Trumps Taskforce gegen Maduro
Mit Hilfe ihrer regionalen Verbündeten versucht die Trump-Regierung einen Regimewechsel in Caracas herbeizuführen. Das gefällt den Konservativen in Südamerika zwar, aber von der offen interventionistischen US-Politik fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen.
von Alexander Main
Venezuela war für Donald Trump ursprünglich kein wichtiges Thema, im Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl von 2016 erwähnte er das Land nur selten.
Das änderte sich schlagartig im Frühjahr 2017, nachdem sich Trump ein paarmal mit seinem früheren republikanischen Rivalen um die Präsidentschaftskandidatur Marco Rubio getroffen hatte. Der Senator aus Florida, dessen Eltern aus Kuba stammen, verfügt über gute Verbindungen zu Geldgebern und Wählerschichten in Miami, die den Regierungen in Kuba und Venezuela feindlich gegenüberstehen. Bei diesen Treffen konnte er den US-Präsidenten offenbar davon überzeugen, dass ihm ein harter Kurs gegenüber Venezuela Wählerstimmen einbringen würde: Wenn Trump dort einen Regimewechsel erreichen könnte, dann würde er die nächste Präsidentschaftswahl im Schlüsselstaat Florida gewinnen.
Präsident Trump kündigte daraufhin an, er werde die Normalisierungspolitik gegenüber Kuba, die sein Amtsvorgänger Obama begonnen hatte, wieder zurücknehmen. Zu Venezuela erklärte er, eine militärische Lösung sei immer noch auf dem Tisch, und verhängte weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen das Land, die vor allem den Öl- und Bankensektor betreffen. Und, was noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre: Die Regierungen der meisten wichtigen Länder Südamerikas schlossen sich Washingtons Bemühungen an, Präsident Nicolás Maduro zu stürzen.
Lateinamerika hat sich verändert. Als Obama im Januar 2009 ins Weiße Haus einzog, waren in den meisten lateinamerikanischen und karibischen Staaten linke Regierungen im Amt, die für die Unabhängigkeit der Region von den USA kämpften.
Zur selben Zeit, als der erste schwarze US-Präsident acht Jahre später wieder seine Koffer packte, schwenkte Lateinamerika erneut nach rechts. Zahlreiche Organisationen, mit denen die linken Regierungen die Integration und die Unabhängigkeit der Region hatte stärken wollen, wie die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) und die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac), waren lahmgelegt und drohten wieder auseinanderzubrechen. Auch der Gemeinsame Markt des Südens (Mercosur) nach europäischem Vorbild, dem Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay (früher auch Venezuela) angehören, kam nicht voran.
Dagegen entstand 2012 mit der Pazifik-Allianz ein neuer Zusammenschluss von Staaten (Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru) zu einer Freihandelszone, die langfristig eine Zollunion, Reise- und Visafreiheit und einen gemeinsamen Börsenplatz anstrebt. Das neue Bündnis, das sich Caracas und Havanna gegenüber offen feindselig zeigte, verfolgte unter der Fahne des Neoliberalismus dieselbe Politik, die ab den 1980er Jahren 20 Jahre lang zu wirtschaftlicher Stagnation und wachsender Ungleichheit in Lateinamerika geführt hatte.
Diese neue politische und wirtschaftliche Konstellation war außerordentlich günstig für Washington, als es gegenüber Venezuela aktiv wurde. Im August 2017 versammelten sich die Vertreter von einem Dutzend meist konservativ regierter amerikanischer Länder1 in Peru, um die „Erklärung von Lima“ zu unterzeichnen, in der ein „Bruch der demokratischen Ordnung“ und Menschenrechtsverletzungen in Venezuela kritisiert wurden. Im Anschluss trafen sich die Staaten der Lima-Gruppe noch mehrmals, und stets ging es nur um ein Thema: Venezuela. Die Gefahren für Demokratie und Menschenrechte in Honduras oder Kolumbien, die beide der Gruppe angehören, schienen keinen der Mitgliedsstaaten sonderlich zu beschäftigen.
Die USA sind kein Mitglied der Lima-Gruppe, doch an jeder Sitzung nehmen hochrangige US-Vertreter teil. Die Obama-Administration hatte seinerzeit die Gründung der Pazifik-Allianz begrüßt, aber ihre eigene Rolle dabei eher diskret gehandhabt. Trumps Regierungsmannschaft dagegen verhielt sich ganz anders: Sie nutzte jede Gelegenheit, um die Erklärungen der Lima-Gruppe zu verbreiten und damit den Eindruck zu erwecken, es gebe einen regionalen Konsens in der Venezuela-Frage. Auch die wichtigsten Medien zogen mit und interessierten sich nicht weiter für die weitgehende ideologische Uniformität der Gruppe.
Im Januar 2019 ernannte sich der venezolanische Oppositionspolitiker Juan Guaidó selbst zum Interimspräsidenten2 und wurde umgehend von den USA und der Lima-Gruppe anerkannt. Sie forderten die Streitkräfte des Landes auf, Präsident Maduro zu stürzen, da seine Wiederwahl im Mai 2018 nicht gültig gewesen sei.
Als einziges Land distanzierte sich Mexiko von der offiziellen Parteinahme der Gruppe; dort hatte im Dezember 2018 der neue und eher linke Präsident Andrés Manuel López Obrador sein Amt angetreten. Gemeinsam mit Uruguay, wo eine progressive Regierung an der Macht ist, bot sich Mexiko als Vermittler für Verhandlungen an: Anfang Februar tagte in Montevideo eine internationale Kontaktgruppe, an der auch die EU beteiligt war, um Venezuela aus der Krise zu helfen.
Die Lima-Gruppe lieferte zunächst die entscheidende regionale Unterstützung für die US-Regierung. Doch Washington verhielt sich trotz des Entgegenkommens seiner Partner und der für die USA überaus günstigen politischen Großwetterlage auf dem Südkontinent so aggressiv, dass es nach und nach seine Unterstützer verprellte. Als Guaidó die Möglichkeit einer militärischen Intervention aus dem Ausland öffentlich in Betracht zog, verurteilten die Staaten der Lima-Gruppe am 15. April scharf „jede Drohung, die auf einen bewaffneten Angriff auf Venezuela zielt“. Und als Trump ebenfalls Pläne für den Einsatz militärischer Gewalt verlauten ließ, bestätigten sie diese Position noch einmal.
Als sich in Venezuela ein politisches Patt abzeichnete, sprach sich die Lima-Gruppe für eine Verhandlungslösung aus, die die USA jedoch verweigerten: Washington wollte den Regimewechsel. Am 30. April rief Guaidó zum Volksaufstand auf, der allerdings ausblieb. Daraufhin wandte sich die Gruppe an Kuba und bat Havanna, zu vermitteln. Diese Idee wiederum empörte Trumps Mannschaft, zu der auch – als Sonderbeauftragter für Venezuela – Elliott Abrams gehört. Abrams ist bekannt dafür, dass er in den 1980er Jahren den Terror der Todesschwadronen in Mittelamerika unterstützt hat und entscheidend an der Iran-Contra-Affäre beteiligt war.3 Er behauptete, Kuba habe Soldaten und Agenten in Venezuela stationiert, um Maduro zu unterstützen. Die US-Geheimdienste konnten jedoch keine konkreten Beweise für diese Behauptung finden.
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau nahm dann tatsächlich im Namen der Lima-Gruppe Kontakt zur kubanischen Regierung auf, um sie als Vermittlerin einzubinden – obwohl ihn US-Vizepräsident Mike Pence vor dem „unheilvollen Einfluss“ Kubas auf Venezuela gewarnt hatte.4
Die Länder der Lima-Gruppe weigerten sich auch, die von Washington geforderten Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela umzusetzen. Selbst die folgsamsten lateinamerikanischen Konservativen zeigten sich zunehmend entrüstet über den interventionistischen Kurs der Trump-Regierung. Trumps Sicherheitsberater John Bolton verstärkte ihre Besorgnis noch, als er sich im April in Miami zur Monroe-Doktrin bekannte: „Heute verkünden wir stolz, dass alle es hören: Die Monroe-Doktrin ist lebendig und sie ist eine gute Doktrin.“5 Vor 200 Jahren definierte diese auf US-Präsident James Monroe zurückgehende Doktrin Lateinamerika als „Hinterhof“ der USA und diente seither immer wieder zur Rechtfertigung von US-Interventionen auf dem Südkontinent.
Zudem hatte Bolton schon am 24. Januar dem Sender Fox Business erklärt, eines der wichtigsten Motive der USA in Bezug auf Venezuela seien die Ölreserven des Landes, denn es „würde für die USA wirtschaftlich einen großen Unterschied machen, wenn die US-Ölkonzerne in Venezuela investieren und die Ressourcen ausbeuten könnten“.
Zu den geopolitischen Differenzen zwischen Mitgliedern der Lima-Gruppe und den USA kamen bald auch noch gegenläufige wirtschaftliche Interessen. Bei ihrem Amtsantritt hatten einige der neuen rechten Regierungschefs in Lateinamerika viel Wert darauf gelegt, ebenfalls Freihandelsabkommen mit den USA abzuschließen. Für sie war es eine große Enttäuschung, dass mit Trump ein Republikaner mit merkantilistischen Neigungen ins Weiße Haus einzog. Bald schon war das Thema Freihandel von den Tagesordnungen der bilateralen Treffen verschwunden. Stattdessen schloss der unter neuen politischen Vorzeichen wiederbelebte Mercosur Ende Juni ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union.
Die US-Regierung kümmerte sich viel zu wenig um ihre südlichen Bündnispartner, die sie schon fest in der Hand zu haben glaubte. Trump sagte mehrere Reisen in die Region ab, zwei nach Kolumbien und eine weitere zum achten Amerika-Gipfel in Peru im April 2018 – und das, obwohl auf der Tagesordnung ein Punkt stand, der für das State Departement verlockend klingen musste: Wie werden wir Maduro los?
Seit seinem Amtsantritt hat Trump Lateinamerika bislang nur ein einziges Mal besucht: im Dezember 2018 zum G20-Gipfel in Buenos Aires. Auch zeigte sich der US-Präsident im Umgang mit seinen Bündnispartnern keineswegs charmanter als im Umgang mit seinen Gegnern. So erklärte er am 29. März, der kolumbianische Präsident Iván Duque, ein rechter Hardliner, habe „nichts getan“, um die Kokain-Industrie auszutrocknen, und sorgte damit für Entsetzen bei hochrangigen US-Diplomaten, die Kolumbien als wichtigsten politischen und militärischen Bündnispartner in Südamerika betrachten.6
Trumps Entourage bemühte sich indes, durch mehrere Reisen die Spannungen beizulegen. Vizepräsident Pence begab sich fünfmal nach Südamerika, Außenminister Pompeo, der bereits als CIA-Chef in Kolumbien und Mexiko gewesen war, flog in seinem ersten Jahr als Minister sechsmal in die Region. Und Bolton besuchte unter anderem Brasilien, wo er den rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro als „gleichgesinnten Partner“ lobte.7
Diese Anstrengungen halfen im Endeffekt jedoch nur wenig: Trumps offene Geringschätzung Lateinamerikas brachte die konservativen Regierungschefs in eine unhaltbare Situation. Für sie war die Führungsrolle der USA selbstverständlicher Teil ihrer Politik gewesen – in der Hoffnung, selbst möglichst viel Nutzen daraus zu ziehen. Doch nun wurde es ihnen schwer gemacht, sich geopolitisch unter Führung der USA zu positionieren.
Die mageren Ergebnisse der neu gegründeten regionalen Institutionen sind das beste Beispiel für diese Sackgasse. In den acht Jahren ihres Bestehens gelang der Pazifik-Allianz von ihren großen Vorhaben lediglich die Integration der Kapitalmärkte, ohne dass dies zu einer Stärkung der Volkswirtschaften geführt hätte.
Und die Lima-Gruppe entstand allein mit Blick auf die Venezuela-Krise, ihren einzigen Daseinszweck; derzeit steckt sie in der Zwickmühle zwischen ihrer eigenen Forderung nach einem Regimewechsel und dem blinden Radikalismus Washingtons. Von den vielversprechenden Bemühungen um eine friedliche Lösung, nämlich Gesprächen, wie sie in Norwegen8 vorbereitet wurden, hält sie sich fern.
Die neueste regionale Organisation heißt Prosur: Forum für Fortschritt und Entwicklung in Südamerika. Das Bündnis wurde im März 2019 von Argentinien, Brasilien, Ecuador, Guyana, Paraguay und Peru gegründet und verfolgt hauptsächlich die Absicht, die Unasur noch ein bisschen mehr in Misskredit zu bringen.
Das Zurückdrehen der linken Wirtschafts-, Sozial- und Geopolitik allein wird allerdings kaum als gemeinsames Programm der Rechten beider Amerikas ausreichen. Mittlerweile hat man den Eindruck, dass einzig die Venezuela-Krise bei den Konservativen beiderseits des Rio Grande noch eine Art von Zusammenhalt hervorruft.
2 Siehe Julia Buxton, „Was will die Opposition in Venezuela?“, in: LMd, März 2019.
3 Siehe Eric Alterman, „Die Karriere des Elliott Abrams“, in: LMd, März 2019.
4 „Pence calls on Canada to do more to engage Cuba over Venezuelan crisis“, Reuters, 30. Mai 2019.
5 „USA kehren nun auch offiziell zur Monroe-Doktrin zurück“, Telepolis, 24. April 2019
Aus dem Französischen von Sabine Jainski
Alexander Main ist Leiter der Abteilung für Internationale Politik am Center for Economic and Policy Research (CEPR) in Washington, D. C.