Antiliberaler Männerbund?
Europa war schockiert, als Trump im Ukrainekrieg Russlands Narrativ übernahm. Mittlerweile agiert der US-Präsident – trotz ideologischer Nähe zu Putin – so erratisch wie eh und je.
von Marlène Laruelle

Was haben Wladimir Putin und Donald Trump gemeinsam? Zunächst sind es vor allem ihre Aversionen. Beide sind vehemente Gegner des wokism und der cancel culture. Beide beklagen die „Relativierung“ der binären Geschlechterordnung, für die sie trans Menschen – oder im Fall Putin – Homosexuelle verantwortlich machen.
Für Putin wie für Trump ist der Anspruch der Europäischen Union, die demokratischen und liberalen Werte zu verkörpern, ein Unfug, dem man ein Ende bereiten will. Beide fordern ein Zurück zu traditionellen Werten und den „naturgegebenen“ Hierarchien, die dem „gesunden Menschenverstand“ entsprächen. Beide sehen ihr Land – auf je eigene Weise – als Vorreiter im Kampf für die „Rettung des Abendlands“, das im Nihilismus versinke. Beide lehnen die liberale Demokratie ab und sind – unter Berufung auf ihre „charismatische“ Autorität – gegen die Begrenzung der Exekutivgewalt.
Neben diesen Gemeinsamkeiten bestehen aber auch gewaltige Unterschiede. Putin tritt für eine multipolare Welt ein, in der die Einflusssphäre der USA auf den amerikanischen Kontinent begrenzt ist. Für ihn wurzelt die Macht eines Landes in den geografischen Gegebenheiten und in der Geschichte. Das hat er letztens in einem Interview dargelegt, das er am 8. Februar 2024 dem US-Journalisten Tucker Carlson gab. Dabei belehrte Putin den erzkonservativen Tucker des Längeren und Breiteren über die Geschichte der Ukraine und seine historische Mission, die russische, slawische und orthodoxe Welt zu einen.
Trump dagegen oszilliert mit seiner „America First“-Doktrin ständig zwischen ganz unterschiedlichen Positionen: Mal geht er von einer multipolaren Welt aus, mal will er sein Land auf den eigenen Kontinent fokussieren, dann wieder pocht er auf eine globale Vormachtstellung, die allein auf schierer militärischer oder wirtschaftlicher Übermacht beruht und nicht mehr auf die Beeinflussung anderer Staaten mittels „Soft Power“ setzt (siehe den Beitrag von Philip S. Golub auf Seite 3).
Beide Staatschefs sinnen auf Rache für den Machtverlust des eigenen Landes, haben aber unterschiedliche Vorstellungen davon, was nationale Größe bedeute. In Russland werden die materiellen Interessen der Bevölkerung teilweise auf dem Altar der Außenpolitik geopfert. In den USA muss die Machtpolitik gegenüber anderen Ländern einen Nutzen für die eigene Bevölkerung haben, etwa abgewanderte Arbeitsplätze zurückholen oder wichtige Ressourcen erobern. Im Übrigen überträgt Trump seine innenpolitischen Auseinandersetzungen auf die internationale Ebene, indem er die Europäer beschuldigt, sich ideologisch zu sehr an den US-Demokraten zu orientieren.
Erhebliche Unterschiede gibt es – trotz aller ideologischen Parallelen – auch im Hinblick auf das Verständnis der Gesellschaft und der politischen Institutionen. Für Putin verkörpern der Staat und seine Funktionselite die Nation; allein ihnen steht es also zu, über die Politik und das gesellschaftliche Wertesystem zu bestimmen. Auch Trump träumt von einer allmächtigen Exekutive, die Justiz und Armee kontrolliert, darüber hinaus will er die bundesstaatliche Struktur zerschlagen, den Beamtenapparat drastisch verkleinern und die Wirtschaft deregulieren.
Der Putinismus wie der Trumpismus wachsen auf einem ideologischen Boden, auf dem unterschiedliche Interessen miteinander verflochten sind. In Russland gibt es einerseits die Fraktion der „Realisten“, bestehend aus Verfechtern einer Großmachtsvision, die den Dialog mit westlichen Kräften vom Schlage Trumps oder Orbáns suchen, wie auch aus enttäuschten ehemaligen Anhängern des Westens. Ein anderer Teil des Establishments dagegen sieht in Russland – als Staat wie als Gesellschaft – den natürlichen Gegenpol des „kollektiven Westens“. Im Übrigen treten maßgebliche Leute in Moskau dafür ein, die Beziehungen zum Globalen Süden zu stärken, egal was das für eine künftige Annäherung an Washington bedeutet.
In den USA sehen die alten republikanisch-neokonservativen Eliten, die ins Trump-Lager übergelaufen sind, in Russland den historischer Kontrahenten. Sie stehen weiterhin aufseiten der Ukraine, unterstützen jedoch das Weiße Haus, wenn es Druck auf Kyjiw ausübt. So hat der republikanische Senator Lindsey Graham, obwohl ein bekennender Selenskyj-Fan, dem ukrainischen Präsidenten nach dem berühmten Wortgefecht im Oval Office mangelnden Respekt vor Trump vorgehalten.1
Distanz zu Russland halten auch die sogenannten restrainer, also jene Republikaner, die das Engagement der USA jenseits der eigenen Grenzen zurückfahren wollen, um das nationale Interesse auf den amerikanischen Kontinent zu konzentrieren. Für sie wäre ein möglicher Waffenstillstand im Ukrainekrieg – oder gar ein Friedensvertrag – allenfalls ein pragmatisches Übereinkommen, das aber niemals auf eine Allianz mit Moskau hinauslaufen darf.
Für einen anderen Flügel der Trumpisten, der das Herz der Maga-Bewegung („Make America Great Again“) ausmacht, geht das Verhältnis zu Russland stärker in Richtung Symbiose. Diese Haltung ist stark von religiösen Motiven beeinflusst: Vielen Vertretern der christlichen Rechten gilt Putin als Verteidiger des Christentums, weil er Russland auf die sogenannten traditionellen Werte orientiert. Manche dieser Leute sind auf ihrer Suche nach einem unverfälschten Glauben sogar konvertiert und orthodox geworden.2
Für andere wie Tucker Carlson bleibt das oberste Ziel die Zerstörung der liberalen Ordnung. Dabei gilt es, zwei Schlachten zu schlagen, wobei der Kulturkampf an der Heimatfront und der internationale Feldzug zur Durchsetzung der „America First“-Politik eng miteinander verknüpft sind.
Eine weitere Strömung des Trumpismus bewundert die konterrevolutionäre Radikalität der extremen Rechten in Russland. Steve Bannon, ehemaliger Chef von Breitbart News – und Trump-Berater zu Beginn von dessen erster Amtszeit –, ist nach eigener Aussage vom russischen Philosophen Alexander Dugin beeinflusst, den er 2018 kennengelernt hat. Bannon wie Dugin berufen sich auf den italienischen Ideologen Julius Evola (1898–1974), der ein überzeugter Esoteriker und einflussreicher Vordenker des Neofaschismus war, und auf Repräsentanten der europäischen Neuen Rechten wie Alain de Benoist.
Dugin gefällt sich darin, Trump als Urheber der Konterrevolution darzustellen, die er selbst herbeiwünscht, und nimmt erfreut zur Kenntnis, dass der Ex-Immobilienmogul und der Ex-KGB-Mann „die gleichen Werte vertreten“. Diese Einschätzung impliziert auch eine persönliche Aufwertung für Dugin, der sich gern als treibende Kraft der Annäherung zwischen Trump und Putin darstellt.3
Schließlich muss man noch die Ideenwelt der „Dunklen Aufklärung“ (Dark Enlightenment) erwähnen, der mittlerweile sowohl Elon Musk als auch US-Vizepräsident J. D. Vance verfallen sind. Zu den Ideologen dieser lange Zeit lediglich peripheren Strömung, die neoreaktionäre Auffassungen mit techno-futuristischen Fantasien verknüpft, zählen Peter Thiel und Curtis Yarvin. Der Erste ist Mitgründer von Paypal und Chef von Palantir Technologies, der Zweite ein prominenter Blogger, bekannt auch unter dem Namen Mencius Moldbug.

Realisten, Kosmisten und Transhumanisten
Yarvin ist einer der radikalsten Köpfe des Trumpismus.4 Anfang 2022 propagierte er die Idee, Russland auf dem europäischen Kontinent freie Hand zu lassen, was ein reaktionäres Rollback gegen den Liberalismus einleiten sollte mit dem Ziel, die Demokratie abzuschaffen.5 Thiels Ideenwelt wiederum ist vom sogenannten Kosmismus inspiriert. Diese im zaristischen Russland entstandene Denkschule gilt in gewisser Weise als Vorläuferin des Transhumanismus, der die Menschheit mittels Eroberung des Weltraums erneuern will.
Was aus solchen ideologischen Übereinstimmungen folgt, ist schwer zu sagen, zumal sie kein einheitliches Gesamtbild ergeben. Hinzu kommt, dass die dargestellten ideologischen Berührungspunkte durch die geopolitische Konfrontation zwischen Moskau und Washington relativiert werden. Die Bedrohungsanalyse, die im März 2025 vom Büro von Tulsi Gabbard, der US-Geheimdienstkoordinatorin, veröffentlicht wurde, stellt zwei Feindgruppen in den Mittelpunkt: zum einen nichtstaatliche Akteure wie Drogenkartelle und den internationalen islamistischen Terrorismus, die von der Trump-Regierung als größte Bedrohung dargestellt werden; zum anderen staatliche Akteure, unter denen China als der gefährlichste gilt, doch an zweiter Stelle liegt nach wie vor Russland, noch vor Iran und Nordkorea.6
Putin und Trump mögen sich einig sein, die Ukraine als Proxy der abgewählten Biden-Regierung im Kampf gegen die strategischen Interessen Russland zu betrachten, doch beim Thema China liegen sie weit auseinander: Der Chef im Weißen Haus und erst recht sein Vizepräsident Vance und Außenminister Marco Rubio sehen Peking als Hauptgegner. Für den Kreml ist China dagegen ein strategischer Partner.
Erhebliche Differenzen gibt es nach wie vor auch beim israelisch-palästinensischen Konflikt: Trump hält fest zu Benjamin Netanjahu, während Putin eher aufseiten der arabischen Länder zu stehen scheint. Umgekehrt bleibt Teheran, das ein wichtiger militärischer Verbündeter Moskaus ist, für den US-Präsidenten nach wie vor ein Feind. Zwar hat Trump am 7. April eine Wiederaufnahme der Gespräche über das iranische Atomprogramm angekündigt, doch zwei Tage später drohte er wieder mit einem Militärschlag gegen die Islamische Republik, wenn das „erforderlich“ sei.
Auch zum Außenhandel liegen die Standpunkte auseinander. Putin verteidigt den Freihandel – auch auf regionaler Ebene mittels der Eurasischen Wirtschaftsunion – und verurteilt die vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen als unlauteren Wettbewerb. Dagegen droht Trump mit der Demontage der gesamten Globalisierung, auch wenn noch unklar ist, ob die am 2. April verkündete Verhängung eines pauschalen Mindestzolls auf alle ausländischen Erzeugnisse rechtskonform ist.
Angesichts dessen hat die von westlichen Medien etwas voreilig verbreitete Idee, Trump habe sich auf die Seite Russlands geschlagen, in Moskau Überraschung ausgelöst. Denn dort hat man sehr wohl registriert, dass etwa Elon Musk die Ukraine weiterhin sein Satellitennetzwerk Starlink nutzen lässt und dass Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth seine erste Auslandsreise nach Polen unternahm. Und Trumps Verlautbarungen, Grönland und Kanada annektieren zu wollen, bezeugen einen Willen, die eigenen Machtinteressen in der Arktis durchzusetzen, den man im Kreml nicht goutiert.
In zwei Fragen haben Moskau und Washington grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen: Welche Rolle soll ihr Land auf der internationalen Bühne spielen? Und wie soll das Verhältnis zwischen dem Westen und dem Rest der Welt aussehen?
Auf russischer Seite frohlockt man zwar über die von Trump eingeleitete Gegenrevolution, aber man glaubt nicht an eine echte und tiefgreifende Annäherung an Washington. In den USA fantasiert sich die Maga-Bewegung ein Russland zurecht, für das sie Interesse oder gar Bewunderung hegt, aber sie repräsentiert keinesfalls das ganze Spektrum der Republikaner. Manche Maga-Wortführer begeistern sich für die „America First“-Politik und haben für Russland keinerlei Sympathien.
Vielen Trump-Anhängern ist allerdings auch die Ukraine zuwider, weil sie die Sympathie für das angegriffene Land im Kontext der Kulturkämpfe an der Heimatfront interpretieren. Sie sind also gegen die Ukraine, weil Wolodymyr Selenskyj die Demokraten unterstützt hat – und nicht etwa, weil sie die Moskauer Weltsicht übernommen hätten.
5 Curtis Yarvin, „A new foreign policy for Europe“, Gray Mirror, 17. Januar 2022.
Aus dem Französischen von Andreas Bredenfeld
Marlène Laruelle ist Professorin an der George Washington University und Autorin von „Ideology and Meaning-Making Under the Putin Regime“, Redwood City (Stanford University Press) 2025.