08.10.2020

Frieden von unten

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Frieden von unten

Weltweit vertreten frauengeführte NGOs effizient die Interessen der Bevölkerung in Krisengebieten

von Sanam Naraghi Anderlini

Sanaa, März 2018: die jemenitische Graffiti-Künstlerin Haifa Subay bei der Arbeit MOHAMMED HAMOUD/picture alliance
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Am 11. Juli 2020 begingen die Bosniaken den 25. Jahrestag des Massakers von Srebrenica, bei dem serbische Milizen 8000 bosnische Muslime töteten. Srebrenica war damals von den UN zur „Schutzzone“ erklärt worden, eine Kompanie niederländischer Blauhelme war dort stationiert. Doch als am 11. Juli 1995 die serbischen Truppen unter dem Kommando von General Mladić anrückten, hatte die Friedenstruppe kein Mandat zur Verteidigung der Stadt. Die Frauen und Mädchen wurden von den Serben mit Bussen abtransportiert, während die Männer und Jungen in den Wäldern außerhalb der Stadt erschossen wurden. Die Exhumierung und Identifizierung der Leichen dauert bis heute an.1

In Srebrenica wiederholte sich, was ein Jahr zuvor in Ruanda geschehen war: Auch dort waren die Blauhelmsoldaten zur Untätigkeit verdammt, als am 6. April 1994 Hutu-Extremisten über die Bevölkerung herzufallen begannen und in drei Monaten fast 1 Million Tutsi und gemäßigte Hutu töteten.2 Nachdem der UN-Sicherheitsrat, beeinflusst von Mitgliedstaaten, die nur ihre eigenen Interessen durchsetzen wollten, kurz hintereinander eklatant versagt hatte, war den Staats- und Regierungschefs klar, dass sich von Grund auf etwas ändern musste, um solche Gräueltaten künftig zu verhindern.

Es sollten jedoch noch einmal zehn Jahre ins Land gehen, bis beim UN-Gipfel von 2005 das Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, R2P) verabschiedet wurde. Damit verpflichteten sich alle UN-Mitgliedstaaten dazu, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, „falls die nationalen Behörden offenkundig dabei versagen, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen“ (Paragraf 139).

Allein, es funktioniert nicht. In ihrem Report vom 7. Juli 2020 über den Krieg in Syrien berichtet die UN-Untersuchungskommission für den Zeitraum zwischen November 2019 und Juni 2020 von insgesamt 52 Angriffen auf zivile Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Märkte sowie auf Wohnviertel: „Die militärischen Einsätze belegen eindeutig, dass regierungsnahe Kräfte und von den UN als terroristisch identifizierte Gruppen das Kriegsrecht und die Rechte der syrischen Zivilbevölkerung eklatant verletzen“, erklärte der Kommissionsvorsitzende Paulo Pinheiro.

Das Gleiche geschieht im Jemen, in Libyen und anderen Konfliktgebieten. Die politisch Verantwortlichen ermöglichen direkt oder indirekt Gräueltaten und profitieren davon. Obwohl im Jemen von Anfang unübersehbar war, dass sich die saudischen Angriffe auf zivile Ziele konzentrierten, gab der Sicherheitsrat 2015 grünes Licht für diesen Krieg, mit Unterstützung aus den USA, Großbritannien und Frankreich.

Im Oktober 2018 erklärte US-Generalstabschef Joseph Dunford: „Wir arbeiten mit den Saudis zusammen, um die Zahl der Opfer zu verringern.“ Das Land stand damals kurz vor einer Hungersnot, die nur mit Hilfe des UN World Food Programme (WFP) knapp verhindert werden konnte. Nun droht sie erneut auszubrechen, wie das WPF Ende September 2020 warnte. Erschwerend kommt diesmal noch hinzu, dass sich das neuartige Coronavirus im Land unkontrolliert ausbreitet.

Schätzungsweise 233 000 Menschen sind in diesem Krieg bisher umgekommen und 3,6 Millionen wurden vertrieben, während die internationale Waffenindustrie üppige Gewinne verbuchen konnte. 2019 haben die USA an Saudi-Arabien militärische Ausrüstung im Wert von 129 Milliarden US-Dollar verkauft und Großbritannien, das seine Verkäufe in demselben Jahr vorübergehend ausgesetzt hatte, hat das Geschäft inzwischen wieder aufgenommen. Nach Einschätzung der britischen Außenhandelsministerin Liz Truss bestehe nämlich „kein konkretes Risiko, dass der Export von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Saudi-Arabien für schwere Verstöße genutzt werden könnte“. Dabei sind die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten internationalen Militärallianz laut UN-Angaben für 60 Prozent der zivilen Opfer verantwortlich.

All das wirft für Multilateralismus und Diplomatie ernsthafte Fragen auf: Wer übernimmt die Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung in Kriegsgebieten? Und wenn Kriegsparteien Gewalttaten an der Zivilbevölkerung verüben, wer vertritt deren Interessen? Und falls es zu Friedensverhandlungen kommt: Wer spricht für die Bevölkerung und insbesondere die Frauen?

Nur dem jahrelangen Engagement zahlreicher internationaler Frauenorganisationen ist es zu verdanken, dass am 31. Oktober 2000 die UN-Resolution 1325 zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“ verabschiedet werden konnte. Inzwischen haben über 80 Länder na­tio­nale Aktionspläne verabschiedet, in denen sie sich verpflichten, die Partizipation von Frauen bei der Lösung von Konflikten und an Friedensverhandlungen zu stärken. Außerdem sollen noch mehr Frauen zu Blauhelmen ausgebildet werden.3

2012 war ich als Gender- und Integrationsberaterin Mitglied des UN-Vermittlerteams in Somalia in ­Garowe, Hauptstadt der autonomen Region Puntland. Es drohte eine Hungersnot, das konnte man schon an der ausgedörrten Landschaft und den abgemagerten Kamelen auf dem Weg zum UN-Camp sehen. Die somalischen Clanführer, einige in Anzug und Krawatte, andere in traditioneller Kleidung, erschienen mit bewaffnetem Gefolge. Niemand sprach über Lebensmittel oder Wasser. Die Männer verbrachten die meiste Zeit damit, sich über Parlamentssitze und Regierungsämter zu streiten, und bestanden darauf, die Posten zwischen den vier großen Clans und einem kleinen aufzuteilen. Offenkundig waren sie geübt im Aushandeln von Machtfragen.

Obwohl es in Somalia nicht an starken Frauen mangelt, waren sie unter den 200 Delegierten in der Minderheit. Es waren nur sehr wenige aktive Politikerinnen, Juristinnen oder Menschenrechts- und Friedensaktivistinnen zugegen. Die politischen Führer Somalias hatten stattdessen ihre Töchter und andere weibliche Verwandte mitgebracht. Es fehlten unabhängige Frauen, die ihnen etwas hätten entgegensetzen können. Zahlreiche Aktivistinnen waren schon allein deshalb gar nicht erst nach Garowe gekommen, weil sie viel zu beschäftigt waren, Soforthilfe gegen die Hungersnot zu organisieren. Sie hatten schlichtweg keine Zeit, über Politik zu reden.

Die Verhandlungen endeten in einem lauten Streit um Parlamentssitze – unausgesprochen ging es vor allem um Gehälter und Privilegien. So drehte sich die ganze Diskussion im Grunde nur um die Aufteilung von Macht, dabei hätte es um die Übernahme von Verantwortung gehen sollen. In all den Jahren meiner Tätigkeit konnte ich dergleichen immer wieder beobachten: Diesen Part – der Verantwortlichkeit für die Bevölkerung – übernehmen oft die Frauen. Sie betreiben Peacebuilding von unten.

Im Jemen haben beispielsweise die Mütter von Entführten den Verein Abductees’ Mothers Association (AMA) gegründet. Die Mitglieder, alles Frauen zwischen 25 und 65 Jahren, kümmern sich unermüdlich um das Schicksal tausender Menschen, die von den Kriegsparteien, insbesondere Huthis, festgehalten werden. Laut dem 2019 in Stockholm unterzeichneten Waffenstillstandsabkommen ist eigentlich die UNO dafür zuständig, über die Freilassung der Gefangenen zu verhandeln und so auch das Vertrauen der Bevölkerung in das Abkommen zu stärken. Die Familien der Entführten setzen jedoch alle Hoffnung auf die Frauen von der AMA.

Warum das so ist, zeigt zum Beispiel dieser Fall: Eine Helferin der AMA erfuhr beim Besuch der Familie eines verschleppten Arztes, dass dessen Mutter schwer krank und der Vater erblindet ist, zudem wurde bei der Ehefrau eine schwere Nierenkrankheit festgestellt. Sie wandte sich daraufhin an die Stammesältesten, berichtete ihnen von der Notlage der Familie und appellierte an ihre Verpflichtung gegenüber einem Mitglied ihrer Gemeinschaft. Dann schlug sie ihnen vor, sich mit einem offiziellen Schreiben an die Entführer zu wenden, in dem sie sich für den Arzt verbürgten. Die Stammes­ältesten schrieben den Brief und alle Dorfbewohner unterzeichneten eine Petition, den Entführten freizulassen. Die Frau von der AMA legte den Entführern Brief und Petition vor und schaltete ihre Kontakte ein, um der Angelegenheit Nachdruck zu verleihen. Der Arzt wurde tatsächlich freigelassen.

Die AMA nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel: Sie setzt ihr Wissen über jemenetische Gepflogenheiten und gesellschaftliche Traditionen ein, sie organisiert Demonstrationen vor Gefängnissen, Kampagnen in den sozialen Medien und Petitionen. Von den 2133 Entführungsopfern, um die sich die AMA gekümmert hat, erreichte sie in 944 Fällen deren Freilassung. Die Frauen gehen ein hohes persönliches Risiko ein, doch sie lassen sich nicht einschüchtern – und sie sind zum Glück nicht allein.

Sechs Jahre nach der Verabschiedung der UN-Resolution 1325 habe ich die NGO International Civil Society Action Network (Ican) gegründet, die Frauen in aller Welt beim Peacebuilding unterstützt. Der Ican-Initiative Women’s Alliance for Security Leadership (WASL) haben sich mittlerweile Frauen aus über 40 von Krieg und gewalttätigem Extremismus betroffenen Ländern angeschlossen. Sie alle sind lokal verankert und mit den herrschenden Gesetzen sowie kulturellen und religiösen Normen vertraut.

So organisierte in Kamerun die South West/North West Women’s Task Force eine öffentliche Trauerklage, bei der 500 Mütter auf die Straße gingen und laut weinend die Regierung und die Milizen aufforderten, gegen Morde und Vergewaltigungen vorzugehen.

In Syrien und Libyen haben Friedensaktivistinnen runde Tische in städtischen und ländlichen Kommunen ins Leben gerufen, um Dialoge und Koexistenz gegenüber extremistischer Rhetorik und Militanz zu stärken; in der afghanischen Provinz Herat gründete Hassina Nikzad ein Netzwerk für 600 Männer, darunter Imame, Dorfvorsteher, Jugendliche und Lehrer, und entwickelte für sie ein Programm zur gewaltfreien Konfliktlösung. Das hat tatsächlich dazu geführt, dass die Gewalt zurückging und sich weniger Männer extremistischen Gruppen anschlossen.

In Pakistan und Nigeria konzen­triert sich die Arbeit der WASL darauf, Frauen und Jugendliche davon abzuhalten, sich gewalttätigen Extremisten anzuschließen, indem man ihnen positive Alternativen bietet, zu denen psychosoziale Unterstützung, religiöse Narrative, berufliche Qualifikation und soziale Netzwerke gehören.

Die Frauen engagieren sich aus unterschiedlichen Gründen in der Friedensarbeit. Einige haben Kinder durch Gewalt verloren, andere fühlen sich aufgerufen, Bedürftigen zu helfen und Kontakt zur Gegenseite zu suchen, auch wenn es schmerzhaft ist. Bevor der Krieg in ihr Land kam, waren sie Lehrerinnen, Architektinnen, Dichterinnen, Ingenieurinnen oder Hausfrauen. Nichtstun ist für viele ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Die Kolumbianerin Rosa Emilia Salamanca meint, um Frieden zu schaffen, müsse man bereit sein, anzuerkennen, dass es in jedem Konflikt unterschiedliche Wahrheiten gibt. Hamsatu Allamin aus Nigeria, Visaka Dharmadasa aus Sri Lanka und Mossarat Qadeem aus Pakistan sagen, wie wichtig die Suche nach der Menschlichkeit der anderen Seite sei.

Peacebuilding ist ein Prozess, in den man hineinwachsen muss. Man muss darauf achten, dass es ein Gleichgewicht gibt zwischen der Fürsorge für die Opfer und dem Engagement für den Dialog. So hat beispielsweise die Jemenitin Muna Luqman, Gründerin von Food4Humanity, anfangs kranken Kindern dabei geholfen, aus dem Kriegsgebiet herauszukommen. Als sie jedoch miterlebt hat, wie Kinder von den Milizen rekrutiert und bewaffnet wurden, startete sie mit der Verteilung von Stiften und Büchern eine Gegenkampagne. Obwohl sie bedroht und ins Exil gezwungen wurde, setzt sie ihre Arbeit fort. „Vor dem Krieg ging es bei 80 Prozent der Konflikte im Jemen um Wasser und Land“, berichtet sie. „Seit 2015 hat der Krieg diese Probleme verschärft – und umgekehrt haben diese Probleme den Krieg verschärft.“

Extremismus-Prävention in Pakistan und Nigeria

Um Stammeskonflikte zu lösen und dafür zu sorgen, dass die Mädchen zur Schule gehen können, repariert Luqmans NGO Wasserpumpstationen. In der Pandemie verteilt die NGO Wasser und Schutzmasken. Gemeinsam mit anderen Organisationen wie der Peace Track Initiative ruft sie zum Waffenstillstand auf und ist inzwischen zu einer moralischen Autorität geworden.

Die konkrete Hilfe dieser Frauen steht in geradezu surrealen Kontrast zur geopolitischen Rhetorik der Weltmächte. Im Januar 2020 wurde die Syrerin Najlaa Sheekh, WASL-Mitglied und Gründerin von Kareemat, einer in der Türkei ansässigen Frauenhilfsorganisation für Geflüchtete, im Rahmen der Genfer Friedensgespräche zum Forum der syrischen Zivilgesellschaft eingeladen: „Ich war als Flüchtling dort, um über die vertriebenen Frauen, Kinder und Familien zu sprechen, die in Eiseskälte in den Olivenhainen von Idlib leben, aber der UN-Vertreter sagte, sie könnten da nichts machen. Ich war entsetzt, als mir die russische Delegation erklärte, die Konfliktparteien müssten eben ‚ihr‘ Land verlassen.“

Ihre Erfahrung macht den Grundfehler in den aktuellen Friedensprozessen anschaulich, die als zwischenstaatliche Zweiparteiengespräche konzipiert sind. Sie basieren nämlich auf der Prämisse, die Kriegsparteien seien legitim – und das trifft nicht zu, wenn diese gegen das Völkerrecht verstoßen und ihre eigene Bevölkerung angreifen. Allzu oft fehlen demokratisch gewählte Anführer. So hatten viele der Führungspersönlichkeiten der somalischen Übergangszeit jahrelang in den USA und Kanada gelebt und die Veränderungen in ihrem Land nicht mitbekommen. Nach Ansicht der Washingtoner Friedensorganisation Enough Project ist so mancher Staat nicht von selbst gescheitert, sondern wurde vielmehr von gewalttätigen, kleptokratischen Seilschaften gekapert, die sich an der Kriegsökonomie bereichern.

Offizielle Verhandlungen gehen oft von der Annahme aus, dass es so etwas wie eine schmerzhafte Pattsituation gebe, bei der keine Seiten gewinnt oder verliert, aber beide reif oder müde genug sind, um Kompromisse einzugehen. Doch für die heutigen Kriege, in denen globale oder regionale Mächte einander mithilfe lokaler Stellvertreter gegenüberstehen, trifft das selten zu. Schließlich waren es keine Russinnen, Türkinnen und Iranerinnen, die den ganzen Winter unter Bäumen in Idlib verbringen mussten, ohne Zugang zu fließendem Wasser und ohne die Möglichkeit, sich während ihrer Periode zu waschen. Es waren bloß Syrerinnen. Doch bei den Gesprächen in Genf erhoben nur Menschen wie Najlaa Sheeh ihre Stimme. Eine syrische Geflüchtete mit der geringsten Macht übernahm die Last der Verantwortung.

Tatsächlich wird bei Verhandlungen davon ausgegangen, dass die Kriegsparteien, die am meisten Gewalt ausüben, auch die wichtigsten sind. So wird die Beendigung des Kriegs mit der Herbeiführung von Frieden verwechselt – eine Vorstellung, die noch aus der Zeit der zwischenstaatlichen Kriege stammt, in denen die Konfliktparteien die Kämpfe einstellen, eine De­marka­tions­linie vereinbaren und nach Hause gehen konnten. In unserer globalisierten, pluralistischen Welt haben hingegen fast alle Konflikte gleichzeitig eine lokale und eine globale Dimension. Die Front verläuft oft mitten durch die Gemeinschaften. Deshalb muss der Friedensprozess von unten wie von oben unterstützt werden. Wie sich in den letzten drei Jahrzehnten gezeigt hat, kann sich die lokale Bevölkerung am besten auf lokale Peace­builder verlassen, also meistens auf die Frauen und zunehmend auch auf junge Leute.

Die Forschung hat gezeigt, dass die umfassende Einbeziehung von Frauen in Friedensprozesse, insbesondere da, wo es tragfähige Bewegungen und dauerhafte Teilhabe gibt, zu nachhaltigeren Ergebnissen führt. Doch – unabhängig von Kultur und Geografie – sind sich die Kriegsparteien trotz aller Meinungsverschiedenheiten in einem Punkt stets einig: Sie lehnen es ab, unabhängige Frauendelegationen in Friedensprozesse einzubeziehen

Parteien, die wenig oder gar keine Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung übernehmen – ihr Umgang mit Frauen ist dafür ein guter Indikator –, werden sich natürlich gegen Menschen wehren, die moralische Autorität besitzen, weil sie die wirklichen Sorgen der Bevölkerung kennen, über deren Gewalterfahrungen Bescheid wissen und langjährige Erfahrungen mit der Übernahme von Verantwortung zum Schutz anderer haben. Es liegt in der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, der UNO und ihrer Mitgliedstaaten, ihre friedensfördernden Maßnahmen so zu reformieren, dass die wahren Peacebuilder beteiligt werden. Denn sie verkörpern das entscheidende Gegengewicht zu denen, die ihre Macht einzig mit Waffen ausüben.

1 Viele bosnische Flüchtlinge von damals leben immer noch in provisorisch errichteten Notunterkünften auf serbischem Territorium, siehe Meta Krese, „Srebrenica und kein Ende“, und Norbert Mappes-Niediek, „Der Krieg in Bosnien-Herzegowina“, LMd, Juni 2010.

2 Siehe Roméo Dallaire, „Handschlag mit dem Teufel. Die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda“, mit einem Nachwort von Dominic Johnson, Frankfurt am Main (Zweitausendeins) 2005.

3 2019 betrug der Frauenanteil unter den 95 000 UN-Blauhelmen 4, 7 Prozent. Siehe United Nations, Women in Peacekeeping, 29. Mai 2020: www.un.org/en/observances/peacekeepers-day.

Aus dem Englischen von Nicola Liebert

Sanam Naraghi Anderlini ist Direktorin des Zentrums für Frauen, Frieden und Sicherheit an der London School of Economics sowie Gründerin des International Civil Society Action Network (Ican), siehe auch ihr Interview im Oslo Forum.

© LMd, London; für die deutsche Übersetzung LMd, Berlin

Le Monde diplomatique vom 08.10.2020, von Sanam Naraghi Anderlini