13.03.2025

Chevaliers des Kapitals

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Chevaliers des Kapitals

von Maïlys Khider und Timothée de Rauglaudre

Franziska Reinbothe, Ohne Titel, 2024, Acryl auf Baumwolle und Garn, 70 × 74 × 20 cm
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Der Élysée-Palast ist mit Gittern abgesperrt. Die Security lässt nur handverlesene Gäste durch. Bernard Ar­nault soll hier heute aus den Händen von Emmanuel Macron das Großkreuz der Ehrenlegion empfangen, den höchsten Orden der Französischen Republik.

Die Presse ist an diesem Abend nicht zugelassen. Der Sicherheitschef ist unerbittlich: „Das ist eine halb private Veranstaltung.“ Herren in Anzug und Damen in hohen Schuhen, die gerade ihre Einladungen zücken, antworten schmallippig auf die Frage: „Warum wird Bernard Arnault geehrt?“ Ein Manager von Arnaults Luxusgüterkonzern LVMH erklärt, sein Chef werde für die „geleisteten Dienste für das Renommee Frankreichs“ gewürdigt.

Nach den Statuten der Ehrenlegion können Personen dekoriert werden, die „sich mindestens 20 Jahre für öffentliche Belange eingesetzt oder sich durch ihr berufliches Wirken hervorgetan haben“ und dabei „herausragende Verdienste“ vorweisen können – oder zumindest „eindeutige außerordentliche Leistungen“.

40 Prozent der Ausgezeichneten sind heute Zivilpersonen, in den 1960er Jahren waren es nur 20 Prozent. Unter den Geehrten zwischen 1995 und 2019 waren neben hohen Beamten, Künstlern und Wissenschaftlern 21,3 Prozent Führungskräfte aus der Privatwirtschaft.1 2023 kam ein Fünftel der geehrten Zivilpersonen aus der Wirtschaft. Von den 40 Chefs der größten an der Pariser Börse notierten Aktiengesellschaften (CAC 40) tragen 29 einen Orden der Ehrenlegion.

Das Großkreuz erhielten zwischen 1804 bis 2006 in der überwältigenden Mehrheit Militärs, nur zwölf Indus­triel­le, Bankiers und Geschäftsleute wurden in diesen 200 Jahren ausgezeichnet. In den knapp 20 Jahren seit 2007 haben 13 Personen aus diesem Kreis das Großkreuz erhalten.

Die Ehrenlegion würdigt nicht nur die Gewinner des Kapitalismus, sondern erzählt auch die Geschichte seiner Entwicklung. 1990 zeichnete das Wirtschaftsministerium Unternehmenschefs und Bankdirektoren aus, 2021 Verantwortliche von Beratungsfirmen, Manager von Investmentfonds und Risikokapitalgeber. Das Verteidigungsministerium ehrte bis 1990 fast ausschließlich Armeeangehörige, seither auch Spitzen der Rüstungs- und Luftfahrtindustrie.

Die Légion d’Honneur residiert in einem prächtigen Anwesen direkt an der Seine, dem Hôtel de Salm. Das Büro des Großkanzlers – derzeit hat General François Lecointre das Amt inne – wurde mit der Hilfe großzügiger Spenden der Familie Dassault renoviert. In ihm hängen Bilder des ersten und des letzten „Großmeisters“ des Ordens: Napoleon Bonaparte und Emmanuel Macron. Dieser Titel ist dem jeweiligen Staatschef vorbehalten.

„Man muss zwischen dem Abzeichen und der Zugehörigkeit zum Orden unterscheiden“, erklärt Lecointre. „Mit dieser Idee wurde die Ehrenlegion nach der Französischen Revolution gegründet. Als Ersatz für die alten Ritterorden, die auf die französischen Könige zurückgingen.“

Im August 1789 lösten die Revo­lu­tio­näre die königlichen Ritterorden auf, und 1795 verfügte die Verfassung des Jahres III, dass „niemand In­sig­nien tragen darf, die an vormals verwaltete Ämter oder geleistete Dienste erinnern“.

Der Erste Konsul Bonaparte sah das anders: „Es soll mir jemand eine alte oder moderne Republik zeigen, in der es keine Auszeichnungen gegeben hat“, erklärte er am 8. Mai 1802 einem skeptischen Staatsrat. „Man sagt, das sei Firlefanz. Aber mit Firlefanz führt man die Menschen.“ Am 19. Mai gründete er die Légion d’Honneur.

Der Name ist von der römischen Antike inspiriert. Damals hießen die Soldaten „Legionäre“, und die honorati waren eine Klasse privilegierter Amtsträger. In dem neuen Orden verbanden sich Tradition und revolutionäre Prinzipien. Die ritterlichen Codes bestehen in den verschiedenen Ordensklassen fort: Ritter, Offizier, Kommandeur, Großoffizier und Großkreuz.

„Es sollte eine neue Elite geschaffen werden“, erklärt Tom Dutheil, stellvertretender Kurator am Museum der Ehrenlegion. „Vorher gab es den Adel. Nun wollte man eine Verdienstelite.“

Höchster Orden der Französischen Republik

Im Lauf von zwei Jahrhunderten wurden fast eine Million Menschen in den Orden aufgenommen. Sie erhielten damit „die ranghöchste nationale Auszeichnung“, wie es in den Statuten der Légion d’Honneur heißt, die 1962 auf Betreiben von General de Gaulle verabschiedet wurden.

Die Zahl der lebenden Ordensträger ist im Laufe der letzten Jahrzehnte stark gesunken, von mehr als 320 000 in den 1960er Jahren – darunter viele Soldaten der beiden Weltkriege – auf inzwischen weniger als 80 000.

Heute geht die Tendenz dahin, die Zahl der Aufnahmen insbesondere von Zivilpersonen zu begrenzen, um die Auszeichnung aufzuwerten. 2018 ist auf Initiative von Emmanuel Macron eine entsprechende Reform in Kraft getreten. Sein Vorgänger Nicolas Sarkozy hatte die geschlechtliche Parität bei der Würdigung von Zivilpersonen eingeführt: 2010 waren 49,9 Prozent der Geehrten Frauen gegenüber 10,17 Prozent im Jahr 1960.

Im Hinblick auf den beruflichen und sozialen Hintergrund ist der Website der Ehrenlegion zu entnehmen, dass man sich heute bemühe, „die Wirtschaftswelt besser zu repräsentieren“ und etwa Unternehmer, Ingenieure, Wissenschaftler und Vertreter der Digitalwirtschaft einzubeziehen.

Pascale Dubois war 2017, als sie zur Ritterin geschlagen wurde, Leiterin der PR-Abteilung beim Luftfahrtzulieferer Safran. „Jedes Jahr wird eine Führungskraft aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit beauftragt, dem Konzernchef Namen vorzuschlagen“, erzählte sie. „Er wählt dann aus, kontaktiert die Betreffenden und bittet sie, eine Bewerbung zu erstellen.“ Eine Praxis, die der Aussage Lecointres entgegensteht, dass man sich für die Aufnahme in die Ehrenlegion nicht bewerben könne.

„Ich bin sicher, dass sie es bei Bouygues genauso machen. Und bei Total ebenfalls“, meint Pascale Dubois. Beim Baukonzern Bouygues teilte man uns jedoch mit, es gebe „kein etabliertes Verfahren“. Man findet es aber „ganz natürlich“, dass Konzernangestellte, „die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für das Allgemeinwohl und das Ansehen Frankreichs gewirkt haben, von den Behörden für diese Ehrung ausgewählt werden“. Der Mineralölkonzern TotalEnergies hat auf unsere Fragen nicht geantwortet.

Unternehmenschefs und Führungskräfte können sich auf ihre Netzwerke verlassen. Eine der besonders renommierten Hochschulen besucht zu haben, erhöht die Chance auf eine Auszeichnung.

Macron zeigte sich als Wirtschaftsminister im Übrigen sehr großzügig bei der Vergabe von Orden. Innerhalb von zwei Jahren verlieh er beinahe 400, darunter etliche an spätere Geldgeber seines Präsidentschaftswahlkampfs 2017, so etwa an aufstrebende Stars der „Start-up-Nation“ wie den Pionier im Internet der Dinge, Ludovic Le Moan, und den Gründer von BlaBlaCar, Frédéric Mazzella.2

Ex-Großkanzler General Jean-Louis Georgelin räumte 2016 ein: „In der Ehrenlegion sind Militärs, Künstler und Staatsdiener überrepräsentiert, Arbeiter und Angestellte hingegen unterrepräsentiert.“

Dieses Ungleichgewicht geht auf die Ursprünge der Ehrenlegion zurück. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren Hausangestellte explizit ausgeschlossen. Aus den Akten dieser Zeit geht hervor, dass „jede Tätigkeit, die mehr oder weniger häuslicher Dienerschaft gleichkommt, im wahrsten Sinn des Wortes erniedrigend ist; wer eine solche Tätigkeit annimmt, muss auf das Tragen der Auszeichnung verzichten“.3

Im Zweiten Kaiserreich wurde die Medaille für langjährig Bedienstete geschaffen – als Beleg dafür, dass Na­po­leon III. sich der „Armenfrage“ annahm. 1886 wurde daraus die heute noch existierende Ehrenmedaille für Arbeit.

Bis heute hat sich die Lage nicht wesentlich verändert. Marie-­Aleth Grard, Vorsitzende der französischen Sektion von ATD Vierte Welt, einer NGO, die Armut bekämpft, hat das selbst bitter erfahren. Sie ist Ritterin der Ehrenlegion und wurde 2019 eingeladen, in deren Auswahlgremium einzutreten. Regelmäßig hat sie Personen vorgeschlagen, die sich jahrzehntelang ehrenamtlich gegen Armut engagiert haben. Der Erfolg sei bisher allerdings „gleich null“.

Auf unsere Frage, warum die unteren sozialen Schichten einfach nicht vertreten sind, verweist General Lecointre auf das Pflegepersonal und die Hilfskräfte, die im Januar 2021 für ihren Einsatz während der Coronapandemie geehrt wurden. Allerdings erwähnte er nicht, dass all diese Ehrungen posthum erfolgten.

Der Großkanzler erklärte uns: „Eine Person muss auf nationaler oder regionaler Ebene Verantwortung getragen haben, um an eine Aufnahme in die Ehrenlegion nur denken zu können. Wenn eine Person einfach nur ehrenamtliche Arbeit leistet, werden wir ihren Fall nicht prüfen, weil wir ihren Einsatz nicht für hinreichend bedeutend erachten.“

Ebenso gebe es keinen Grund, einen „einfachen“ Schulhausmeister, den „Wirt einer Eckkneipe“, einen Fabrikarbeiter oder eine Putzfrau aufgrund ihrer Arbeit mit dem Orden zu ehren. Der Beitrag eines Arbeiters oder einer Arbeiterin sei einfach „nicht so klar erkennbar wie der eines Unternehmenschefs oder eines Branchenvorstands“.

Lecointre betont, die Auszeichnung bringe keinerlei Vorteil, außer die Ehre selbst. Ökonomen haben jedoch festgestellt, dass „ein Unternehmen innerhalb von sieben Tagen nach Aufnahme [des Chefs] in die Ehrenlegion mit einem Kursanstieg um bis zu 0,5 Prozent“ rechnen kann.4 Im 21. Jahrhundert segnet die Börse die neuen Heiligen der Republik.

1 Stéphane Benveniste, Renaud Coulomb und Marc Sangnier, „The (market) value of state honors“, Aix-Marseille School of Economics, Arbeitspapier, Januar 2022.

2 Fabien Ginisty, „BlaBlaCar und seine Sponsoren“, LMd, Mai 2024.

3 Zitiert nach: Bruno Dumons und Gilles Pollet (Hg.), „La Fabrique de l’honneur. Les médailles et les décorations en France. XIXe–XXe siècles“, Rennes (PUR) 2009.

4 Siehe Anmerkung 1.

Aus dem Französischen von Ursel Schäfer

Maïlys Khider ist Journalistin, Timothée de Rauglau­dre ist Journalist.

Le Monde diplomatique vom 13.03.2025, von Maïlys Khider und Timothée de Rauglaudre