visakriterien – sein Außenminister Marco Rubio kündigte am 29. Mai sogar an, chinesischen Student:innen „aggressiv“ ihr Visum abzuerkennen – wird ihre Zahl wahrscheinlich weiter sinken lassen.
Hinzu kommt der negative Effekt der Coronapandemie. Dagegen waren frühere Wirtschaftskrisen für die Hochschulen sogar meist segensreich, weil ein Diplom als beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit galt.
Die Bibliotheken, einst Aushängeschilder ihrer Unis mit großer Strahlkraft und teilweise rund um die Uhr zugänglich, mussten nach 2020 Personal und Öffnungszeiten drastisch reduzieren. Eine Umfrage von 2022 ergab, dass zwei Drittel aller Studierenden weniger als fünfmal pro Semester in die Bibliothek gehen.12
Die steigenden Studiengebühren und die schlechteren Jobaussichten für Hochschulabsolvent:innen haben eine Debatte über den Stellenwert der Universitäten in der amerikanischen Wirtschaft ausgelöst. In die eigene Hochschulbildung zu investieren, lohnt sich im Durchschnitt zwar immer noch. In Meinungsumfragen wird aber deutlich, dass der Wert der Universitätsabschlüsse zunehmend infrage gestellt wird.
Es wurde zwar schon vor der Pandemie darüber geklagt, dass die Studierenden nicht mehr in die Bibliothek gehen und seltener Bücher ausleihen.13 Doch die vielen Onlineseminare, die nach wie vor angeboten werden, und das angespannte Klima an den Universitäten seit Trumps Wiederwahl – mit Polizeipräsenz, Ausweiskontrollen und Angst vor Verhaftungen – tragen auch nicht gerade dazu bei, das Campusleben wieder attraktiver zu machen.
Angesichts dieser Umstände ist es schwer zu rechtfertigen, dass man sich für ein vierjähriges Bachelorstudium verschulden und 150 000 Dollar investieren soll – ohne Aussicht auf einen sicheren Job –, vor allem wenn eine Ausbildung zur Elektrikerin weniger als 20 000 Dollar kostet und junge Menschen dann ein Jahresgehalt von 60 000 US-Dollar verdienen können.
Massenhaft überqualifizierte Absolventen
Zudem fallen immer mehr junge Leute auf den Mythos des erfolgreichen Autodidakten und Selfmademans herein, den Elon Musk und Mark Zuckerberg über sich verbreiten. Laut einer aktuellen Umfrage glauben über die Hälfte der Absolvent:innen aus der Generation Y (30 bis 45 Jahre) und knapp die Hälfte aus der Generation Z (unter 30 Jahre), dass sie ihren derzeitigen Job auch ohne Hochschulstudium ausüben könnten.
Diese Meinung deckt sich mit den Ergebnissen einer unabhängigen Studie, derzufolge mehr als 50 Prozent der Absolvent:innen ein Jahr nach ihrem Abschluss in einem Beruf arbeiten, der keine akademische Ausbildung erfordert. Fast drei Viertel von ihnen üben auch noch zehn Jahre später eine Tätigkeit aus, für die sie eigentlich „überqualifiziert“ sind.14
Die Demokraten haben sich stets gegen Trumps Vorwurf des Elitismus gewehrt und dagegen, dass sie das kulturelle Kapital begünstigen und die Arbeiterschaft vernachlässigen würden. In seiner Rede zur Lage der Nation hob Präsident Biden etwa im Februar 2023 lobend hervor, dass es für viele Arbeitsplätze, die von einem Intel-Werk in Ohio mit Bundeszuschüssen geschaffen worden waren, keinen Hochschulabschluss brauche und das durchschnittliche Jahresgehalt bei 130 000 US-Dollar liege.
Und Ex-Präsident Obama insistierte im August 2024 auf dem Parteitag der Demokraten, dass ein Uniabschluss „nicht der einzige Weg in die Mittelschicht“ sein sollte: „Wir brauchen einen Präsidenten, der sich um die Millionen von Menschen im Land kümmert, die jeden Tag aufstehen, um wichtige, oft undankbare Arbeiten zu verrichten, unsere Kranken zu pflegen, unsere Straßen zu reinigen und unsere Pakete zuzustellen.“
Mit mehr als 3,5 Millionen Beschäftigten, von denen fast 60 Prozent in nichtakademischen Funktionen tätig sind, gehören die Universitäten nach wie vor zu den wichtigsten Arbeitgebern in den USA. Einige Unternehmen gehen davon aus, dass angesichts der schwierigen Lage der Universitäten ein Teil des Hochschulpersonals in andere Branchen abwandern wird.
Eine solche Verlagerung, insbesondere in der Industrie, könnte sich zu einer zentralen Herausforderung für die Regierung Trump entwickeln, die ja ausdrücklich die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte beschränken will. Seit Jahren warnen große Konzerne und Wirtschaftsverbände vor dem Mangel an qualifizierten und unqualifizierten Arbeitskräften. Der Industrieverband National Association of Manufacturers (NAM) hat letztes Jahr 600 000 offene Stellen gezählt und rechnet bis 2030 mit einem Anstieg auf über 2 Millionen.15
Auf längere Sicht wird es nötig sein, eine steigende Zahl junger Menschen, die früh ins Berufsleben einsteigen, in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Zahl der Auszubildenden hat sich in den USA zwischen 2015 und 2024 von 360 000 auf 667 000 fast verdoppelt.16
Tesla bietet mittlerweile einen 14-wöchigen Lehrgang an, der auf die werkseigene Fertigungsstraße zugeschnitten ist. Und Trump hat in der Vergangenheit immer wieder das duale Ausbildungssystem in den deutschsprachigen Ländern gelobt – auch wenn ihm vielleicht entgangen ist, dass der Anteil der Auszubildenden in Deutschland (53 Prozent) und Österreich (36 Prozent) schon lange rückläufig ist. Lediglich in der Schweiz machen weiterhin mehr als 75 Prozent eines Jahrgangs eine Lehre.17
Die Einführung eines solchen Systems in den USA dürfte nicht nur der Industrie zugutekommen, sondern auch profitorientierten Bildungseinrichtungen. Letztere sind schon führende Anbieter „berufsbildender“ Studiengänge und seit Langem in Trumps Klientelnetzwerk eingebunden.
Der Sektor mischt sich deshalb auch aktiv in die Debatte über die „Akkreditierung“ zur Vergabe öffentlicher Gelder durch das Bildungsministerium ein. Diesen Mechanismus will Trump als Waffe im tobenden Kulturkampf einsetzen. Die größte Akkreditierungsorganisation AACSB (Association to Advance Collegiate Schools of Business), die weltweit betriebswirtschaftliche Studiengänge beurteilt, ist bereits auf Trumps Kurs eingeschwenkt und hat ihre Diversitätsrichtlinien aufgehoben.18
Immer weniger junge US-Amerikaner:innen haben Zugang zu höherer Bildung; 2022 lag die Immatrikulationsquote der 18- bis 24-Jährigen nur noch bei 39 Prozent (was unterhalb des OECD-Durchschnitts liegt).19 Die von Trump beschworene Reindustrialisierung allein wird aber nicht genügend Arbeitsplätze für diejenigen schaffen, die jetzt nicht mehr studieren. Auch in der Hightechbranche, die er gern als Motor des Aufschwungs im Produktionssektor bezeichnet, ist das Angebot an Jobs gering. Und selbst diese werden schwinden, wenn immer mehr Entwicklerinnen, Systemingenieure und Datenanalystinnen durch künstliche Intelligenz ersetzt werden.
Mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 6,3 Prozent rangierten die USA 2023 zwar innerhalb der OECD noch immer am unteren Ende der Skala – in mehreren europäischen Ländern liegt sie bei 15 bis 20 Prozent. Doch sollte sich diese Zahl in den USA in den nächsten Jahren in dieselbe Richtung bewegen, würde es Trump und den Republikanern nicht zum Vorteil gereichen.
2 Siehe Eric Alterman, „Trumps Feldzug gegen den Gaza-Protest“, LMd, Mai 2025.
8 „Fast facts“, National Center for Education Statistics (NCES).
9 Siehe Richard D. Kahlenberg, „Der direkte Weg nach Harvard“, LMd, September 2018.
11 „China‘s globetrotting students are getting back on the road“, The Economist, 27. November 2021.
15 „2.1 million manufacturing jobs could go unfilled by 2030“, NAM, 4. Mai 2021.
18 Bärbel Schwertfeger, „AACSB folgt Trumps Anti-Diversitätskurs“, MBA Journal, 17. März 2025.
19 „College enrollment rates“, National Center for Education Statistics (NCES), Mai 2024.
Aus dem Französischen von Markus Greiß
Martin Barnay ist Soziologe.