Wenn der E-Scooter explodiert
Risiken und Kollateralschäden des Batteriebooms
von Raúl Guillén und Vincent Peyret

An Nachrichten von solchen Unfällen werden wir uns wohl gewöhnen müssen: Am 1. September 2024 explodierte in Nizza der Akku eines Elektroscooters, der in einer Wohnung aufgeladen wurde. Das gesamte Gebäude wurde durch das Feuer zerstört; eine Frau kam dabei ums Leben. Drei Wochen später explodierte in Nordfrankreich die Batterie eines Elektroautos und setzte die Garage und das Haus des Wagenhalters in Brand. Und am 15. Oktober erlitt in den Pyrenäen ein Mann schwere Verbrennungen, als die Batterie seines E-Bikes explodierte.
In Viviez (Region Okzitanien) geriet am 17. Februar 2024 gleich ein ganzes Lager mit 1200 Tonnen gebrauchter Batterien in Brand. Noch im Umkreis von mehr als vier Kilometern regnete es kohlenstoffhaltige Rückstände und geschmolzene Metallpartikel.
Dennoch rieten die lokalen Behörden nur den Anwohner:innen in 500 Meter Entfernung vom Brandherd, sie sollten besser zu Hause bleiben und ihre Fenster geschlossen halten. „Die im Rahmen mehrerer Kontrollen durchgeführten Messungen geben keinen Anlass zur Sorge“, hieß es am nächsten Tag in einer Pressemitteilung. Laut Laurent Alexandre, Abgeordneter von La France Insoumise, gibt es „kein seriöses Verfahren, um die Umweltbelastung durch diese Art von Feuer zu messen“. Er war vor Ort, als das Feuer gegen 14 Uhr ausbrach: „Die ersten Messungen wurden erst am frühen Abend durchgeführt, lange nachdem sich die dichte Rauchwolke aufgelöst hatte.“
Unter Missachtung jeglicher Vorschriften hatte die Recyclingfirma Société nouvelle d’affinage des métaux (Snam) Altbatterien in ungenutzten Gebäuden einer Plastikrecyclingfirma gelagert. Bereits Jahre vor dem Brand hatte die regionale Umweltbehörde zahlreiche Unregelmäßigkeiten festgestellt – trotzdem wurden keine Auflagen gegen das Unternehmen verhängt.
Auch der Brand in einer Batteriefabrik von Aricell im südkoreanischen Hwaseong am 24. Juni 2024 mit 23 Toten und 8 Schwerverletzten wurde mutmaßlich durch die Explosion einer Batterie ausgelöst.
Der große Vorteil von Lithium-Ionen-Akkus und Lithiumbatterien, sehr viel Energie speichern zu können, ist zugleich mit großen Gefahren verbunden. So erklärte es Arnaud Schoub, Leiter eines Batterierecyclingzentrums von Veolia, auf der ersten Konferenz zur Risikoprävention im Juni 2022 in Paris: „Die Energie wird in Form von Feuer freigesetzt, wenn man versehentlich Zellen im Inneren der Batterie kurzschließt. Sie enthalten leicht entflammbare Lösemittel, aber auch Metalle wie Lithium oder Kobalt, die sich relativ schnell entzünden und dabei eine beträchtliche Menge an Energie freisetzen.“
Auch ein Stoß oder ein Defekt kann das sogenannte thermische Durchgehen auslösen. Das Phänomen spielt mittlerweile eine so wichtige Rolle, dass Feuerwehrleute spezielle Schulungen erhalten, wie sie diese lang anhaltenden und oft von Explosionen begleiteten Brände unter Kontrolle bringen.

Brandgefährliches Recycling
Von der Einweg-E-Zigarette über Musik-Geburtstagskarten bis zu Spielzeug, Weihnachtsdeko und sonstigem Nippes stecken mittlerweile in allen möglichen Gegenständen lithiumhaltige Batterien. Viele Geräte würden ohne Akku nicht funktionieren: Mobiltelefone, Computer, Tablets, Navis, Smartwatches, Elektrowerkzeuge, Drohnen, Elektroroller und -fahrräder sowie E-Motorräder und Autos. Am Ende türmen sich gebrauchte Batterien und Akkus in Recyclingzentren, wo sie mehr oder weniger sicher lagern.
Tatsächlich ist die Brandkatastrophe von Viviez in Frankreich kein Einzelfall: „Innerhalb von zehn Jahren ist die Häufigkeit von Bränden im Zusammenhang mit Lithiumbatterien und -akkus um 150 Prozent gestiegen. In 60 Prozent der Fälle ereignen sie sich in Sortierzentren“, berichtet die Geschäftsführerin des Verbands französischer Recyclingunternehmen (Federec), Géraldine Bulot.1
2023 kam es in Frankreich zu mindestens einem halben Dutzend Bränden bei Batterierecyclern. Nach einem Brand in einer Anlage von Bolloré Logistics in der Normandie im Januar 2023 hatte die zuständige Präfektur zunächst beruhigende Analysen veröffentlicht, die aber später widerlegt wurden. Ein Jahr danach warfen die lokalen Behörden dem Unternehmen vor, es habe ungenehmigt Sonderabfälle übernommen, und forderten deren Entfernung und die Beteiligung an der „Beseitigung der Grundwasserverschmutzung“. Nach dem Selbstmord eines Angestellten, der den Ausbruch des Feuers sowie das Versagen des Brandschutzsystems bezeugen konnte, wurde zudem eine Untersuchung wegen „schweren Mobbings“ eingeleitet.2
Im Juli 2023 mussten bei einem Brand in der Firma Arc-en-ciel Recyclage in Izeaux bei Lyon rund 20 Häuser evakuiert werden. Und die Aussagen des Firmenchefs Paul Barbargallo sorgten nicht gerade für Beruhigung: „Zwischen Mai bis September verlassen wir die Anlagen abends immer mit einem flauen Gefühl im Magen. Auf Beton kann es im Sommer bis zu 46 Grad heiß werden. Die Frage ist dann nicht, ob es brennen wird, sondern wann. Die Menge der gesammelten Altbatterien hat sich verdoppelt oder sogar verdreifacht. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, wie wir dieses Problem in den Griff bekommen.“
Hinzu kommt, dass bei Weitem nicht alle gebrauchten Batterien in speziellen Lagern oder Recyclingzentren landen. Das britische Batterie-Forschungsinstitut Faraday Institution beobachtet weltweit eine Zunahme von Bränden, die durch Batterien und Akkus im Hausmüll verursacht wurden.3
Bei der bloßen Zersetzung von Lithiumbatterien würden zudem Schwermetalle, flüssige und pulverförmige Chemikalien sowie Gase freigesetzt, über die noch wenig bekannt sei – beispielsweise ein gelegentlich auftretender weißer Dampf, der vermutlich explosiv und giftig ist. Die Wissenschaftler befürchten, dass durch die zunehmende Verbreitung elektrischer Geräte ein unkontrollierter Markt für Gebrauchtwaren entsteht, inklusive wilder Mülldeponien und illegaler Exporte in arme Länder.
Renaissance des Bergbaus in Frankreich
Sind Batteriebrände also ein notwendiges Übel auf dem Weg zu einer „dekarbonisierten“ Mobilität? Innerhalb der EU dürfen ab 2035 keine Neuwagen mehr mit Verbrennermotoren zugelassen werden. Doch während sich Europa auf eine CO2-freie Zukunft im Straßenverkehr vorbereitet, müssen die Länder des Südens nach wie vor die Umweltschäden tragen, die durch den Abbau der Rohstoffe entstehen.
Und wenn es in Frankreich nun heißt, man wolle den Bergbau wieder fördern, hat man bestimmt nicht die ökologische Entlastung des Globalen Südens im Blick, sondern die explodierende Nachfrage. Denn die macht die Ausbeutung heimischer Vorkommen erst rentabel. Ab 2028 will der französische Bergbaukonzern Imerys in Échassières (Region Auvergne-Rhône-Alpes) jährlich 34 000 Tonnen Lithiumhydroxid gewinnen und damit 700 000 Batterien für E-Fahrzeuge herstellen.
Die Anwohner machen sich schon Sorgen. Denn wie bei jedem Bergbauprojekt sind die Eingriffe in die Umwelt enorm. Es müssen 400 Meter tiefe Stollen gegraben, Dutzende Hektar Land für die Weiterverarbeitung der Rohstoffe bebaut und kilometerlange Rohrleitungen verlegt werden. Der zu erwartende Wasserverbrauch liegt bei rund 1,2 Millionen Kubikmetern pro Jahr.
Hinzu kommen die giftigen Abfälle, die die Wasser- und Bodenqualität und die Artenvielfalt gefährden – insbesondere im Wald von Colettes, einem Natura-2000-Gebiet, das am Rand der geplanten Mine liegt.
Joseph P. hat sich den Projektgegnern vom Bündnis „Stop mines 03“ angeschlossen: „Die ehemaligen Wolfram- und Kaolinminen in der Region haben uns überall Altlasten hinterlassen. Diese Mine wollen wir weder hier noch anderswo.“ Drei Monate vor dem Ende der öffentlichen Anhörungen schuf die Regierung vollendete Fakten und unterzeichnete am 7. Juli 2024 ein Dekret, in dem festgestellt wurde, dass das Projekt von „großem nationalen Interesse“ sei. Für den Konzern bedeutet das vor allem administrative Erleichterungen und beschleunigte Verfahren.
Einige Umweltschützer vertreten die Ansicht, dass die Luftverschmutzung durch den Bergbau eben der Preis sei, den wir für die Transformation zahlen müssen. Nur verhindern die Belastungen hierzulande doch nicht die Umweltzerstörungen am anderen Ende der Welt, sie kommen lediglich noch hinzu. Celia Izoard, Philosophin und Expertin für neue Technologien, hat folgende Rechnung aufgemacht: „Damit in Frankreich 39 Millionen E-Autos fahren können, was dem derzeitigen Fahrzeugbestand entspricht, bräuchte man mehr Kobalt, als in einem Jahr weltweit raffiniert, und fast so viel Lithium, wie in zwei Jahren produziert wird.“4
In der nordfranzösischen Region Hauts-de-France entsteht gerade ein „Battery Valley“. Die wichtigsten Investoren sind Envision AESC, Automotive Cells Company (ACC), ProLogium und Verkor. Das zuletzt genannte Unternehmen wurde erst 2020 in Grenoble gegründet und hat in nur vier Jahren sagenhafte 3 Milliarden Euro Finanzierungsmittel an Land gezogen. Ab Sommer 2025 will es jährlich 90 000 Tonnen Batterien produzieren, die in 300 000 Oberklassewagen der Renault-Gruppe eingebaut werden sollen.5 Während die Ansiedlung von Verkor im Battery Valley mit 650 Millionen Euro subventioniert wird, soll das taiwanische Unternehmen ProLogium 1,5 Milliarden Euro vom französischen Staat bekommen.
Seit den 1970er Jahren hat sich die Hafengesellschaft von Dünkirchen, Grand Port Maritime de Dunkerque, tausende Hektar fruchtbares Agrarland unter den Nagel gerissen. Dieses Gelände stellt sie nun den Batteriefirmen zur Verfügung, die hier optimale Bedingungen vorfinden: Dank der Entwässerungsgräben können sie sowohl große Mengen Wasser entnehmen als auch Abwasser einleiten, das sich wegen der starken Strömungen schnell in der Nordsee verteilt.
Der Strom kommt aus den sechs Reaktoren von Gravelines, Westeuropas größtem AKW, das durch zwei neue Europäische Druckwasserreaktoren ergänzt werden soll, die gerade Objekt einer öffentlichen Anhörung sind.
In einigen Jahren könnte der Stromverbrauch der geplanten Industrieprojekte absolute Rekordwerte erreichen – vor allem, wenn der derzeit auf Eis gelegte Plan des internationalen Stahlkonzerns ArcelorMittal umgesetzt wird und zwei gigantische elektrische Lichtbogenöfen gebaut werden. Auch der Warenverkehr in der Region dürfte explosionsartig zunehmen. Die Hafengesellschaft will daher ihr Containerterminal, um das sich alle neuen Unternehmen des Battery Valley gruppieren, auf das Doppelte vergrößern.
Eine weitere Folge der mit Milliardenbeträgen geförderten Energiewende ist ein schon jetzt spürbarer Mangel an Arbeitskräften in der Region. Der Schokoladenhersteller Cémoi hat bereits Probleme, sein Personal zu halten und neue Kräfte zu finden. Der Gemeindeverband Dünkirchen plant, in den kommenden zehn Jahren 12 000 neue Wohnungen zu bauen. Und eine Schnellzugverbindung, der „RER Littoral“, soll künftig die Anreise zur Arbeit aus dem etwa 40 Kilometer entfernten Calais beschleunigen.
„Wir verlieren gerade unsere Identität“, hört man viele Leute beim Feierabendbier in den Bars sagen, und dass die neuen Fabriken sie „überfallen“ hätten. Marine Le Pens Rassemblement National (RN) bekommt in den umliegenden Kommunen immer mehr Zuspruch. Doch das ficht Macrons ehemaligen Industrieminister Roland Lescure nicht an. Er behauptet immer noch, dass die Reindustrialisierung eine gute „Anti-RN-Waffe“ sei.
Ob die geplanten Gigafactorys, die nach der EU-Störfallrichtlinie als „hochriskant“ gelten, den Batteriebränden entgehen werden? In Asien kommt es jedenfalls immer öfter zu solchen Bränden wie den in der Aricell-Fabrik in Südkorea. Laut der Zeitschrift L’Usine nouvelle vom 19. August 2024 hat die Katastrophe zusammen mit zahlreichen Fahrzeugbränden in dem Land eine regelrechte „kollektive Psychose“ ausgelöst. Viele Südkoreaner wollten sich danach von ihren Elektroautos trennen. Befürworter der E-Mobilität bezeichnen die Brände dagegen als Einzelfälle und setzen für die Prävention auf künstliche Intelligenz.6
Ein weiteres großes Problem, das mit dem Batterieboom einhergeht, ist die Entsorgung. Für den Antrieb eines Autos werden Batterien mit einem durchschnittlichen Gewicht von 300 Kilogramm benötigt, die eine Lebensdauer von acht bis zwölf Jahren haben sollen.7 Die Industrie behauptet, alles könne recycelt werden, und schwärmt vom Kreislauf der unendlichen Wiederverwendung. Der Abfall sei sozusagen eine „urbane Mine“. In der EU ist das Recycling von Batterien seit 2006 sogar vorgeschrieben. Doch die Umsetzung verläuft eher zäh.
Bei der einfachsten Methode, der Pyrometallurgie, werden die Batterien geschmolzen, um eine Legierung aus Kobalt, Kupfer, Eisen und Nickel zu gewinnen. Die restlichen Bestandteile (Kunststoffe, Graphit und Metalle wie Aluminium, Mangan und Lithium) gehen im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch auf – in diesem Fall absichtlich. Dieses energieintensive und umweltschädliche Verfahren wird hauptsächlich in China, Südkorea und Singapur angewandt. In der EU verstieße es gegen die Richtlinien – aber nur weil kein Lithium zurückgewonnen wird.8
Aus diesem Grund wird das eher energiesparende hydrometallurgische Recycling bevorzugt: Im ersten Schritt werden die Batterien geschreddert und dabei Kunststoffe und Aluminium abgetrennt; übrig bleibt ein aus diversen Metallen und Graphit bestehendes schwarzes Pulver, die sogenannte Black Mass. Anschließend werden mithilfe von mehr oder weniger giftigen Lösemitteln die Metalle, darunter auch das Lithium, extrahiert.
In Frankreich wird dieses Verfahren seit 20 Jahren von der Grenobler Firma Récupyl angewandt, die schon 2018 von dem Singapurer Konzern SK tes übernommen wurde. Récupyl-Gründer Farouk Tedjar habe eine „Öko-Goldmine“ aufgespürt, jubelte die Presse damals. Und französische Botschaften priesen das kleine Unternehmen im Ausland noch 2020 als „Beweis für Frankreichs akademische Exzellenz“. Hier zeige sich wieder einmal, wie effektiv die Unterstützung durch die öffentliche Hand sein kann.
Bei näherem Hinsehen war die Euphorie wohl etwas voreilig: In dem Inspektionsbericht der regionalen Umweltbehörde Dreal Auvergne-Rhône-Alpes vom 7. Januar 2020 ist nicht nur von mehreren Bränden, Insolvenzverfahren und Übernahmen die Rede. Récupyl kam zudem auch nie über das Stadium der „Black Mass“ hinaus. Laut der Pressestelle von Récupyl wird das schwarze Pulver „außerhalb Europas, in andere OECD-Länder, nach Asien oder Südamerika“ verschickt.
Neben Récupyl sind noch einige andere Recyclingprojekte mit der hydrometallurgischen Methode über das Stadium der Ankündigung kaum hinausgekommen. So plante Snam für 2018 eine „neue Fabrik für neue Batterien, die zu 80 Prozent aus recyceltem Material hergestellt werden“. Vier Jahre später wurde das Projekt mit dem schönen Namen „Phönix-Batterien“ wieder aufgegeben.9 Oder die Veolia-Tochter Cedilor, die innerhalb eines Jahres aus 20 000 Tonnen E-Auto-Batterien Metalle recyceln wollte:10 Laut ihrer Pressestelle haben die zurückgewonnenen Metallsalze keine „Batteriequalität“, eine weitere Behandlung sei noch nötig. Doch auf die Nachfrage, wo das geschehen soll, gibt das Unternehmen keine Auskunft.
Auch das Battery Valley bot sich mit zwei Recyclinganlagen als Problemlöser an. Im Oktober 2023 kündigten das Bergbauunternehmen Eramet und der Wasser- und Recyclingkonzern Suez ein gemeinsames Projekt an, das sie „Relieve“ nannten. Schon ein Jahr später wurde es wieder abgesagt.
Bleibt noch Néomat, ein Joint Venture von Orano (seit 2018 neuer Name des Atomriesen Areva) mit dem chinesischen Unternehmen XTC New Energy, das Teil eines der größten chinesischen Bergbaukonglomerate ist. Orano hat dafür in Bessines-sur-Gartempe die Pilotanlage Cime (Centre d’innovation de métallurgie extractive) eingerichtet.
Milliardensubventionen für das Battery Valley
Bei einem Besuch lernen wir zwar viele Vokabeln aus dem „Tugendkreis“ des „unendlichen Recyclings“ von Elektrobatterien kennen, bekommen allerdings nicht so viel zu sehen – das verhindert das Betriebsgeheimnis.
„Die Lösemittel werden in einem geschlossenen Kreislauf eingesetzt, so dass dabei keine Abfälle entstehen“, erklärt uns etwa die Metallurgin Laure Dehuyer und zeigt auf vier Glasbehälter mit Kobalt, Nickel, Mangan und Lithium: „All diese Stoffe können unendlich oft recycelt werden.“ Dafür müssen allerdings auch jede Menge Chemikalien eingesetzt werden – um in einem Jahr 29 000 Tonnen Batterien zu recyceln und 36 000 Tonnen Metallsulfate und Lithiumhydroxid zu produzieren, braucht es laut Orano 120 000 Tonnen Reagenzien, was in etwa 5000 Containern entspricht.11
Die von Orano vorgelegten Zahlen sind nicht überprüfbar – trotz millionenschwerer öffentlicher Beihilfen für die Pilotanlage (unter anderem 6,1 Millionen Euro aus dem Corona-Konjunkturprogramm) gibt es kein externes Gutachten und keine Kontrollinstanz, die die Behauptungen des Unternehmens bestätigen könnten. Unübersehbar ist jedoch, dass der Standort von Néomat im erweiterten Industriehafen von Dünkirchen den Export der ominösen „Black Mass“ ans Ende der Welt erleichtert. Im Dezember 2024 verkündete Orano, es werde seine Untersuchungen fortsetzen; derweil ist die geplante Partnerschaft mit Stellantis bereits geplatzt.
Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit den Recyclingverfahren. Sie ziehen daraus sehr unterschiedliche Schlüsse, vor allem zum Energieverbrauch und zu den Umweltauswirkungen.12 Nur in einem sind sich die Autor:innen einig: Es braucht mehr Forschung. Denn die verbesserte Effizienz von Batterien geht mit technischen Verfeinerungen einher, bei denen Dutzende von verschiedenen Materialien in ausgeklügelten Zusammensetzungen verarbeitet werden. Das heißt: Je effizienter die Batterien, desto schwieriger ihr Recycling.
„Es ist, als wolle man aus einer Tasse Cappuccino Wasser, Kaffee, Zucker und Milch in ihrer ursprünglichen Form gewinnen“, beschreibt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) das Problem. „Nur dass in diesem Fall ein Teil der an dem Prozess beteiligten Stoffe auch noch giftig ist.“13
Recycling als „sekundärer“ Bergbau sei zwar immer noch besser als der primäre, schreibt die französische Umweltorganisation SystExt (Systèmes Extractifs et Environnements). Doch die „seit Mitte des 20. Jahrhunderts exponentiell wachsende Nachfrage nach Metallen neutralisiert gewissermaßen das sekundäre Angebot“.14 Die Insolvenz des schwedischen Batteriegiganten Northvolt, der ebenfalls Recycling versprach, um die „grünste Batterie der Welt“15 zu produzieren, belegt einmal mehr, wie weit Wunschdenken und Realität auseinanderliegen.
Ohnehin werden bei der möglichen „Verringerung der Umweltschäden“ durch das Batterierecycling nur die selteneren Metalle Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan berücksichtigt. Diese sind für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Bei allen anderen Bestandteilen – Graphit, Aluminium, Kupfer, Kunststoffe aller Art und viele andere chemische Stoffe – wird dagegen so getan, als seien sie unbegrenzt produzier- und nutzbar, ganz so, als hätten sie keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt.
Dies gilt beispielsweise auch für die Elektrolyte, die in jede Batterie eingefüllt werden müssen und die die schädlichen Ewigkeitschemikalien PFAS enthalten.16 Zu den wichtigsten Partnern des jungen Unternehmens Verkor gehört übrigens der multinationale Chemiekonzern Arkema, dessen Fabriken auf der ganzen Welt PFAS verbreiten.
Aus all dem wird die Widersprüchlichkeit einer ökologischen Wende deutlich, die uns glauben machen will, wir könnten unseren Lebensstil unbeschadet beibehalten – während in Wirklichkeit der massive Einsatz von Batterien und Akkus die Umweltkrise nur noch weiter verschärft.
13 Zitiert bei Celia Izoard, siehe Anmerkung 4.
Aus dem Französischen von Nicola Liebert
Raúl Guillén und Vincent Peyret sind Journalisten bei Le Postillon.