07.09.2023

Flüssiggas aus Mosambik?

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Flüssiggas aus Mosambik?

Nachdem Russland als Energielieferant für die Europäische Union nicht mehr infrage kommt, gilt der südafrikanische Küstenstaat wegen seiner immensen unerschlossenen Gasvorkommen als idealer Kandidat. Doch im Land herrscht Krieg.

von Stefano Liberti

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Der Konflikt habe mit der Unterzeichnung der Gasförderverträge begonnen, sagt Armando John. „Wenn das Zufall gewesen sein sollte, dann war es zumindest ein merkwürdiger Zufall.“ Wir sitzen in einer Bar an der Strandpromenade von Pemba, der Provinzhauptstadt von Cabo Delgado, und sprechen über den blutigen Krieg, der seit sechs Jahren in dieser Provinz im Norden von Mosambik tobt.

Hier hat im Oktober 2017 der Aufstand der islamistischen Ansar al-Sunna Wa Jamma (ASWJ) begonnen. Seitdem führen die Rebellen, die sich selbst als „Al-Shabaab“ (Jugend) bezeichnen, in Cabo Delgado einen zerstörerischen Kampf gegen die Zentralregierung. Sie greifen Dörfer an, plündern Häuser, entführen Frauen und Kinder und ermorden Zivilisten. Ein großer Teil der Provinz ist verwüstet. Laut Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) wurden in dem Konflikt bereits 5000 Menschen getötet und rund eine Million vertrieben.

Der Aktivist Armando John, der früher im Stadtrat von Pemba saß, hat seine eigene Sicht der Dinge: „Zu diesem Krieg ist es gekommen, weil die Erträge aus den Bodenschätzen dieser Re­gion nicht verteilt werden.“ Tatsächlich ist der blutige Konflikt ein klassisches Beispiel für das, was oft als „Fluch der Bodenschätze“ bezeichnet wird: In der abgehängten Region eines hochverschuldeten Landes lässt die Entdeckung wertvoller Ressourcen eine Fata Morgana des Reichtums entstehen, die das leicht entzündliche Gemisch der Gegensätze zur Explosion bringt.

Im Fall Mosambik ist diese wertvolle Ressource das vor der Küste im Meeresboden lagernde Erdgas, das auf ein Volumen von 5 Billionen Kubikmeter geschätzt wird. Damit wäre es das neuntgrößte bekannte Gasvorkommen der Welt, und wenn sich die Pläne für die Förderung und Vermarktung in Form von Flüssiggas (LNG) realisieren lassen, könnte Mosambik in die Liga der zehn größten LNG-Lieferanten aufsteigen.

Seit die mosambikischen Gasvorkommen 2010 entdeckt wurden, versuchen die großen internationalen Konzerne dieses Geschenk des Himmels für sich zu nutzen. An der Prospektion der Lagerstätten sind führend globale Player wie die französische Total, die US-amerikanische ExxonMobil und der italienische Energiekonzern Eni S.p.A. beteiligt.

2011 meldete Eni, es habe in seinem Konzessionsgebiet gigantische Gasressourcen entdeckt; die texanische Anadarko hatte kurz zuvor eine ähnliche Ankündigung gemacht. In der Folge wurden diese beiden Unternehmen zu Wegbereitern einer Entwicklung, von der alle dachten, sie werde Mosambik in das neue afrikanische Gas-Eldorado verwandeln.

13 Jahre später sieht es so aus, als sei der Traum zum Albtraum geworden: Der Norden des Landes ist in einen Krieg verstrickt, bei dem kein Ende in Sicht ist. Bis auf ein Offshore-Projekt von Eni wurden alle Förderaktivitäten auf Eis gelegt oder gar nicht erst begonnen.

Mosambik steht wirtschaftlich am Abgrund. Das liegt auch daran, dass die Machteliten die Erträge aus dem Erdgasgeschäft schon unter sich verteilen wollten, bevor die Förderung überhaupt angelaufen war. 2013 konnten sie sich geheime Kredite in Höhe von 2,2 Milliarden Dollar verschaffen, mit denen offiziell der Aufbau einer Hochseefischereiflotte für den Thunfischfang und der Kauf von Fregatten für die mosambikische Marine finanziert werden sollten.

In Wahrheit handelte es sich um einen gigantischen Korruptionsfall, bei dem beide Seiten profitieren wollten: aufseiten der Kreditgeber vor allem die britische Filiale der schweizerischen Crédit Suisse und die halbstaatliche russische Bank VTB; aufseiten der Kreditnehmer prominente Führungsfiguren der Frelimo – der Partei, die das Land seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 ohne Unterbrechung regiert.

Doch als klar wurde, dass eine Rückzahlung der Schulden unmöglich war, weil der Gaspreis auf dem Weltmarkt sank und die Förderaktivitäten nur schleppend in Gang kamen, kam der Skandal im April 2016 ans Licht. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kündigte sein Hilfsprogramm auf, und die Landeswährung Metical büßte mehr als die Hälfte ihres Wertes ein.

Die Affäre um die sogenannten Thunfisch-Bonds brachte einige Führungskader der Frelimo zu Fall – unter anderem den früheren Finanzminister Manuel Chang (der seit 2018 in Südafrika inhaftiert ist) und Ndambi Guebuza, den Sohn von Ex-Präsident Armando Guebuza, der im Dezember 2022 zu einer 12-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Ungeachtet des Skandals trieb man die Fördervorhaben weiter voran ­– auch um Mosambik aus einem Teufelskreis zu befreien. Die nimmersatten Eliten hatten einen Schuldenberg angehäuft, der nur mit Hilfe der Gaserlöse abgetragen werden konnte. Die Konzerne entwickelten Pläne von pharaonischen Dimensionen. Total kündigte sogar die größte privatwirtschaftliche Investi­tion an, die Afrika je gesehen hatte: 20 Milliarden Dollar für das Projekt Mozambique LNG, von dem man sich eine jährliche Gasfördermenge von 13,1 Millionen Kubikmetern verspricht.

Mit dieser Riesensumme sollte eine Gasverflüssigungsanlage finanziert werden. Dazu die komplette Infrastruktur für die Gasgewinnung und -vermarktung, also Dockanlagen und Anschlusspunkte für die Pipelines, über die das Gas von den Lagerstätten unter dem Meeresboden an die Oberfläche befördert wird, samt den erforderlichen Lagerkapazitäten.

Ähnliche Pläne hatten ExxonMobil und Eni für ihr Projekt Rovuma LNG enwickelt, das auf der Afungi-Halbinsel begonnen wurde. Hier sollen jährlich 15 Millionen Kubikmeter Gas verflüssigt werden, die über eine 40 Kilometer lange Pipeline aus Block 4 des Offshore-Gasfelds angeliefert werden sollen. Doch sowohl das Total-Projekt als auch das Vorhaben von Exxon/Eni sind wegen der verschärften Sicherheitslage ins Stocken geraten.

Als Al-Shabaab im März 2021 kurzzeitig die Stadt Palma unweit der Grenze zu Tansania in ihre Gewalt brachte, in der Total sein Hauptquartier eingerichtet hatte, brachte das französische Unternehmen sein gesamtes Personal außer Landes und stellte sämtliche Aktivitäten ein. Eni hingegen weihte im November 2022 sein Gasterminal Coral South FLNG ein, das ebenfalls zu Block 4 gehört, aber eine reine Offshore-Anlage ist: eine schwimmende Plattform zur Erdgasverflüssigung, die 80 Kilometer vor der Küste verankert und damit vor Rebellenangriffen gut geschützt ist.

Aber was haben diese Milliardenprojekte mit dem Aufstand der Al-Shabaab zu tun? Armando John sieht es so: „Der Krieg entstand durch die Radikalisierung junger Menschen, die in Saudi-Arabien ausgebildet wurden und unter dem Deckmantel der Religion die Ausgegrenzten um sich scharen“ – Leute also, die sich an den Rand gedrängt fühlen und „wenig oder gar nichts zu verlieren haben“.

In der Provinz Cabo Delgado trifft das auf die Mehrheit der Bevölkerung zu. Damit ist eine paradoxe Situation entstanden: Die Provinz ist einerseits die ressourcenreichste Region des Landes, andererseits wird sie von der Zentralregierung vernachlässigt wie keine andere. Weshalb sie auch „Cabo esquecido“, also vergessenes Cabo genannt wird.

„Ein Großteil der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Lebensmitteln, muss aber mit ansehen, wie Ausländer sich scharenweise die Erträge aus den Bodenschätzen in die Tasche stecken“, sagt John. Deshalb hätten sich diejenigen, die keine andere Perspektive haben, dem Aufstand angeschlossen: „Das ist kein religiöser Aufstand, sondern ein sozialer.“

Die Regierung interpretiert den Konflikt auf ihre Weise. Sie klassifizierte die Aufständischen sogleich als Kriminelle und verbreitete den Verdacht, das Geschehen in Cabo Delgado sei ein von dschihadistischen Gruppen angezettelter Angriff von außen. Dementsprechend setzte sie bei ihrer Antwort ausschließlich auf Gewalt.

In den ersten beiden Jahren nahm die Regierung dabei die Dienste von Söldnertruppen in Anspruch. Das war zum einen die berüchtigte Wagner-Gruppe aus Russland, die jedoch das Feld räumte, nachdem zehn ihrer Männer getötet worden waren; zum anderen die südafrikanische Dyck Advisory Group, die laut einem Bericht von Amnesty International bei ihren Helikopter-Attacken gegen die Al-Shabaab auch zivile Ziele unter Beschuss nahm.1

Nachdem die Rebellen Palma erobert hatten, änderte die Regierung ihre Strategie: Sie kündigte den Söldnern und forderte militärische Unterstützung aus dem Ausland an. Dazu gehören inzwischen ein 1000-köpfiges Kontingent ruandischer Soldaten, Streitkräfte der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) und auch die Europäische Union, die im Rahmen einer Mission 140 Ausbilder für die mosambikische Armee entsandt hat.

Was ist dran an der Darstellung der Regierung, die den Konflikt mit dem internationalen Dschihadismus in Verbindung bringt? „Die Al-Shabaab bekommen Unterstützung von außen – in Form von Ausbildung, Logistik und vermutlich auch Geld“, meint der Soziologe João Feijó. Der Direktor des unabhängigen Forschungsinstituts Observatorio do Meio Rural in Maputo, der den Konflikt von Beginn an beobachtet hat, sagt aber auch: „Zum Schulterschluss mit dem internationalen Islamismus kam es erst, nachdem der Krieg bereits begonnen hatte.“

Die tieferen Ursachen des Konflikts sind für Feijó jedoch andere: „Die eigentliche Wurzel des Konflikts ist die Wut der jungen Leute und die vollkommene Abwesenheit des Staates, der ihnen die grundlegendsten Rechte verwehrt, der die besseren Jobs und Chancen den Menschen aus dem Süden des Landes vorbehält und den lokalen Gemeinden häufig das Land und die Ressourcen wegnimmt.“

Die Ausgrenzung definiert sich über ethnisch-religiöse Kriterien, die in Cabo Delgado traditionell für Reibungen sorgen: Nutznießer der Reichtümer ist die in Mosambik mehrheitlich christliche Volksgruppe der Makonde, zu denen auch der Präsident der Republik Filipe Nyusi gehört, der selbst aus der Provinz stammt. Die muslimischen Mwani und Makua bleiben hingegen außen vor – obwohl sie hier zur Mehrheit gehören. Dabei gebe es aber auch Überschneidungen, erklärt Feijó. Auf jeden Fall hätten sich vor allem die höheren Kader der Regierungspartei Frelimo die Ressourcen angeeignet. Und es sei sicher auch kein Zufall, dass ein Teil der Shabaab, wenn auch eine Minderheit, Makonde sind.

Ähnlich sieht es der Mosambik-Experte Joseph Hanlon, Professor für Entwicklungspolitik an der britischen Open University. Für ihn lässt sich dieser Konflikt besser als Bürgerkrieg beschreiben: „Der Aufstand in Cabo Delgado richtet sich gegen die Zen­tral­regierung und besonders gegen die Oligarchen der herrschenden Partei, die sich die Reichtümer der Provinz unter den Nagel reißen.“ Für Hanlon ist es eine bittere Ironie der Geschichte, dass die Frelimo, die einst den Unabhängigkeitskampf gegen Portugal anführte, heute selbst zur Kolonialmacht mutiert ist: „Die Befreier von gestern sind heute die Machthaber, die es zu stürzen gilt.“

Der Konflikt um die Ressourcen hat schon vor zwölf Jahren begonnen. 2009 war im Distrikt Montepuez im südlichen Teil von Cabo Delgado eines der größten Rubinvorkommen der Welt entdeckt worden. Anfangs wurde der Abbau der Edelsteine von lokalen Arbeitern sozusagen als Handwerk betrieben, erzählt Hanlon.

Doch im November 2011 wurde eine über 25 Jahre laufende Konzession an das Unternehmen Montepuez Ruby Mining Limitada (MRM) vergeben, das zu 75 Prozent dem britischen Bergbaukonzern Gemfields gehört. 25 Prozent hält der mosambikische Partner Mwriti Limitada, an dem einflussreiche Frelimo-Funktionäre beteiligt sind. „Die kleinen Schürfer wurden gewaltsam vertrieben“, erzählt Hanlon. „Es ist kein Zufall, dass den Al-Shabaab etliche ehemalige Bergleute aus Montepuez angehören.“

Kurz danach folgten die Entdeckung der Gasvorkommen und der Thun­fisch-Bonds-Skandal. Das verstärkte den Unmut gegen die Regierenden, die sich schamlos bereichern, während die einheimische Bevölkerung in keiner Weise an der „Entwicklung“ partizipiert.

Heute werden die Rubinminen ebenso wie die Grafitbergwerke in Ancuabe und die Infrastrukturen für Gasförderung auf der Afungi-Halbinsel von ruandischen Soldaten beschützt. „Die Ruander sorgen für die Sicherheit in den Gebieten, in denen die internationalen Konzerne operieren, und kümmern sich überhaupt nicht um die wirtschaftlich unbedeutenderen Distrikte“, erklärt Armando John. „Damit beweist die Regierung wieder einmal, dass es ihr ausschließlich darum geht, die Extraktionsindustrie am Laufen zu halten, und das ohne jede Transparenz.“

Tatsächlich decken sich die Einsatzgebiete der ruandischen Soldaten, die seit zwei Jahren in Mosambik sta­tio­niert sind, auffällig mit den rohstoffreichen Zonen, wobei sich ihre Mis­sion in einer undurchsichtigen Grauzone abspielt. Im Gegensatz zu dem SADC-Kontingent, dessen Mandat offiziell bekannt gemacht wurde, drang über die Vereinbarung zwischen Ruanda und Mosambik nichts nach außen. Deshalb weiß man auch nicht genau, wie weit die Befugnisse der Soldaten reichen.

Unklar ist auch, von wem die ganze Operation letztlich finanziert wird. Zwar hat Ruandas Regierung von Anfang an erklärt, sie werde für den Einsatz der Soldaten aufkommen. Doch etliche Anhaltspunkte sprechen dafür, dass es sich um eine Art Tauschgeschäft handelt. Nach Recherchen der Wochenzeitung Jeune Afrique hat Mosambik lukrative Bergbaukonzessionen und Aufträge in der Sicherheitsbranche an Firmen aus Kigali vergeben.2

Auch Europa beteiligt sich an der Finanzierung der ruandischen Soldaten. Bereits im Mai 2021 hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Besuch in Kigali zugesagt, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda um rund 370 Mil­lionen Euro aufzustocken.3 Und die EU machte im Rahmen ihrer Friedensfazilität im Dezember 2022 20 Millionen Euro für den Einsatz der Ruander locker.

Soldaten aus Ruanda schützen Energiekonzerne

Der Europäische Auswärtige Dienst rechtfertigt diese Zuwendung in einem internen Vermerk an seine Delegationen – die dem französischen Rechercheportal Aria zugespielt wurde – wie folgt: „Die Mittel werden die Ausbreitung des Aufstands eindämmen, Stabilität und die Voraussetzungen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung schaffen und somit auch zum Schutz der politischen und wirtschaftlichen Interessen und der Sicherheitsinteressen der Europäischen ­Union beitragen.“4

Der Begriff „wirtschaftliche Interessen“, der in keiner offiziellen Verlautbarung der EU zu Mosambik auftaucht, begründet das finanzielle Engagement offenbar mit der Beteiligung europäischer Unternehmen an den LNG-Projekten in Mosambik. „Die Ruander fungieren gewissermaßen als Stellvertretertruppe, die auch die Interessen der multinationalen Gasunternehmen schützt“, räumt ein Diplomat im italienischen Außenministerium ein.

Mit dem Geld der europäischen Steuerzahler wird also eine Friedenssicherungsmission finanziert, die unter anderem die Interessen internationaler Energiekonzerne schützen soll. Aber die in Cabo Delgado aktiven Unternehmen sind auch selbst bemüht, die Abwesenheit des mosambikischen Staats im Norden des Landes zu kompensieren, indem sie einen eigenen Sicherheitsapparat unterhalten und einheimische Arbeitskräfte beschäftigen.

Deshalb kommt Feijó zu der Feststellung: „Es mag paradox klingen – aber Total ist gegenwärtig ein Stabilitätsfaktor in Cabo Delgado. Mit seinem Bedarf an Zulieferdiensten sorgt der Konzern für Beschäftigung und kurbelt Handel und Gewerbe an. De facto nimmt er stellvertretend die Aufgaben des Staates wahr, womit er die Re­gion in eine Art Total-Land verwandelt.“ Aber natürlich werde das Unternehmen nicht von humanitären Motiven, sondern von seinen Profitinteressen geleitet – was für Feijó freilich das eigentliche Problem darstellt: „Die Gasmultis sollen nicht den Staat ersetzen, sondern so besteuert werden, dass der Staat seine Grundaufgaben finanzieren kann.“5

Inzwischen gibt es erste Anzeichen dafür, dass die erzwungene Pause bei den Förderprojekten bald beendet sein könnte. Der Vorstandsvorsitzende von Total Patrick Pouyanné hat zwar noch keinen konkreten Termin genannt, aber verschiedentlich durchblicken lassen, dass die Arbeiten im Rahmen von Mozambique LNG demnächst wieder aufgenommen werden.

Wie das aussehen könnte, beschreibt Joseph Hanlon: „Wahrscheinlich wird Total eine Sicherheitszone einrichten, in der es unter dem militärischen Schutz der Ruander ungehindert agieren kann und einem Teil der einheimischen Bevölkerung auch Jobs und wirtschaftliche Nutzeffekte beschert.“ Hanlon spricht von „einer Art green zone wie in Bagdad oder Kabul“, allerdings in weit größeren Dimensionen. Im Fall Mosambik würde man also die ressourcenreichen Gebiete hermetisch sichern und den Rest den sich bekämpfenden Gruppen und Warlords überlassen.

Sollte dieses Konzept funktionieren, könnte es auch als Vorbild für die zweite Onshore-Großinvestition in Mosambik dienen – für Rovuma LNG, dem gemeinsamen Projekt von ExxonMobil und Eni. Dass Mosambik für die Gasbeschaffungspläne der EU eine Schlüsselrolle spielt, ist kein Geheimnis. Die Formulierung vom „Schutz der politischen und wirtschaftlichen Interessen und der Sicherheitsinteressen“ bedeutet im Klartext: Die EU-Mitgliedstaaten müssen ihre Energieversorgung sichern, nachdem die russische Invasion in der Ukraine das Ende der „Energie-Ehe“ mit Moskau bedeutete.

Mit seinen immensen noch unerschlossenen Bodenschätzen ist Mosambik aus EU-Sicht ein idealer Kandidat, um das russische Gas zu ersetzen. Italien dürfte dabei eine Hauptrolle zukommen: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat schon mehrfach erklärt, sie wolle den Mittelmeerraum unter anderem durch den Bau von Flüssiggasterminals für das Gas aus Afrika zur Drehscheibe der Gasversorgung ausbauen.

Diese Terminals sollen an die vorhandenen Pipelines angeschlossen werden, die das Gas künftig nicht mehr von Norden nach Süden, sondern von Süden nach Norden befördern könnten. Die geopolitischen Verwerfungen infolge des Ukrainekriegs machen diesen alten Plan von Eni zu einem höchst aktuellen Projekt.

Was allerdings Mosambik betrifft, so wird das Land keinerlei Vorteile davon haben und im Gegenteil viele Probleme bekommen. Die Gasförderung hat nicht nur die bestehenden Spannungen explosionsartig verschärft, sie wird auch gravierende Auswirkungen auf die Umwelt haben. Nach Berechnungen der NGO Friends of the Earth werden die geplanten Projekte das 49-Fache der Treibhausgasmengen freisetzen, die Mosambik bislang emittiert.6 Dabei ist die mosambikische Bevölkerung schon jetzt den verheerenderen Auswirkungen der Klimakrise ausgesetzt.

In den letzten Jahren wurde das Land von mehreren heftigen Tropenstürmen heimgesucht. 2019 kamen durch den Zyklon „Kenneth“ mindestens 1500 Menschen ums Leben; die Sachschäden beliefen sich auf mehr als 3 Milliarden US-Dollar. Im Februar und März 2023 zog der Wirbelsturm ­„Freddy“ fünf Wochen lang an der Straße von Mosambik auf und ab und forderte in Malawi, Mosambik und Madagaskar mehr als 1200 Todesopfer.

Am Stadtrand von Pemba sind die Folgen von „Kenneth“ immer noch sichtbar. Der Sturm peitschte im April 2019 mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometer pro Stunde durch die ganze Region Cabo Delgado, begleitet von extremem Starkregen. Das auf einer Anhöhe über dem Meer errichtete Stadtviertel Metula wurde teilweise unterspült. Die Wassermassen rissen ein gigantisches Loch in den Boden, das mehrere Häuser verschluckte.

Das buraco (Loch) zieht sich vier Jahre später immer noch wie eine klaffende Wunde durch das Stadtviertel. Direkt am Abgrund steht die Grundschule Samora Machel, die mit ihrem Namen an den Vater der Unabhängigkeit und Mosambiks ersten Präsidenten erinnert. Ein Teil der Einfassungsmauer ist abgerutscht, andere Abschnitte blieben wie durch ein Wunder stehen, aber so windschief, als könnten sie den nächsten Sturm nicht über­stehen.

Die Grundschule Samora Machel betreut wie viele Schulen in Pemba auch die traumatisierten Kinder aus den Gebieten, die durch die Überfälle der Al-Shabaab zu unsicher geworden sind. Nachdem sie aus ihrer Heimat im Norden vertrieben wurden, müssen sie hier nun fürchten, dass ihre neue Zuflucht jederzeit vom Erdboden verschlungen werden kann.

1 „Mozambique: ‚What I saw is death‘: War crimes in Mozambique’s forgotten cape“, Amnesty International, Bericht vom 2. März 2021.

2 Romain Gras, „Entre sécurité et business, Paul Kagame tisse sa toile au Mozambique“, Jeune Afrique, 2. Mai 2023.

3 „Is France using ‚development aid‘ to finance the intervention of Rwandan troops in Mozambique?“, Centro Para Democracia e Desenvolvimento (CDD): Politica moçambicana, 21. November 2021.

4 Dank dem „Freedom of Information Act“ (Informa­tions­freiheitsgesetz).

5 Siehe den Bericht des Osservatorio de Meio Rural,João Feijó„Return of the population and reconstruction of the northeast of Cabo Delgado – From the weakening of the state to the emergence of a Totalland“, 6. März 2023.

6 Friends of the Earth, „Fueling the crisis in Mozambique“, 16. Mai 2022.

Aus dem Italienischen von Andreas Bredenfeld

Stefano Liberti ist freier Journalist, Filmemacher und Autor; zuletzt erschien von ihm „Terra Bruciata. Come la crisi ambientale sta gambiando L’Italia a la nostra vita“, Mailand (Rizzoli) 2020.

© LMd, Berlin

Le Monde diplomatique vom 07.09.2023, von Stefano Liberti