Ist China imperialistisch?
von Michael Klare
Bei ihren Verhandlungen mit dem armen Süden dieser Erde betont die Pekinger Führung regelmäßig, dass China niemals die ungerechten Ausbeutungsstrategien der einstigen Kolonialmächte imitieren werde. „China ist das größte Entwicklungsland der Welt und Afrika der Kontinent mit der größten Zahl von Entwicklungsländern“, erklärte der chinesische Staatspräsident Hu Jintao am 19. Juli dieses Jahres auf dem Forum für Chinesisch-Afrikanische Kooperation in Peking. „Die chinesischen und afrikanischen Völker haben sich stets als gleichberechtigt und mit Ernsthaftigkeit und Freundschaft behandelt, haben sich gegenseitig unterstützt und auf gemeinsame Entwicklung gesetzt.“1
Natürlich kann man solche Äußerungen als diplomatische Floskeln abtun, aber im chinesischen Denken sind die vielen Demütigungen, die das Land durch die imperialen Mächte Europas und Japan erfahren hat, immer noch sehr präsent. Dennoch steckt die gegenwärtige Führung der Volksrepublik in der Klemme: Um weiterhin ein hohes Wirtschaftswachstum zu erzielen, was erklärtermaßen ihre höchste Priorität ist, müssen immer größere Mengen an Erdöl und anderen Rohstoffen importiert werden. Zur Sicherung einer kontinuierlichen Versorgung mit diesen Rohstoffen verstrickt sich China zusehends in dieselbe Art von Patron-Klient-Beziehungen mit den – häufig korrupten und undemokratischen – Regierungen der Exportländer, wie diese sie seit Langem zu den westlichen Mächten unterhalten.
Manche armen Exportländer, die über große Reserven an Öl, Kupfer und anderen wertvollen Rohstoffen verfügen, werden nachgerade zum Opfer eines „Ressourcenfluchs“, weil die Exporteinnahmen zur Herausbildung profitgieriger, autoritärer Regime beitragen, die sich mittels gut bezahlter Sicherheitskräfte an der Macht halten. In umgekehrter Richtung trifft dieser Ressourcenfluch aber auch die großen Rohstoffimporteure, die als Abnehmer zum Überleben dieser Regime beitragen. Je größer die Abhängigkeit des importierenden Staats von den Rohstoffen dieser Regime, desto energischer wird er sich für ein solches Regime einsetzen.
Das klassische Beispiel für eine solche Patron-Klient-Beziehung ist die zwischen den Vereinigten Staaten und den Ölscheichtümern am Persischen Golf, die bereits während des Zweiten Weltkriegs begonnen hat. Damals wiesen die Berater von Franklin D. Roosevelt den Präsidenten darauf hin, dass die US-amerikanischen Ölvorkommen sich in alarmierendem Maße erschöpften, weshalb man auf eine zuverlässige ausländische Lieferquelle angewiesen sei. Die Berater empfahlen Saudi-Arabien, den einzigen Produzenten im Nahen Osten, der nicht von Großbritannien kontrolliert wurde. Im Februar 1945 handelte Roosevelt mit König Abdul-Asis Ibn Saud ein informelles Abkommen aus, das den USA den alleinigen Zugang zum saudischen Öl zusicherte; im Gegenzug verpflichtete sich Washington zum militärischen Schutz des Königreichs. Obwohl der Inhalt dieses Abkommen seitdem neu ausgehandelt wurde (die Ölfelder gehören inzwischen der saudischen Königsfamilie und nicht mehr den US-Ölgesellschaften), ist es bis heute ein Eckpfeiler der US-Außenpolitik in dieser Region.
Wenn sie könnte, würde die US-Regierung es sicher vorziehen, ihren Ölbedarf durch Importe aus befreundeten, stabilen und verlässlichen Staaten wie Kanada, Mexiko, Großbritannien und anderen OECD-Ländern zu decken. Aber die geologischen Realitäten machen dies unmöglich.2 Ein Großteil der verbleibenden Ölvorräte der Welt liegen in Afrika, dem Nahen Osten, den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und in Brasilien.3 Die USA bleiben für ihre Ölversorgung also auf Länder angewiesen, die in Washington als unfreundlich, instabil oder unzuverlässig gelten. Mit der Folge, dass man in der Politik dieser Länder mitmischt, indem man sich mit dem jeweiligen Regime verbündet und alle möglichen Formen von Militärhilfe leistet.
Nicht einmal genug Eisen
Wie kann China diese Erfahrungen der USA vermeiden? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kämpften die europäischen Imperien um die Kontrolle der Territorien, in denen sie Rohstoffe wie Öl, Kohle, Gummi und verschiedene Erze vermuteten. Zur Förderung dieser kostbaren Ressourcen gründeten sie mächtige Staatskonzerne oder vergaben die entsprechenden Konzessionen an Privatunternehmen. Diese Rohstoffgiganten operierten auch nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonialgebiete weiter, wobei sie sich in der Regel mit den lokalen Eliten verbündeten und so ihre privilegierte Stellung auch unter den neuen Verhältnissen bewahren konnten. Das gelang sowohl British Petroleum (BP, hervorgegangen aus der staatlichen Anglo-Persian Oil Company) als auch dem französischen Ölkonzern Total (entstanden aus der Fusion mehrerer staatlicher Ölfirmen) und dem italienischen Eni-Konzern (das ehemals staatliche Unternehmen Ente Nazionale Idrocarburi).
Die chinesische Führung versucht einen anderen Weg einzuschlagen. Auf dem Forum für Chinesisch-Afrikanische Zusammenarbeit in Peking sagte Präsident Hu seinen Gästen für die nächsten drei Jahre Kredite in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar zur Förderung von Landwirtschaft, Infrastruktur und Kleinunternehmen in afrikanischen Ländern zu. Dabei beteuern hochrangige chinesische Repräsentanten, auf keinen Fall wolle man sich in die inneren Angelegenheiten der Lieferländer einmischen. Aber auch Peking fällt es immer schwerer, sich aus politischen Verwicklungen herauszuhalten, wie sie für die USA und andere westliche Länder typisch waren.
Bis 1993 konnte sich China aus einheimischen Ölquellen versorgen, aber mit steigender Nachfrage mussten immer größere Mengen importiert werden: Von 2000 bis 2010 erhöhten sich die Importe von 1,5 Millionen auf 5 Millionen Barrel pro Tag (mbd), also um etwa 230 Prozent (siehe Grafik 1). Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass sie bis 2015 um weitere gut 130 Prozent auf 11,6 mbd zulegen werden. Angesichts der rasanten Zunahme privater Automobile sagen manche Analysten bis 2040 eine Steigerung der Ölimporte auf bis zu 19 mbd voraus, das wäre etwa die Größenordnung, die bis dahin auch die USA erreichen werden.4 Aber während die Vereinigten Staaten etwa zwei Drittel ihres Ölbedarfs selbst und mithilfe ihres Nachbarn Kanada abdecken können, wird die heimische Ölproduktion in China nur etwa einem Fünftel des Bedarfs entsprechen. Den Rest wird das Land aus Afrika, dem Nahen Osten, Südamerika und der ehemaligen Sowjetunion einführen müssen.
Auch beim Strombedarf erwartet man in China für die nächsten 25 Jahre eine Steigerung um das Dreifache, was den Verbrauch von Kohle, Erdgas und Uran entsprechend erhöhen wird. Bei den Erdgasimporten schätzt man, dass sie (von null im Jahr 2005) bis 2020 auf jährlich 87 Milliarden Kubikmeter ansteigen werden. Die meisten dieser Importe werden entweder als Flüssigerdgas (LNG) per Schiff aus dem Nahen Osten und aus Südostasien importiert oder über Pipelines aus Russland und Turkmenistan. Zwar wird China seinen Verbrauch an Kohle weitgehend selbst decken können, aber Engpässe bei Produktion und Transport haben zur Folge, dass es für die boomenden Provinzen im Südosten billiger ist, Kohle aus Australien und Indonesien zu importieren. Chinas Kohleeinfuhren, die vor 2009 noch bei null lagen, sind 2011 auf unglaubliche 183 Millionen Tonnen angestiegen.5 Gewaltig zugelegt hat auch der Importbedarf bei Eisen und Kupfer sowie bei Kobalt, Chrom und Nickel, die effizienter zur Herstellung elektronischer Geräte und besonders widerstandsfähiger Legierungen benötigt werden.
Aufgrund der wachsende Abhängigkeit von importierten Rohstoffen legt die chinesische Regierung heute besonders großen Wert auf die Zuverlässigkeit der Zulieferungen. So meinte etwa der stellvertretende Außenminister Le Yucheng ungewöhnlich offenherzig: „Die wichtigste Aufgabe Chinas besteht darin, seinen 1,3 Milliarden Menschen ein gutes Leben zu sichern, und man kann sich vorstellen, wie stark damit der Druck auf die Regierung ist. Ich glaube, es gibt für uns nichts Wichtigeres. Alles andere müssen wir dieser zentralen Aufgabe unterordnen.“6 Die konstante Versorgung mit wachsenden Mengen importierter Rohstoffe ist ein strategisches Ziel chinesischer Außenpolitik.
Unterstützung für autokratische Regime
Die Führung sieht sehr genau die Gefahr von Versorgungslücken, die aufgrund von inneren Unruhen, Regimewechseln und regionalen Konflikten in den Lieferantenstaaten entstehen können. Um diese Risiken möglichst klein zu halten, bemüht sich China – nach dem Vorbild der westlichen Industrieländer – die Lieferquellen für seine Ressourcen möglichst breit zu streuen, mit den wichtigsten Lieferantenstaaten enge politische Beziehungen herzustellen und Beteiligungen an ausländischen Energie- und Bergbaukonzernen zu erwerben. Weil die chinesische Führung solche Bemühungen als entscheidende Voraussetzung für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum ansieht, müssen sie in ihren Augen durch die Zentralregierung organisiert und beaufsichtigt werden und bedürfen zudem der Unterstützung aller Regierungsstellen, einschließlich der staatseigenen Banken und Konzerne, des diplomatischen Korps und des Militärs.7
Was die Ölversorgung betrifft, hat die Regierung die drei staatlichen Ölkonzerne – China National Petroleum Corporation (CNCP), China National Petrochemical Corporation (Sinopec) und China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) – dazu gedrängt, Beteiligungen an ausländischen Ölfeldern zu erwerben und sich an Joint Ventures mit ausländischen Produzenten wie Saudi Aramco, Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) oder der Sociedade Nacional de Combustíveis de Angola (Sonangol) zu beteiligen. Eine ähnliche Strategie wird im Bergbausektor verfolgt, wo staatliche Firmen wie die China Minmetals Corporation und die China Nonferrous Metals Mining Group ebenfalls auf Shoppingtour gehen und in vielen Regionen der Welt Bergwerksanteile erworben oder Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Großkonzernen gegründet haben.
In all diesen Fällen gab es umfangreiche diplomatische Bemühungen und vielfach auch handfeste Anreize: die Zusage zinsgünstiger Kredite oder Prestigebauten wie Sportstadien oder auch Militärhilfe. Um den Erwerb eines 50-prozentigen Anteils an einem vielversprechenden Ölrevier vor der Küste Angolas zu erleichtern, haben die Chinesen der angolanischen Regierung einen zinsgünstigen, frei verfügbaren Entwicklungskredit über 2 Milliarden Dollar gewährt. Und um die Verhandlungen zwischen CNPC und den Venezolanern zu unterstützen, hat China der PDVSA ein Darlehen von 20 Milliarden Dollar angeboten.8 In anderen Ländern wie Sudan und Simbabwe belohnten die Chinesen den Zugang zu Öl und anderen Bodenschätzen mit Waffen und militärischen Dienstleistungen.
Es sind derartige Arrangements, die zu einer immer tieferen Verstrickung der Chinesen in die politischen und militärischen Angelegenheiten der betreffenden Länder führt. In der UN-Vollversammlung wurde Peking mehrfach vorgeworfen, das brutale Regime des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir durch Waffenlieferungen und diplomatische Rückendeckung zu unterstützen, um die Anteile der CNPC am größten Ölfeld des Sudan zu schützen. „China ist der wichtigste Investor des Sudan“, hieß es in einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2008. Das Bestreben Pekings, die CNCP-Investitionen zu retten und die eigene Energiesicherheit durch Kapitalbeteiligungen an Ölquellen zu verbessern, führe „in Verbindung mit seiner traditionellen Politik der Nichteinmischung dazu, dass das sudanesische Regime gegen internationalen Druck abgeschirmt ist“. Seitdem es allerdings die unabhängige Republik Südsudan gibt, auf deren Territorium ein Großteil der sudanesischen Ölreserven liegt, haben die Chinesen ihre Unterstützung für al-Bashir zurückgefahren.
Kritik erfuhr China auch wegen der Unterstützung anderer korrupter und diktatorischer Regime, von denen sie wichtige Rohstoffe beziehen. Pekings Militärhilfe für das iranische Regime wie auch die diplomatische Rückendeckung für Teheran im UN-Sicherheitsrat führte zu heftiger Kritik in der UNO, wo Iran der Herstellung von Atomwaffen verdächtigt wird. Auch im Fall Simbabwe wird China vorgeworfen, das repressive Mugabe-Regime durch Waffenlieferungen für die Sicherheitsorgane und militärische Ausbildung unterstützt zu haben, angeblich für Gegenleistungen in Form von Ackerland und wertvollen Bodenschätzen.
Selbst im Hinblick auf Staaten, die international nicht so isoliert sind, hat die Vorliebe Pekings für profitable Deals zwangsläufig zur Folge, dass sich die jeweiligen Eliten bereichern können, während bei den verarmten Massen kaum etwas ankommt. In Angola zum Beispiel hat China enge Beziehungen zu dem staatseigenen Konzern Sonangol entwickelt, der von Gefolgsleuten des gerade neu gewählten Staatspräsidenten José Eduardo dos Santos kontrolliert wird. Sonangol ist das größte und reichste Unternehmen Angolas, dessen Spitzenleute einen beträchtlichen Wohlstand und zahlreiche Privilegien genießen, während der Großteil der angolanischen Bevölkerung von weniger als 2 Dollar am Tag lebt. Mit Sonangol machen natürlich nicht nur die chinesischen Staatskonzerne ihre Geschäfte; mit von der Partie sind auch transnationale Unternehmen aus den USA und Europa wie Chevron, ExxonMobil und BP. Aber wenn die Chinesen – wie die westlichen Mächte – ihre Geschäftsbeziehungen zum angolanischen Staat und vergleichbaren Regimes ausbaut, wird es zum Komplizen eines Systems, das einer Oligarchie dauerhafte Privilegien auf Kosten der vielen garantiert.
Ein vermeintlicher Segen für Afrika
Die Chinesen hoffen, diesem Effekt durch gezielte Entwicklungshilfe entgegenzuwirken, die Kleinbauern und Unternehmern der Unter- und Mittelschicht zugutekommen soll. Wo immer sich China an der Ölförderung oder dem Abbau von Erzen und Mineralien beteiligt – wie in Subsahara-Afrika –, hat es Riesensummen in Infrastrukturprojekte wie Eisenbahnlinien, Häfen und Pipelines investiert. Solche Investitionen kommen natürlich auch anderen einheimischen Unternehmen zugute, aber im Wesentlichen sind sie auf den Bedarf der mit China kooperierenden Öl- und Bergbauunternehmen ausgelegt.
„Auf den ersten Blick wirkt der chinesische Rohstoffhunger wie ein großer Segen für Afrika“, heißt es in einem Bericht, der vom Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben wurde.9 Und China leistet auch tatsächlich einen erheblichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum des Kontinents. Aber wenn man genauer hinsieht, ergibt sich ein komplexeres Bild: 2005 hatten nur 14 afrikanische Länder – die allesamt über Öl- oder andere Ressourcen verfügen – eine positive Handelsbilanz mit China, die weitgehend auf dem Rohstoffexport beruht. Dagegen fiel die Handelsbilanz für 30 Länder negativ aus. Das liegt vor allem an den steigenden Einfuhren chinesischer Textilien und anderer Konsumgüter, die die lokalen Produzenten zunehmend verdrängt haben.
Die Kluft zwischen den „Nettogewinnern“ und „Nettoverlierern“ des chinesisch-afrikanischen Handels wird ständig größer und hat in einigen afrikanischen Ländern bereits zu erheblichen Ressentiments geführt. In der Mehrzahl der afrikanischen Länder, lautet das Fazit des zitierten EU-Berichts, habe die chinesische Entwicklungsrhetorik „hohe Erwartung geweckt, aber nicht die Grundlagen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum geschaffen“.
Wenn China dem Erwerb von Rohstoffen weiterhin den absoluten Vorrang vor anderen Zielen einräumt, wird es sich über kurz oder lang immer mehr wie die früheren imperialen Mächte aufführen. Peking wird sich also mit den Regierungen ressourcenreicher Länder verbünden, die vor allem in die eigene Tasche arbeiten, und nur noch wenig zur Förderung der allgemeinen Entwicklung beitragen. Auf dem diesjährigen Forum für Chinesisch-Afrikanische Kooperation hat Südafrikas Präsident Jacob Zuma festgestellt, bislang habe sich der „Beitrag Afrikas zur Entwicklung Chinas“ weitgehend auf „die Lieferung von Rohstoffen“ beschränkt, was „auf lange Sicht unhaltbar“ sei.10 Das ist eine klare, energische Ansage, die umso schwerer wiegt, als die Chinesen sehr viel investiert haben, um enge Beziehungen zu Zuma und Südafrika aufzubauen.
Allerdings setzt jede größere Umschichtung im Handelsaustausch zwischen China und Afrika (und den Entwicklungsländern ganz generell) eine entsprechende Veränderung der chinesischen Wirtschaftsstruktur voraus. Und zwar weg von rohstoffintensiven und hin zu leichteren Industrien und Dienstleistungen, was durch einen Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energiequellen begleitet werden müsste. Die chinesische Führung ist sich dieser Notwendigkeit offenbar bewusst: Der letzte Fünfjahresplan (2010 bis 2015) setzt hohe Anreize für die Entwicklung von alternativen Transportsystemen, erneuerbaren Energien und neuen Werkstoffen; und er fördert die Biotechnologie und andere Disziplinen, die einen Strukturwandel in diese Richtung ermöglichen sollen. Ohne einen solchen grundsätzlichen Wandel wird die chinesische Führung erleben, wie sie immer tiefer in die Wirren und zwielichtigen politischen Machenschaften vieler Entwicklungsländer hineingezogen wird.
Die wirtschaftliche Lage
Wachstum: 7,8 Prozent im ersten Halbjahr 2012. Die Regierung rechnet für das gesamte Jahr mit 7,5 Prozent, also ein weiterer Rückgang im zweiten Halbjahr. 2011 betrug die Wachstumsrate noch 9,5 Prozent, nach 10,3 Prozent im Jahr 2010.
Arbeitslosenrate: Sie betrug 2011 offiziell 4,3 Prozent. Diese Zahl erfasst jedoch nur die städtischen Arbeiter (49 Prozent der Chinesen leben auf dem Land). Die entlassenen Wanderarbeiter tauchen in der Statistik überhaupt nicht auf.
Investitionen: Insgesamt ein Zuwachs von 21,8 Prozent zwischen Juni 2011 und Juni 2012. Die Immobilieninvestitionen sind mit 19,6 Prozent weiter stark gestiegen, ihre Wachstumsrate hat sich hier jedoch im Verhältnis zu den Mitte 2011 erzielten Rekorden halbiert. Der Konsum steigt wesentlich langsamer: Der Umsatz im Einzelhandel ist um 13 Prozent gewachsen, die Zuwachsrate wird aber weiter sinken.
Außenhandel: Chinas Außenhandelsüberschuss betrug im Juni 2012 31,7 Milliarden Dollar, eine Verdopplung gegenüber den vorangegangenen drei Monaten. Im Februar hatte China sogar ein Handelsdefizit verzeichnet. Der Überschuss im Juni resultiert aus einem deutlich reduzierten Zuwachs der Importe (6,3 Prozent gegenüber 12,7 Prozent im Mai). Nach Angaben der Agentur Xinhua stagnieren die Exporte in die EU, während „der Handel mit den neuen Märkten in beständigem Rhythmus voranschreitet“.
Direkte Auslandsinvestitionen (Foreign Direct Investments, FDI): Traditionell dominieren die FDI in Richtung China. Die Summe dieser Investitionen, vor allem von US- und europäischen Unternehmen, belief sich im Jahr 2011 auf 220,1 Milliarden Dollar. Seit etwa zehn Jahren investieren auch chinesische Firmen im Ausland, 2011 waren es mehr als 50 Milliarden Dollar. Damit liegt China mit seinen eigenen FDI weltweit auf dem fünften Rang (hinter den USA, Deutschland, Frankreich und Hongkong).
Firmenübernahmen: Nach den neuesten verfügbaren Zahlen (von 2010) sind chinesische Konzerne an 188 ausländischen Unternehmen beteiligt (zum Teil bis zu 100 Prozent), vor allem im Finanzsektor (Banken und Versicherungen) und im Verkehrswesen. 2003 flossen noch 75 Prozent der chinesischen Auslandsinvestitionen in den Bergbausektor, 2010 nur noch 7 Prozent.
Erdöl: Der Verbrauch stieg im Zeitraum von 2000 bis 2010 von 4,8 Millionen Barrel pro Tag (mbd) auf 9,1 mbd. Dabei stammten 1,3 beziehungsweise 5 mbd aus Importen (siehe Grafik).
Erdgas: Der jährliche Verbrauch stieg von 2000 bis 2010 von 24,5 Milliarden Kubikmeter (bcm) auf 109 bcm. 2010 musste China 12,2 bcm importieren (siehe Grafik).
Quellen: China Statistical Yearbook 2011; Chinesisches Außenministerium; Xinhua; Caixin, 2011; Société générale, Econote, Mai 2012; Wirtschaftsbulletin der französischen Botschaft in Peking, Juli 2012; BP, „Statistical Review of World Energy 2012“.