13.03.2025

Disruption im NSC

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Disruption im NSC

Trumps Kahlschlag-Politik zielt auch gegen den Mitarbeiterstab des Nationalen Sicherheitsrats

von Martin Barnay

Unter Nixon wurde der National Security Council zu einem wichtigen außenpolitischen Gremium Everett Collection/picture alliance/nara
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Donald Trumps erste Wochen im Amt haben gezeigt, dass er Bündnisse – auch das transatlantische – als etwas Transaktionales versteht. Einer seiner Nationalen Sicherheitsberater aus der ersten Amtszeit, General H. R. McMaster, erklärte am 8. Januar in einem Gespräch mit dem Council on Foreign Relations ohne Umschweife, für Trump sei die Europäische Union „vor allem ein wirtschaftlicher Konkurrent“.1

Auch um diplomatische Gepflogenheiten schert Trump sich wenig: Das zeigte sich nicht erst beim Eklat mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus, sondern auch schon bei der kuriosen Reise seines Sohns Donald Jr. nach Grönland, wo laut dänischen Medien Wohnungslose mit einem warmen Mittagessen bestochen wurden, damit sie sich als Trump-Fans ausgaben. Es zeigte sich auch, als Trump kurz nach seiner Amtseinführung seinen alten Vertrauten Steven Wit­koff, einen New Yorker Im­mo­bi­lien­­mo­gul ohne außenpolitische Erfahrung, damit beauftragte, die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas durchzusetzen.

Derselben Logik der Disruption folgten auch die ersten Personalentscheidungen für sein Kabinett. Er wählte vorzugsweise Personen aus, die wie er polarisieren und keinerlei Erfahrung damit haben, wie man regiert und internationale Beziehungen gestaltet. Im Gegensatz zu Trumps erster Amtszeit, als der Kongress mehrere seiner Vorschläge ablehnte, verliefen die Bestätigungsverfahren diesmal reibungslos: Fast alle Nominierten wurden einstimmig von der republikanischen Mehrheit im Senat abgesegnet.

Eines fiel Beobachtern besonders auf – ob es nun um Grönland, um Panama oder um die Verhängung neuer Zölle ging: Als Begründung verweist Trump gern auf die „nationale Sicherheit“. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Begriff in einem Kontext ins Feld geführt wird, der offensichtlich mehr mit Außenhandel als mit Verteidigung zu tun hat. Nach 2017 haben erst Trump und dann Joe Biden die Hinwendung zu einer protektionistischen Wirtschaftspolitik mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit begründet.

Damit bezogen sie sich auf eine selten in Anspruch genommene Klausel im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt), Vorläufer der Welthandelsorganisation (WTO). Demnach dürfen Mitgliedstaaten „Maßnahmen treffen, die nach ihrer Auffassung zum Schutz ihrer nationalen Sicherheitsinteressen notwendig sind“.

Der Begriff „nationale Sicherheit“ ist ein Grundpfeiler des politischen Diskurses in den USA. Entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg, setzte er sich aber vollends erst während des Viet­nam­kriegs durch. Er überschneidet sich zum Teil mit dem Begriff der inneren Sicherheit (Homeland Security), geht aber darüber hinaus. Er ist Ausdruck des expansiven Verständnisses, das die USA von ihrer weltpolitischen Rolle haben, und bestimmt die Struktur der wichtigsten außen- und verteidigungspolitischen Organe und vor allem des Nationalen Sicherheitsrats (National Security Council, NSC).

Der NSC wurde zu Beginn des Kalten Krieges durch dasselbe Gesetz ins Leben gerufen wie die CIA und ist dem Weißen Haus direkt unterstellt. Seine Aufgabenstellung ist bis heute rechtlich nicht eindeutig festgelegt. Als ständige Mitglieder gehören ihm der Präsident, der Vizepräsident, einige Kabinettsmitglieder, der Generalstabschef der Streitkräfte und der Geheimdienstkoordinator an. Wie oft er zusammentritt, variiert.

Basis für die praktische Arbeit des NSC ist ein Stab von mehreren hundert Mitarbeitenden, die in geografische und thematische Arbeitsbereiche eingeteilt sind und das Zusammenwirken der verschiedenen Behörden koordinieren. Ihre Arbeit wird vom „Principals Committee“ gesteuert, dem der Nationale Sicherheitsberater vorsitzt. Er hat eine strategisch wichtige Posi­tion inne, die allerdings nicht sehr klar definiert ist, und wird außenpolitisch oft als Alter Ego des Präsidenten wahrgenommen – wie Henry Kissinger unter Richard Nixon, Zbigniew Brzezinski unter Jimmy Carter oder Jake Sullivan unter Joe Biden.

Die Besetzung des Postens sagt also etwas über die Ausrichtung der jeweiligen Regierung aus. Die wechselnden Berater in Trumps erster Amtszeit – Michael Flynn, H. R. McMaster, John Bolton, Robert O’Brien – waren Ausdruck eines Schwankens zwischen Pragmatismus und Interventionismus, zwischen einer transatlantischen Orientierung und einer Hinwendung Richtung Pazifikraum. Dass Trump nun den „Falken“ und ehemaligen Elitesoldaten Mi­chael Waltz ausgewählt hat, ist ein Signal für eine härtere Gangart, die im Kontrast zu Trumps isolationistischer Wahlkampfrhetorik steht.

Waltz, ein Kongressabgeordneter aus Florida, leitete in Trumps erster Amtszeit den Afrika-Bereich des NSC. Seither erwarb er sich den Ruf eines „unabhängigen“ Republikaners. 2020 setzte er sich von der Maga-Bewegung ab, indem er Bidens Wahlsiegs anerkannte und für Militärhilfen für die Ukraine votierte – im Gegensatz zu Vizepräsident J. D. Vance und Außenminister Marco Rubio.

Der NSC ist – auch in den USA – wenig bekannt und gilt als Blackbox des außenpolitischen Betriebs. Sein Stellenwert wandelte sich im Laufe der Zeit und hängt stark vom Temperament des amtierenden Präsidenten und seinem Verhältnis zum administrativen Apparat ab.

Unter John F. Kennedys (1961–1963) trat der NSC in den Hintergrund, weil Kennedy lieber mit Ad-hoc-Gremien arbeitete, die er mit alten Weggefährten besetzte. Unter Richard Nixon (1969–1974) spielte er mit dem allmächtigen Henry Kissinger an der Spitze eine tragende Rolle. Kissinger machte das Weiße Haus zur Schaltzentrale der Außenpolitik und baute den NSC zu einer diplomatischen Parallelstruktur um, die bei besonders sensiblen Belangen wie den Geheimverhandlungen über eine Annäherung an China die Marschroute vorgab.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gewann der NSC massiv an Bedeutung und entwickelte sich zu einer Art ständigem Kriegsrat. Das führte zu Kontroversen. Kritik kam aus dem Außenministerium, aber auch aus dem Pentagon, wo man dem NSC vor allem unter Barack Obama (2009–2017) vorwarf, er mische sich zu stark in militärische Angelegenheiten ein.

Der NSC steht im Ruf, die Crème de la Crème des Kapitols zu versammeln, denn sein Personal wird aus dem Kongress und den großen Bundesbehörden (Außenministerium, Pentagon, Finanzministerium) rekrutiert. Unter George H. W. Bush (2001–2009) zählte das Gremium noch weniger als 50 Mitarbeitende. Unter Obama und Biden wuchs ihre Zahl auf 370 an. Diese behalten ihre Posten in der Regel auch bei einem Regierungswechsel und wurden dadurch zum Symbol dessen, was manche als „permanente Regierung“ oder „Deep State“ bezeichnen.

Zu 100 Prozent auf Linie des Präsidenten

Das im Verhältnis zu seinem Einfluss lächerlich kleine Budget von rund 15 Millionen Dollar macht den NSC zur beliebten Zielscheibe für Lobbyisten – insbesondere aus dem Ausland, denen er einen sehr viel direkteren Zugang zu den Entscheidern verschafft als andere Bundesbehörden.

Manche Präsidenten misstrauten dem NSC und warfen den NSC-Mitarbeitenden vor, sie verstünden nichts von den politischen Realitäten und den Sachzwängen der Macht. Auch Leaks waren immer wieder ein Problem: Präsident Lyndon B. Johnson (1963–1969) mied die Zusammenkünfte des NSC und nannte ihn durchlässig wie ein „Sieb“.

Leidvoll erfahren musste das Trump während seiner ersten Amtszeit: 2019 stachen zwei NSC-Mitarbeiter – die Zwillingsbrüder Vindman – den Inhalt eines Telefonats mit dem ukrai­nischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an die Presse durch, in dem Trump Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn Hunter gefordert hatte. Der Vorfall wurde zum Auslöser für das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, in dem ehemalige NSC-Mitglieder gegen ihn aussagten.

Unmittelbar nach seiner Ernennung im Januar ließ Michael Waltz 160 NSC-Mit­ar­bei­te­r:in­nen mitteilen, sie könnten ab sofort zu Hause bleiben. Zuvor hatte Waltz in einem Interview mit Breitbart News betont, er wolle, dass der NSC mit Personal besetzt wird, das „zu 100 Prozent mit der Agenda des Präsidenten übereinstimmt“.2

Die Demokraten äußerten die Sorge, dass dem Gremium dadurch ein wesentlicher Teil seiner Expertise abhandenkomme. Die neue Belegschaft wirkt in der Tat stark ideologisch geprägt und wird von Funktionären der ersten Trump-Regierung und republikanischen Kon­gress­mit­arbei­te­r:in­nen dominiert. Anders als die Anwärter für Minister- und Botschafterposten brauchen die NSC-Bereichsleiter nicht vom Parlament bestätigt werden.

Die NSC-Verantwortlichen werden sich in jedem Fall mit einer Brigade von Sonderbeauftragten arrangieren müssen, die Trump ernannt hat. Diese unterstehen direkt dem Oval Office, verfügen jeweils über ein eigenes Budget und sollen in strategisch wichtigen Regionen die Linie des Präsidenten durchsetzen.

Mit dem Thema Nahost etwa wurde neben Steven Witkoff noch Massad Boulos betraut. Der aus dem Libanon stammenden Schwiegervater der Präsidententochter Tiffany Trump ist jetzt Trumps persönlicher Nahostberater. Zu diesen beiden gesellt sich noch Mike Huckabee, Baptistenpfarrer und ehemaliger Gouverneur von Arkansas sowie Galionsfigur der evangelikalen Rechten. Er ist neuer US-Botschafter in Israel.

Die NSC-Direktoren für die Bereiche Asien und Technologie, Ivan Kanapathy und Dave Feith, sind zwei Neokonservative und glühende Verfechter eines harten Kurses gegenüber Peking. Sie werden mit Elon Musk zurechtkommen müssen, dem De-facto-Chef des neuen Department of Government Efficiency (Doge), der intensive Geschäftsbeziehungen mit China unterhält und an dem kein Weg vorbeiführt.

Mit dieser Strategie will Trump die Zuständigkeiten für die Außenpolitik auf doppelt bis dreimal so viele Instanzen verteilen. Für Lateinamerika, Afrika, Großbritannien, Russland und die Ukraine wurden etwa zehn Sonderbotschafter ernannt.

Sonderbotschafter müssen praktischerweise nicht vom Senat bestätigt werden. Manche dieser Posten haben nur Symbolwert – wie zum Beispiel die Ernennung der Schauspieler Sylvester Stallone, Jon Voight und Mel Gibson zu Sonderbotschaftern in Hollywood.

Andere könnten eine tragende Rolle spielen – etwa Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der sich während dessen erster Amtszeit sehr zum Missfallen der Karrierediplomaten in mehreren wichtigen Fragen wie der Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta und den Abraham-Abkommen durchsetzte.

Das druckvolle Agieren des Präsidenten zeigt: Das Weiße Haus verschafft sich mit großer Entschlossenheit die Mittel zur Verwirklichung seiner Ziele. Vorerst stößt es damit auf wenig Widerstand – und das hat seinen Grund: Die Trump-Methode hat sich in seiner ersten Amtszeit bewährt, denn sie stärkte den wirtschaftlichen und militärischen Einfluss der USA auf den Rest der Welt und vor allem auf die alten Verbündeten Europa und Japan.

Doch die bunt zusammengewürfelte Crew, die jetzt ans Ruder gekommen ist – und die teils über keinerlei politisches Know-how verfügt – weckt fast unweigerlich Erinnerungen an den früheren Präsidenten Richard Nixon. Trumps Art zu regieren gemahnt an das unorthodoxe Agieren seines republikanischen Vorgängers, der ein Spezialist der politischen Intrige war. Und genau wie Nixon umgibt sich Trump mit unkonventionellen Figuren, die nicht aus dem Politikbetrieb kommen.

Das beste Beispiel ist die Rolle von Elon Musk, der Trumps Wahlkampf mit 288 Millionen Dollar unterstützte und jetzt den Staat zusammenschrumpfen soll. Die vom Doge eingeleiteten Säuberungsaktionen, denen bereits tausende Staatsangestellte zum Opfer gefallen sind, erinnern an den Beginn der zweiten Amtszeit von Richard Nixon 1973, der direkt nach seiner Wiederwahl auf die Entlassung von rund 2000 hochrangigen Beamten drängte.

Nixon war damals bereits innenpolitisch geschwächt, und mit seinem Unilateralismus – er vernachlässigte Europa und konzentrierte sich nahezu ausschließlich auf Moskau und Peking – manövrierte er sich auch international in die Isolation. Die Water­gate-­Enthüllungen besiegelten sein Schicksal schließlich endgültig.

Es kann durchaus sein, dass Trump das gleiche Schicksal ereilt wie Nixon. Die Liste der geopolitischen Instabilitätsfaktoren ist lang: neben dem Krieg in der Ukraine auch die unvorhersehbaren Auswirkungen des von Trump vom Zaun gebrochenen Handelskriegs.

Hinzu kommt die Gefahr, dass Washington etwa durch eine Eskalation zwischen Israel und Iran oder in Taiwan gezwungen sein könnte, aktiv militärisch einzugreifen – oder sich durch Nichtstun weiter zu isolieren. Trotz seiner „Flood the zone“-Strategie, die auf eine permanente Reizüberflutung durch oft widersprüchliche Aussagen setzt, wird Trump nicht endlos auf allen Hochzeiten tanzen und sich alle Optionen offenhalten können.

Die größte Herausforderung für seine Regierung heißt Stabilität. Im Laufe seiner ersten Amtszeit verschliss Trump vier Nationale Sicherheitsberater, ebenso viele Generalstabschefs und fünf Kommunikationschefs und tauschte vierzehn Kabinettsmitglieder aus. Eine solche Fluktuationsrate erreichte keiner seiner sechs Vorgänger.

1 „Distinguished voices series with H. R. McMaster“, Council on Foreign Relations, 8. Januar 2025.

2 „160 national security staffers are sent home as the White House aligns its team to Trump’s agenda“, AP, 23. Januar 2025.

Aus dem Französischen von Andreas Bredenfeld

Martin Barnay ist Soziologe.

Le Monde diplomatique vom 13.03.2025, von Martin Barnay