Vereint unterm roten Stern
Der jüdisch-arabische Kommunismus in Palästina und seine kurze Geschichte
von Shlomo Sand
Der Kommunismus kam 1919 durch jüdische Einwanderer nach Palästina. Sie hatten sich von der zionistischen Bewegung abgespalten, um die Hebräische Sozialistische Arbeiterpartei zu gründen, die sich 1922 den jiddischen Namen „Palestinishe Kommunistishe Partei“ (PKP) gab und 1924 der Dritten Internationale (Komintern) unter sowjetischer Führung beitrat.
Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1947 hatte die PKP den Zionismus abgelehnt, den sie als illegitime kolonialistische Bewegung bezeichnete. Die Kommunisten glaubten nicht, dass die in der ganzen Welt verstreut lebenden Juden eine eigene Nation bilden und nach 2000 Jahren historische Ansprüche in Palästina geltend machen könnten. Demzufolge lehnten sie auch die Balfour-Deklaration als imperialistisch ab und forderten den Abzug der Briten. Ihr erklärtes Ziel war ein demokratischer Staat mit arabischer Mehrheit, in dem die Juden als gleichberechtigte Bürger leben sollten.
Wegen dieser Positionen zog die Partei zur Zeit des britischen Mandats (1922–1948) den Hass der jüdischen Bevölkerung Palästinas auf sich und war weitgehend isoliert. Ebenso wenig vermochte sie allerdings arabische Sympathisanten zu gewinnen. Während des großen arabischen Aufstands in den 1930er Jahren gewann sie jedoch bei den städtischen Arbeitern an Einfluss. Im Namen des „proletarischen Internationalismus“ rief sie unermüdlich zur Solidarität zwischen der einheimischen Bevölkerung und den jüdischen Immigranten auf.
Infolge des deutschen Überfalls auf die UdSSR am 22. Juni 1941 gab die PKP nach und nach ihren Widerstand gegen die jüdische Einwanderung nach Palästina auf, befreite sich damit aus der Isolation und gewann neue Anhänger. Dass die PKP nach 1945 ihre Position endgültig änderte, hatte maßgeblich mit der unerträglichen Lage der Holocaust-Überlebenden zu tun, die als Staatenlose in deutschen und anderen europäischen DP-Camps (Displaced Persons Camps) ausharren mussten, weil kein westlicher Staat sie aufnehmen wollte.
Die arabischen Mitglieder hatten die PKP schon 1943 verlassen und ein Jahr später die Nationale Befreiungsliga unter Führung von Emile Toma gegründet, einem jungen Intellektuellen aus Haifa, der während seines Studiums in Cambridge zum Kommunisten geworden war. Ihm und seinen Gefährten missfiel, dass sich ihre jüdischen Genossen allmählich für die Idee einer nationalen jüdischen Identität zu erwärmen begannen.
1944 nahmen sie deshalb auch nicht mehr am Parteitag der PKP teil, auf dem die jüdischen Kommunisten beschlossen, weiterhin die Gründung eines unabhängigen demokratischen Staats in Palästina zu unterstützen – ohne diesmal allerdings zu präzisieren, ob er arabisch oder jüdisch sein sollte. Der 26-jährige Meir Vilner, der 1938 aus Vilnius nach Palästina gekommen war, erklärte: „Die Gründung einer unabhängigen demokratischen Republik muss die absolute Gleichberechtigung der jüdischen Minderheit garantieren.“1
Der Parteisprecher Schmuel Mikunis und die anderen Funktionäre waren zurückhaltender. Sie zweifelten an dem neuen Kurs, den Vilner und seine Frau Esther Vilenska einschlugen und der von vielen jungen Leuten unterstützt wurde. Im März 1945 wandte sich Vilner an die lokalen Parteikomitees und erklärte: „Der ausschließlich arabische Charakter des Landes hat sich sowohl in der Zusammensetzung der Bevölkerung als auch in seiner Ökonomie verändert. Palästina ist heute binational. Das ist der historische Wandel, der sich gerade vollzieht, deshalb müssen wir in unserer Politik langfristige Entscheidungen treffen.“2
Es war wohl das erste Mal, dass ein kommunistischer Funktionär vorsichtig das Konzept des „Binationalismus“ formulierte. Auf ihrem 9. Parteitag 1945 beschloss die PKP, sich klar für einen unteilbaren „arabisch-jüdischen Staat“ auszusprechen, der „auf dem Prinzip der Gleichberechtigung beruht, ohne Unterscheidung nach Rasse, Nationalität, Religion oder Geschlecht, also auf dem Prinzip des gleichen nationalen Rechts für Juden und Araber auf eine freie nationale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung“. Ein Jahr später wurde auf dem 10. Parteitag endgültig beschlossen, dass „Palästina ein binationaler Staat ist“.
Moskaus Beziehungen zum Jischuv
Die jüdischen Kommunisten ersetzten fortan ihren bisherigen Antizionismus durch Positionen, die man vorsichtig als „azionistisch“ bezeichnen könnte. Sie warben nicht für die massive Einwanderung von Juden nach Palästina; doch angesichts der bedrückenden Situation in den europäischen DP-Camps widersetzten sie sich ihr auch nicht mehr – vor allem aus humanitären Gründen. Sie protestierten sogar gegen Maßnahmen, mit denen die Briten die „illegale“ Einwanderung behindern wollten. Dennoch lehnten sie weiterhin die Gründung eines ausschließlich jüdischen Staats ab. Denn sie glaubten keine Sekunde daran, dass ein solcher die Diaspora beenden würde und alle Juden der Welt nach Eretz Israel kommen sollten.
Viele einfache Parteimitglieder fanden es allerdings absurd, von einem binationalen Staat zu sprechen, wenn man noch nicht einmal in der Lage war, eine gemeinsame jüdisch-arabische Partei auf die Beine zu stellen. Deshalb bemühte sich die PKP um eine Verständigung mit der Befreiungsliga und warb für eine jüdisch-arabische Bewegung. Die Liga lehnte eine solche Union für ein binationales Projekt entschieden ab und forderte stattdessen weiter einen demokratischen Staat, ein „freies arabisches Land“, das aber alle Minderheiten beschützen würde. Zwar gab es verschiedene gemeinsame Aktionen wie Streiks oder Demonstrationen, doch die Arabische Liga weigerte sich, die Aufnahme von Flüchtlingen aus Europa zu unterstützen.
Im Februar 1947 kam es in London zu einem Treffen der verschiedenen kommunistischen Parteien aus dem gesamten britischen Empire. Emile Toma vertrat die Liga, für die PKP war Schmuel Mikunis angereist. In seiner Rede wiederholte Toma die bekannte Position, nach der ein einheitlicher demokratischer Staat, der die Bürgerrechte der jüdischen Minderheit, nicht aber ihre nationalen Rechte anerkennen würde, die komplexe Situation lösen würde. Fast alle Vertreter der arabischen kommunistischen Parteien teilten diesen Standpunkt.
Mikunis argumentierte dagegen mit dem binationalen Modell von Vilner und Vilenska: „Zwei nationale Gruppen leben im Land. Jedes Programm zur Lösung des Problems muss dieser Tatsache Rechnung tragen und beiden Völkern gleiche Rechte und Entwicklungsmöglichkeiten garantieren.“3 Mikunis lehnte einen demokratischen arabischen Staat ebenso ab wie die Aufteilung des Landes und die Gründung eines separaten jüdischen Staats.
Die fast völlige Vernichtung der europäischen Juden noch vor Augen, neigten mehrere kommunistische Parteien zu der von Mikunis vertretenen Lösung. Darunter auch eine Partei aus dem Nahen Osten: Die ägyptische Nationale Befreiungsbewegung, damals die wichtigste kommunistische Gruppierung Ägyptens, hatte sich schon 1945 für eine binationale Lösung in Palästina ausgesprochen. Ihr Anführer war Henri Curiel, ein Marxist jüdischer Herkunft.
Curiel hatte einen Bericht zur Lage der jüdischen Gemeinschaft in Palästina verfasst, in dem er die wachsende Opposition der zionistischen Bewegung gegen die britische Mandatsmacht hervorhob und die Positionen der zionistischen Linken ebenso kritisierte wie die der von Toma geführten Liga. Doch den Vorschlag der PKP begrüßte er.
Dass sowohl die PKP als auch die Gruppe um Henri Curiel sich dem binationalen Modell zuwandten, geschah wohlgemerkt, ohne dass dies von Moskau diktiert worden wäre. Die Komintern war zwar 1943 aufgelöst worden, aber die jüdischen und ägyptischen Kommunisten hatten wahrscheinlich bei Treffen mit den sowjetischen Kommunisten gespürt, dass es keinen starken Widerstand dagegen geben würde, den nationalen Charakter des „jüdischen Gemeinwesens in Palästina“ (Jischuv) anzuerkennen.
Wie die westlichen Länder, die wenig Lust hatten, die überlebenden Juden aufzunehmen, schien auch die UdSSR keinen großen Wert darauf zu legen, dass die wenigen osteuropäischen Überlebenden, die noch in den DP-Lagern der Alliierten ausharrten, in ihre Heimatländer zurückkehrten.
Moskau erwog sogar eine Allianz mit dem Jischuv, der zunehmend gegen die britische Präsenz in Palästina opponierte. Im Mai 1947 erklärte der sowjetische UN-Vertreter und spätere Außenminister Andrei Gromyko vor der UN-Vollversammlung zur Überraschung aller Kommunisten in der Region und weltweit: „Die sowjetische Delegation sieht die Notwendigkeit, die legitimen Rechte der Juden und der Araber durch die Gründung eines binationalen, unabhängigen und demokratischen Staats mit gleichen Rechten für beide Völker zu unterstützen.“4
Wenige Monate später stimmten die UdSSR und ihre Satellitenstaaten dennoch der Resolution der UN-Vollversammlung zu, die die Teilung Palästinas und die Gründung zweier unabhängiger Staaten beschloss. Die PKP und die Nationale Befreiungsliga – mit Ausnahme von Emile Toma und einigen anderen bekannten Mitgliedern – akzeptierten die sowjetische Direktive und vereinigten sich zur Israelischen Kommunistischen Partei (Maki).
Im Namen der Maki unterschrieb Meir Vilner die israelische Unabhängigkeitserklärung, während andere Parteifunktionäre durch Osteuropa fuhren, um Waffen für die Verteidigung des jungen jüdischen Staats zu sammeln. Kein Zweifel: Für einen kurzen Zeitraum war Moskau prozionistischer als Washington.
1 Kol HaAm (Volksstimme), 11. Mai 1944.
4 Zitiert in Leon Zeavi, „Getrennt oder gemeinsam?“ (Hebräisch), Tel-Aviv (Keter) 2005.
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
Shlomo Sand ist Historiker. Dieser Text ist ein Auszug aus seinem Buch „Deux peuples pour un État?“, Paris (Le Seuil), das im Januar 2024 erscheint.