Trumps Feldzug gegen den Gaza-Protest
von Eric Alterman

Unter Trump II kann es Menschen in den USA passieren, dass sie trotz gültiger Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von vermummten Regierungsagenten aufgegriffen und in Isolationshaft verfrachtet werden – nur weil sie einen Artikel in einer Studentenzeitschrift veröffentlicht haben.
Am bekanntesten wurde der Fall von Mahmoud Khalil. Der propalästinensische Aktivist und Student an der Columbia University in New York wurde am 8. März vom ICE (Immigration and Customs Enforcement, eine Unterbehörde des Heimatschutzministeriums) im Eingang seines Wohnhauses festgenommen und nach Louisiana deportiert, obwohl er im Besitz einer Green Card ist und mit einer US-Amerikanerin verheiratet ist.
Trump lobte die Verhaftung als „die erste von vielen weiteren“. Das blieb kein leeres Versprechen. Am 25. März wurde die türkische Staatsangehörige Rümeysa Öztürk, Doktorandin an der Tufts University in Massachusetts, in der Nähe ihrer Wohnung von maskierten ICE-Typen verschleppt. Sie wurde wie Khalil in Louisiana interniert, weil sie Co-Autorin einer Meinungskolumne in der Studentenzeitung ihrer Hochschule ist.
Außenminister Marco Rubio behauptete nicht einmal, die beiden hätten gegen irgendein Gesetz verstoßen. Stattdessen tönte er: „Wann immer ich solche Irren finde, nehme ich ihnen ihr Visum weg.“
Trump begründet seinen Feldzug, der auf die Unabhängigkeit der Universitäten abzielt, mit der Notwendigkeit, den Antisemitismus zu bekämpfen. Es gibt in der Tat besorgniserregende antisemitische Übergriffe an all diesen Universitäten; einigen propalästinensischen Protestierenden ist auch Sachbeschädigung, Störung von Lehrveranstaltungen oder die Belästigung jüdischer Studierender vorzuwerfen. Allerdings trifft das auch umgekehrt zu: Zuweilen werden Protestierende von jüdischen Studenten angegriffen.
Vor allem aber gilt: Wo Antiantisemitismus als Waffe benutzt wurde, hatte das nur selten mit einer wirklichen Bedrohung von jüdischen Menschen zu tun. Im Übrigen diniert Präsident Trump selbst in Mar-a-Lago regelmäßig mit bekannten Antisemiten. Das aber schert die jüdischen Organisationen oder reichen Mäzene der Universitäten nicht im Geringsten, dient doch die ganze Kampagne vor allem dazu, Kritik an Israel zu unterbinden. Und die hat nach Ansicht vieler Mitglieder jüdischer Verbände in den USA inzwischen alarmierende Ausmaße angenommen.
Der staatliche Kampf gegen „die Bedrohung durch den Antisemitismus“ dauert zwar schon Jahrzehnte an, läuft aber vollends auf Hochtouren, seitdem die israelische Regierung den Gazakrieg mit mörderischer Logik betreibt.1 Das ultimative Angriffsziel ist die Columbia University in New York. An dieser berühmten Hochschule waren die Proteste vielleicht größer als irgendwo sonst, aber hier lehrte auch jahrzehntelang Edward Said, der prominenteste palästinensische Intellektuelle und Fürsprecher der palästinensischen Sache in den USA.
Zugleich ist die Columbia unter den Ivy-League-Unis die mit dem höchsten Anteil an jüdischen Studierenden; im Grundstudium machen sie fast 23 Prozent aus. Was auch an ihrem Standort New York liegt, der Stadt mit der weltweit zweitgrößten jüdischen Bevölkerung.
Als Saids akademische Schüler an der Columbia begannen, die Darstellung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf die Nakba zu fokussieren und nicht mehr das zionistische Narrativ „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ übernahmen, gab es empörte Reaktionen. Nicht nur bei einigen jüdischen Studierenden, deren Eltern, Großeltern und Columbia-Alumnis, sondern auch bei New Yorker Politiker:innen – Republikanern wie Demokraten – und bei vielen Mediengrößen. Lehrende wurden heimlich in ihren Veranstaltungen gefilmt; es entstand ein propagandistisches Video, das außerhalb der Uni vorgeführt wurde, um die Hysterie über eine angeblich antiisraelische Gehirnwäsche der US-Jugend anzuheizen.
Panische Reaktionen gab es auch auf die BDS-Bewegung, die seit den 2000er Jahren an Boden gewinnt. Bis 2024 hatten bereits 38 von 50 Bundesstaaten Gesetze und Erlasse verabschiedet, die staatlichen Stellen kommerzielle Beziehungen mit Firmen oder Personen untersagten, die zum Boykott Israels aufriefen. Von diesen 38 Staaten kriminalisierten 17 sogar das Unterzeichnen von Aufrufen gegen illegale israelische Siedlungen im Westjordanland – obwohl dieses Gebiet selbst von den USA nicht als israelisches Territorium anerkannt wird.
Ungeachtet aller Kampagnen konservativer jüdischer Organisationen und ihrer Verbündeten im politischen Establishment ging die Sympathie für Israel bei der jungen Generation deutlich zurück, insbesondere bei Jüdinnen und Juden. Bei einer Umfrage unter der jüdischen Bevölkerung der USA vom Juli 2021 waren 34 Prozent der Meinung, dass „Israels Behandlung der Palästinenser dem Rassismus in den USA ähnelt“. Und 38 Prozent der Befragten unter 40 hielten Israel sogar für einen „Apartheidstaat“.2
Auch in der Gesamtbevölkerung hat das Ansehen Israels seit dem Gazakrieg stark gelitten: Im März 2025 hatte eine Mehrheit von 53 Prozent über das Land eine negative Meinung, drei Jahre zuvor waren es noch 42 Prozent. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der „sehr negativen“ Meinung von 10 auf 19 Prozent.3
Die University of Pennsylvania hatte kurz vor dem 7. Oktober 2023 auf ihrem Campus dem Literaturfestival „Palästina schreibt“ Räume zur Verfügung gestellt, was einen Sturm der Entrüstung bei einigen der reichsten jüdischen Geldgeber der Universität auslöste, gefolgt von einer Verurteilung durch die Jewish Federation of Greater Philadelphia und die einflussreiche Anti Defamation League (ADL).
Einer der ADL-Großspender, der Milliardär und Mäzen Marc Rowan, hat massiv dazu beigetragen, dass die Organisation immer weiter nach rechts gerückt ist. Der ADL-Vorsitzende Jonathan Greenblatt verstieg sich zu dem Spruch: „Antizionismus ist Antisemitismus – Punktum“ und forderte den Rücktritt der Universitätspräsidentin Elizabeth McGill und ihres gesamten Stabs, verbunden mit der Androhung eines Spendenembargos aller Mäzene der Universität.
Am Ende wurde McGill zum Rücktritt gezwungen und nach ihr auch noch die Präsidentinnen von drei weiteren Ivy-League-Universitäten: Columbia, Harvard und Cornell. Alle drei waren bei Hearings im Repräsentantenhaus nach dem 7. Oktober von PR-süchtigen Abgeordneten attackiert worden, weil sie propalästinensische Proteste gegen die israelische Gaza-Offensive auf dem Universitätsgelände zugelassen hatten.

Elite-Unis im Fadenkreuz
Es war der Auftakt zu einer offiziellen Politik der Verhinderung propalästinensischer Proteste, die sich überall in den USA an den Unis regten. Dabei beschränkt sich die Obrigkeit nicht auf Festnahmen und Verhaftungen, um die Universitäten den ideologischen Maximen der Regierung zu unterwerfen. Eine noch wirksamere Waffe ist die Finanzkeule.
So wurde der Columbia University angedroht, Bundesmittel in Höhe von 400 Millionen Dollar – vorwiegend für biomedizinische Forschungsprojekte –, nur auszuzahlen, wenn die Hochschule die verlangten umfassenden Änderungen akzeptiert. Die Interimspräsidentin Katrina Armstrong war derart eingeschüchtert, dass sie wie ihre Vorgängerin zurücktrat. Anschließend hat die Leitung der Columbia University nicht nur bereitwillig die Auflagen für Protestveranstaltungen und die Sicherheitsmaßnahmen auf dem Campus verschärft. Sie änderte auch den Zuschnitt und die Selbstverwaltung der Fakultäten und sogar die Lehrinhalte.
Dass eine Universität mit einem Vermögen von 15 Milliarden Dollar sich derart erpressen ließ, forderte Hochschulen mit weit geringeren Mitteln zur Nachahmung auf. Kurz nachdem Columbia eingeknickt war, sagte die New York University im letzten Moment einen Vortrag ab, den Joanne Liu, Ex-Vorsitzende von Médecins sans Frontières, über globale humanitäre Krisen halten sollte.
Liu war bereits aus Montréal angereist und hatte angeboten, ihre Powerpoint-Präsentation zu Israel und dem Gazakrieg zu ändern. Doch die NYU behauptete nach wie vor, Lius Äußerungen über die Zahl der zivilen Opfer in Gaza könne „als antisemitisch wahrgenommen werden“.4
Solche vorauseilende Selbstzensur kann nur zu weiteren Angriffen auf die akademische Freiheit ermutigen. Und die gehen prompt weiter, wobei die Regierung nicht nur Harvard und Columbia ins Visier nimmt, sondern auch Princeton, Cornell, Brown und Northwestern. Von diesen Unis haben bisher nur Princeton und Harvard den Kotau verweigert.
Die Hochschulen stehen im Rampenlicht, aber es trifft auch andere. Seit dem 7. Oktober 2023 werden alle niedergemacht, die sich bei der Behandlung des Nahostkonflikts nicht an die vorgeschriebenen verbalen Grenzen halten. Umgekehrt gilt das auch für linke Kulturinstitutionen und Zeitschriften, die etwa Veranstaltungen mit Autoren oder Referentinnen canceln, wenn diese sich nicht hinreichend „antizionistisch“ äußern. Allerdings ist der propalästinensische Einfluss im politischen und kulturellen Leben der USA – obwohl hier präsenter als in anderen Bereichen – dem proisraelischen weit unterlegen.
Zum Beispiel hat Meta im Juli 2024 angekündigt, die Kontrollen bei Lügen, Rassismen und anderen menschenverachtenden Inhalten zu lockern, doch würden Inhalte, die sich gegen „Zionisten“ richteten, nicht mehr zugelassen. Wie Human Rights Watch berichtet, hatten von den 1050 Posts, die auf Instagram oder Facebook gelöscht oder nicht angezeigt worden sind, 1049 einen pazifistischen Content zur Unterstützung Palästinas, während nur einer proisraelisch war.
Entlassungen wegen „falscher“ Äußerungen sind mittlerweile gang und gäbe. So hat Microsoft zwei Software-Ingenieure gefeuert, weil sie bei einer internen Veranstaltung dagegen protestiert hatten, dass Israel die KI-Produkte von Microsoft militärisch nutzt.
Der Chefredakteur des Kunstmagazins Artforum, David Velasco, wurde von seinem Verlag gefeuert, nachdem er einen offenen Brief hatte abdrucken lassen, der eine Waffenruhe forderte und Israel für den Beginn eines Völkermords verantwortlich machte.
Michael Eisen verlor seinen Posten als Chefredakteur des Wissenschaftsmagazins eLife, weil er einen satirischen israelkritischen Artikel retweetet hatte. Und einer Frau, die seit 17 Jahren am Emerson College in Boston arbeitet und seit 12 Jahren dort das Filmprogramm verantwortet, wurde im August 2024 gekündigt, weil sie den Dokumentarfilm „Israelism“ gezeigt hatte, in dem junge israelische Filmemacher:innen darlegen, warum sie antizionistisch geworden sind.
Ein glücklicheres Ende nahm ein weiterer Fall versuchter Selbstzensur. Der Bürgermeister von Miami Beach, Steven Meiner, scheiterte mit seinem Plan, dem lokalen Programmkino das Mietverhältnis zu kündigen und die Zuschüsse zu streichen – als Strafe für das Verbrechen, den israelisch-palästinensischen Film „No Other Land“ zu zeigen, der 2025 mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.
Doch dann protestierten mehr als 750 Angehörige der Filmbranche in einem offenen Brief gegen „diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit, das Recht von Künstlern, ihre Geschichten zu erzählen, und den Verstoß gegen das First Amendment“. Daraufhin zog Meiner seinen Antrag an den Stadtrat zurück.
Auch im Kongress blieb man nicht untätig: Der Abgeordnete Brian Mast aus Florida, Vorsitzender des House Foreign Affairs Committee – und Ex-Soldat der israelischen Armee – wies die Ausschuss-Belegschaft an, in allen amtlichen Dokumenten statt der Bezeichnung „West Bank“ den Begriff „Judäa und Samaria“, also die annexionistische Terminologie der Israelis, zu verwenden.
Derselbe Brian Mast warnte UN-Generalsekretär António Guterres Ende März davor, ein UNHCR-Komitee mit einer Untersuchung der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen zu beauftragen. In einem auch von Jim Risch (Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Senats) unterschriebenen Protestbrief behauptete er, das UNHCR „erlaube das Erstarken von Antisemitismus und Antiamerikanismus in seinen Reihen und sei offensichtlich unwillig, die brutalsten Verletzer der Menschenrechte zur Rechenschaft zu ziehen“.
Mast wetterte auch gegen die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas, Francesca Albanese, und denunzierte sie als „eine dreiste antiisraelische Aktivistin“, die nach der Pfeife der Hamas-Terroristen tanze.
Ein besonderer Fall ist der „Antisemitism Awareness Act“, der seit April 2024 im Kongress vorliegt. Das Gesetzesvorhaben, das von Republikanern und Demokraten unterstützt wird, soll die IHRA-Definition von Antisemitismus zu geltendem Recht machen. Dass es noch nicht zur Abstimmung gebracht wurde, liegt weniger daran, dass liberale Kongressmitglieder die freie Meinungsäußerung schützen wollen. Probleme machen vielmehr einige evangelikale Republikaner, die befürchten, dass damit ihre Behauptung, die Juden seien für den Mord an Jesus verantwortlich, verboten werden könnte.
1 Siehe „Joe Biden und der Gazakrieg“, LMd, Februar 2024.
2 Siehe mondoweiss.net, 13. Juli 2021.
3 Umfrage des Pew Research Center (24.–30. März 2025).
4 The Guardian, 31. März 2025.
Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier
Eric Alterman ist Journalist und Historiker. Zuletzt erschien von ihm: „We Are Not One: A History of America’s Fight Over Israel“, New York (Basic Books) 2022.