Wie Ertrinkende, die sich an ein Krokodil klammern
Im Auftrag des Pentagon heuerten private Sicherheitsfirmen in Uganda und anderen armen Ländern des Südens Personal für die US-Stützpunkte im Irak und in Afghanistan an von Alain Vicky
Seit Ende 2011 ist Bernard1 zurück in Uganda. „Als mir klar wurde, dass ich gerade dabei war, den größten Fehler meines Lebens zu machen, war es schon zu spät. Ich hatte mich für ein Jahr verpflichtet. Das musste ich nun auch durchziehen“, erzählt der junge Mann, der im Irak bei einer US-Sicherheitsfirma angestellt war. Als er im vergangenen Sommer gesundheitliche Probleme bekam, wurde er entlassen. Das vertraglich zugesicherte Krankengeld hat er bis heute nicht bekommen.
Bernard ist kein Einzelfall. Wie ihm ist es vielen „Staatsangehörigen aus Drittländern“ (Third Country Nationals, TCN) ergangen, die im Irak oder in Afghanistan krank oder verwundet wurden. Sie wurden, nachdem man sie zuvor ausgebeutet und schlecht behandelt hatte, ohne jegliche Unterstützung einfach wieder nach Hause geschickt.
Seit 2003 sind 120 Milliarden Dollar aus dem US-Verteidigungshaushalt in die Kassen privater Subunternehmen geflossen. Diese bezahlten ihren weißen Angestellten – US-Amerikaner, Israelis, Briten, Franzosen oder Serben – Monatslöhne von über 10 000 Dollar, während Beschäftigte aus Südasien und Afrika oft mit falschen Versprechen in den Irak oder nach Afghanistan gelockt und statt der angekündigten 1 500 oder 3 800 mit nur 350 bis 700 Dollar im Monat abgespeist wurden.2
Als Washington im Juni 2008 mit dem Truppenabzug aus dem Irak begann, standen den 153 300 regulären Soldaten 70 167 TCN-Söldner zur Seite. Ende 2010 hatte sich das Zahlenverhältnis deutlich verändert: Auf 47 305 US-Amerikaner kamen jetzt 40 776 Staatsangehörige aus Drittländern. Die Männer, und auch Frauen, hatten Subunternehmen des Pentagons in den ärmsten Ländern der Welt angeheuert. Über die Hälfte von ihnen arbeitete in den 25 Stützpunkten im Irak als Köche, Reinigungskräfte, Hausmeister, Elektriker oder Friseurinnen. Sie standen in Fast-Food-Ketten wie Pizza Hut am Tresen oder boten in Schönheitssalons kosmetische Behandlungen an.
Oder sie wurden für die Überwachung der Einrichtungen eingesetzt, manchmal zusammen mit den regulären Soldaten. Vor allem die afrikanischen Rekruten mussten die Zufahrten und die Umgebung der Militärbasen kontrollieren, wie zum Beispiel die von Camp Liberty, der „amerikanischen Kleinstadt“ in der Nähe von Bagdad, die in den ersten Besatzungsjahren zeitweise über 100 000 Einwohner zählte. Mehr als 15 Prozent des Wachpersonals, das die privaten Sicherheitsdienste im Auftrag des Pentagons unter Vertrag nahmen, stammten aus Schwarzafrika.
Mit fast 20 000 Mann stellten die Ugander die Mehrheit dieser schlecht bezahlten Wachleute. Einmal mussten sie sogar gegen ihre eigenen Leute vorgehen und im Camp Liberty einen Aufstand von 1 000 Söldnern aus Indien und Nepal niederschlagen, die zum wiederholten Male bei der Essensausgabe in der Kantine leer ausgegangen waren und daraufhin eine regelrechte Hungerrevolte anzettelten, die am Ende das gesamte Camp – mit eingeschlagenen Fenstern und zerstörten Computern – in Mitleidenschaft zog.
Dass so viele Ugander im Irak vertreten waren, hat mit der Situation in Zentralafrika Anfang der 2000er Jahre zu tun. Denn in der Region der Großen Seen tobte zwischen 1998 und 2003 ein Krieg, in den Angola, Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Kenia, Kongo-Brazzaville, Ruanda, Sambia, Sudan, Tansania, Uganda und die Zentralafrikanische Republik hineingezogen wurden. Er ging 2004 mit der ersten „Internationalen Konferenz Große Seen“ zu Ende.3
Eine Hilfsarmee aus Uganda
Damals wurden 60 000 ugandische Soldaten demobilisiert. Für sie schien die im Jahr zuvor begonnene Besetzung des Irak neue Perspektiven zu bieten. Uganda, der wichtigste Verbündete der USA in der Region (schon seit Mitte der 1980er Jahre kooperierten die Armeen beider Länder), war nämlich eines der wenigen afrikanischen Länder, die 2003 die Entscheidung der Bush-Administration unterstützt hatten, den Irak anzugreifen. „2005 suchte das Pentagon händeringend Leute für den paramilitärischen und sicherheitstechnischen Bereich. Die Nachfrage war enorm“, berichtet der ugandische Journalist und Blogger Angelo Izama. „Da die Amerikaner englischsprachiges Personal mit Kampferfahrung suchten, lag es nahe, dass sie sich an Uganda wandten.“4
Norbert Mao, Vorsitzender der oppositionellen Democratic Party, vermutet außerdem, dass Präsident Museveni die entlassenen Soldaten sowieso loswerden wollte: „Ehemalige Kämpfer ohne Job sind potenzielle Troublemaker.“ Bei der Anwerbung hätten die von Exsoldaten der US-Army und Exgenerälen der ugandischen Armee gegründeten Firmen eng zusammengearbeitet, erklärt Mao.
Kellen Kayonga zum Beispiel, die Schwägerin von General Salim Saleh, Unternehmer im Sicherheitsbusiness und Bruder des ugandischen Präsidenten, gründete die Askar Security Services Ltd, die seit Ende 2005 Personal für die Sicherheitsfirma Special Operation Consulting (SOC) rekrutiert, die wiederum zwei ehemaligen US-Offizieren aus Nevada gehört. Askars größter Konkurrent auf dem heimischen Markt wurde die pakistanische Firma Dreshak International, die im selben Jahr eine Filiale in Kampala eröffnete und mit dem ebenfalls im Irak aktiven privaten US-Sicherheitsdienst EODT zusammenarbeitet.
Ab 2006 ließen sich etwa ein Dutzend „Konfliktunternehmer“, wie Mao sie nennt, in Uganda nieder. In den ärmeren Vierteln von Kampala wurde der Irak zum neuen Zielland der kyeyos (das ugandische Wort für emigrationswillige Arbeitskräfte). Die ausgemusterten ugandischen Soldaten verdienten im Irak anfangs bis zu 1 300 Dollar im Monat. Damit konnte die in Kampala florierende Wach- und Sicherheitsbranche nicht mithalten.
2007 waren über 3 000 Ugander im Irak stationiert, ein Jahr später waren es bereits 10 000. Ihre Arbeitgeber waren vor allem die US-amerikanischen Firmen Torres, DynCorp, Triple Canopy, Sabre International und SOC. „Damals hat der Preiskrieg angefangen“, berichtet Angelo Izama. Es hieß, der Kyeyos-Markt sei gesättigt, folglich „begannen die Löhne zu sinken. Das konnte man auch ohne weiteres machen, da für Jobs im Ausland keinerlei Regeln und Vorschriften gelten. Außerdem wurden nicht mehr nur ehemalige Soldaten gesucht – plötzlich konnte jede und jeder in den Irak gehen.“
Das ugandische Arbeitsministerium unternahm nichts gegen das Lohndumping, das zudem durch die Konkurrenz aus Kenia und Sierra Leone angeheizt wurde. Ende 2009 sanken die Löhne unter die 700-Dollar-Grenze, obwohl Sabre International für jeden ugandischen Wachmann 1 700 Dollar von der US-Regierung erhielt. Askar bekam 420 000 Dollar für die 264 Ugander, die bei der US-Firma Beowulf im Irak als Wachleute arbeiteten. Die ersten Fälle von Ausbeutung deckte 2008 die ugandische Presse auf. Doch die Regierung in Kampala stellte sich weiterhin taub und stärkte im Gegenteil noch die mächtigen Unternehmer, die aus dem Dunstkreis des Präsidenten stammten.
„In den Irak zu gehen, das war so, als klammere man sich an ein Krokodil, um sich vor dem Ertrinken zu retten“, meint Norbert Mao. Im Dezember 2011 fielen die Löhne der Kyeyos im Irak auf 400 Dollar im Monat – für zwölf Stunden Arbeit an sechs Tagen pro Woche.
Alle Männer und Frauen, mit denen wir gesprochen haben, wurden nach Dezember 2009 in den Irak geschickt; sie waren zwischen 21 und 32 Jahre alt und kamen ursprünglich vom Land. Viele hatten vorher als Wachleute in Kampala gearbeitet, zwei waren sogar an der Makerere-Universität eingeschrieben gewesen. Über ihre Erlebnisse im Irak zu sprechen, fiel ihnen sichtlich schwer, ihre Berichte waren immer wieder von langen Pausen unterbrochen.
Ihre Geschichte begann in der ugandischen Niederlassung von Dreshak International im Zentrum von Kampala. Zwei Monate lang mussten sich die jungen Männer und Frauen einem militärischen Training unterziehen, in dem ihre Fähigkeiten und ihr Durchhaltevermögen ausgetestet wurden. Sie bekamen kein Geld, das Essen war kostenlos. Nach Ende dieser Trainingsphase wurden die Anwärter wieder nach Hause geschickt. Es hieß, man werde sie wieder kontaktieren. Manche warteten drei Monate auf diesen Anruf. Als er endlich kam, hatten sie schon nicht mehr die Wahl, abzusagen. „Uns blieb gar nichts anderes übrig“, erzählt einer. „Während der Wartezeit haben wir nur Geld ausgegeben und nichts verdient. Einige hatten sogar schon ihre ganzen Sachen verkauft. Da blieb einem gar nichts andres übrig, als den Vertrag zu unterschreiben. Unter diesen Bedingungen konnten sie mit uns machen, was sie wollten.“ Dreshak legte ihnen einen elfseitigen Vertrag vor, den sie in einer Viertelstunde durchlesen und unterschreiben mussten.
An dem Tag erfuhr die Gruppe auch zum ersten Mal den Namen ihres eigentlichen Arbeitgebers: SOC. Bernard weiß noch, dass er zögerte, den Vertrag zu unterschreiben. „Ich hatte vorher im Onlineservice gearbeitet, und als ich den Sold sah, den sie uns anboten, hab ich mich gefragt, ob es das wirklich wert ist. Die Differenz betrug nämlich nur 300 000 Schilling (etwa 89 Euro) im Monat.“ Schließlich gab Bernard dem Drängen seiner Freunde und den wiederholten Anrufen eines „amerikanischen Projektleiters“ nach. Zwei Tage und sieben Flugstunden später setzte er den Fuß aufs Rollfeld des internationalen Flughafens von Bagdad.
Der US-Luftwaffenstützpunkt Al Asad, ein weiteres kleines Stück Amerika auf arabischem Boden, liegt eine Dreiviertelstunde mit dem Helikopter von Bagdad entfernt. Die SOC-Einheit, zu der die Ugander stießen, bestand aus etwa 800 Landsleuten, die von einer Handvoll Auslands-Ugandern angeführt wurden, die wiederum ihre Order von US-amerikanischen Vorgesetzten erhielten. Nach einem Monat Training – immer noch unbezahlt – wussten die neuen Rekruten, wie sich beißende Sandstürme und eisige Winternächte im Irak anfühlen.
Es dauerte mehrere Monate, bis die versprochene Ausrüstung eintraf: Die Spezialhandschuhe, die sie vor der nächtlichen Kälte hätten schützen sollen, bekamen sie erst, als der Winter schon fast wieder vorbei war. Manche mussten sich den Staubmantel im Armyshop von Al Asad gleich selbst kaufen und dafür 25 Dollar von ihrem ohnehin mageren Sold hinlegen. Auch ihre militärische Ausrüstung entsprach nicht den Standards: Die Kalaschnikows, Patronengurte, Helme und schusssicheren Westen waren mangelhaft – „chinesisch“ nannten das die Ugander. Obwohl ihre Ausrüstung schwerer war als die der regulären Soldaten und sie schlechter „vor Scharfschützen, die dich aus mehreren hundert Metern Entfernung genau treffen können“, geschützt waren, mussten sie vor allem die etwa 500 Fahrzeuge kontrollieren, die täglich die Tore des Stützpunkts passierten.
Im Lauf der Zeit mussten sie feststellen, dass ihre Vorgesetzten von ihnen Dinge verlangten, die weit über das vertraglich Vereinbarte hinausgingen und ihre körperlichen Grenzen überstiegen. Manche mussten bis zu 15 Stunden am Tag arbeiten. Der (unbezahlte) Urlaub im Heimatland, der ihnen nach einem Jahr Arbeit zustand, wurde immer wieder aufgeschoben. „Wir litten unter einem ständigen Druck, es war der reinste Terror, sogar nachts ließen sie uns nicht in Ruhe“, vertrauen uns einige ehemalige Söldner an. „Wir konnten uns nicht gegen sie wehren. Sie bestimmten über unser Leben und machten mit uns, was sie wollten. Wenn sie zum Beispiel den Eindruck hatten, da würde sich einer für etwas Besseres halten, wurde der gleich auf den gefährlichsten Posten gesetzt.“
Um jeden Widerstand von vornherein zu ersticken, hatte SOC die perfekte Lösung gefunden: die entschädigungslose Kündigung. Laut der 21 Klauseln, die in den uns vorliegenden Verträgen je zwei Seiten füllen, sollte die „Beendigung des Dienstverhältnisses“ eigentlich erst als vierter Schritt erfolgen – nach vorangegangenen Maßnahmen wie der schriftlichen Abmahnung und der Einbehaltung des Solds von einem bis fünf Tagen.
Das stand aber nur auf dem Papier. Tatsächlich wandte SOC nach Gutdünken und vollkommen willkürlich „weitere disziplinarische Maßnahmen“ an. „So bekam man zum Beispiel schon eine Abmahnung plus zwei Wochen Lohnabzug, wenn man außerhalb der Dienstzeit keinen Helm getragen hat. Arbeiten mussten wir natürlich trotzdem! Wir hatten ständig Angst, unseren Job zu verlieren. Deshalb haben wir stillgehalten.“ Die bittere Ironie des Ganzen: SOC verlangt in seinem Verhaltenskodex von seinen Angestellten „die Ideale der Republik Uganda würdig zu vertreten“ und „ihrem Ruf im Ausland“ nicht zu schaden.
Der übliche SOC-Vertrag legt zudem fest, dass entlassen wird, wer in vier Monaten mehr als dreißig Tage aus Krankheitsgründen oder wegen einer Verletzung ausfällt. Bernard, der in der SOC-Verwaltung eingesetzt und daher privilegiert war, hat jedoch erlebt, wie Dutzende seiner Landsleute nicht richtig behandelt wurden und dann ohne viel Federlesen entlassen wurden: „Während der anhaltenden Sandstürme bekamen die Männer Ohren- und Nasennebenhöhlenentzündungen. Es gab auch viele Augen- und Atemwegserkrankungen. Wenn sie zur Behandlung kamen, gab man ihnen bloß Aspirin. Und wenn sie wiederkamen, weil sie immer noch krank waren, wurden sie eben entlassen. SOC weigerte sich einfach, Geld für Medikamente auszugeben. Es hieß, sie seien nur dazu da, um Geschäfte zu machen. Alles, was sie an Ausgaben sparen konnten, sparten sie ein.“
Im Sommer 2011 bekam Bernard Knieprobleme. Ein Arzt der SOC verschrieb ihm Cortison, „damit wurde es noch schlimmer“. Außerdem wurde seine Gesichtshaut trocken und schuppig. „Dann ging ich zu einem anderen sogenannten Doktor, der erst mal anfing, bei Google zu recherchieren!“ Ein paar Wochen später wurde Bernard entlassen. Nach zwanzigtägiger Wartezeit, während der man ihn in einem Camp in Bagdad sich selbst überließ, gelang es ihm schließlich, einen Charterflug nach Kampala zu bekommen.
Wir trafen ihn zwei Wochen nach seiner Rückkehr. Bernard traute sich immer noch nicht, seine Mutter zu besuchen, aus Angst, sie könne beim Anblick seines Gesichts erschrecken. Stattdessen ging er zu seinem Hausarzt. „Ich habe ihm erzählt, was sie mir verschrieben hatten. Er sagte mir, das sei ein schlimmer Behandlungsfehler und ich müsse viel Geduld aufbringen, bis ich wieder ganz gesund sein würde. Er stellte mir eine Liste von Medikamenten zusammen. So viel Geld hab ich mein Lebtag noch nicht für Medizin ausgegeben: über 300 000 Schilling. Ich muss unbedingt das Geld für die weitere Behandlung auftreiben, aber bei Dreshak will man nichts davon hören. Von SOC habe ich seitdem gar nichts mehr gehört.“
Wie alle Ausländer, die für vom Pentagon beauftragte Privatunternehmen arbeiten, waren auch die verletzten oder erkrankten ugandischen Irakveteranen über die Defense Base Act Insurance versichert. Die Versicherung ihres Arbeitgebers müsste ihnen demnach die Behandlungs- und Arzneimittelkosten erstatten. Außerdem ist eine Invalidenrente für bleibende Schäden vorgesehen. „Aber ganz häufig bekommen die Ugander nichts dergleichen“, klagt die US-amerikanische Anwältin Tara K. Coughlin.
Betrug an den Veteranen
Sie arbeitete bei einer christlichen Hilfsorganisation für US-Soldaten im Irak und entdeckte Ende der 2000er Jahre, dass hier auch Ugander stationiert waren. Da ihre Klienten die erforderlichen medizinischen Gutachten nicht bezahlen konnten, griff die Anwältin auf ihre privaten Ersparnisse zurück, um 30 versehrte Ugander nach ihrer Rückkehr aus dem Irak vor dem US-Arbeitsministerium zu vertreten.6
Unter ihnen waren mehrere Frauen, die sich vom Tragen der schweren Ausrüstung Skelettmuskelerkrankungen zugezogen hatten. Die Anwältin hatte vier private Sicherheitsdienste – SOC, Triple Canopy, Sabre und EODT – und deren Versicherungen im Visier, zuvorderst die große American International Group (AIG). „Am Ende sind es die Versicherungen, die sich weigern, die Medikamente zu erstatten oder meinen Klienten, die aufgrund ihres Einsatzes heute stark beeinträchtigt sind, eine Invalidenrente zu zahlen“, erklärt sie.
In Uganda unterstützt ein Irakveteran Tara Coughlin bei ihrer schwierigen Mission, die viel Diskretion verlangt. Zunächst müssen sie die Opfer überhaupt erst mal ausfindig machen: „Viele kriegsversehrte Veteranen können sich das Leben in Kampala nicht mehr leisten und sind deshalb direkt in ihre Dörfer zurückgekehrt. Sie wissen auch nicht, dass sie sich an die amerikanische Justiz wenden können. Vorsichtig geschätzt, dürfte es hunderte von Betroffenen geben. Die tatsächlichen Zahlen liegen wahrscheinlich noch deutlich höher.“
Im nächsten Schritt heißt es, das Misstrauen und die Scham der Opfer zu überwinden, sich einer musungu (weißen Ausländerin) anzuvertrauen. „Viele meiner Klienten wurden von ihren Arbeitgebern bedroht, nachdem sie eine Verletzung erlitten hatten. Es hieß, sie würden im Leichensack in ihre Heimat zurückkehren, wenn sie den Mund aufmachten. Nach der ärztlichen Behandlung im Irak nahmen ihnen die Vorgesetzten vor ihrer Rückkehr auch noch ihre Krankenakten weg. Wir müssen also bei null anfangen.“ Die Zeit drängt. Damit ihre Ansprüche nicht verfallen, müssen die Veteranen sie innerhalb eines Jahres geltend machen.
Außerdem muss sich die junge Anwältin gegen die mächtigen Versicherer durchsetzen, deren Einfluss bis nach Uganda reicht. AIG setzt sogar Fahnder ein, etwa von der maltesischen Firma Tangiers International, um die Forderungen abzuschmettern. „Das ist der schwierigste Teil meiner Arbeit“, sagt Tara Coughlin. „Diese Fahnder verletzen ungeniert alle ethischen Richtlinien. Sie kontaktieren zum Beispiel meine Klienten und schicken sie zu ihrem eigenen Arzt, um ein Gegengutachten anfertigen zu lassen, obwohl sie dazu überhaupt kein Recht haben. Einem Klienten, der seit seiner Rückkehr aus dem Irak arbeitsunfähig ist, haben sie einen Job versprochen, nur um zu sehen, ob er ihn annehmen würde! Da es in Uganda nur wenige Fachärzte gibt, frage ich mich manchmal, ob ich nicht auch gerade auf jemanden reinfalle, der gekauft wurde.“
Einer Schätzung des ugandischen Arbeitsministeriums zufolge hätten die seit 2005 in den Irak entsandten Männer und Frauen mehr als 90 Millionen Dollar an ihre Familien in Uganda schicken müssen – mehr als das Land mit seinem wichtigsten Exportprodukt Kaffee einnimmt. Die Männer, die wir getroffen haben, waren zumeist über ein Jahr im Irak stationiert und hatten am Ende doch nur ein paar Millionen Schilling (weniger als 1 000 Euro) gespart.
Ihr magerer Sold, der während ihrer Zeit im Irak auf ein Sperrkonto der Crane Bank in Kampala eingezahlt worden war, verlor bis zu ihrer Rückkehr auch noch an Wert – durch die Umtauschgebühren und die hohe Inflationsrate in Uganda, die 2011 bei 40 Prozent lag. „Dreshak hat uns eingestellt und uns dann an SOC verkauft, das war für sie eine Goldgrube. Für uns blieben am Ende nur Peanuts. Was wir durchgemacht haben, das nennt man ganz einfach moderne Sklaverei.“
Im vergangenen Jahr kam die unabhängige Kommission zur Untersuchung der im Krieg abgeschlossenen Verträge (Wartime Contracting) in ihrem Bericht für den US-Kongress zu dem Ergebnis, dass „Missbrauch und Betrug, die von den militärischen Vertragsnehmern begangen wurden, dem Ruf der USA im Ausland“ schaden. Weiterhin heißt es, „wenn die Zahl der amerikanischen Soldaten im Irak und in Afghanistan sinkt, muss die Zahl der privaten Militärdienstleister steigen, zumindest kurzfristig, wenn nicht gar über mehrere Jahre, bevor die Operationen endgültig beendet sind.“7
Der „Markt der Gewalt“8 ist in der Tat noch lange nicht erschöpft. Zum Schutz der 16 000 Angestellten der US-Botschaft im Irak, die laut New York Times demnächst auf die Hälfte reduziert werden sollen,9 hat das State Department kürzlich noch für 10 Milliarden Dollar acht private US-Sicherheitsfirmen engagiert. Eine Armee von 5 500 Söldnern sollte dafür rekrutiert werden. Neben Triple Canopy, die für den Schutz der Diplomaten zuständig ist, würde SOC fünf Jahre lang für 973 Millionen Dollar die Wachleute stellen.
„Garantiert werden wieder Kyeyos rekrutiert“, meint Kellen Kayonga, Chefin des Sicherheitsdienstes Askar, der inzwischen auch auf dem afghanischen Markt aktiv ist. Der ugandische Nachschub für diese „schwarze Armee“ – von Bagdad bis nach Kabul, demnächst sicher auch in Mogadischu – wird nicht nachlassen, sagen unsere Irakveteranen: „Wegen der Inflation, steigender Schulgebühren, explodierender Nahrungsmittelpreise und so weiter. Das gefällt uns zwar nicht, aber von irgendwas müssen wir schließlich leben!“
Aus dem Französischen von Sabine Jainski
Alain Vicky ist Journalist.