Inseln in der Klimakrise
Welche Rolle die Cookinseln für die grüne Revolution und in den geostrategischen Plänen der USA spielen
von Glen Johnson
Lagunen mit türkisfarbenem Wasser und unberührte weiße Sandstrände, an denen sich Palmen wiegen und Touristen aalen. Es ist eine Südseeidylle, die die vielen Probleme fast vergessen macht, mit denen die Cookinseln konfrontiert sind: Die Klimakrise macht das tägliche Leben immer schwerer, die Bevölkerung wandert nach und nach aus – Richtung Neuseeland und Australien, und angesichts geopolitischer Spannungen wird der Status der Region als atomwaffenfreie Zone infrage gestellt.
Der kleine Staat im Südpazifik besteht aus 15 Inseln – Atollen, Korallen- und Vulkaninseln. In der Hauptstadt Avarua auf der Hauptinsel Rarotonga empfängt uns Celine Dyer, Koordinatorin für Klimawandel im Amt des Premierministers, in ihrem kleinen Büro. Mit dabei sind die Jugendbotschafterin Charlene Akaruru und Dyers Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Terito Story. Die drei berichten, wie die Klimakrise sich in ihrem Land auswirkt. Sie erzählen von den Überflutungen, der Erosion der Küsten, der Versauerung des Meers, den zunehmenden Stürmen und der Zerstörung von Laichgebieten für die Fische.
Ihre Vorfahren wussten noch die Sterne und die Meeresströmungen zu lesen. Heute errichtet man Deiche und installiert Pegelstandsmesser, um die Entwicklung des Meeresspiegels zu erfassen. Auf einer Reihe von Inseln scheint die Umsiedlung der Bevölkerung jedoch unvermeidbar.
Der nördliche Archipel der Inseln ist besonders stark von den Veränderungen betroffen – sie bedrohen unmittelbar die traditionelle Kultur und Lebensweise. Bis vor 40 Jahren konnten die Bewohner noch in den seichten Küstengewässern vor den Inseln fischen. Weil das Wasser wärmer wird, seien sie jetzt jedoch gezwungen, immer weiter auf das offene Meer hinauszufahren, erklärt uns Celine Dyer. „Um ihre Familien zu ernähren, müssen sie jetzt viel mehr Arbeit und Fremdenergie aufwenden. Sie müssen einen Außenbordmotor kaufen, ein Aluminiumboot und Treibstoff. Das ist ein zusätzlicher Kostenfaktor. Und es ist auch nicht zuletzt ein Verlust an Identität. Aber es gibt auf den abgelegenen Inseln eben keine anderen Arbeitsmöglichkeiten.“
Das Korallenriff rund um Rarotonga stirbt ab und bietet einen idealen Nährboden für Algen, an denen sich Dinoflagellaten festsetzen. Das sind winzige giftige Organismen, die in der Nahrungskette nach oben wandern. Bei Menschen, die etwa belasteten Fisch verzehren, können sie eine Vergiftung namens Ciguatera verursachen, die zu Lähmungen und in seltenen Fällen sogar zum Tod führen kann.
Der Anstieg des Meeresspiegels gefährdet auch die Friedhöfe. Auf den Cookinseln ist es üblich, Verwandte in der Nähe der Häuser ihrer Familie zu beerdigen, in sorgfältig gepflegten Gräbern, die oft mit Frangipani und Gardenien geschmückt sind. „Diese Gräber werden nun von den Fluten weggespült“, beklagt Dyer, „es ist, als würde man unser Volk von der Landkarte löschen.“
In einem Viertel aus dem frühen 19. Jahrhundert, der Anfangszeit der christlichen Missionierung, befindet sich das Museum der Cookinseln, das über die lokale Geschichte und Kultur informiert. Dort gibt es Gemälde, die die ersten polynesischen Seefahrer zeigen, die mit großen Einbäumen – vermutlich im 9. Jahrhundert – an den hiesigen Küsten anlegten. Als Kapitän James Cook 1773 auf Manuae landete, einer Insel des südlichen Archipels, lebten dort bereits seit Langem Angehörige polynesischer Völker, von deren Handels- und Migrationsrouten der Pazifik durchzogen war.
Nun machen sich hier viele Menschen Sorgen, dass die alten Traditionen endgültig verschwinden könnten. Schon die Missionare stellten gleich nach ihrer Ankunft das traditionelle Singen, Tanzen und Trommeln unter Verbote, Feiern waren nur noch im Rahmen christlicher Veranstaltungen erlaubt. Bis heute steht die Gesellschaft stark unter dem Einfluss der kirchlichen Kolonialkultur. Was die Situation noch schlimmer macht, ist die Auswanderung: Bereits seit den 1970er Jahren leben mehr Insulaner in Neuseeland, als auf den Cookinseln verblieben sind.
Und für die ist der ökonomische Druck erheblich. Die heimische Industrie besteht nur aus marginalen Aktivitäten wie Obst- und Textilverarbeitung und Kunsthandwerk. So ist die Wirtschaft abhängig von Dienstleistungen und Geldüberweisungen der Diaspora; es wird weit mehr importiert als exportiert. Dieses Handelsdefizit können die Cookinseln nur mit Hilfe von Zuschüssen Neuseelands finanzieren.
Im Hafen von Avatiu auf der Insel Rarotonga liegt die „Anuanua Moana“, ein riesiges Forschungsschiff, das dem Unternehmen Moana Mineral gehört. Es hat – zusammen mit zwei weiteren Firmen, der Cobalt Seabed Resources und CIC Ocean Research, von den Cookinseln die Lizenz zu Exploration ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) erhalten. Die Explorationsphase läuft nun schon länger als zwei Jahre.
Das Objekt der Begierde sind Manganknollen auf dem Meeresboden, kartoffelgroße Aggregate, die sich über Jahrmillionen gebildet haben und neben Mangan auch andere wertvolle Mineralien wie Kobalt, Kupfer und Nickel enthalten. Auf dem zu den Cookinseln gehörenden Meeresgrund sollen mehrere Milliarden Tonnen dieser Knollen liegen. Sie gelten als unverzichtbar für die grüne Revolution und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
Für Premierminister Mark Brown ist die Sache klar: Der Abbau dieser Mineralknollen würde die wirtschaftliche Lage des Landes drastisch verbessern und die Anpassung an die Folgen der Klimakrise erleichtern. „Sagen Sie mir nicht, dass ich diese dringend benötigten Mineralien in meinem Ozean nicht erforschen lassen und das Potenzial zur Förderung des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft ignorieren soll“, erklärte Brown auf der Klimakonferenz 2022 in Scharm al-Scheich (COP 27). „In vielen pazifischen Gesellschaften ist die Kultur der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt weitaus besser verankert als in den Ländern, die jetzt ein Moratorium fordern und die weiterhin tausendmal mehr Kohlenstoff ausstoßen als wir.“
Der Meeresboden ist weitgehend unerforscht, und es ist wenig über die Rolle, die die Knollen im maritimen Ökosystem spielen, bekannt. Umweltschützer:innen sind überzeugt, dass ihr Abbau verheerende Folgen hätte. Denn dabei wird der Meeresboden mit lastwagengroßen Maschinen abgegrast, und die Knollen werden durch riesige, tentakelartige Kollektoren auf die Schiffe an der Oberfläche gesogen. Dabei werden nicht nur viele Lebensräume in der Tiefsee zerstört, sondern auch große Sedimentfahnen aufgewirbelt, an denen Lebewesen ersticken könnten.1
„Unsere Herangehensweise ist äußerst behutsam, alle rechtlichen Rahmenbedingungen werden eingehalten und wir sind sehr streng, was die Einhaltung des Vorsorgeprinzips angeht“, erklärt ein Beamter des Außenministeriums beruhigend. Diese Rohstoffe brächten dem Land großen Nutzen. Fragen zur Nachhaltigkeit und den zu erwartenden Gewinnen könne man aber derzeit noch nicht beantworten, weil Daten aus der Feldforschung fehlten. „Alles, was wir wissen, ist, dass diese Mineralien entscheidend sein könnten für den Übergang zu sauberer Energie, sowohl bei uns als auch bei unseren internationalen Partnern.“
Aber wer wird die Aktivitäten beaufsichtigen? Die drei Bergbauunternehmen, die die Explorationslizenz halten, müssen der Regierung über ihre Ergebnisse Bericht erstatten. Angesichts der enormen Investitionen, die sie bereits getätigt haben, ist jedoch kaum anzunehmen, dass sie sich ohne Weiteres zurückziehen würden, sollte sich die Regierung letzten Endes gegen den Abbau entscheiden.
Die Staaten der Region sind hinsichtlich des Abbaus der Rohstoffe vom Meeresgrund gespalten. Kiribati, Nauru und Tonga scheinen entschlossen, den Schritt zu wagen, während Tuvalu, Palau und Vanuatu noch ernste Zweifel hegen. So oder so, die Amerikaner kommen, und mit ihnen die große Geopolitik. Denn wie so oft gehen Rohstoffgewinnung und westliches Einflussstreben Hand in Hand.
Bislang konnten die Cookinseln wegen ihrer Assoziierung mit dem reichen Neuseeland keinen Anspruch auf bestimmte US-Entwicklungshilfegelder stellen. Seit der Anerkennung ihrer Souveränität durch die USA im September 2023 aber können sie Entwicklungskredite im Rahmen des Build-Gesetzes (Better Utilization of Investments Leading to Development) von 2018 erhalten. Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida, nutzte sogleich die Gelegenheit und forderte massive Investitionen in den Abbau von Manganknollen.
„Wie Sie wissen, sind nur wenige kritische Rohstoffvorkommen und Erschließungsbemühungen frei von dem arglistigen und auf Zwang beruhenden politischen Einfluss der Volksrepublik China“, schrieb er im Oktober 2023 an den Chef der US-Behörde für Entwicklungsfinanzierung (DFC). Der Meeresboden in der AWZ der Cookinseln berge große Mengen wichtiger Mineralien, darunter auch seltene Erden, und es sei notwendig, „zuverlässige Lieferketten im Interesse der wirtschaftlichen Sicherheit und des Wohlstands Amerikas zu entwickeln“.2
Die Nato wiederum erklärt, sie setze im Pazifikraum auf „Interoperabilität“ – also die Fähigkeit multinationaler Institutionen, gemeinsam zu handeln. Am Gipfeltreffen 2022 in Madrid nahmen erstmals die befreundete Länder Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea teil, und das dort verabschiedete Strategiekonzept nimmt ausdrücklich China ins Visier. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte gleich zu Beginn der Konferenz, China versuche „wie Russland die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben. Wir müssen daher vereint bleiben (…), um unsere Werte sowie unsere Freiheit zu schützen und gleichzeitig Frieden und Wohlstand zu fördern.“
Im Jahr 1986 hatten sich die Pazifikstaaten im Rarotonga-Vertrag zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone verpflichtet, nachdem die südpazifischen Inseln– wie das Bikini-Atoll – jahrzehntelang von Briten, Franzosen und US-Amerikanern für Atomtests genutzt worden waren. Aufgrund des anscheinend unaufhaltsamen Marschs der USA in Richtung eines Konflikts mit China befürchten manche Beobachter, dass dieses Abkommen nun infrage gestellt werden könnte. Die USA, die es nie ratifiziert haben, könnten versucht sein, die Region in ihre Strategie der nuklearen Abschreckung einzubeziehen.
„China ist für uns ein wichtiger Partner, genauso wie die Vereinigten Staaten“, erklärt man uns im Außenministerium der Cookinseln. „Im September letzten Jahres haben wir formale Beziehungen mit Washington aufgenommen, so wie wir sie schon seit vielen Jahren mit China unterhalten. Was uns betrifft, gibt es da kein Dilemma.“ Dennoch scheint klar, dass die Cookinseln sich für die Seite der USA entschieden haben, im Gegensatz beispielsweise zu den Salomonen, die im vergangenen Jahr ein Sicherheitsabkommen mit der chinesischen Regierung unterzeichnet haben.
Anfang Februar warb Premierminister Brown für die Bildung einer trilateralen Verteidigungs- und Sicherheitspartnerschaft mit Neuseeland und Australien.3 Canberra hatte 2021 zusammen mit Großbritannien und den USA das Militärbündnis Aukus geschlossen und sich – zum großen Ärger Frankreichs – verpflichtet, mehrere Atom-U-Boote von den USA zu kaufen (siehe den nebenstehenden Text).
In Neuseeland wiederum, wo die vorigen Labour-Regierungen von Jacinda Ardern und Chris Hipkins eher gemäßigt waren, erwägt die neue, rechts stehende Regierung den Beitritt zur sogenannten Säule II von Aukus, die auf Forschung und Entwicklung fokussiert ist. Mit anderen Worten: auf die automatisierte Kriegsführung unter Einsatz von Drohnen, Killerrobotern, Schwarmintelligenz und dergleichen.
Für die USA sei „das grundlegende Ziel von Aukus die Verstärkung der nuklearen Abschreckung durch die Einbindung Australiens in ihre Strategie“, analysiert Marco de Jong, Historiker für die Pazifikregion an der Auckland University of Technology. Diese bestehe darin, China einzudämmen und US-amerikanische Atombasen im asiatisch-pazifischen Raum zu errichten, „um das Risiko auszulagern“. Die Säule II von Aukus ziele auf die Entwicklung von Technologien ab, mit denen das nächste Wettrüsten gewonnen werden könne, sagt de Jong. „Es ist ein entmenschlichter Run auf die apokalyptischen Maschinen der nächsten Generation, bei dem es einem kalt den Rücken herunterläuft.“
Nach und nach, so scheint es, wird die Südpazifikregion immer stärker in die Sicherheitsarchitektur der USA eingebunden – und dadurch immer wichtiger für ihr altes Projekt, die Welt durch ihre nukleare Erstschlagkapazität zu dominieren.
1 Siehe Olive Heffernan, „Grüner Goldrausch in der Tiefsee“, LMd, August 2023.
2 Brief an DFC-Chef Scott Nathan, 17. Oktober 2023.
Aus dem Französischen von Nicola Liebert
Glen Johnson ist Journalist.