12.10.2023

BRICS wächst – aber wozu?

zurück

BRICS wächst – aber wozu?

Auf seinem Gipfel Ende August verkündete das Staatenbündnis die Aufnahme von sechs neuen Mitgliedern, Dutzende weitere Länder haben ihr Interesse bekundet. Doch was verbindet die Gruppenmitglieder außer einer diffusen Ablehnung westlicher Dominanz? Und wie könnte die Weltordnung 2.0 aussehen?

von Martine Bulard

Neu im Klub: Irans Präsident Ebrahim Raisi mit Xi Jinping auf dem BRICS-Treffen in Johannesburg, 24. August 2023 XIE HUANCHI/picture alliance/Xinhua
Audio: Artikel vorlesen lassen

Auf der diplomatischen Bühne ging es diesen Spätsommer außergewöhnlich hektisch zu. Bemerkenswert war dabei, dass die beiden spektakulären Groß­ereignisse nicht von einem westlichen Land ausgerichtet wurden, sondern von Südafrika und Indien.

Es begann mit dem Gipfeltreffen der BRICS-Staaten in Johannesburg, das am 24. August zu Ende ging. Kurz darauf, am 10. September fanden sich die fünf BRICS-Mitglieder, also Brasi­lien, Russland, Indien, China und Südafrika erneut zusammen. Beim G20-Gipfel in Neu-Delhi war allerdings der Westen deutlich stärker vertreten.1 Die zeitliche Nähe war ein kalendarischer Zufall. Doch das machte den Unterschied zwischen den beiden Treffen noch klarer erkennbar – als Abbild einer in Bewegung geratenen Welt.

Dem BRICS-Gipfel hatten viele schon ein Scheitern prophezeit, bevor er überhaupt begonnen hatte. Zumindest rechnete man damit, dass die Verhandlungen durch die Unstimmigkeiten zwischen Indien und China gelähmt würden. Doch dann gab die Gruppe mit der Aufnahme von sechs neuen Mitglieder ein deutliches Lebenszeichen.

Manche Kommentare sahen in der Erweiterung eine „historische Wende“; andere lediglich einen „PR-Coup“. Übertriebene Begeisterung ist nach dem Gipfel ebenso wenig angezeigt wie allzu kurzsichtige Schlüsse. Eines steht auf jeden Fall fest: Mehr als 20 neue Länder fühlen sich zur BRICS-Gruppe hingezogen und warten darauf, demnächst aufgenommen zu werden.

Demgegenüber sollte der zweite Gipfel in Delhi das Comeback des Westens signalisieren, der in den Ländern des Globalen Südens zunehmend kritisch gesehen wird.2 Doch das G20-Treffen erwies sich als Schlag ins Wasser, weil die reichen Ländern sich mit ihrer Sicht der Dinge nicht durchsetzen konnten.

Kein alternatives Wirtschaftsmodell in Sicht

Das Resultat blieb sogar noch hinter dem letztjährigen Gipfel von Bali zurück, bei dem die „russische Invasion“ noch angeprangert worden war. In der Abschlusserklärung von Delhi ist lediglich vom „Krieg in der Ukraine“ die Rede. Das ist eine Formulierung, schrieb die Financial Times, „die von den Unterstützern Kiews wie den USA und ihren Verbündeten bis dato abgelehnt worden war, weil sie den Eindruck erweckt, Russland und die Ukraine seien beide in gleichem Maß verantwortlich“.3

Das heißt: Der Globale Süden verurteilt den Krieg, schließt sich aber dem westlichen Narrativ nicht an. Die Financial Times sieht darin einen „schweren Schlag für die westlichen Länder, die im vergangenen Jahr ständig versucht haben, die Entwicklungsländer dazu zu bewegen, dass sie Moskau verurteilen und die Ukraine unterstützen“.

Immerhin wurde beim G20-Gipfel die Afrikanische Union aufgenommen, die nun denselben Status wie die Europäische Union genießt. Das lässt sich als Signal einer Öffnung deuten, doch die Chance ist gering, dass sich damit am Kräfteverhältnis innerhalb der G20 viel ändert.

Um den enttäuschenden Ertrag des Gipfels von Neu-Delhi vergessen zu machen, hängten das US-Präsidialamt und seine PR-Leute einen Vorschlag Joe Bidens an die große Glocke, der allseits positiv aufgenommen wurde. Er sieht die Einrichtung eines „Korridors“ vor, der Indien über die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien, Jordanien und Israel mit Europa verbinden soll. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kleidete ihre Begeisterung über das Projekt, das eine Bahnstrecke, eine Wasserstoffpipeline sowie Unterseekabel vorsieht, in geradezu poe­ti­sche Worte: „Dieser Korridor ist viel mehr als nur eine Eisenbahn oder ein Kabel – er ist eine grüne und digitale Brücke zwischen Kontinenten und Zivilisationen.“

Wo der Korridor verlaufen soll, bleibt vorerst unklar, ebenso wie die Finanzierung. Beim Vorjahresgipfel der G20 hatte Biden den Gedanken einer Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen (PGII) ins Spiel gebracht, als Antwort auf die chinesischen Seidenstraßen. Doch die Dollars, die dafür fließen sollten, kommen bisher allenfalls tröpfchenweise.

Der Rest der Welt aber wartet nicht. Andere Staaten tun sich zusammen und entwerfen andere „Korridore“, zum Beispiel den so genannten Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (­INSTC). Der soll Russland, Iran und Indien miteinander verbinden und bald auch die Türkei, Kasachstan und Oman einschließen.4

Die entwicklungspolitischen Versprechungen des Westens reichen nicht aus, um die armen Länder oder die Schwellenländer in sein Lager zu ziehen. Das zeigt sich auch am Erfolg des Gipfels von Johannesburg. Um zu ermessen, was für eine weite Wegstrecke der BRICS-Verband schon zurückgelegt hat, muss man daran erinnern, dass dieses Akronym 2001 von dem US-Ökonomen Jim O’Neill erfunden wurde, der für die Investmentbank Goldman Sachs arbeitete.

Damals hatte die BRICs-Gruppe nur vier Mitglieder; das „s“ am Ende markierte lediglich den Plural. O’Neill hatte aber bereits deren rasante Entwicklung im Blick. Zwei seiner Kollegen schätzten diese Entwicklung 2003 wie folgt ein: „Wenn alles erwartungsgemäß verläuft, wird die geballte Wirtschaftskraft der BRICs, gemessen am Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar, in weniger als 40 Jahren größer sein als die der G6-Staaten.“ Nach dieser Prognose würden im Jahr 2050 von den G6-Staaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) nur die USA und Japan noch zu den sechs größten Volkswirtschaften zählen.5

Die vier ursprünglichen BRICs-Mitglieder beschlossen, noch während sie mit den westlichen Staaten über eine schnellere Liberalisierung des Handels in allen Bereichen verhandelten, ihrem Zusammenschluss eine feste Form zu geben. Das erste Jahrestreffen fand 2009 in Russland statt, das zweite 2010 in Brasilien. Beim dritten Treffen von 2011 in China war erstmals Südafrika dabei. Seitdem nennt sich die Gruppierung BRICS – mit dem großen S für Südafrika.

Der BRICS-Gipfel vom August 2023 war bereits der fünfzehnte. Die Mitgliedsländer haben ihren Zusammenschluss allerdings keine klassische Organisationsform gegeben; es gibt also kein Präsidium oder ständiges Sekretariat. Das Gastgeberland des Gipfels hat ein Jahr lang den Vorsitz inne; die Treffen werden von den Scherpas der einzelnen Länder vorbereitet. Beschlüsse werden einstimmig gefasst. Das gilt auch für die Entscheidung von Johannesburg, zum 1. Januar 2024 sechs neue Mitglieder aufzunehmen: Argentinien, Saudi-Arabien, Ägypten, die VAE, Äthiopien und Iran.

Nach welchen Kriterien dieses oder jenes Land aufgenommen wird, ist allerdings höchst undurchsichtig. Algerien zum Beispiel, das von seinem Verbündeten Russland unterstützt wurde, rechnete fest mit seiner Aufnahme und war schwer enttäuscht, dass es nicht zu den Auserwählten gehörte. Der Grund war wohl nicht so sehr die schlechte Wirtschaftslage im flächenmäßig größten Land Afrikas als vielmehr die alte Fehde mit Marokko.

Gleichwohl spielen Wirtschaftsinteressen bei den Erweiterungsentscheidungen natürlich eine wichtige Rolle. Ganz offensichtlich ist etwa, welche geballte Macht Saudi-Arabien, die Emirate oder Iran (dazu im geringerem Maße Ägypten) im Energiesektor dar­stellen: Die elf Staaten, die künftig unter BRICS+ firmieren, kontrollieren 54 Prozent der weltweiten Erdölförderung.

In weiteren wichtigen Bereichen haben sie ein ähnliches Gewicht. Die größten Vorkommen an seltenen Erden befinden sich in Brasilien, Russland und Südafrika; das BRICS-Mitglied China liefert aktuell zwei Drittel der weltweit abgebauten seltenen Erden. Argentinien zählt zu den weltgrößten Produzenten von Weizen, Soja und Rindfleisch.

Mit dem russischen Getreide, Safran und Pistazien aus dem Iran, Kaffee und Sesam aus Äthiopien, Orangen und Zwiebeln aus Ägypten repräsentieren die BRICS+ nach Berechnungen des Politikwissenschaftlers Sébastien Abis heute 23 Prozent der weltweiten Verkäufe von Agrarprodukten (nach Wert); zu Beginn des Jahrtausends waren es nur 16 Prozent.6 Damit sind die BRICS+ eine Macht nicht nur auf den Nahrungsmittelmärkten, sondern auch im Hinblick auf die Lebensmittelhilfe für die ärmsten Länder, in denen sie ihren Einfluss ausbauen können.

Ohnehin sind geopolitische Überlegungen den BRICS-Staaten keineswegs fremd. Das gilt nicht nur für China. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zum Beispiel warb für die Aufnahme seiner „argentinischen Brüder“ in die BRICS-Gruppe7 , auch um seinem Amtskollegen Alberto Fernandez Schützenhilfe zu leisten, dessen Wiederwahl am 22. Oktober fraglich ist. Lula will seinem viertgrößten Handelspartner (nach China, der EU und den USA) den Rücken stärken und damit eine für beide Seiten profitable Entwicklung fördern.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich, denn die beiden argentinischen Oppositionskandidaten haben prompt erklärt, sie würden sich im Falle eines Wahlerfolgs an Vereinbarungen mit Lula nicht halten: „Mit den Kommunisten rede ich auf keinen Fall“, erklärte Javier Milei, der neue Star der extremen Rechten in Argentinien, und meinte damit Brasilien und China (siehe den Artikel auf den Seiten 6/7).

Was den Nahen Osten angeht, so ist der geplante Beitritt Irans, das seit 2021 auch der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit angehört8 , so wenig überraschend wie der Saudi-Arabiens. Im April 2023 hatten beide Länder ihre vor sieben Jahren ausgesetzten diplomatischen Beziehungen wiederaufgenommen. Vermittelt wurde die Annäherung durch China, weshalb Präsident Xi Jinping darauf wohl großen Wert darauf legt, dass beide Länder sich BRICS+ anschließen.

Doch auch Indiens Premierminister Narendra Modi, der im Juni 2022 den iranischen Außenminister in Neu-Delhi empfing, steht dem Beitritt Teherans ausgesprochen positiv gegenüber. Zum einen will er das Feld nicht China überlassen. Zum anderen unterhält Indien intensive Wirtschaftsbeziehungen zu Iran. Beide Länder sind durch einen der erwähnten „Korridore“ verbunden und bauen, trotz starken Drucks der USA, ihren bislang noch überschaubaren Handel im Eiltempo aus: 2022 erreichte er ein Volumen von 2,5 Milliarden US-Dollar, eine Steigerung um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die überraschende Einladung an Ägypten wird verständlich, wenn man sich zwei Dinge klarmacht: In Kairo befindet sich der Sitz der Arabischen Liga, die Xi Jinping besonders pfleglich behandelt, weil sie sein hartes Durchgreifen gegenüber der muslimischen Bevölkerung von Xinjiang unterstützt. Vor allem aber gebietet Ägypten über den Suezkanal, durch den ein großer Teil des internationalen Warenverkehrs verläuft.

Geostrategisch sind die BRICS also ein äußerst wichtiges Forum. Ein Beispiel: China unterhält enge Beziehungen zu Äthiopien, das als wichtiges Glied der Neuen Seidenstraßen in Afrika gilt. Peking verspricht sich einen weiteren diplomatischen Erfolg, indem es zur Lösung des Konflikts zwischen Ägypten und Äthiopien um den Grand Ethiopian Renaissance Dam beiträgt, den Addis-Abeba am Blauen Nil baut.9 Damit will sich China als Friedensstifter profilieren – und als Gegenentwurf zum Feind USA, dem es vorwirft, überall auf der Welt eine Spaltungspolitik zu verfolgen oder gar zu Kriegen anzustiften.

Die entscheidende Frage lautet, ob sich die erweiterte BRICS+-Gruppe zu einem antiliberalen und antiwestlichen politischen Block entwickelt. Auf diese Frage geben die fünf BRICS-Länder eine sehr eindeutige Antwort. In ihrem Abschlusskommuniqué von Johannesburg ist nicht nur mit keinem Wort von einem alternativen Wirtschaftsmodell die Rede; vielmehr wird, wie auf allen vergleichbaren Foren des Westens, das Loblied auf Freihandelsabkommen angestimmt, für deren Ausbau man plädiert. Gleiches gilt für Public Private Partnerships (PPP), obwohl allgemein bekannt ist, was diese Formel bedeutet: Die öffentliche Hand zahlt, die Privatwirtschaft streicht die Gewinne ein.

Das sind nur zwei Beispiele. Auch in geopolitischer Hinsicht kann von einer gemeinsamen antiwestlichen Front keine Rede sein. Hingegen gibt es sogar eine innere Konfrontation: Die beiden Giganten der Gruppe, Indien und China, liegen im Dauerstreit um den Grenzverlauf im Himalaja. Kaum war der Gipfel in Johannesburg zu Ende, gab der chinesische Minister für natürliche Ressourcen ein Kartenwerk heraus, in dem die strittigen Gebiete als chinesisches Territorium ausgewiesen sind. Das war nicht die erste derartige Präsentation, die völkerrechtlich absolut inakzeptabel ist.

Und auch sonst ist von einem Aufstand gegen den Westen nicht viel zu spüren. Indien zum Beispiel engagiert sich beim von Washington initiierten Quadrilateralen Sicherheitsdialog (Quad), der helfen soll, den Aufstieg Chinas aufzuhalten. In der Nahost­region unterhält das US-Militär Stützpunkte in neun verschiedenen Staaten. Ägypten bezieht von Washington die zweitgrößte Militärhilfe (nach Israel) und hat seine Sicherheitspartnerschaft mit den USA intensiviert. Weder die Saudis noch die Ägypter wollen die Weltordnung umkrempeln – aber sie wollen sie durchaus umgestalten.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte in Johannesburg: „Die bestehenden globalen Ordnungsstrukturen sind Ausdruck der Welt von gestern.“ Deshalb müssten sie derart umgestaltet werden, „dass sie den wirtschaftlichen Realitäten und den heutigen Machtlogiken gerecht werden“.10

Die Schlusserklärung des Gipfels enthält ebenfalls die Forderung, dass „die Schwellen- und Entwicklungsländer in den internationalen Organisa­tionen und multilateralen Gesprächsforen, in denen ihnen eine wichtige Rolle zukommt, stärker vertreten sein müssen“. Und die Liste der großen Fragen, die es anzupacken gilt, enthält konkrete Forderungen wie die, in den Gremien des Internationalen Währungsfonds den Einfluss der einzelnen Länder neu zu gewichten, sprich: die „Quoten“ zu verändern.11 Desgleichen wird eine Reform der Vereinten Na­tio­nen und des UN-Sicherheitsrats gefordert, ­„einschließlich der Aufnahme Südafrikas, Brasiliens und Indiens“ – eine Idee, der sich Peking bislang stets widersetzt hat.

Die „alte Welt“ will von alledem nichts wissen und sperrt sich größtenteils gegen die Vorstellung, die Macht mit Ländern zu teilen, die gestern noch ihre Unterlinge waren. „Die Vorstellung, dass China sich mit dem ihm zugewiesenen Platz in der US-geführten Weltordnung nicht begnügt, ist für die Amerikaner ein Schock“, kommentiert der Harvard-Politikwissenschaftler Graham Allison.12

In Peking wurde diese subalterne Position lange Zeit akzeptiert, bis man in der Krise von 2008 erkannte, dass man niemals als ebenbürtig behandelt werden würde.13 China ist nicht das einzige Land, das diese Ordnung als ungerecht empfindet, aber es hat die wirtschaftlichen und finanziellen Mittel, um andere Akteure mitzuziehen. Das ist die tiefere Erklärung für den Erfolg des BRICS-Gipfels.

Das geht auch aus der Abschlusserklärung von Johannesburg hervor. Hier setzen die BRICS-Staaten auf „die verstärkte Nutzung nationaler Währungen im internationalen Handel und bei Finanztransaktionen zwischen den BRICS-Staaten und ihren Handelspartnern“ – anstelle des Dollar. Dieser Prozess ist bereits erfolgreich im Gange, auch wenn der Dollar nach wie vor weithin dominiert.

Auf diese ersten Schritte sollen weitere folgen: die Stärkung des gegenseitigen Beistandsmechanismus im Krisenfall (Contingent Reserve Arrangement, CRA) und die Erweiterung des Mitgliederkreises der 2014 gegründeten „BRICS-Bank“ durch Länder wie die VAE, die größere Geldmengen beisteuern könnten. Die BRICS+ rüsten finanziell auf.

Was sind die Lehren von Johannesburg? Auf keinen Fall darf man das Ergebnis durch die Brille der Vergangenheit betrachten. BRICS+ ist weder ein bloßes diplomatisches Schaulaufen noch ein Bündnis nach Nato-Vorbild. Die Entwicklung zeigt vielmehr, dass die Schwellenländer in der Lage sind, sich bei den Verträgen, die sie schließen, an ihren nationalen Interessen zu orientieren, und nicht wie im Kalten Krieg an den starr vorgegebenen ideologischen Lagern.

„Die meisten Länder“, meint Graham Allison, „lehnen es ab, sich zwischen den für ihre Sicherheit unverzichtbaren USA und einem für ihren Wohlstand unverzichtbaren China zu entscheiden“. Ihre Interessendifferenzen und selbst ihre Meinungsverschiedenheiten sind nicht groß genug, um sie von dem Willen abzubringen, gemeinsam zu handeln – orientiert an einer neuen Weltordnung. Dieser Prozess hat jetzt begonnen.

1 Der G20 gehören an: Deutschland, Südafrika, Saudi-Arabien, Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, China, Südkorea, USA, Indien, Indonesien, Italien, Frankreich, Japan, Mexiko, Großbritannien, Russland, Türkei, Europäische Union.

2 Siehe Alain Gresh, „Asymmetrische Aufmerksamkeit“, LMd, Mai 2022.

3 Henry Foy, James Politi, Joe Leahy und John Reed, „G20 statement drops reference to Russia aggression against ‚Ukraine‘ “, Financial Times, 9. September 2023.

4 „Un vent s’est levé, le signe des BRICS“, La Lettre de Léosthène, Nr. 1761, September 2023.

5 Jim O’Neill, „Building better global economic BRICs“, Global Economics, Paper Nr. 66, Goldman Sachs, 30. November 2001; Dominic Wilson und Roopa Purushothaman, „Dreaming with BRICs: The path to 2050“, Global ­Economics, Paper Nr. 99, Goldman Sachs, Oktober 2003.

6 Sébastien Abis, „Brics: l’appétit agricole vient en marchant“, La Tribune, 4. September 2023.

7 „Le Brésil fait entrer son principal partenaire latino-américain, l’Argentine, dans les Brics“, Le Grand continent, Paris, 26. August 2023.

8 Der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit gehören an: China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Russland.

9 Siehe Habib Ayeb, „Wem gehört der Fluss?“, LMd, August 2013.

10 Rede von António Guterres beim BRICS-Gipfel.

11 Siehe Renaud Lambert, „Die Geldverteiler“, LMd, Juli 2022.

12 Graham Allison, „US-China: More decoupling ahead“, Goldman Sachs/Global Macro Research, Nr. 118, 1. Mai 2023.

13 Siehe Martine Bulard, „Die nächsten Herren der Weltwirtschaft“, LMd, November 2008.

Aus dem Französischen von Andreas Bredenfeld

Le Monde diplomatique vom 12.10.2023, von Martine Bulard