Sie nannten sich Podemos
Wie sich Spaniens selbsterklärte Populistenpartei zerlegte
von Maëlle Mariette
Im Jahr 2014 nahm sich eine neue Partei in Spanien vor, „den Himmel auf die Erde zu holen“ (Karl Marx). Zu den Gründungsmitgliedern der Podemos (Wir können) gehörten die Politologen Pablo Iglesias, Iñigo Errejón und Juan Carlos Monedero sowie Miguel Urbán, Geschäftsführer des Buchladenkollektivs Marabunta und Sprecher der linken Splitterpartei Izquierda Anticapitalista (Antikapitalistische Linke).
Bei Podemos sammelten sich vor allem die „Indignados“ (Empörten) vom Mai 2011, von denen viele in Initiativen gegen die Austeritätspolitik, gegen Zwangsräumungen oder in feministischen Gruppen aktiv waren. Ziel war es, sich zu organisieren, die Macht zu übernehmen und die traditionellen Parteien in die Geschichtsbücher zu verbannen. Sechs Jahre später waren mehrere Podemos-Mitglieder bereits in Ministerränge aufgerückt, Pablo Iglesias war einer der Stellvertreter des sozialistischen Regierungschefs Pedro Sánchez. Die Antikapitalisten hatten ihr Bündnis mit Podemos inzwischen aufgekündigt. Errejón, die frühere Nummer zwei der Partei, war ebenfalls ausgestiegen.
15. Mai 2011: Tausende Menschen halten die großen Plätze der spanischen Metropolen besetzt, eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise, die durch das Platzen der Immobilienblase und die anschließende Sparpolitik der EU ausgelöst wurde. Die Indignados rütteln an den Grundpfeilern der spanischen Politik, auch am Zweiparteiensystem von Volkspartei (Partido Popular, PP) und Sozialistischer Arbeiterpartei (Partido Socialista Obrero Español, PSOE).
Die Unzufriedenheit hatte aus Sicht der Podemos-Gründer ihre Ursache in der Verfassung von 1978. Im Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie war sie in der Hoffnung entstanden, die ideologischen Gegensätze und tiefen Wunden der Vergangenheit würden sich durch Wirtschaftswachstum und Wohlstand schließen. Im Mai 2011 öffnete sich ein „Möglichkeitsfenster“, wie Iñigo Errejón 2016 in einem Dokumentarfilm von 2016 erklärt: „Alle Voraussetzungen sind da für eine neue, transversale politische Mehrheit, die mit dem Bestehenden brechen kann. Sie entsteht aus der von der Krise betroffenen Mehrheit der Gesellschaft.“1
Um die Revolte zu kanalisieren und „der Empörung institutionelle Kraft zu verleihen“ (so die Überschrift des ersten Podemos-Manifests), brauchte es nun andere als die horizontalen Strukturen der Indignados. Es ging darum, die Forderungen der „Bewegung 15. Mai“ (15M) in ein organisiertes Projekt zu überführen, das auch Menschen jenseits des linken Lagers anziehen sollte. Umsetzen wollten sie es mit einer politischen Partei, die nach der Macht greifen sollte.
Podemos wollte das klassische Rechts-links-Schema durch einen anderen Antagonismus ersetzen: Auf der einen Seite sahen sie die Wirtschaftsoligarchie und die Politik, die in deren Diensten stehe, auf der anderen die Menschen, die unter diesem System leiden. Auf der einen Seite „la casta“ (die Kaste), auf der anderen „la gente“ (die Leute) – „sie“ und „wir“. Das war eine praktische Umsetzung der Populismustheorie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, den ideologischen Leitfiguren der Podemos-Führung. Gemäß dieser Theorie bilden sich in Zeiten heftiger Krisen in den verschiedenen Gesellschaftsschichten unterschiedliche Formen von Unzufriedenheit heraus, die nichts miteinander zu tun haben (oder sogar gegeneinander gerichtet sind), aber von einer politischen Figur gebündelt werden können, um ein überaltertes Regime zu stürzen.
„Der Ausgangspunkt für eine realistische Linke kann heute nur darin bestehen, sich ihre historische Niederlage bewusst zu machen“, schrieb der britische Intellektuelle Perry Anderson in diesem Zusammenhang.2 Podemos wollte aus dieser Analyse die Konsequenzen ziehen. „Der Zusammenbruch des sowjetischen Blocks und die Auflösung der gesellschaftlichen Basis der kommunistischen Parteien Europas gingen mit der symbolischen Abwertung marxistischer Lesarten und kommunistischer Bildwelten einher“, erläutert uns Juan, einer der Podemos-Gründer und Professor für Politikwissenschaft an der Universität Complutense von Madrid, wo auch Errejón und Iglesias tätig waren.
Wer danach noch die traditionellen linken Symbole benutzte, etwa Fahnen mit Hammer und Sichel schwang, eine Verstaatlichung der Betriebe forderte oder die Monarchie infrage stellte, wurde stigmatisiert. „Wenn uns der Gegner als ‚radikale Linke‘ bezeichnet und mit unseren eigenen Symbolen charakterisiert“, analysierte Iglesias, „dann zieht er uns auf ein Terrain, wo er leicht gewinnen kann. Unsere wichtigste Aufgabe war der Einspruch gegen diese symbolische Aufteilung der Positionen, der Kampf um ‚die Gesprächsbedingungen‘. In der Politik kann derjenige, der die Bedingungen für die Debatte festlegt, auch weitgehend über deren Ausgang bestimmen.“3
Aus diesen Gründen waren für die Podemos-Leute Fernsehdebatten wichtiger als die Debatten im Parlament. So entstand 2010 die TV-Sendung „La Tuerka“, die als Werkzeug einer „kulturellen Gegenhegemonie“ gedacht war. „ ‚La Tuerka‘ und Podemos haben alles getan, was man nach Meinung der Linken niemals hätte tun dürfen“, behauptete Iglesias. „Unter Linken hieß es, Fernsehen mache dumm, in einer Fernsehdebatte könne man seine Argumente nicht richtig darstellen, man müsse ausführliche Reden halten und dürfe seine Strategie nicht auf solche Talkshows ausrichten.“4
Medienstar Pablo Iglesias
Jorge Moruno, der lange Zeit bei Podemos für „Diskurs und Argumentationen“ zuständig war und heute für das Bündnis Más Madrid im Regionalparlament der Autonomen Gemeinde Madrid sitzt, meinte damals: „2014 und 2015 haben wir die politische Tagesordnung bestimmt. Dabei ging es nicht nur um Themen, die wir angesprochen haben – wie Korruption, neue Führungsfiguren in der Politik, gesellschaftliche Probleme –, sondern auch um die Art, wie wir darüber gesprochen haben. Für die anderen Parteien war es sehr schwer, dazu Stellung zu beziehen.“
Der Erfolg der Sendung „La Tuerka“, die zunächst regional auf einem offenen Kanal und später landesweit ausgestrahlt wurde, und die nachfolgenden Einladungen in andere Talkshows machten Pablo Iglesias zum Medienstar. Das habe man so geplant, freute sich Errejón in dem Film von 2016: „Pablos führende Rolle in den Medien ist ein wichtiges Werkzeug zum Aufbau. Das haben wir aus unserer Analyse, wie die jüngsten politischen Veränderungen in Lateinamerika vonstatten gegangen sind, gelernt. Nach der Auflösung kollektiver Referenzrahmen wie Fahnen, Parteien und Symbole können sich die Leute eher mit einem Namen identifizieren.“
Diese starke Personifizierung blieb nicht ohne Widerspruch, doch genützt hat sie der Partei durchaus. Ein alter Weggefährte meint, Iglesias’ Fähigkeit, Leute hinter sich zu versammeln, habe sich auch daraus ergeben, dass „Pablo sich eher darüber definierte, wen er angriff und wogegen er war, als über seine konkreten Vorschläge. Er war gegen die Kaste, gegen die Korruption. Ganz unterschiedliche Indignidos der 15M konnten sich von ihm vertreten fühlen.“5
Bei der Europawahl im Mai 2014, fünf Monate nach ihrer Gründung, errang die Partei zur allgemeinen Überraschung fast 8 Prozent der Stimmen und stellte fünf Abgeordnete. Mit diesem bemerkenswerten Debüt auf der politischen Bühne lag Podemos an vierter Stelle hinter PP (26 Prozent), PSOE (23 Prozent) und Izquierda Plural (10 Prozent), einem Bündnis regionaler Linksparteien. Es folgten die spanische Parlamentswahl 2015 und bis 2016 sieben weitere regionale Wahlen, bei denen Podemos antrat. Es war wie „Laufen und gleichzeitig die Schnürsenkel binden“, schreibt Errejón.6
Es entstand „eine Wahlkampfmaschine“ (Errejón), die mit einer Art Blitzkriegstrategie möglichst rasche Siege erringen sollte. Im Innern der Partei ging es vor allem um Effizienz: Man gab der rasch arbeitenden, vertikalen Hierarchie den Vorrang; Mitglieder waren aufgerufen, ihre Beiträge zu den langen demokratischen Beratungen über die Parteiverfassung und -struktur möglichst kurz zu halten.
„Das war der erste politische Zusammenstoß zwischen uns und den Professoren in der Partei“, erinnert sich Miguel Urbán. Seine Kleinpartei wurde aufgelöst und zu einer kulturellen Vereinigung mit dem Namen „Anticapitalistas“ umgestrickt, damit sie in Podemos aufgehen konnte. Sie besaß jedoch eine Basis von einigen hundert politisch höchst aktiven Mitgliedern in allen großen Städten Spaniens. Damit verlieh sie Podemos eine erste Organisationsstruktur und spielte eine entscheidende Rolle bei der landesweiten Etablierung der neuen Partei.
Urbán meint, die „Neigung zum Plebiszit“, die sich vor allem in ständigen Umfragen und Onlinebefragungen äußerte, „an denen alle teilnehmen konnten, so dass langjährig Engagierte und einfache Mitglieder auf derselben Stufe standen“, habe die alten Aktionsgruppen an der Basis, „zu bloßen Anhängsel mit beratender Funktion oder zu Wahlkampfkomitees“ degradiert.
Teresa Rodríguez, Vorsitzende von Anticapitalistas, war bis Februar 2020 Podemos-Abgeordnete im Regionalparlament von Andalusien; dann verließ sie die Fraktion und gründete die Regionalpartei Adelante Andalucia. Sie erklärt dazu: „Man kann ein Streitgespräch unter Genossen, wo man widerstreitende Argumente austauscht und nach einer Übereinkunft sucht, nicht ersetzen, indem man ‚Ja‘, ‚Nein‘ oder ‚Enthaltung‘ anklickt. Die Mitglieder einer Partei bilden sich und reifen durch Gespräche und Debatten. Im Grunde wurde den Leuten immer nur die Frage gestellt: ‚Wollt ihr Pablo Iglesias, ja oder nein?‘ “
„Podemos brauchte die Basis, aber gleichzeitig schätzte man sie gering“, glaubt auch der Forscher und Politologe Guillermo Fernández. Den führenden Köpfen sei es hauptsächlich darum gegangen, die Fehler zu vermeiden, die die radikale Linke ihrer Meinung nach bisher immer gemacht hatte, und widersprachen lieber den Wünschen der Basis, als „Minderheitenpositionen zu vertreten“.
Fernández erzählt, Errejón habe ihm eines Tages gesagt: „Ich habe immer die Linie verfolgt, die gegen die Basis ging: Wenn jemand von den Anticapitalistas oder von den Trotzkisten A sagte, dann sagte ich B. Mein Kompass war die radikale Linke, aus der ich kam: Ich ging immer in die entgegengesetzte Richtung.“ Trotzdem, fügt Fernández hinzu, „brauchte Podemos die linke Basis, und vor allem die ideologisch Geschulten, um die grundlegende Arbeit vor Ort zu erledigen wie Plakate kleben und Wahlkampf führen.“
Die Sorge, man könne zu verbissen erscheinen, trieb Podemos auch dazu, bei den Kommunalwahlen auf breite Koalitionen zu setzen. Diese Bürgerbündnisse zogen in die Rathäuser mehrerer großer Städte ein, wie in Madrid, Barcelona, Cádiz, Saragossa und La Coruña. „Bei diesen Wahlen konnten wir unsere besten Ergebnisse erzielen“, erinnert sich Urbán. Angesichts der Realitäten vor Ort mussten die von Podemos gestützten Bündnisse häufig weitere Allianzen schließen und mit den hohen Schulden der Kommunen, einer veränderungsresistenten Verwaltung und durch nationales Recht begrenzten Kompetenzen zurechtkommen. Die Schwierigkeit bestand jetzt vor allem darin, sich von anderen Parteien und der sogenannten traditionellen Linken abzugrenzen.
Podemos versuchte also weiterhin, jede polarisierende Äußerung zu vermeiden: „Das erste Programm von 2014 für die Europawahl enthielt Forderungen aus den damaligen sozialen Bewegungen, wie das bedingungslose Grundeinkommen, eine Volksabstimmung über die Monarchie und ein Aufschub bei der Tilgung der Staatsschulden“, erzählt Rodrigo Amírola, der an der Abfassung beteiligt war. „Aber als wir merkten, dass die Chancen stiegen, zu gewinnen, da haben wir uns gesagt, wir müssen das ein bisschen abschwächen, um mehr Leute hinter uns zu bringen und nicht allzu radikal zu erscheinen.“
Als Griechenlands linker Ministerpräsident Alexis Tsipras – ebenfalls gewählt, um „die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen“ – im Sommer 2015 auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise zahlreiche Zugeständnisse an die Gläubiger machte, erklärte prompt auch Nacho Álvarez, Wirtschaftssekretär von Podemos: „Wir glauben nicht, dass ein Prozess der Restrukturierung von Staatsschulden das ist, was Spanien jetzt braucht.“7 Außerdem äußerte er sich sehr pessimistisch im Hinblick auf Möglichkeiten, gegen die rigiden Sparmaßnahmen vorzugehen und einen konsequenten Wandel innerhalb der EU zu vollziehen, da die Troika (IWF, EZB, Europäische Kommission) Regierungen mit abweichender Politik komplett ausbremsen könne.
Zu dieser Zeit schlug auch die Stimmung in den Medien um. „Auf die beliebten Berichte über diese harmlosen Hippietypen, die in ihrer Garage mit drei Rechnern und zwei Telefonen eine Partei aufgezogen hatten“, folgten nun Meldungen über angebliche Parteispenden aus Venezuela oder Iran. Behauptungen machten die Runde, die Podemos-Führungsriege bestehe in Wahrheit aus Agenten „kommunistischer Diktaturen“ in Lateinamerika, erinnert sich Errejón. Dieser mediale Meinungsumschwung traf den wunden Punkt der aufs Fernsehen ausgerichteten Parteistrategie. Juan Monedero zufolge war es ein Fehler, zu denken, es reiche aus, wenn Pablo Iglesias im Fernsehen auftrat, um das Land umzukrempeln. „Er ist nie vor Ort zu den Menschen gegangen, er hat nicht verstanden, wozu das gut ist.“
Je näher die Parlamentswahlen von 2015 rückten, desto mehr änderte sich bei Podemos die Einstellung gegenüber den politischen Institutionen. Während die führenden Köpfe zu Beginn der Protestbewegung das „78er System“ noch frontal attackiert und für eine verfassunggebende Versammlung geworben hatten, verschwand diese Idee im Laufe der Zeit. Es ging nicht länger darum, das durch die Verfassung von 1978 etablierte System zu stürzen, sondern nur noch darum, die führende Kaste zu vertreiben; deren Sturz schien ausreichend, um zu einer besseren Demokratie zu gelangen. Es gab keine Systemkrise mehr, nur noch problematisches Führungspersonal.
Die diskursive Gegenüberstellung von „Kaste“ und „Volk“ – beides unscharf definierte Begriffe – nahm immer mehr die Züge eines moralischen Kampfs zwischen Gut und Böse an, zwischen sauber und korrupt. Beim kleinsten Verdacht einer Verfehlung wandte sich dieser Diskurs jedoch gegen seine Urheber. Pablo Iglesias’ politische Gegner und die Medien erregten sich monatelang darüber, dass er und seine Frau – mithilfe eines über mehrere Jahrzehnte laufenden Kredits – für 600 000 Euro ein Haus in einem besseren Madrider Vorort gekauft hatte.
Die leichte wirtschaftliche Erholung 2015 entzog dem Kampf gegen die Sparpolitik von Podemos den Boden. Der Aufstieg der 2006 gegründeten liberalen Partei Ciudadanos (Bürger), die gelegentlich als „Podemos von rechts“ bezeichnet wurde, brachte deren Strategie durcheinander. „Die Entwicklung der Ciudadanos war ein übler Schlag vonseiten des Systems, vor allem, weil Ciudadanos in den Medien unsere Position besetzte und die Möglichkeit einer Erneuerung bot. Jetzt gibt es eine weitere Partei des ‚Wandels‘ “, ärgerte sich Iglesias in der New Left Review. „Wenn man behauptet, der wahre Konflikt liege zwischen Neu und Alt, dann muss das System nur etwas Neues erfinden, um dich zum Verschwinden zu bringen“, fasst Monedero die Entwicklung zusammen. Zudem brachte der Aufstieg der Ciudadanos Podemos zurück in das Rechts-links-Schema, das man doch eigentlich hinter sich lassen wollte.
Nach 17 Monaten ununterbrochenen Wahlkampfs kam die Podemos-Liste, der sich verschiedene regionale grüne und linke Gruppierungen angeschlossen hatten, bei den Parlamentswahlen vom 20. Dezember 2015 auf 20,66 Prozent der Stimmen. Sie gewann 69 der 350 Sitze im Abgeordnetenhaus. Die beiden Volksparteien PP und PSOE fuhren zwar die größten Niederlagen in ihrer Geschichte ein, befanden sich aber nach wie vor auf dem ersten und zweiten Platz. „Das Wahlergebnis war für Podemos sehr schlimm“, erzählt Amírola. „Wir dachten, wir könnten gleich die Mehrheit erringen; wir hatten gar keinen Plan B, wir hatten gar nicht darüber nachgedacht, weil wir so mit dem Wahlkampf beschäftigt waren.“
Nun musste die junge Partei ihre Organisation und ihr weitere Ausrichtung überdenken. Das Fehlen einer klaren Mehrheit und die Entscheidung des Sozialisten Sánchez, eine Minderheitsregierung mit den Ciudadanos bilden zu wollen, führten zu Neuwahlen im Juni 2016. Podemos schloss unter dem Namen Unidos Podemos ein Bündnis mit der Vereinigten Linken (Izquierda Unida), um diese Wahlen zu gewinnen. Diese Allianz platzierte die Partei endgültig im linken Lager und markierte das Ende der offenen populistischen Strategie. Damit kehrte aber auch die unübersichtliche Vielfalt der Linksparteien zurück.
Bündnis mit der alten Linken
Zu den internen Debatten über dieses Wahlbündnis kamen Meinungsverschiedenheiten zwischen Iglesias und Errejón, die sich nicht über die Neuausrichtung der Partei einigen konnten. Dieser Zwist wurde von den Medien begierig aufgegriffen, und er beschädigte das Image der Partei.
Iglesias, der das Linksbündnis mit der marxistisch orientierten Izquierda Unida in die Wege geleitet hatte, führte weiterhin einen Diskurs der radikalen Opposition gegen die Oligarchie und sah Podemos fest in sozialen Kämpfen und Protestbewegungen verankert. Er wollte „Schneisen durch die Zivilgesellschaft schlagen“, um einen neuen „historischen Block“ zu bilden.8 Iñigo Errejón war als Schüler von Mouffe und Laclau hingegen der Meinung, man müsse die populistische Strategie weiterverfolgen und „nach denen suchen, die uns fehlen“, und einen „Rückzug auf die Identitäten der Vergangenheit“, wie ihn das Bündnis mit der Izquierda Unida darstelle, vermeiden.9
Schließlich gelangte die Partei zu dem Kompromiss, sich zwar links zu positionieren, aber von der Radikalität der „alten Linken“ abzusetzen, um Stimmen aus der Mitte zu gewinnen. Als Iglesias kurz vor der Wahl Anfang Juni 2016 das neue Parteiprogramm vorstellte, sprach er von einer „neuen Sozialdemokratie“ und bezog sich auf Thomas Piketty, Yanis Varoufakis und James Galbraith. Mit dieser Sozialdemokratie fühle er sich wohl, „mit der man die Mehrheit der Gesellschaft gegen eine Minderheit von Privilegierten verteidigen kann“. Der frühere PSOE-Premierminister Zapatero reagierte genervt: „Es ist ja schön, dass jetzt alle Welt sozialdemokratisch sein will, aber die Sozialdemokratie, das ist die PSOE.“10 Mit 13,42 Prozent der Stimmen blieb Unidos Podemos schließlich weit hinter der PSOE (22,63 Prozent) und der PP (33 Prozent) zurück.
Mit der Katalonien-Frage trat die programmatische Unklarheit in der Partei noch deutlicher zutage. Beim Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017, das vom spanischen Zentralstaat für unzulässig erklärt wurde, stimmte eine Mehrheit in der autonomen Region für die Unabhängigkeit, was zu einer tiefen Krise führte, die über mehrere Monate die politische Agenda bestimmte. Podemos hatte dabei große Schwierigkeiten, eine mittlere Position zwischen den Extremen zu halten: Die Partei trat zwar für ein offizielles Referendum ein, wollte aber gegen die Unabhängigkeit stimmen.
Hatte sich Podemos 2014 für ein plurinationales Spanien ausgesprochen und damit seine besten Ergebnisse in Katalonien, im Baskenland und in Galizien erzielt, hielt man sich jetzt zurück. „Die Partei hat gemerkt, dass sie Stimmen verliert, wenn sie für Katalonien eintritt, für politische Gefangene oder gegen Unterdrückung. Deshalb spricht sie nicht mehr über Katalonien und wartet darauf, dass sich das Thema von selbst erledigt“, meint Maria Corrales, Sprecherin von En Comú Podem, dem Podemos-Bündnis in Katalonien. Damit verliere Podemos aber auch an Rückhalt in dieser Region, ohne in der Katalonien-Frage auf nationaler Ebene wirklich überzeugend zu wirken.
Im Januar 2019 wurden die strategischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten in der Partei so stark, dass Iñigo Errejon, der ursprünglich die Podemos-Liste in Madrid anführen sollte, ankündigte, er werde bei den Regionalwahlen für das von ihm selbst initiierte Bündnis Más Madrid (Mehr Madrid) antreten. Iglesias erklärte wiederum, Podemos werde einen Gegenkandidaten zur früheren Nummer zwei der Partei aufstellen.
Ein Jahr später, im Februar 2020, verkündeten die Anticapitalistas ihren Abschied von Podemos, nachdem das Bündnis Unidas Podemos der Koalitionsregierung von Sánchez beigetreten war. Nach einer krachenden Niederlage bei den Madrider Regionalwahlen am 4. Mai 2021, bei der Pablo Iglesias persönlich angetreten war, um eine Regionalregierung der konservativen PP mit der rechtsextremen Vox-Partei zu verhindern, trat nun auch er von allen Parteiämtern zurück. Nun setzt er seine Karriere dort fort, wo er seiner Meinung nach am besten wirken kann: als Kommentator bei verschiedenen Radio- und Fernsehsendern und Zeitungen.
In der Minderheitsregierung mit der PSOE unter Pedro Sánchez konnte Unidas Podemos vor allem eine Erhöhung des Mindestlohns um 22 Prozent, einen Mietendeckel und die Koppelung der Rentenerhöhung an die Inflationsrate als Erfolge verbuchen. Reicht das aus, um den Himmel auf die Erde zu holen? „All diese Maßnahmen sorgen weder für die Abschaffung des Kapitalismus noch des Patriarchats oder des Kolonialismus“, sagt Monedero. „Aber es sind eindeutig Fortschritte, die das Leben von Millionen Menschen verbessern.“
1 In: „Política, manual de instrucciones“, Film von Fernando León de Aranoa, 2016.
2 Perry Anderson, „Renewals“, New Left Review, Nr. 1, London, Januar/Februar 2000.
3 Pablo Iglesias, „Understanding Podemos“, New Left Review, Nr. 93, Mai/Juni 2015.
6 Iñigo Errejón, „Con todo: De los años veloces al futuro“, Barcelona (Planeta) 2021.
9 Iñigo Errejón, „Podemos ganar“, 20 minutos, Madrid, 28. November 2016.
Aus dem Französischen von Sabine Jainski
Maëlle Mariette ist Journalistin.