13.02.2025

Foltern für die CIA

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Foltern für die CIA

von Barbara Koeppel

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Kaum waren die Rebellenmilizen in die syrische Hauptstadt eingerückt und Präsident Assad nach Moskau geflohen, da stürmten viele Sy­re­r:in­nen auf die Straßen, um das überraschende Ereignis zu feiern. Oder sie eilten gleich zu dem berüchtigten Militärgefängnis Sednaya – im Volksmund „das Schlachthaus“ genannt –, um nach verschwundenen Familienangehörigen zu suchen. Leider fanden nur wenige von ihnen ihre vermissten Verwandten.

Laut dem Syrian Network for Human Rights kamen im Sednaya allein zwischen 2011 und 2013 mehr als 30 000 Menschen durch „Hinrichtung, Folter oder Hunger“ zu Tode, und „mindestens 500 weitere zwischen 2018 und 2021“.

In vielen Berichten, die in den letzten Wochen über Folterungen in den syrischen Gefängnissen erschienen sind, wird allerdings nicht erwähnt, dass die USA 20 Jahre zuvor genau diese Haftanstalten nutzten, um Terrorverdächtige zu verhören.

Auf ihrer Jagd nach Terroristen folterten CIA-Mitarbeiter bereits vor 9/11 „hochkarätig“ Verdächtige in einem für sie quasi rechtsfreien Raum außerhalb der USA. Die CIA bezeichnete dieses System selbst als „extraordinary rendition“ (Sonderauslieferung): Die ersten Verdächtigen wurden bereits Mitte der 1990er Jahre von einer Spezialeinheit des US-Auslandsgeheimdienstes nach Ägypten entführt.1

Bis heute lässt sich nicht sagen, wie viele Menschen die CIA auf diese Weise „ausgeliefert“ hat. Laut einem Bericht des Geheimdienstausschusses des Senats von 2014 gibt es keine exakten Zahlen, weil „der damalige Direktor des CIA, Michael Hayden, vor dem Ausschuss wiederholt irreführende Angaben gemacht hat.“ In der Washington Post war schon am 26. Dezember 2002 von tausenden Personen die Rede, „die mit US-amerikanischer Unterstützung verhaftet und in Ländern festgehalten wurden, die für ihren brutalen Umgang mit Gefangenen berüchtigt sind“.

Im New Statesman vom 17. Mai 2004 erklärte der ehemalige Agent Robert Baer, der 21 Jahre lang für die CIA im Nahen Osten gearbeitet hat, im Grunde habe es sich bei den „renditions“ um „ eine Überstellung zur Folter“ gehandelt: „Wenn man eine harte Vernehmung will, schickt man den Gefangenen nach Jordanien. Wenn man jemanden verschwinden lassen will, schickt man ihn nach Ägypten. Wenn man will, dass er gefoltert wird, schickt man ihn nach Syrien.“

Die Berichte der Überlebenden aus dem Sednaya-Gefängnis sind grauenvoll: Sie wurden mit Schwertern anal penetriert, an Handschellen in Käfigen aufgehängt, mit Eisenstangen verprügelt, nackt in eiskalte Zellen gesperrt, die nicht größer als ein Sarg waren, zur Tötung von Mithäftlingen genötigt und ausgehungert. Manche berichteten, dass ihre Genitalien mit Elektroschocks traktiert wurden. Einer erzählte, dass die Gefangenen zu Kannibalismus gezwungen worden seien.2 Unter Folter mussten sie Verbrechen gestehen, dann wurden sie hingerichtet (in der Regel gehenkt).

Die Auslieferungen liefen folgendermaßen ab: Die CIA erstellte Listen von gesuchten Verdächtigen und charterte kleine Fluggesellschaften, die in unregistrierten Flugzeugen die Agenten mit ihren Gefangenen in verbündete Länder ausflogen, von denen die USA wussten, dass sie bei Vernehmungen keine Skrupel kannten.

Im Namen des War on Terror

Neben Syrien, Ägypten und Jordanien überstellte die CIA Verdächtige auch nach Usbekistan, Marokko, Algerien, Pakistan, Polen, Thailand und Rumänien. Bei der Auswahl des Zielorts war man nicht wählerisch. Am 13. Oktober 2006 schrieb das Time Magazine zwar, dass „sich angesichts des tiefen Misstrauens zwischen Syrien und den Vereinigten Staaten eine Partnerschaft zwischen den beiden Ländern im Kampf gegen den Terrorismus kaum anbietet“; aber jemand musste die schmutzige Arbeit ja machen, und die CIA wusste nur zu genau, wer dafür infrage kam.

Die Länder wurden für ihre bereitwillige Unterstützung großzügig belohnt. Der Senatsbericht von 2014 stellte fest: „Die CIA hat ausländischen Regierungsbeamten für die Einrichtung von Geheimgefängnissen Millionen Dollar in bar bezahlt.“ Aber wie viel Geld und an wen floss, bleibt ein Geheimnis: Namen und Zahlen in dem Bericht sind geschwärzt.

Ein ehemaliger CIA-Agent gab immerhin zu Protokoll: „Sie bekamen Waffen, Spionagekameras, sogar Nachtsichtgeräte. Sie bekamen, was immer sie wollten.“ Die Flüge wurden 2006 von Amnesty International und dem Ausschuss für Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats dokumentiert.

Und wozu der ganze Aufwand? In den USA ist Folter verboten, deshalb wurde sie von der CIA ausgelagert. In einem Bericht in der Washington Post vom 17. März 2005 gab ein namentlich nicht genannter US-Beamter zu: „Sie erklären, dass sie die Leute nicht misshandeln, und damit sind die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Aber wir wissen alle, dass sie es dennoch tun.“

Um das Vorgehen der USA zu rechtfertigen, verfasste der Anwalt des Weißen Hauses, John Yoo, im August 2002 das sogenannte Folter-Memo, in dem festgelegt wurde, was die CIA mit Verdächtigen alles anstellen darf. Die CIA-Direktoren George Tenet (1997–2004) und Michael Hayden (2006–2009) haben das Memorandum ebenso abgesegnet wie Vizepräsident Dick Cheney (2001–2009), der unter George W. Bush den „Global War on Terror“ (GWOT) beaufsichtigte.

Die Entscheidung für das Rendi­tion-Programm trafen hohe CIA-Beamte der Antiterroreinheit, der größten Einheit des Geheimdienstes. Doch nach Aussage des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Robert Baer war auch „auf Regierungsebene niemand bereit, dieses Programm zu stoppen“.

Aufschlussreich ist etwa der Fall des Fernmeldetechnikers Maher Arar: Der kanadische Staatsbürger syrischer Herkunft wurde am 26. September 2002 bei seiner Rückkehr von einem Besuch in Tunis während eines Zwischenstopps am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen festgenommen. Weil die kanadische Polizei ihn verdächtigte, ein Agent der al-Qaida zu sein, wurde er zwölf Tage lang verhört, ohne dass er einen Anwalt konsultieren durfte. Danach wurde er heimlich nach Syrien ausgeflogen.

In den nächsten zehn Monaten wurde Arar von syrischen Vernehmungsbeamten gefoltert und zu dem Geständnis gezwungen, dass er in Afghanistan ausgebildet worden sei – wo er in Wirklichkeit nie gewesen war. Schließlich wurde er im Oktober 2003 ohne Anklage aus der Haft entlassen. Imad Moustapha, der damalige syrische Botschafter in den USA, erklärte 2004 in einem CBS-Interview: „Wir haben recherchiert. Wir sind den Hinweisen nachgegangen. Wir haben versucht, etwas zu finden. Es ist uns nicht gelungen.“ Und fügte am Ende hinzu: „Wir teilen unser Wissen immer mit den Vereinigten Staaten.“

Arar wurde nach Kanada zurückgebracht und laut einem Bericht im Guardian vom 19. Februar 2012 „von jeglicher Verbindung zum Terrorismus freigesprochen. Aber die US-Regierungen, zunächst unter Bush und jetzt unter Obama, verweigern jedes Gespräch über den Fall, ganz zu schweigen von einer Entschuldigung.“

Es dürfte kaum überraschen, dass die USA bis heute beharrlich jede Beteiligung an Folterungen bestreiten. Im Dezember 2005 erklärte Außenministerin Con­do­leez­za Rice: „Die Ver­einig­ten Staaten erlauben oder dulden weder Folter noch den Transport von Häftlingen von einem Land in ein anderes zum Zweck der Folter.“ Doch dann fügte sie interessanterweise hinzu: „Wo es angebracht ist, bemühen sich die Vereinigten Staaten um Zusicherungen, dass überstellte Personen nicht gefoltert werden.“3

Das US-Justizministerium hat Yoos Memo 2004 zwar annulliert, aber dennoch wurden die „erlaubten“ Praktiken noch bis 2007 angewendet.4 Der 2007 verstorbene Arthur Schlesinger Jr., Sonderberater der Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, zog die moralische Bilanz: „Keine von uns vertretene Position hat dem amerikanischen Ansehen in der Welt jemals mehr geschadet als Bushs Folterpolitik.“⇥Barbara Koeppel

1 Zu dem „stillen System der Auftragsfolter“ im Anti­terrorkrieg der USA siehe Stephen Grey, „Entführt, versteckt, verhört“, LMd, März 2005.

2 „Former Detainee Describes Atrocities Inside Syrian Prison“, WBUR, 9. Februar 2017.

3 „U.S.: Rice Miscasts Policy on Torture“, Human Rights Watch, 4. Dezember 2005.

4 Siehe Stephen Grey, „Lizenz zum Foltern im Dienst der USA“, LMd, Oktober 2007.

Aus dem Englischen von Robin Cackett

Barbara Koeppel ist Investigativjournalistin in Washington, D. C. Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch bei The Nation.

© The Nation; für die deutsche Übersetzung LMd, Berlin

Le Monde diplomatique vom 13.02.2025, von Barbara Koeppel